2018-09-30

Fujica ST801


Wieder mal ein (kleiner) Meilenstein in der Geschichte der Kleinbild-Spiegelreflexkameras. Die Fujica ST801 war bei ihrem Erscheinen 1972 die erste SLR mit Leuchtdioden (LEDs) anstatt eines Drehspulinstruments mit Nadel. Jetzt kann man berechtigterweise fragen, wo der wirkliche Vorteil für den Fotografen liegt, vielleicht mal von ein paar wenigen Situationen bei schlechtem Licht abgesehen. 

Trotzdem war die Sache mit den LED's ein sichtbares Zeichen des Fortschritts, der sich allerdings eher im Verborgenen abspielte. Die Kamera hatte nämlich (wie ihre ein Jahr frühere Schwester ST701, noch mit Nadel) Silizium Photodioden anstatt CdS-Photowiderständen als Messelemente eingebaut, das ganze mit einer integrierten Schaltung, also echte Elektronik, keine langsamen halb-analogen Belichtungsmesser mehr. Bei der ST801 war das jetzt auch noch gepaart mit einer Offenblendvariante für M42, sowie einem schnellen Verschluss bis1/2000 s. Das Ganze in einem relativ kompakten Gehäuse und garniert mit einem damals noch seltenen Hot-Shoe (Blitz-Mittenkontakt im Zuberhörschuh). 



Elektronik war Anfang der 1970er einfach schwer angesagt und schickte sich an, auch in der Kameratechnik immer mehr Bereiche zu übernehmen. Zunächst wurden die elektrisch-analogen Belichtungsmesser durch präzisere und schnellere elektronische Varianten ersetzt. Wie eben hier in der ST801. Der nächste Schritt war die elektronische Verschluss-Steuerung, die dann in Fuji's nächstem Modell ST901 gleich zusammen mit einer Zeitautomatik realisiert wurde. Pionier dafür war keine japanische Kameraschmiede sondern 1968 der VEB Pentacon mit der Praktica PL electronic. Diese war aber eher ein technischer Pilotstudie, das Prinzip hat Pentacon erst mit der Praktica EE2 im Jahr erst 1977 wirklich umgesetzt. Da waren die japanischen Hersteller alle schneller und brachten Anfang der 70er alle "Elektronic"-Kameras mit Automatikfunktionen. Das kann man zum Beispiel in der Juni-Ausgabe von Popular Science von 1973 nachlesen. Auf Seite 80 gibt es dort ein anschauliches Schema über die Elektronic in der ST801 (siehe Bild). 
Fujifilm, oder wie sie früher hieß: Fuji Photo Film Co., ist eine bedeutende Firma, die nicht nur einer der drei großen Filmhersteller der Welt war, sondern immer schon auf verwandten Gebieten aktiv war. Im Gegensatz zu Agfa, die ja bekanntlich pleite und untergegangen sind, und auch Kodak, die zwar nach vorübergehender Insolvenz noch existieren, aber nur noch ein Schatten ihrer ehemaligen Größe und Bedeutung besitzen, ist Fuji immer noch da und auch heute (wieder) im Kamerabau aktiv. Respekt! Als Kamerahersteller gehörten sie nie zu den ganz großen, mit solch innovativen Kameras wie der ST801 haben sie der Industrie aber immer wieder Impulse gegeben. 


Datenblatt Erste KB-Spiegelreflexkamera mit LED-Anzeige
Objektiv M42 Schraubgewinde mit Fujica Offenblend-Variante. 
Verschluss Mechanischer, horizontaler Tuchschlitzverschluss 1s bis 1/2000 s und B.
Belichtungsmessung Si-Photodioden, TTL-Nachführmessung bei offener Blende, Fujinon-Objektive vorausgesetzt. Anzeige durch 7 LED's im Sucher. 25-3200 ASA (15-36 DIN)
Fokussierung Manuell am Objektiv, Mikorprismen und Schnittbildindikator als Scharfstellhilfen.
Sucher Spiegelreflex, Anzeige der eingestellten Verschlusszeit und LED's des Nachführbelichtungsmessers.
Blitz Mittenkontakt im Zuberhörschuh, FP und X Buchsen, Synchronzeit 1/60 s.
Filmtransport Schnellspannhebel, Bildzählwerk (vorwärtszählend), Rückspulkurbel. Hilfe beim Filmeinfädeln.
sonst. Ausstattung Stativgewinde, ISO-Drahtauslöser, Trageösen, Aufschraub-Okular für Zubehör, Zubehörschuh, Selbstauslöser, Arretierung für den Auslöser, Abblendtaste.
Maße, Gewicht ca. 133x91x50 mm, 635g (mit Batterie), 840g (mit Objektiv)
Batterie PX-28 (6V, Silberoxid), 4xLR44 möglich.
Baujahr(e) 1972-1978, ca. 200,000? Exemplare, diese #3050869  
Kaufpreis, Wert heute 125 £ (1974), heute ca. 50€ mit Objektiv
Links Camera ProtraitsInstruction ManualThe Camera SiteCamera-Wiki


2018-09-09

Zeiss Ikon Contessa (10.0632)


Diese interessante Kamera fiel mir gestern auf einem Flohmarkt in die Hände. Äußerlich extrem gut erhalten, der Belichtungsmesser funktionierte, nur leider ließ sie sich weder auslösen noch spannen. Für mich die Gelegenheit den Preis auf 5€ zu drücken. Zuhause habe ich kurzentschlossen den Schraubenzieher in die Hand genommen und hatte in wenigen Minuten das Ding wieder vollständig funktionstüchtig. Lediglich ein Häkchen des Verschlussaufzugs war aus seiner Nut gerutscht.

Contessa ist ein berühmter Kameraname. So hieß zunächst im Jahr 1908 ein 9x12-Modell der Kamerawerke Drexler&Nagel, das später sogar der Firma ihren Namen gab. Diese Firma wurde in den 20er Jahren zur Fusion zum Kameragiganten Zeiss Ikon gezwungen, der nicht nur die Produktionsstätte in Stuttgart, sondern natürlich auch den Namen Contessa übernahm. Ihr Gründer August Nagel wurde später Direktor und Chefentwickler der deutschen Kodak, der mit den Retina Kameras einer der größten Konkurrenten von Zeiss Ikon wurde.


Nach dem zweiten Weltkrieg erinnerte sich Zeiss Ikon wieder seiner Marke und brachte 1950 mit der Contessa 35 (interne Modellnummer 533/24) eine hochwertige Messsucher-Faltbalgenkamera für den Kleinbildfilm. Nach einem kleineren Upgrade 1953 (Synchro-Compur, MX) wurde deren Produktion aber schon 1955 wieder eingestellt. Zu groß war die Konkurrenz am Markt, insbesondere Kodak Retina und auch Voigtländer Vitessa boten z.T. mehr zu kleinerem Preis.  Auch griff, wer sich die super-teure Contessa leisten konnte, ggf. lieber zur Contax oder Leica. Zeiss Ikon war (mal wieder) zu kompliziert und teuer. 

Erfolg hatte man allerdings mit den einfacheren Contina Modellen. Ab 1960 gab es dann wieder eine zeitgemäße, einfachere, aber doch gut ausgestattete Kameraserie unter dem Namen Contessa. Diese Kamera hier machte den Anfang. Spätere Kameras der Serie trugen auch Bezeichnungen wie Contessamat oder Contessamatik, auch wurden Buchstabenkürzel verwendet, um die Modelle untereinander abzugrenzen. Diese hier wurde aber noch schlicht Contessa genannt, selbst auf das 35 verzichtete man.

Diese Kameras waren am Anfang der 60er Jahre wohl noch recht erfolgreich. Aber schon während dieses Jahrzehnts zeigte sich auch in Deutschland, was die Japaner zu produzieren im Stande waren, und das meist preiswerter als die heimischen Produkte. Anfang der 1970er dann kam mit der S310 die letzte Contessa-Generation auf den Markt. Es war ein fast schon verzweifelter Versuch von Zeiss Ikon mit einem von Voigtländer entwickelten Modell der japanischen Marktmacht noch etwas entgegen zu setzen. Aber darüber habe ich ja schon geschrieben.


Datenblatt KB-Sucherkamera
Objektiv 50 mm f/2.8 Carl Zeiss Tessar (4 Linsen in 3 Gruppen).
Verschluss Pronto Zentralverschluss, B-30-60-125-250
Belichtungsmessung eingebauter, ungekuppelter Selenbelichtungsmesser, 9-33 DIN
Fokussierung Manuell am Objektiv, keine Scharfstellhilfe.
SucherGroßer, optischer Sucher mit eingespiegeltem Leuchtrahmen
Blitz Synchronbuchse.
Filmtransport Schnellspannhebel, Bildzählwerk (rückwärtszählend), Rückspulkurbel im Boden der Kamera.
sonst. Ausstattung Selbstauslöser, Stativgewinde, ISO-Drahtauslöser, Zubehörschuh.
Keine (!) Trageösen, Bereitschaftstasche notwendig (s. Bild).
Maße, Gewicht ca. 117x84x70 mm, 559 g 
Batterie keine
Baujahr(e) 1960-1961 (andere Quelle: 1963?). Diese Y71457 ca. 1960
Kaufpreis, Wert heute ca. 250 DM (1960), heute ca. 40 €.
Links Collection Appareils,  Camera-Wiki