2018-08-29

Minolta SRT-101 @work


Seit langem mal wieder hier ein analoges Foto, aufgenommen mit der Minolta SRT-101 und dem W.Rokkor-HG 35mm f/2.8. Meine Tochter hat vor einiger Zeit sich die Kamera und Objektiv "ausgeliehen" und will sie gar nicht mehr hergeben. Sie hat schon einige Filme damit verschossen, viele schöne Aufnahmen sind entstanden. Dieses hier von unserem Hund Louis ist wirklich klasse geworden und zeigt ein wirklich schönes Spiel mit der Tiefenschärfe, wie es nur das Vollformat und Film liefern.

Das Objektiv ist übrigens eine Retrofokus-Konstruktion a lá Flektogon, wie viele andere erfolgreiche Weitwinkelobjektive ab den 1960er Jahren: 

W.Rokkor-HG 35mm f/2.8

2018-08-05

Retrofocus vs. Flektogon, Piere Angénieux und Harry Zöllner


Piere Angénieux, *14.07.1907 +26.06.1998Harry Zöllner, *29.01.1912 +30.12.2007

35 mm f/2.5 R1 Retrofocus
(Patent US 2,649,022
eingereicht am 29. Juli 1950)
Flektogon 35 mm f/2.8
(Patent DD10604A1 vom 8.3.1953 bzw.
Patent DE953471C vom 20.12.1953)
Nach längerer Zeit endlich wieder ein Beitrag über Photopioniere. Diesmal ist es ein Doppelportrait, allerdings nicht von sich gegenseitig inspirierenden Kollegen, die gemeinsame Sache machen (so wie bei Godowsky/Mannes oder Willmanns/Schneider), sondern zwei Konkurrenten, die quasi gleichzeitig und unabhängig voneinander dieselbe Erfindung machen und auch -natürlich mit Hilfe anderer- umsetzen.
Die Erfindung, das ist ein Weitwinkelobjektiv mit längerer Schnitt- als Brennweite für die Verwendung an den immer populärer werdenden Spiegelreflexkameras, denn der Spiegel brauchte ca. 38 mm Extraplatz im Strahlengang. Bis 1953 mussten sich SLR-Fotografen mit 40 mm Weitwinkel bescheiden. Realisiert werden konnte das mit Hilfe einer (oder mehrerer) relativ großen Zerstreuungslinse(n) vor dem 5-6 linsigem Basisobjektiv. Damit kommt die optische Hauptebene hinter der letzten Linse zu liegen. 
Beide Erfinder arbeiteten zunächst an der bei Messsucherkameras sehr populären Brennweite 35 mm. Dies geschah in den Jahren 1950 bis 1953, der Franzose war nach den Daten auf den Patenten etwas früher dran, dafür gab es vom Flektogon 1950 eine erste Kleinserie. Kaufen konnte man beide Objektive  von Mitte/Ende 1953 an. Man kann eigentlich davon ausgehen, dass sie zunächst selbst nichts von der jeweiligen Arbeit des anderen gewusst haben, Angéniuex's Patent wurde erst nach Einreichen desjenigen von Zöllner veröffentlicht.   

Britisches Patent GB 355 452 von 1930.
Erfinder ist Horrace William Lee von Kapella Ltd.
Gewusst aber haben beide sicherlich vom damals schon 20 Jahre alten Patent des Briten Lee. Dieser hatte die eigentliche Idee schon beschrieben. Zweck der Erfindung damals waren allerdings Kinoobjektive für Farbkameras mit Strahlenteilerprisma. Auch diese benötigen wie die späteren Reflexspiegel mehr Platz im Strahlengang als mit klassischer (symmetrischer) Objektivkonstruktion zur Verfügung steht.
Angénieux und Zöllner haben aber keineswegs abgeschrieben. Die Technologie war Anfang der 50er Jahre natürlich weiter, es gab neue und andere Glassorten und auch die Antireflex-Beschichtung (Vergütung) war endlich erfunden und erlaubte andere Freiheitsgrade bei der Konstruktion. Beide hatten ernorme Mengen von Formeln zu kalkulieren, damals alles per Hand und mit Hilfe von Logarithmentafeln und Rechenschieber. Auch hatten sie Hilfe von Rechnern, damals ein Beruf und noch keine Maschine. Interessanterweise waren diese Retrofokus-Weitwinkel die letzte Klasse von Objektiven, die noch ohne Computerhilfe designed wurden. Schon ab 1954 hatte Harry Zöllner und sein Team bei Carl Zeiss Jena die OPREMA (OPtik REchen MAschine) zur Verfügung, der erste arbeitsfähige in der DDR gebaute Computer. Auch Pierre Angénieux hat sicherlich später Computer benutzt, ansonsten wären seine Pionierleistungen zu Zoomobjektiven nicht möglich gewesen. 
Die Biographien der beiden ähneln sich. Der Franzose ist 5 Jahre älter, beide waren aber jung genug, um nicht als Soldaten im ersten Weltkrieg gegeneinander kämpfen zu müssen. Interessanterweise waren beide auch im 2. Weltkrieg nicht Soldat, sondern haben während der Kriegsjahre schon Objektive gerechnet. Zumindest bei Zöllner weiß man, dass er wegen dieser auch für die Rüstung wichtigen Aufgabe nicht selbst Soldat werden musste. Details zu ihren Lebensläufen können hier nachgelesen werden: Zöllner, Angénieux. Trotz der sehr ähnlichen Ausbildung und sicherlich auch Begabung, hört es mit den Parallelen irgendwann systembedingt auf. Angénieux macht sich schon 1935 selbständig, und weil die Firma irgendwann seinen Namen trägt, ist er heute der bekanntere der beiden. Er wurde als Anerkennung seiner Leistungen Mitglied der Ehrenlegion und bekam sogar zwei Oskars. Aber auch Harry Zöllner, der zeit seines Lebens Angestellter blieb und schließlich sogar bei seinem ersten Arbeitgeber 1977 auch in Rente ging, erhielt einige Ehrungen. 
Ob sie sich beide je persönlich getroffen haben, konnte ich nicht rausbekommen. Es ist vermutlich unwahrscheinlich, obwohl nach dem Mauerfall noch ein paar Jahre Gelegenheit gewesen wäre. Auf jeden Fall hat ihre Erfindung von 1950 die Entwicklung der Spiegelreflex-Systeme enorm vorangebracht. Schnell hatten auch andere Hersteller Retrofocus Weitwinkel im Programm. Beide Firmen hatten zunächst natürlich die Nase vorn und entwickelten erfolgreich weitere 28mm, 24/25mm und sogar 20mm Typen. Der Begriff Retrofocus wurde von Angenieux zunächst als seine Marke gebraucht, leider hatte er sich diese nicht schützen lassen, etwas was er zeitlebens bereut hat.