2014-12-30

Praktiflex

Ein echtes Schnäppchen konnte ich am 4. Adventsonntag auf e-bay machen. Am 26.12. kam es dann quasi als verspätetes Weihnachtsgeschenk bei mir an, total verdreckt, aber komplett und funktional. Ich habe also ein paar Stündchen geopfert, das Ding feinsäuberlich zerlegt (ist gar nicht so schwer) und habe die Einzelteile gebadet und geputzt. Jetzt strahlt die Praktiflex wieder in fast altem Glanz, hat ein paar kleine Schrammen hier und da, funktioniert aber noch! Den Spiegel habe ich nicht ganz sauber bekommen, hier hatte ich zuviel Respekt die spiegelde Schicht zu entfernen.
Der Spiegel ist übrigends das Besondere an dieser Kamera, da es der erste Rückschwingspiegel an einer KB-SLR überhaupt war. Das war 1939, zehn Jahre vor der seltenen ungarischen Gamma Duflex, oder 15 Jahre vor der Asahiflex IIb, die als Praktiflex-Nachbau die nächste kommerziell erfolgreiche SLR mit einem (echten) Rückschwingspiegel wurde. Der Spiegel der Praktiflex ist eigentlich eine recht simple Konstruktion, da direkt mit dem Auslöser gekoppelt. Drückt man diesen herunter klappt der Spiegel hoch und am unteren Druckpunkt löst der Verschluss aus. Lässt man dann den Knopf los klappt auch der Spiegel wieder nach unten. Es gibt allerdings keine mechanische Sperre, die verhindern würde, dass der Spiegel runterklappt bevor der Verschluss fertig ist. Das ist bei der Praktiflex kein größeres Problem, denn es gibt keine längeren Zeiten als eine 20stel. Spätere echte Rückschwingspiegel sind dann mit dem Verschluss gekoppelt und nicht mehr nur mit dem Auslöser. 


Dennoch ist das ein interessantes Merkmal für eine Kamera, die im Vergleich zu ihrer Dresdener Konkurrentin  (Kine-) Exakta wesentlich einfacher gebaut war, und mit nur 120 RM auch entsprechend günstiger zu bekommen war. Beide Kameras wurden relativ erfolgreich, auch wenn der 2. Weltkrieg die technische Weiterentwicklung für fast 10 Jahre verzögerte. Ich bin jedenfalls froh, nun zwei Kameras in meinem Regal stehen zu haben, die zu den ersten 40'000 SLR für den Kleinbildfilm überhaupt gehören (Am Ende werden es ca. 212 Millionen weltweit werden, aber dazu demnächst hier mehr).


Ansonsten ist die Ausstattung der Praktiflex  zeitgemäß gehobenes Mittelmaß. Den Tuchschlitzverschluss und den Vorspulknopf samt Bildzählwerk kennt man so ähnlich z.B. von der Leica, das Filmhandling mit fester Spule wirkt fast modern. Als Normalobjektiv wird (u.a.) das legendäre Tessar mitgeliefert, das mit sagenhaften 14 Lamellen eine fast kreisrunde Blende produziert. Als Anschluss fungiert ein M40x1 Schraubgewinde, erst nach dem Krieg wird daraus das bekannte M42. Die Geschichte von K&W ist auch interessant, aber da möchte ich auf die Links unten verweisen. Die Praktiflex ist die Urmutter des erfolgreichsten deutschen Spiegelreflex-Herstellers, auch wenn der sich später VEB Pentacon und nicht mehr Kamerawerkstädten Niedersedlitz nennen wird.

Datenblatt KB-Spiegelreflexkamera
(erste mit Rückkehrspiegel)
Objektiv Wechselobjektive mit M40x1 Schraubgewinde, z.B. Carl Zeiss Tessar 5cm f/3.5, 4 Linsen in 3 Gruppen.
Verschluss Horizontaler Tuchschlitzverschluss mit 20-30-50-75-100-200-300-500 1/s und B.
Fokussierung Manuell am Objektiv, Spiegelreflex mit Einstelllupe (keine Mattscheibe!), keine sonstigen Einstellhilfen.
Sucher Spiegelreflex mit ausklappbarem Lichtschachtsucher, Einstelllupe, alternativ Sportsucher.
Blitz keine Anschlussmöglichkeit.
Filmtransport Drehknopf, Bildzählwerk, Rückspulknopf.
sonst. Ausstattung Leica-Glocke für Drahtauslöser, Rückkehrspiegel
Maße, Gewicht ca. 158x85x47mm, 682/812 g (o/m Objektiv)
Batterie keine.
Baujahr(e) 1939-1946, Version 8: 1940-1946, diese Kamera (Serien-Nr. 9121): ca. 1941
Kaufpreis, Wert heute 1939: 120 RM (mit Objektiv),
heutiger Wert ca. US$ 500/€ 350
Links Wikipedia, Taunusreiter, Camera-Wiki, Dresdener Kameras, Praktica Collector

2014-12-26

Lytro Review (Teil 5 - Living Pictures auseinander genommen)

 Lytro-Tiefenkarte (stack.depthmap.png, 328x328 Pixel)
Wenn es darum geht der Lytro unter die Haube zu schauen kann ich nur die Website von Jan Kucera empfehlen (The Lytro Meltdown), der die Kamera(s) nicht nur physikalisch auseinander genommen hat, sondern auch viele Einsichten in die verwendeten Dateiformate und andere eigentlich verborgene Dinge liefert. Allerdings hat sich insbesondere mit dem Erscheinen der Lytro Illum einiges an den Dateiformaten etc. geändert, was er in seinem Vorwort auch anmerkt und ich auch beim Vergleich bemerkt habe. Trotzdem ist es DIE Quelle, wenn es um Details geht. Ich werde hier nicht alles wiederholen, sondern nur mit meine eigenen Beobachtungen ergänzen.
Der Lytro raw-file hat eine Größe von 16.1 MB (3280x3280 Pixel, 12 Bit) und enthält per Definition alle wesentlichen Bildinformationen. Alle? Nein eben nicht, und das wird bei der Analyse der Dateistruktur relativ deutlich. Das Microlinsenraster vor dem Sensor (bestehend aus ca. 130.000 Linsen) sitzt wohl bei jeder Kamera an einer etwas anderen Stelle, was ein nachträgliches Rekalibrieren per Software notwendig macht. Circa 1 GB an Daten gehen für Kalibrierdateien etc. drauf, was den 8GB internen Speicher entsprechend schmälert.  Nach Jan Kucera werden diese Daten sogar auf den Computer übertragen, das konnte ich allerdings nicht nachvollziehen. Ggf. hat Lytro hier was bei den letzten Versionen geändert.
Überträgt man dann die Bilder, so werden diese von Lytro Desktop lichtfeldtechnisch durchgerechnet und landen in einer Bilddatenbank, softwaretechnisch verpackt in Lytro-Bibliothek.lytrolibrary, zu finden im Bilderordner. Die Software bläst dabei die 16.1 MB Rohdaten auf ca. 50 MB auf (ja, für jedes einzelne Bild mit einer Auflösung von 1134x1134 Pixeln !). Der Großteil dieser Daten findet sich in der Datei stack.preadjust.lfp, hier handelt es sich vermutlich um das durchgerechnete Lichtfeldbild mit mehreren Schärfeebenen, etc. Die restlichen Dateien sind dagegen klein und enthalten JPG Vorschaubildchen und Animations- und Ansicht-Informationen im JSON-Format.


Wie gesagt, das ist alles gut verpackt und der normale Anwender soll gar nicht merken, welchen Datenfriedhof er da anlegt. Bei mir kamen bei nur 45 Lytro-Bildern insgesamt 2.3 GB zusammen. Aber das ist noch nicht alles! Lytro Desktop erlaubt den Export verschiedener Datenformate (z.B. simple JPGs oder TIFFs), aber auch als Living Picture zum Weitergeben. Dabei wird nicht eine Datei pro Bild geschrieben, sondern ein ganzer Order mit dem Namen des Bildes angelegt, der immer folgendes enthält und dabei 72 MB groß ist:

Als erstes fällt stack.depthmap.png auf, die Tiefenkarte des jeweiligen Bildes (s.o.), welche in einer Auflösung von 328x328 Pixeln (ungefähr die Anzahl der Mikrolinsen!) mittels 7 verschiedener Graustufen die Gegenstände des Bildes anhand ihrer Entfernung zur Kamera klassifiziert. Dann gibt es 7 TIFF-files, die interessanterweise alle gleich scharf sind, allerdings durch unterschiedliche Perspektiven die 3D-Informationen enthalten. Zusätzliche Info wird stack.lfp gespeichert, sodass die Lytro-Wolke oder ein anderes Lytro Desktop wieder ein Living picture zusammenrechnen kann.
Gegen die Verwendung von TIFF-Dateien ist eigentlich nichts einzuwenden, sind sie doch ein äußerst flexibler Container. Man hätte z.B. alle 7 Ebenen in einer einzigen TIFF Datei und noch dazu mit Kompression verwenden können, sogar die Tiefenkarte hätte als weitere Seite hinein gepasst. Nein, jede TIFF-Datei auf unserem Stack hat 10.3 MB, u.a. weil jedes Pixel mit 16 Bit Farbtiefe abgelegt wurde.
Fazit: Wieder eine Enttäuschung hier. Der Resourcenverbrauch ist wirklich unangemessen. Auch wenn ich nicht alles verstehe, bin ich fest überzeugt, dass Lytro bei weitem nicht ihr Potential für weitere Optimierungen ausgeschöpft hat. Wie soll das weitergehen, wenn neue Generationen (wie die Illum) noch größere Datenmengen verarbeiten und speichern müssen? Als erstes muss eine ordentlich und angemessene Komprimierung her. Ich bin überzeugt, dass bei der gegebenen Bildqualität eine Dateigröße von sagen wir 1-2 MB ohne Verlust möglich ist. Das würde nicht nur Platz sparen, sondern auch bei der Geschwindigkeit helfen.
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2014-12-24

Lytro Review (Teil 4 - Lytro App)


Der natürliche Verbündete der Lichtfeld-Kamera heißt natürlich Smartphone, weil heute die allermeisten Fotos auf dessen Display angeschaut werden. Wenn es gelänge die Living Pictures hier nahtlos zu integrieren und jeder quasi natürlich mit den Dingern rumspielte, wäre Lytro am Ziel. Leider ist es noch ein weiter Weg dahin. Aber die Anfänge sind gemacht...
Obwohl die ersten Lytros irgendwann im Frühjahr 2012 ausgeliefert wurden, dauerte es noch über ein Jahr bis zum Sommer 2013 bis es endlich die App für iOS gab, gleichzeitig wurde die bisher verborgene WLAN Funktion der Kameras per Firmwareupdate freigeschaltet und seither können Lytro-Kameras zumindestens mit iPhones und iPads drahtlos kommunizieren. Eine Android Version wird für 2015 (irgendwann...!) angekündigt. Die jetztige iOS Version hört auf die Nummer 2.1.0 und läuft nur noch auf iOS 8.x.
Wer jetzt aber (wie ich) geglaubt hat, dass man Living Pictures auf dem iPhone speichern könnte, per e-mail oder WhatsApp verschicken etc., der irrt leider (man kann nur Links auf die Lytro Website verschicken). Sowas ging in der früheren Version 1.2 mal, dort gab es eine coole Funktion zum Export von animierten GIF-Dateien zu genau diesem Zweck. Warum es die jetzige Version nicht mehr kann, weiß ich leider nicht.
Die App übernimmt im wesentlichen zwei Funktionen. Erstens ist sie ein schicker Browser für's Lytro-Web, man bekommt in der allgemeinen Galerie genau dieselben Bilder gezeigt, wie auch auf der Titelseite der Website am PC. Allerdings läuft es (zumindestens auf meinem iPhone 6) viel flüssiger als im Browser und auch der Touchscreen scheint besser geeignet zur Interaktion als die Maus. Besonders cool kommt die Tatsache, dass die Bewegungssensoren im Telefon zur perspektivischen Verschiebung genutzt werden: Wackelt man mit dem Display, wackelt drinnen auch das Bild, und zwar in 3D! Die Blende stellt man mit einem Twist aus zwei Fingern ein. Hier ist er: der natürliche Verbündete der Lytrografie!
Zweitens fungiert das Telefon als Modem, um die Fotos in die Lytro-Wolke hochzuladen. Dazu aktiviert man an der Kamera das WLAN und wählt am Phone die Kamera als Hot-spot aus. Deren Funkreichweite ist recht kurz, weiter als ein paar Meter gehen nicht. Jetzt läuft vieles parallel zum Lytro-Desktop. Man bekommt kleine Vorschaubildchen für alle Bilder auf der Kamera, und kann nun Bilder einzeln anwählen. Dann wird Bild für Bild lichtfeldtechnisch durchgerechnet, selbst auf dem schnellen iPhone 6 dauert das ca. 5 Sekunden (pro Bild) und man bekommt den zirkulierenden Statusanzeiger zu sehen (siehe Bild links). Jetzt noch Bild-Überschrift und Location ausgewählt und das Ding für die Upload-Queue vormerken. Wenn man eine Datenflatrate seines Mobilfunkproviders besitzt kann man getrost die Option wählen, dass über den Mobilfunk hochgeladen wird. Der startet dann im Hintergrund. Wenn nicht, kann man zumindest theoretisch die App anweisen zu warten bis man wieder in seinem Heim-WLAN ist. Der anschließende Upload funktionierte bei mir nur mit einzelnen Bildern und nicht ganzen Serien. Einmal abgebrochene Uploads ("failed") lassen sich nicht neu starten. Hier bleibt also auch noch viel Arbeit für Lytro's team. 
Alle Uploads aus der App landen übrigends im Album "Mobile Uplaods", unabhängig vom Zeitpunkt und ob man mehrere Bilder gleichzeitig hochläd. Ändern läßt sich das nachträglich leider nicht. Auch hatte ich das Album auf der Website umbenannt (und hoffte ein neuer würde angelegt, weit gefehlt). Das Ganze ist wirklich sehr frustrierend und man kann nur auf zukünftige Verbesserungen hoffen.
Fazit: Wegen der des eingebauten und coolen Lichtfeld-Browsers bekommt die App die beste Note aller bisher getesteten Komponenten. Allerdings maximal ein Befriedigend, wegen der Mängel bei Geschwindigkeit und Bild-Upload. Außerdem fehlt die Integration in die Smartphone-Umgebung (soziale Netzwerke, etc.) Hier wünschen wir uns als ersten Schritt den GIF-Export zurück.

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2014-12-22

Lytro Review (Teil 3 - Lytro Web)

Neben der Kamera selbst ist Lytro Web wohl die wichtigste Komponente der "Lytrografie", so wie es der Fotoabzug oder die Diashow bei der klassischen Fotografie war/ist. Wie sonst soll man "Living Pictures" anders darstellen als auf Bildschirmen und was liegt da näher als das Internet als Galerie zu nutzen. Die Firma Lytro bietet dafür ihren Kunden kostenlosen Wolkenplatz an, man darf beliebig viele Bilder hochladen (öffentlich oder nur privat), betrachten und viel wichtiger: interagieren kann man mit den Bildern in beliebigen (modernen) Web-Browsern. Lytro hat sich vielleicht Flickr als Vorbild genommen, allerdings ist vieles noch im Anfangsstadium, obwohl schon 3 Jahre online und jetzt sogar schon die zweite Kamerageneration unterstützt werden muss. Immerhin funktioniert das was da ist ohne auffällige Bugs.
Aber auch hier wieder braucht man viel Geduld, genauso wie beim Lytro Desktop. Wenn man die Website öffnet, bekommt man die über Tage immer gleiche Top-Auswahl an kachelartig angeordneten Living Pictures zu sehen. Und gerade weil sie durch ständige Schärfe- und Zoomfahrten so lebendig gehalten werden, wird der anzeigende PC ganz schön gefordert. Ich hab's auf meinem kleinen Netbook (Acer Aspire one, AMD C50 Doppelkern Prozessor, 2 GB RAM) ausprobiert. Zunächst habe ich alle Anwendungen geschlossen und unnötige Hintergrundprozesse beendet. Dann Firefox (V34.0.5) geöffnet und den Taskmanager gestartet. Nach kurzer Zeit pendelt die CPU Last bei 1% oder 2% herum. Dann habe ich https://pictures.lytro.com angesurft, und der Prozessor schuftet danach ständig im Mittel bei 52% Last. Selbst komplexe Webanwendungen wie Google Docs oder ähnlich sind viel sparsamer mit den Resourcen. 
Aber das ist nicht die einzige Enttäuschung: Fotos lassen sich per Lytro Desktop oder per Smartphone-App hochladen. Man landet daraufhin in seinem privaten Bereich der Galerie (meiner ist hier), hat allerdings kaum weiteren Gestaltungsspielraum. Die einzigen Dinge, die man noch in der Web-Anwendung machen kann ist Bilder löschen oder beschriften. Läd man mehrere Bilder auf einmal hoch, dann landen diese (zwangsläufig) in einem gemeinsamen Album. Späteres hinzufügen oder umsortieren zwischen Alben ist bisher unmöglich. Das (und anderes) verspricht Lytro schon seit längerem, wie man im Support-Forum nachlesen kann
Auch eine Suchfunktion suche ich bisher vergeblich. Wofür sind dann eigentlich Bildunter- und überschriften gut? Auch kann man nicht nach anderen Benutzern suchen, selbst man man deren Benutzernamen kennt. Man muss hoffen, ein Bild von Ihnen in der allgemeinen Galerie zu finden, über dieses gelangt man dann in die entsprechende Galerie und kann sich auch die anderen Bilder und Albums anschauen.
Immerhin - und das ist in meinen Augen die beste Funktion - erlaubt Lytro seinen Nutzern die Living Pictures (einzeln oder als komplettes Album) in eigene Webseiten (oder HTML-emails) einzubinden. Ich habe das schon bei meinem Lytro-Selfie getan, hier kommt noch ein komplettes Album von meinem Besuch gestern in Acorn Hall




Auch hier das Fazit: Das Grundkonzept stimmt, ein ganz guter Anfang ist gemacht, aber es gibt für das Lytro Team noch viel zu tun. Fehlende Funktionen gilt es nachzurüsten, aber ganz besonders sollte man am Resourcenverbrauch arbeiten. Es verdirbt einem den Spaß, wenn man durch unnütze Schärfefahrten durch nebensächliche Bilder ausgebremst wird. Weniger wäre hier mehr.
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Lytro Review (Teil 2 - Lytro Desktop)

Lytro Bilder taugen nicht zu einfachen Abzügen oder Ausdrucken, dazu sind sie (a) zu schlecht in der Qualität und (b) natürlich nicht gedacht. Der ganze Spaß beginnt erst mit der Interaktion des Betrachters mit dem "Living Picture". Und dazu braucht man eine elektronische Anzeigeplatform, derzeit existieren 3 davon: (1) Lytro Desktop, die Software für den Heim-PC, (2) die Lytro App für's Smartphone, und (3) Lytro Web, die Galerie in der Wolke. Heute geht es hier um (1), jeder kann sich die Software von Lytro's Web-Site herunterladen, allerdings sollte man einen einigermaßen modernen und leistungsfähigen Rechner besitzen, am besten einen Mac (min. OS X 10.7), die Plattform auf der Lytro Desktop zunächst exklusiv lief. Inzwischen gibt es auch eine Windows Version, allerdings läuft die nur auf den aktuellen 64-Bit Systemen. Mein Versuch, sie auf einem 4 Jahre alten Netbook mit Win7 Home Starter (32-Bit) zu installieren scheiterte:
Zum Glück besitze ich noch einen (5 Jahre alten) iMac mit Core 2 Duo Prozessor und 4 GB RAM, was ungefähr die Minimalanforderungen sind. Die Software kommt recht schlicht daher und ist intuitiv benutzbar für jeden, der schonmal iPhoto oder andere Bildbearbeitungprogramme verwendet hat. Das Bild hier unten fasst ca. 90% der Funktionen in den fünf wichtigen Untermenüs zusammen, mehr ins Detail möchte ich hier nicht gehen. 
Los geht's in dem man die Kamera per USB-Kabel an den Rechner anschließt. Die Software zeigt daraufhin ziemlich zügig die Kamera in der Bibliothek inklusive Vorschaubildchen der einzelnen Fotos an. Diese kann man dann auswählen und importieren. Dafür muss man aber etwas Geduld mitbringen, eine Eigenschaft, die von der Software häufiger bemüht wird. Ich habe gestoppt: Der eigentlich Import von fünf Aufnahmen dauerte 11.5 Sekunden, danach wird das Lichfeld durchgerechnet, was mit einem kreisenden Fortschrittsymbol (siehe Bild oben) auf den Bildchen angezeigt wird. Pro Bild dauerte das bei meinem iMac zwischen 23 und 35 Sekunden! Man stelle sich nur vor, man hätte den 8 GB Speicher der Kamera ausgeschöpft und ca. 350 Aufnahmen zu importieren, das ergibt dann ca. 3 Stunden (in der Zeit wird immerhin der Akku auch wieder aufgeladen). Zum Glück kann man fertig gerechnete Bilder schon weiter bearbeiten, während andere noch im Hintergrund rechnen, allerdings hat man keinen Einfluss darauf in welcher Reihenfolge die Dinger abgearbeitet und fertig werden.
Hat man einzelne Bilder "geöffnet" kann man diese fast wie in jeder anderen  Bildbearbeitung verändern. Der Mausklick ins Bild setzt den jeweiligen Fokus. Das Neue ist, dass man neben Farben, Helligkeit und Kontrast nun auch die Schärfe bearbeiten kann. Die Blende, die physikalisch an der Kamera fehlt, ist hier als Sofware-Regler nachgebildet. Und zwar zwischen f/1.0 (möglichst große selektive Schärfe) und f/16 (alles scharf!). Das ist am Anfang wirklich spannend, nutzt sich aber schnell ab. Hat man eine Einstellung gefunden, kann die Sofware auch stinknormale Digitalbilder exportieren (JPG oder TIFF). Natürlich läd man auch von hier aus die Bilder in die Lytro-Wolke hoch, dazu später mehr.
Mit dem Funktionsmodus "Animieren" kann die Präsentation der Bilder für andere vorbereit werden, in dem man Schärfe- und Zoomfahrten durch seine Bilder zusammenklickt. Das Ganze wirkt ein bisschen wie ein Videoschnittprogramm. Mir erschließt sich der Sinn nicht wirklich, ich hätte nichts vermisst, wäre es nicht vorhanden gewesen.
Der Präsentationsmodus schließlich ist ein bisschen wie bei Powerpoint. Man zeigt seine Diaschau, gegebenenfalls mit den erwähnten Schärfe-und Zoomfahrten durch die Fotos. Man kann hier auch zwei 3D-Darstellungsvarianten anwählen, dazu später mehr.
Mein Fazit zum Lytro-Desktop: Intuitiv zu bedienende Software, die aber sehr resourcenintensiv ist und machmal die Geduld arg strapaziert. Der Spaß an der so wichtigen Interaktion mit den "Living Pictures" kann so leicht verloren gehen. Obwohl die Software schon bei Version 4 angekommen ist, muss wohl noch viel unter der Haube (Geschwindigkeit!), aber auch am Funktionsumfang getan werden (Zum Beispiel lassen sich Fotos bisher nur in einer Richtung und in 90° Schritten drehen).

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2014-12-17

Lytro Review (Teil 1 - Bedienung und erste Eindrücke)

Die Lytro kommt in einem wirklich schicken Karton, fast genauso wie ein iPhone, nur etwas größer. Es scheint fast als habe Apple dem kleinen Startup aus der Nachbarschaft (es sind nur 10 km Luftlinie zwischen beiden Firmenzentralen im Silicon Valley) das Verpackungsdesign etc. zu ihrem Marktauftritt geschenkt. Nach dem Auspacken war ich erst mal erstaunt von der Größe der Kamera (41x41x112 mm), sie wirkt auf Fotos immer irgendwie kleiner. Von der Form her ist sie außergewöhnlich, was wohl unterstreichen soll, dass sie auch im Inneren anders tickt als "normale" Kameras. Am Besten als Größenvergleich geeignet schien mir die Rollei 35, auch ein quaderförmiges Design mit nur ca. 10% mehr Volumen.  
Nach dem Auspacken kann man gleich loslegen, der Akku ist zu ca. 80% geladen, der Bildspeicher (8 oder 16 GB) fest eingebaut und nach einem Druck auf den (vermutlichen) Auslöser springt das Display an und ein zweiter Druck schießt das erste Foto. Scharfstellen entfällt ja und die Belichtungsautomatik tut was sie soll. Im Gegensatz zu so manch anderen Digitalknippsen scheint es kaum Auslöseverzögerung zu geben. Der erste Eindruck: super-schnell das Ding! Leider kann die Lytro das nicht wirklich ins Ziel bringen. Ein Rechtswisch auf dem recht intuitiv zu bedienenden Touch-Display bringt das eben geschossene Foto wieder zum Vorschein, allerdings heißt es jetzt ca. 3 Sekunden (!) warten, bis der Prozessor das "Living Picture" durchgerechnet hat. Über solche Wartezeiten stolpert man leider immer wieder, ich werde das nochmal beim Softwareteil thematisieren. 
Insgesamt gibt es nur vier Bedienelemente: 1) besagten Auslöser auf der Oberseite, der auch als Anschalter fungiert, 2) einen Abschalter auf der Unterseite, 3) einen kapazitiven Zoomslider hinter dem Auslöser, lediglich an einer winzigen Riffelung zu erfühlen und erst mal überhaupt nicht intuitiv, und schließlich 4) das Touch-Display mit einem gut gelungenen und auf's Wesentliche beschränkten Software-Menu. Neben den Bedienelementen gibt es dann nur noch einen magnetisch haftenden Objektivdeckel, eine Öse zum Anbringen einer Handschlaufe und den mit Silikondeckel versehenen Micro-USB Anschluss.
Das Display ist eine kleine Enttäuschung. Ich fühlte mich ca. 11 Jahre zu meiner ersten Digitalkamera zurückversetzt, die hat ein fast genauso großes und ähnlich schlecht auflösendes (Lytro: 128x128 Pixel!) LCD Display (noch dazu spiegelt es...). Man mag einwenden, das wegen des speziellen Designs nicht mehr Platz geblieben ist. Allerdings ist für mich unverständlich, warum dann der schwarze Rand und die geringe Pixel-Auflösung. Im Jahr 2012 kann man schon was besseres erwarten (ILLUM, die 2. Generation, hat inzwischen ein höher auflösendes (480x800) 4 Zoll Display!).
Die Menü-Führung des Touch-Screens ist simple und konsequent ausgeführt, das ist wirklich Apple like. Man findet sich schnell zurecht und sogar die manuelle Kontrolle über Verschlusszeit und Empfindlichkeit (eine Blende gibt es ja nicht!) ist unabhängig voneinander möglich. Der interne 4-Blendenstufen ND Graufilter läßt sich dann manuell steuern, wenn auch alles andere fixiert ist. Man kann außerdem einen Selbstauslöser benutzen, den Lade- und Speicherzustand kontrollieren sowie Bilder löschen. Außerdem funkt die Lytro im WLAN, zum Datentransfer auf's Smartphone, aber dazu später mehr.
Dann also raus in die Welt und Fotos machen. Das geht recht flott von der Hand, allerdings kann der Sensor bei der Bildqualität die wir von modernen Digitalkameras oder sogar Smartphones gewohnt sind lange nicht mithalten. Simple Bilder wie Landschaftsaufnahmen oder einfache Protraits macht man besser nicht mit ihr, man wird nur enttäuscht! Die Auflösung ist mit 1080x1080 Pixeln unterirdisch, dazu kommt ein übermäßiges Rauschverhalten bei schlechtem Licht, außerdem überstrahlen die Spitzlichter recht seltsam.
Aber dazu ist sie ja eigentlich auch nicht gedacht. Geht man ganz nah ran an die Dinge (bis fast zur Linse vorne möglich), dann ergibt sich eine interessante Perspektive und das Spiel mit der Schärfe kann beginnen. Viele, viele Aufnahmen auf Lytro's Website zeigen das kreative Potential, auch wenn viele der neueren schon mit der Lytro ILLUM gemacht sind. Die neue Kamera einen deutlich höher auflösenden Sensor und bügelt einige der o.g. Schwächen aus.
Das ganze Konzept ist also auf eine andere Art der Foto-Betrachtung ausgelegt. Keiner wird ernsthaft erwägen (nur) Abzüge zu drucken. Also werden die Bilder auf Lytro's (kostenlose) Web-Site hochgeladen, am Computer oder am Smartphone betrachtet und interaktiv verändert. Zunächst wirklich faszinierend. Allerdings muss ich zugeben, dass sich der Effekt recht schnell auch abnutzt.
Mehr zum diesem Thema in meinen nächsten Beiträgen...

2014-12-15

Lytro Lichtfeldkamera

Fast genau vor drei Jahren wurde sie offiziell angekündigt und ich habe fasziniert berichtet. Allerdings war meine Faszination nicht groß genug, dass ich $399 ausgegeben hätte, um ein paar fotografische Experimente zu machen. Jetzt am Cyber Monday (dem Montag nach Thanksgiving, wo Elektronik zum Schnäppchenpreis angeboten wird) gab es sie für $99 sogar inklusive Stativhalterung, Schnellladegerät und persönlicher "Gravur" (siehe Bild). Ich habe also zugegriffen und werde hier von meinen Lichtfeld-Gehversuchen berichten.
Das ist sie also, Lytro's erste und überhaupt die erste kommerziell erhältliche plenoptische (Lichtfeld-) Kamera. Inzwischen gibt es mit dem Modell ILLUM sogar schon die zweite Generation, ein tatsächlich in vielen Belangen deutlich verbessertes Modell, allerdings mit $1599 auch ein recht teurer Spaß. Ich gehe mal davon aus, dass das erste Modell nicht mehr gebaut wird und man derzeit die (umfangreichen ?) Restbestände an den Mann bringen will. Die Kamera ist also seit ein paar Tagen bei mir und meine ersten Eindrücke schwanken zwischen Erstaunen und Enttäuschung, mehr dazu in einer kleinen Review-Serie, die ich über Weihnachten hier posten werde.

So ein Post wäre unvollständig ohne ein sogenanntes "Living Picture", einfach mal ein bisschen mit rumspielen, das Fragezeichen unterm Bild erläutert, was möglich ist.

2014-11-29

Canon Pellix

Versetzen wir uns in Canon's SLR Entwicklungsabteilung zu Beginn des Jahres 1961. Seit 1959 hat man mit der Canonflex Serie die erste eigenen SLR am Markt, man konnte einen Aufsatzbelichtungsmesser aufstecken, der neueste Schrei. Die Integration von Belichtungsmessern an und in die Kameras ist das Thema, was die Kamerawelt bewegt. Die Entwickler bei Canon designen gerade die RM, mit Selen-Messer inklusive des charakteristischen Wabenfensters nebem dem Prisma. Die Kamera wird allerdings dadurch noch wuchtiger als das ursprüngliche Canonflex design ohnehin war. Die Konkurenz ist da schon deutlich kompakter. 1960 zeigte dann auch noch der große Wettbewerber Asahi Pentax einen Prototypen mit TTL Messung auf der Photokina, ein Schock für Canon und die meisten anderen Konkurenten. Topcon reagierte am schnellsten und brachte 1963 mit der RE Super die erste TTL Kamera auf den Markt (sogar mit Offenblendmessung!). Pentax's Spotmatic SP kam erst 1964 wurde aber die hübschere und bei weitem erfolgreichste SLR der 60er.
Nun aber zurück zu unseren Entwicklern bei Canon. Die Geschäftsleitung hat den Auftrag erteilt, ein neues, kompakteres und massentaugliches Modell zu entwickeln, das sich eher an den erfolgreichen Konkurenten denn an dem alten Canonflex Design orientieren soll. Heraus kommt die Canon FX mit eingebautem (aber exterem) CdS Belichtungsmesser. Spätestens ab 1963 ist klar, dass unbedingt auch eine Variante mit TTL her muss. Da trifft es sich gut, dass Canon's Entwicklungsingenieur Takeshi Goshima schon 1958 ein Patent für eine TTL Belichtungsmessung angemeldet hat (US 2,937,582), allerdings damals noch für eine Messsucherkamera, bei der ein Paddel mit der Messzelle am Kopf zum Messvorgang in den Strahlengang geschwenkt wird. Bei einer Spiegelreflex ist dafür jedoch der Spiegel im Weg. Da hat man sich wohl gedacht: Machen wir den Spiegel halt halbdurchlässig, und bei weiterem Nachdenken über die Idee und deren Umsetzung, haben sie sich komplett in die Idee des feststehenden, teildurchlässigen Spiegels verliebt. Vermutlich war es die Marketing Abteilung, die Morgenluft witterte und es der Konkurrenz mit einer technischen Revolution zeigen wollte. Dafür taufte man sogar die Kamera PELLIX (kommt vom lateinischen Pellicula = dünne Haut, als Pellicle Mirror bezeichnet man halbspieglende/halbtransparente Folien), bisher wurden Kameras stets nüchtern mit Buchstaben oder Zahlen benannt. Auch wanderte der Markenname klein auf die rechte Kameraseite und machte Platz auf dem Prisma, wo nun groß PELLIX prangte. Teil der Verliebtheit in das neue Prinzip wurde sicherlich auch von den $ (oder ¥)-Zeichen im Auge befeuert, denn ein feststehender Spiegel läßt sich bedeutend einfacher und billiger (!) produzieren als ein mit dem Verschluss koordiniert klappender Rückschwingspiegel. Nun, so oder ähnlich könnte es gewesen sein, ich war leider nicht dabei.
 
Im März 1965 kam die Kamera also auf den Markt, leider nur (immerhin?) als vierte KB-SLR mit TTL Messung.  Die Medallien gingen an 1. Topcon RE Super (1963), 2. Alpa 9d (1963) und 3. Asahi Pentax Spotmatic SP (1964). Tja, und die Käufer verliebten sich nicht so wie erhofft in das neue Spiegelprinzip, in den ersten 12 Monaten verkauften sich lediglich ca. 35,000 Stück. Im gleichen Zeitraum verkaufte sich Pentax' Spotmatic über 200,000 mal und sogar Nikon's teurere F über 50,000 mal, zu der übrigends auch 1965 der TTL finder Photomic T erschien. Hier nochmal die beworbenen Vorteile und die (meist nicht erwähnten) Nachteile:

(+) Sucher verdunkelt nicht während der Aufnahme. Macht eigentlich nur Sinn für die Action und Sport-Fotografie (s.u.) 
(+) Weniger Erschütterung (kein Spiegelschlag) für Langzeitaufnahmen. Im Prinzip könnte der Verschluss so leise ablaufen wie bei einer Messsucherkamera, tut er aber nicht! 
(-) dunklerer Sucher, der ca. 1/3 des Lichtes abbekommt. Das entspricht 2/3 Blendenstufen Abblenden, oder das f/1.2 50 mm wirkt im Sucher wie sonst ein f/1.7.
(-) weniger Licht für den Film (2/3 der Lichtmenge).  Das entspricht 1/3 Blendenstufen, das f/1.2 50 mm wird zu einem f/1.4, das f/1.4 zu einem f/1.7 etc. Oder man muss einen DIN entsprechend empfindlicheren Film verwenden.
(-) Schmutz auf dem Spiegel stört nicht nur im Sucher, sondern kommt mit auf's Bild!
(-) mechanische Empfindlichkeit der Spiegelfolie. Viele Kameras mussten angeblich deswegen zum Service.
(-) Fremdlicht kann bei geöffnetem Verschluss über den Sucher auf den Film gelangen. Dagegen hatte Canon einen Okularverschluss eingebaut.
(-) Direktes Sonnenlicht könnte ggf. Löcher in einen Tuchschlitzverschluss brennen, da dieser nicht mehr von einem echten Spiegel beschattet wird. Dagegen hat Canon extra einen besseren Metallfolienverschluss verbaut.

Ich denke bei nüchterner Betrachtung wird schnell klar, dass hier mehr Nachteile als Vorteile zusammenkommen und die (teilweise) Beseitigung der Nachteile die Kostenvorteile des einfacheren Spiegels wieder aufzehren. Canon hat die Kamera als QL (quick load) Version noch bis 1970 im Programm gehalten und nur insgesamt 111,000 Stück verkauft. Schon 1966 kam mit der FT eine klassische SLR mit stop-down TTL, die viel besser lief (550,000). Diese war die direkte Grundlage für die FTb, Canon's erster wirklicher SLR Bestseller (1,800,000).
Das Pellix-Prinzip ist der SLR Welt aber durchaus erhalten geblieben und zwar für sogenannte High-Speed Motor Kameras von Canon und später auch Nikon, die bis zu 10 Bilder pro Sekunde durchziehen können, eben weil kein Klappspiegel sie mehr ausbremst. Auch die Tatsache, dass das Sucherbild während der Aufnahmen stehen bleibt, ist essentiell für solche Action-Fotografie. Und Sony setzt seit der A55/A33 (2010) das Prinzip bei allen neuen Alpha-DSLR's ein, allerdings um Phasen-AF kontinuierlich während Video-Aufnahmen bieten zu können - der Sucher ist allerdings ein (gutes) EVF-Display. Aber auch hier hat die Marketing Abteilung wieder zugeschlagen und bezeichnet das Ganze als Translucent Mirror Technology, auch wenn translucent eigentlich nur "lichtdurchlässig", nicht aber "bilddurchlässig" bedeutet. Nun ja, sie sammeln dafür sogar aktuelle Innovationspreise ein, ohne Canon's Pellix von 1965 zu erwähnen. Warum auch, das machen dann eben andere...


Datenblatt Mechanische KB-Spiegelreflexkamera mit TTL-Nachführbelichtungsmessung
Objektiv Canon FL Bajonett, hier mit Canon FL 50 f/1.8 (6 Linsen in 4 Gruppen, vergütet)
Verschluss Horizontaler Metallfolienverschluss, 1s - 1/1000 s und B. Blitzsynchronisation 1/60s.
Belichtungsmessung eingeschwenkte CdS-Zelle, TTL abgeblendet. Nachführmessung mit Nadelanzeige im Sucher. Empfindlichkeitseinstellung 10-800 ASA. 
Fokussierung SLR mit feststehendem, teildurchlässigem Spiegel (20µm Mylar), Mattscheibe mit Mikroprismenzentrum, nicht auswechelbar.
Sucher Spiegelreflex, 90-93% des aktuellen Bildes, 0.86x Vergrößerung bei 50 mm Brennweite
Blitz Synchronbuchse (X), 1/60s Synchronzeit.
Filmtransport Schnellspannhebel, Bildzählwerk, Rückspulkurbel.
sonst. Ausstattung ISO-Gewinde für Drahtauslöser, mechanischer Selbstauslöser (10 s) = Abblendtaste, aktiviert gleichzeitig Belichtungsmessung, Auslösesperre, Sucherokularverschluss gegen Fremdstreulicht, Batterietester, Stativgewinde
Maße, Gewicht ca. 141/90/49 mm, 707g (950g m. Objektiv)
Batterie 1.35V PX625 (oder 1.35 V Alternative)
Baujahr(e) 1965 (1966 abgelöst von Pellix QL),
nur ca. 35.000 Exemplare
Kaufpreis, Wert heute 58,000 ¥, DM 1200 (1965), heutiger Wert ca. US$50
Links Photoethnography, Wikipedia, Manual (english), Camera-Wiki , mir.com.my, Canon Camera Museum, James Ollinger

2014-11-20

Metz ist pleite

Die Metz-Werke sind pleite, musste ich heute in der Zeitung lesen. Die Medien berichten hauptsächlich über den Fernseh- und Unterhaltungselektronik-Hersteller. Dass sie aber auch zu den führenden Blitzgeräteherstellern gehören, weiß jeder Fotointeressierte. Meinen Mecablitz 32 CT-3 habe ich hier schon vorgestellt und der Post genießt überdurchschnittliche Aufmerksamkeit.
Jetzt kommt erstmal das Insolvenzverfahren und es bleibt zu hoffen, dass zumindest Teile des Unternehmens (z.B. die Blitzgerätesparte?) überleben und gegebenenfalls einen neuen Investor finden. Warten wir's ab...

2014-11-19

Nikon S @work

Am letzten Freitag war es soweit, einen Fujicolor C200 habe ich meine "neue" Nikon S eingefädelt und mich dann per Zug auf den Weg nach Manhatten gemacht, ich hatte da was zu erledigen. Es war zwar kalt, am Morgen konnte man den ersten Schnee auf Autodächern sehen, aber die Sonne schien. Ideale Bedingungen eine alte Kamera auszuprobieren. Und, das Ding kommt echt cool rüber. In New York bin ich innerhalb weniger Stunden insgesamt drei Mal auf die Kamera angesprochen worden, eine Verkäuferin meinte, es wäre sicher eine neue (auf alt getrimmte) Digitalkamera. 


Den Verschluss hatte ich ja schon mit meiner neuen iPhone-Methode getestet und wusste, dass bis auf die 500stel alles im Rahmen ist. Dabei ist mir aber auch die einzige technische Schwäche der Kamera aufgefallen: Beim Spannen des Verschlusses ist er nicht ganz lichtdicht, der zweite Vorhang hängt etwas hinter dem ersten her und eine millimeterweite Lücke klafft zwischen beiden. Ich wusste also was zu tun war: Jeweils beim Spannen immer schön den Objektivdeckel drauf! Was soll ich sagen: Ich hab's natürlich ein paar mal vergessen und je nach Umgebungslicht helle Streifen auf der rechten Bildseite erzeugt. Vermutlich könnte ein Service diese Schwäche des Verschlusses beheben, ich werde es aber vermutlich nicht machen (lassen). Bei meinen Testfotos habe ich meist die 100stel oder 60stel verwendet, in Innenräumen aber auch die 40stel aus der Hand! Die Aufnahme unten von Grand Central Station ist 1/4, aufgestützt auf die Brüstung.  
 

Als Belichtungsmesser habe ich auch mein iPhone bemüht, es gibt eine App dafür (Pocket Light Meter). Aber schon nach einer kurzen Zeit gewöhnt man sich daran, Zeit und Blende auch nach Gefühl zu stellen. Die Blende ist was ganz spezielles am Nikkor 5cm f/2, insgesamt 10 Lamellen erzeugen eine fast kreisrunde Öffnung, wo sieht man sowas heute noch? Man kann relativ einfach auch Zwischenwerte einstellen, allerdings dreht sich der Indexpunkt beim Fokussieren mit dem Objektiv, nicht besonders ergonomisch.

Fokussieren ging nach etwas Eingewöhnung auch gut von der Hand, der Entfernungsmesser ist sehr präzise und gut im Sucher zu erkennen. Bei späteren Nikons (S2, S3 und SP) soll das sogar noch besser sein. Hakelig und etwas störend war nur die Unendlichsperre und die (bei meinem Exemplar) recht schwergängige Fokussierschnecke, ggf. würde Öl helfen, ich traue mich aber nicht welches dranzutun. Der Sucher selbst könnte etwas größer sein, er zeigt wohl auch nicht das ganze Bildfeld und eine Paralaxenmarkierung oder gar -korrektur gibt es auch nicht. Dafür waren bei Nikon später ja auch die Nachfolgemodelle zuständig. Auch die Naheinstellgrenze von nur 3 ft (ca. 1m) ist in heutigen Zeiten, wo man mit dem iPhone fast beliebig nah ran kommt, sehr gewöhnungsbedürftig.
Ansonsten muss ich sagen, hat das Fotografieren damit wirklich Spaß gemacht. Der Verschluss läuft extrem leise und ruhig, im lauten Manhatten fragt man sich oft: War's das jetzt? Der Verschlussaufzug ohne Schnellschalthebel ist etwas lästig, der Hebel kam dann ja 1954 mit der S2.
Ein paar Features der Kamera konnte ich mangels zusätzlichem Zubehör nicht wirklich ausprobieren. Objektivwechseln gelingt dank Bajonett recht einfach, ich habe nur leider kein Wechselobjektiv. Es ist wohl trotzdem fummeliger als mit modernen SLR-Bajonetten. Völlig anders ist der Blitzanschluss und man muss wohl sehr lange suchen um die speziellen Stecker zu finden (oder ein Kolbenblitzgerät mit solchen). In meiner Bedienungsanleitung, die noch original zu meiner Kamera gehört, gibt es handschriftliche Kommentare zum Blitzen, die den Angaben von Nikon zur Verwendung kurzer Zeiten widersprechen.
Der Film war recht schnell mit New York Impressionen gefüllt, mit den letzten Bildern habe ich noch Herbststimmung bei uns im Neighborhood eingefangen. Am Samstag zu The Photoplace zum Entwickeln und Scannen geschickt, heute Mittag (Dienstag) hatte ich die JPG-Dateien in der Dropbox und war beeindruckt (einfach auf die Fotos hier klicken und die höhere Auflösung sehen...).

2014-11-13

Cosina CT-1, die generische SLR


Die Cosina CT-1 von 1979 ist einer speziellen Weise eine besondere Kamera und sollte in keiner ernsthaften SLR Sammlung fehlen. Sie ist das Destillat von 4 Jahrzehnten SLR-Entwicklung und vereint alle jene Komponenten, Materialien und Designmerkmale, die sich in dieser Zeit gegenüber ihrer jeweiligen Konkurrenz durchgesetzt haben. In einem Wort: die GENERISCHE Spiegelreflex.
In a special way Cosina's CT-1 from 1979 is an outstanding camera and should not be missing in any serious SLR collection. It is the distillate from 4 decades SLR development and combines all those components, materials and design features that have prevailed during this period compared to their respective competitors. In a word, the GENERIC SLR.
Sie hat alle wesentlichen Funktionen, die man Ende der 70er von einer SLR erwartete, und auch alle Bedienelemente dort, wo man sie vermutete. Gleichzeitig verzichtet sie auf alles Besondere. Die Kamera hat tatsächlich nichts, was an anderen Kameramodellen nicht schon ausprobiert und optimiert worden wäre.
It has all the essential features that one expected from an SLR at the end of the '70ies'. Also all the controls are where they are susposed to be. At the same time it has nothing special. The camera actually does not have anything that would not have been tried and optimized on other camera models already .
Cosina startete als optischer Betrieb und betrat die Bühne der Kamerabauer erst 1973, zu einem Zeitpunkt als andere gerade die Segel strichen (Besonders die deutsche Kameraindustrie, aber auch  japanische Firmen wie Topcon, Miranda und andere, die keiner heute mehr kennt). Die Familie Kobayashi starte mit (ebenfalls generischen) M42 Modellen und guckte sich das jeweils Beste von der Konkurenz ab. Konsequenterweise wechselte man 1978 zum (lizenzfreien) Pentax K-Bajonett, von dem viele damals glaubten es würde sich zum allgemein akzeptierten Industriestandard mausern. Mit diesen generischen Kameras hatte die Firma Cosina aber schnell ihre Bestimmung gefunden: Als kleiner, flexibler und unabhängiger Hersteller bot man internationalen Vertriebsgesellschaften an, genau diese Durchschnittkameras unter anderen Markennamen zu bauen (erster Coup). DieListe der Kameras, die Cosina unter anderem Namen hergestellt hat ist recht umfangreich und die allermeisten basieren auf diesem CT-1 Grundmodell. Im Laufe der Zeit kam ein schnellerer Copal Verschluss (bis 1/2000 s) zum Einsatz, das Grundprinzip blieb und kann am Besten an der Anordnung der drei charakterischen Bedienelemente Schnellspannhebel, Auslöser und Zeitenrad erkannt werden.
Cosina started as an optical factory and did not enter the scene of the camera producers until 1973, at a time when others just gave in (especially the German camera industry, but also Japanese companies like Topcon , Miranda and others that no one knows anymore today). The Kobayashi family started with (also generic) M42 models and copied the best features from the respective competition. Consequently, they changed in 1978 to the Pentax K-bayonet (public doamain), which many at the time believed to become the generally accepted industry standard. With these generic cameras the Cosina people quickly found their destiny: As a small, flexible and independent producer they offered to build cameras for international distributors, using their brand names (first coup). The list of cameras that Cosina produced under different names is quite long and the vast majority are based on this CT-1 base model. Over time, a faster shutter (Copal, up to 1/2000 s) was used. The basic principle remained the same and can be detected best by the arrangement of the three charakteristic controls: quick-release lever, trigger and shutter speed dial.
Als die Ära der klassischen SLR's ab Ende der 1980er durch die neue AF-Generationen  abgelöst wurde, entschlossen sich schließlich die großen Kamerahersteller, zumindest ein klassisches Modell im Programm zu halten, um ihre alte umfangreiche Objektivpalette weiter zu unterstützen. Sie suchten also einen Lohnfertiger für die Kameras und fanden: Cosina (zweiter Coup). So kommt es, dass sich Nikon FE10/FM10, Canon T60, Olympus OM2000 und andere alle technisch auf die CT-1 zurückführen lassen und mit ihren jeweiligen Markenschwestern nicht viel mehr gemein haben als das jeweilige Bajonett und den Namen auf dem Prisma. Pentax und Minolta wählten einen anderen Weg und verschoben ihre alten Werkzeugmaschinen nach China und produzierten dort Kameras wie die K-1000 und X-370. Die K-1000 ist übrigens bei fast identischer Spezifikation einer der wichtigsten Konkurenten zur Cosina CT-1 und ihren Zwillingsschwestern.
As the era of classical SLR's from the late 1980s has been replaced by the new AF generation, the major camera manufacturers decided to keep at least one classical model in the portfolio, to support the old range of non AF-lenses a little longer. Therefore they looked for a contract manufacturer for the cameras and found: Cosina (second coup). It happens that Nikon FE10 / FM10 , Canon T60 , Olympus OM2000  and others all can be technically traced back to the CT-1 and do not have much more in common with their brand sisters than the respective bayonet and the name on the prism. Pentax and Minolta chose another path and moved their old production tools to China and produced cameras like the K-1000 and X-370th over there. The K-1000 is a way with an almost identical specification the closest competitor to Cosina's CT-1 and its twin sisters.
Cosina's dritter Coup  und der Grund, warum sie als Hersteller mechanischer Kameras im Zeitalter der Digitalfotografie immer noch existieren, ist die Sache mit Voigtländer (ich hatte es hier schon mal erwähnt...).  1999 erwarb man nämlich teilweise Namensrechte an der ältesten Fotomarke der Welt und stellte auf Basis des CT-1 Chassis eine manuelle Messsucherkamera vor, die es mit Leica's M Serie aufnehmen sollte. Man hatte wohl richtigerweise geahnt, dass mit der digitalen Fotorevolution manuelle Filmkameras wohl langfristig nur noch in einer (und genau dieser) Nische existenzfähig sind. Sogar Carl Zeiss sprang noch auf diesen Zug auf und bot zeitweise eine eigene, angeblich hochwertigere Messsucherkamera an. Bitte mal raten, wer diese im Auftrag produziert hat: Cosina! Auch gab es zeitweise eine Voigtländer Bessaflex SLR mit M42 Gewinde, richtig: auch hier steckt die CT-1 noch drin. 
Cosina's third coup and the reason why they still exist as a manufacturer of mechanical cameras in the age of digital photography, is the story around Voigtländer (I had mentioned it here before).  In 1999 they acquired partially the name rights for the oldest photo brand of the world. On the basis of the CT-1 Chassis they presented manual rangefinder cameras to take on Leica's M series. Cosina's assumption probably was correct that manual film cameras can only survive in one (and exactly this) niche during the digital photo revolution. Even Carl Zeiss jumped on the train and offered its own, supposedly better quality rangefinder camera. Please guess who produced it on Zeiss' behalf: Cosina! Also, for a short time there was a Voigtlander Bessa Flex SLR with M42 thread, again the CT-1 was its basis. 
Eine persönliche Geschichte zur Kamera muss ich aber auch noch loswerden. Im Mai 1982, als ich meine allererste SLR erwarb (Nikon EM) kaufte auch mein damals bester Freund sich seine SLR Ausrüstung: eine Vivitar XV-1 (genau, eine Fremdmarken CT-1) und gleich mit extra Weitwinkel und Teleobjektiv. Ich war natürlich neidisch auf seine extra Objektive, hätte aber für mich selbst niemals diese Entscheidung für eine solche "Billigmarke" getroffen. Und irgendwie billig gebaut sind sie schon. Auch wenn meine CT-1 oben auch nach 35 Jahren noch funktioniert (sie wurde vermutlich kaum benutzt) fühlt sie sich in der Hand einfach nicht so wertig an, wie die meisten SLRs, die ich in meiner Sammlung habe. Allein das Gehäusegewicht von lediglich 420 g spricht Bände (meine FT3 von 1977: 750g!). Trotzdem war ich neulich froh eine CT-1 in diesem Zustand bei e-bay zu bekommen, es ist nämlich gar nicht so einfach, wie man annehmen sollte.
And here is a personal story to the camera. In May 1982, when I bought my very first SLR (Nikon EM ) also my then best friend bought his SLR equipment: a Vivitar XV-1 (exactly: a foreign brand CT-1) and from the beginning with an extra wide angle and a telephoto lens. Of course I was jealous of the extra lenses he could afford, but even at the time I wouldn't buy such a "cheap brand". And somehow cheaply built they are. Although my 'new' CT-1 here is still working after 35 years (it was probably not used at all) it just feels less valuable than most other SLRs I have in my collection. Look at the body only weighing 420 g (compare my Nikon FT3 from 1977: 750g!). Still, I was glad to get a CT-1 in this condition, it is in fact not as easy as one might think.

Datenblatt Data Sheet Mechanische KB-Spiegelreflexkamera mit Nachführbelichtungsmessung Mechanical SLR with Match Needle Metering
ObjektivLens Pentax K BajonettPentax K Mount
Verschluss Shutter Vertikaler Metalllamellenschlitzverschluss, 1s - 1/1000 s und B. Blitzsynchronisation 1/125s. vertical metal blade focal plane shutter, 1s - 1/1000 s and B. flash sync X=1/125s.
Belichtungsmessung Meter Zwei CdS-Zellen, TTL. Nachführmessung mit +/-Nadelanzeige im Sucher. Empfindlichkeitseinstellung 25-1600 ASA.  two CdS cells, TTL. +/- Match needle in viewfinder. Sensitivity 25-1600 ASA. 
Fokussierung Focussing SLR, Mattscheibe mit Mikroprismenzentrum, nicht auswechelbar. SLR, focusing screen with micro prisma center, not interchangable.
Sucher Viewfinder Spiegelreflex, 93% des aktuellen Bildes, 0.86x Vergrößerung bei 50 mm Brennweite SLR, 93% of the actual picture, 0.86x magnification at 50 mm focal length
Blitz Flash Mittenkontakt im Zubehörschuh und Synchronbuchse (X). 1/125s Synchronzeit. Hot shoe and PC socket (X). 1/125s shutter sync.
Filmtransport Film advance Schnellspannhebel, Bildzählwerk, Rückspulkurbel. Quick advance lever, image counter, rewind crank.
sonst. AusstattungOther Features ISO-Gewinde für Drahtauslöser, mechanischer Selbstauslöser (10 s), keine Abblendtaste, Auslösesperre und Hauptschalter bei angeklapptem Schnellspannhebel ISO cable release thread, mechanical self-timer (10 s), no stop-down lever, release lock and main switch realized with advance lever
Maße, GewichtSize and Weight ca. 133/85/48 mm, 420 g
Batterie Battery 1.35V Hg (funktioniert auch mit 1.5 V LR44)1.35V Hg (works also with 1.5 V LR44)
Baujahr(e) Production Year(s) 1979, ab 1980 als CT-1A1979, since 1980 as CT-1A
Kaufpreis, Wert heute Original Price, Today's Value DM 199 (1980), heutiger Wert ca. US$10DM 199 (1980), today's value about US$10
Links The casula collector, Wikipedia, Manual (english), Camera-Wiki , Cosina made Kamera Liste, Simon Hawketts, Dante Stella

2014-10-31

Verschlusszeitentester Nr. 3 (iPhone 6)

Verschlussablauf der Nikon S, spaltenweise von links oben bis rechts unten.

Ich habe an dieser Stelle schon zwei verschiedene Verfahren zum Testen von Verschlusszeiten vorgestellt: 1) per Photodiode und Soundeingang am Computer, 2) per Grauabgleich mit einer Digitalkamera (und hier der Vergleich der beiden Methoden).
Hier nun Methode Nr. 3: Man nehme eine Videokamera, die fähig ist deutlich mehr als 30 Bilder pro Sekunde aufzunehmen, also Zeitlupen (Slow-Motion) produzieren kann und filme eine Zeitlupe vom Verschlussablauf. Ich habe selbst keine Ahnung welche verschiedenen Kameras das alles können, für mich ist nur wichtig dass ich seit kurzem selbst eine besitze: mein iPhone 6. Das kann 240 fps (frames per second), also alle 4.167 ms ein Bild. Und iOS 8 enthält auch iMovie, mit dem man den erzeugten Slo-mo-clip bearbeiten und analysieren kann. Bei meinen Versuchen, erwies es sich als wichtig, dass die Videos bei genügend Licht aufgenommen werden, da sonst die Einzelbilder arg "verwischen" und nicht mehr scharf ausgewertet werden können. 

 

Bei iMovie oder einem anderen Video-Editor (z.B. die Freeware VirtualDub) heißt es nun die Frames (Einzelbilder) zählen, bei denen der Verschluss offen ist. Im obigen Fall (Nikon S, siehe Bild ganz oben) brauchte der erste Verschlussvorhang 7 frames, d.h. 29 ms für die Strecke von 34 mm (sic!). Damit ergibt sich eine Verschlussgeschwindigkeit von ca. 1.17 m/s, nicht besonders schnell. Der zweite Vorhang startet aber schon bevor der erste sein Ziel erreicht hat. Den Abstand vom ersten Vorhang habe ich an einem der Frames zu 25 mm bestimmt, d.h. 73.5% (25/34) des Bildes waren zu jederzeit frei, oder anders ausgedrückt: die Belichtungszeit betrug 73.5% x 29 ms = 21.3 ms = 1/47 s. Eingestellt war 1/60 s, das ist eine leichte Überbelichtung um 27%.
So einfach die Methode auch scheint, ist sie doch mit einem recht ordentlichen Fehler behaftet, der einzig an der verfügbaren Framerate der Videokamera hängt. 240 fps sind schon ganz nett, aber der Vorhang der Nikon S hier braucht ca. 7 Frames, genau könnten es aber auch 6.5 oder 7.5 sein, so genau kann man nicht ablesen. Setzt man das in die obige Rechnung ein, erhält man eine Verschlusszeit von 1/50 bis 1/44 sec. Bei einem modernen, vertikalen Verschluss wird die Sache aber schlechter. Durch die kürzere Strecke und gleichzeitig schnelleren Vorhängen ergibt sich auch ein größerer relativer Fehler.


Um die Methode im Vergleich zu den beiden anderen zu testen habe ich meine Nikon F nochmal durchgemessen. Ich muss allerdings  zugeben, dass ich für die grüne Kurve oben jede Verschlusszeit jeweils nur einmal "gefilmt" habe. Daher fehlt den Daten die Statistik. Allerdings habe ich versucht, die jeweiligen Fehler abzuschätzen (siehe Fehlerbalken). Bei den langen Zeiten ist der Messfehler minimal, da man einfach nur die Frames zählen muss, bei denen der Verschluss komplett offen ist. Dazu kommen jeweils zur Hälfte die Zeit die der erste Vorhang braucht, um den Verschluss zu öffnen, bzw, der zweite Vorhang, um ihn wieder zu schließen. Bei der Nikon F läuft der Verschluss mit ca. 4 frames ab (bei 240 fps). Eine 1/4 s sollte also z.B. 60 Frames liefern, gemessen habe ich 63, also 5% Überbelichtung.

Die kurzen Zeiten ab 1/125 s müssen komplett anders ausgewertet werden. Hier habe ich die Methode im Vergleich zur Quick'n'Dirty Abschätzung oben nochmal verfeinert. Es kommt es darauf an, die Verschlussgeschwindigkeit möglichst genau zu bestimmen:  Anhand der Vorhangpositionen kann man die Verschlussgeschwindigkeit über die Differenz der Einzelbilder bestimmen (die Zeitdifferenz beträgt ja genau 1/240 s). Hier ist das Ergebnis für die Nikon F, die mittlere Vorhanggeschwindigkeit beträgt 2.32 m/s (entspr. 3.7 frames auf 36 mm):

Gleichzeitig erhält man an den entsprechenden Positionen auch die Schlitzweite aus den Bildern. Jetzt muss man nur Geschwindigkeit (in mm/s) durch Schlizbreite (in mm) teilen und erhält die Verschlusszeit (in 1/s). Es mach übrigens nichts, dass die Verschlussvorhänge wie man im Diagramm sieht während des Ablaufs noch beschleunigen. Da sie es beide gleich tun (hoffentlich!) kompensiert sich der Effekt mit der sich ebenfalls entsprechend vergrößernden Schlitzbreite. 
Die Ergebnisse im Vergleich können sich sehen lassen. Bei den langen Zeiten ist die Übereinstimmung mit der ebenfalls dort sehr genauen Oszilloskopmethode sehr gut, bei den kurzen Zeiten ist es bei der Videomethode viel einfacher, sichere Werte abzulesen. Nur die 1/1000 s macht mir noch Sorgen. Hier bräuchte man doch noch eine schnellere Kamera. Es gibt tatsächlich Consumer Digitalkameras, die 1000 fps liefern (z.B. die Exilim Serie von Casio). Das allerdings nur bei einer Bildauflösung von 224x64 Pixeln. In dem Sinne, ist schon erstaunlich, dass das iPhone 6 die 240 fps bei der vollen HD (1280x720) Auflösung schafft. Hut ab, Apple!