2022-12-30

Contessa Nettel Seriennummern

Bei meinem Versuch, über die Seriennummern der Piccolette ihre Produktionsmenge abzuschätzen bin auch ich gescheitert. Nach der Sichtung von -zig Quellen und Bildern war ich kurz davor ca. 700-Tausend Stück auszuloben (inkl. der Zeiss-Ikon Produktion von 1927-1930). Ich hatte allerdings einen entscheidenden Fehler gemacht, der meine ganze Abschätzung über den Haufen wirft. Die Contessa-Nettel Leute haben die Seriennummern für alle ihrer Modelle hochgezählt und nicht separat für jedes einzelne Modell. Die folgenden Überlegungen und Erkenntnisse sind es trotzdem wert festgehalten zu werden, erlauben sie doch wenigstens grob eine zeitliche Einordnung der Contessa Nettel Kameras in den Jahren 1919-1926.

Basis meiner Recherchen waren Piccolette Seriennummern, die hauptsächlich von Dirk Spennemann auf Camera-Wiki zusammengetragen wurden. Diese habe ich durch eigenes Suchen erweitert und dabei auch andere Contessa Nettel Kameras, insbesondere die Cocarette hinzugezogen. Insgesamt sind bisher 24 Seriennummern zum Teil mit weiteren Information (zuhörige Objektiv- oder Verschluss-Nummern) zusammengekommen.
  • Leider habe ich bisher nur eine einzige fünfstellige Nummer (26571, eine "Tropical Sonnet") gefunden, die 1919 zugeordnet wurde. Man kann annehmen, dass sowohl die Vorgängerfirmen Contessa und Nettel eigene Zählungen hatten, die man irgendwie weitergeführt hat.
  • Das Ende der Zählung im Jahr 1926 ist etwas klarer.  Ein Schlüssel für mich ist die 661720, die schon das Zeiss Ikon Logo trägt und damit frühestens ab Oktober 1926 hergestellt wurde. Das nächste Puzzlestück ist die M34300, die nun der ZI-Seriennummerlogik mit dem führenden Buchstaben folgt und somit von 1927 ist. Ich habe noch zwei andere Kameras mit 6xxxxx-Nummern, die eindeutig 1926 zugeordnet werden können.
  • Jetzt liegt es nahe, die erste Ziffer der Seriennummer als Produktionsjahr zu interpretieren (6 für 1926, 5 für 1925, etc.). Ich glaube, das taugt tatsächlich als grober Anhaltspunkt zumindest für die Jahre 1923-1926, was den Großteil der Produktion ausmachen dürfte.
  • Aber war Contessa Nettel überhaupt in der Lage ca. 100.000 Kameras pro Jahr zu produzieren? Ich kann mir das nach Sachlage höchstens für das letzte Jahr 1926 vorstellen. Laut Hartmut Thiele ("Die Deutsche Photoindustrie") hatte das Werk in Stuttgart zu diesem Zeitpunkt 480 Mitarbeiter und 600 Werkzeugmaschinen. Das ist interessanterweise nur etwas mehr als die 450 Mitarbeiter des Agfa-Kamerawerkes in München (ehemals Rietzschel) in diesem Jahr. Die hatten ein ähnliches Portfolio und schafften in diesem Jahr 45.000 Kameras. Die Jahre davor waren von starkem Wachstum und auch Rationalisierung geprägt, insgesamt haben die Münchner von 1921-1926 aber nur 93.250 Kameras gebaut (Günther Kadlubek, "AGFA - Geschichte eines deutschen Weltunternehmens von 1867 bis 1997"). Bei den Stuttgartern von Contessa Nettel wird es ähnlich gewesen sein. Selbst mit großzügigem Aufschlag werden es nicht viel mehr als 150.000 Kameras insgesamt (nicht pro Jahr!) gewesen sein.
  • Die Jahre von 1919 bis 1923 waren ja geprägt von Hyperinflation und werden nicht sonderlich produktiv gewesen sein. Kapital für Investitionen in Maschinen war knapp, Arbeitskräfte hingegen relativ preiswert. Die meisten Deutschen konnten sich in dieser Zeit keine Kameras leisten. Auf der anderen Seite ist solch eine Situation auch gut für den Export, die Mehrzahl der Kameras dürften so ihren Weg in die USA oder andere Länder mit stabilerer Währung gefunden haben. Die entsprechenden Devisen waren bei Contessa Nettel vermutlich sehr willkommen.
  • Ab 1923 und der Währungsreform ging es auch für Deutschland in die Golden Twenties und daher vermute ich den Großteil und Höhepunkt der Contessa Nettel Produktion im Zeitraum 1923-1926. Man merkt den Aufschwung auch an den gesichteten Kameras. Während die einfachen Piccoletten eher 2xxxxx und 3xxxxx Nummern haben, beginnen die hochwertigen Kameras meist mit 4 oder 5.  
Am Ende ist es also ein unvollständiges Puzzle. Wie gehen ca. 600.000 mögliche Seriennummern mit ca. 150.000 Kameras zusammen? Falls jemand auf die Idee kommen sollte, dass die Seriennummern irgendeiner anderen Logik oder Muster folgen: Ich habe es geprüft: Bis auf die führende Ziffer (wo ja 0, 7, 8 und 9 fehlen) sind alle Zahlen relativ gleich verteilt, wie es sich für eine aufsteigende lückenlose Zählung gehört. 
Wie immer bin ich für weitere Ideen, Anregungen und Kritik dankbar (knippsen (at) icloud.com oder hier unten im Kommentar. Welcher Stuttgarter Heimatforscher weiß noch mehr über Contessa Nettel in den Jahren 1919-1926?


2022-12-28

Contessa Nettel Piccolette

Sie ist um die 100 Jahre alt, genauer kann man das leider nicht sagen (später dazu mehr) und war Anfang der 1920er Jahre das Einstiegsmodell der noch jungen Stuttgarter Kameraschmiede Contessa Nettel. Eigentlich ist sie ein Klon der Vest Pocket Kodak, deren 127er Rollfilm auch sie verwendet. Auf dem folgenden Bild sieht man die große Ähnlichkeit, nicht nur in Größe und Form, sondern auch viele Details sind eine Kopie des Originals (auch wenn dieses hier in gehobener Ausstattung daherkommt). 
Aber die Piccolette hat auch ein paar Verbesserungen eingebaut. Insbesondere das Filmhandling mit dem herausnehmbaren Filmhalter war deutlich einfacher als bei der Kodak. Aber auch den festen, nach dem Gehäuse gebogenen Ständer finde ich sehr gelungen. Er ist in dieser Form einzigartig und ist damit das charakteristische Merkmal der Piccolette.


Ich denke, man darf August Nagel als treibende Kraft hinter der Piccolette vermuten, auch wenn ich dazu nichts konkretes gefunden habe. Er war ab 1919 (Teil-) Eigentümer und Direktor von Contessa Nettel und hat sicher den Erfolg der Vest Pocket Kodak am Markt neidisch zur Kenntnis genommen. Schon sein Vorgängerunternehmen Contessa hatte mit der Pixie eine Kamera mit ähnlicher Spezifikation am Markt. Jetzt behauptet McKeown (12. Auflage 2004), dass es eine Ur-Version der Piccolette von 1914 ab aus dem Kamerawerk Nettel gab. Ich möchte das stark bezweifeln. Erstens gibt es zu dieser frühen Version keinerlei Fotos noch Katalogabbildungen (ich habe einen Nettel-Katalog von 1918 geprüft), zweitens hatte Nettel zu der Zeit keinerlei Erfahrung mit Rollfilmkameras, sondern war bekannt für seine Plattenkameras.

Ich bleibe also bei der Einschätzung der meisten anderen Quellen: Die Piccolette kam ca. 1919 auf den Markt. Eine erste Version (A) hatte noch keinen Brilliantsucher, dafür den Namenszug Piccolette oberhalb des Objektives, darunter stand: "Contessa Nettel Stuttgart".  Bei der Version (B, ab ca. 1920) kam der Brilliantsucher dazu (oben links), oben rechts prangte das Contessa-Nettel Zeichen und Piccolette stand ab dann unterhalb des Objektivs. Nach der Fusion zu Zeiss Ikon im Jahre 1926 ging es mit der Kamera bis ca. 1930 weiter, jetzt mit dem Zeiss Ikon Logo (Zeiss Ikon Katalog-Nummer 545/12). Sowohl von Contessa Nettel als auch später von Zeiss Ikon (546/12) gab es eine "Piccolette De Luxe", mit edlem Leder bezogen und einem Laufboden zum Scharfstellen per Balgenauszug. 
Die Piccolette gab es (wie damals allgemein üblich) mit einer ganzen Reihe von Objektiven und Verschlüssen (siehe unten, auch in den Links). Meine hier ist die simpelste Version mit einem einlinsigen Meniskus-Objektiv (f/11), das sich hinter der Irisblende und dem Arco-Selbstspannverschluss versteckt. Diese Version gab es in den USA 1923 für nur 8 US$ zu kaufen (siehe Anzeige unten für besser bestückte Varianten). 
Keine der mir bekannten Quellen hat sich bisher an eine Schätzung der Produktionszahl dieser erfolgreichen Kamera getraut. Ich werde das demnächst mal auf Basis von Seriennummern versuchen (extra Beitrag). Diese sind sechsstellig und finden sich nach Herausnehmen des Filmhalters auf der Unterseite der Kamera, meist sehr stark korrodiert bis unlesbar. Die letzten 3 Ziffern werden auf dem Filmträger wiederholt. Ich konnte meine Seriennummer 234783 gerade so rekonstruieren. Ich hoffe, dass mir damit auch die genauere zeitliche Zuordnung gelingt.  


Datenblatt frühe Westentaschen-Kamera für Rollfilm 127, 4x6.5 cm
Objektiv simpler Meniskus Achromat 7.5 cm f/11. Kamera war auch mit vielen anderen (besseren) 7.5cm Objektiven erhältlich, die hochwertigste Version: Zeiss Tessar f/4.5 mit Frontlinsen Fokussierung.
Verschluss Acro Selbstspannverschluss T-B-25-50-75. Kamera war auch mit mit Piccar, Derval, Pronto oder Compur-Verschluss erhältlich. 
Fokussierung Fixfokus, hochwertige Objektive mit Frontlinsenfokussierung.
Sucher ausklappbarer Rahmensucher, kleiner Brilliantsucher (ab ca. 1920) 
Filmtransportmit einfacher Flügelschraube, Bildzähler auf Filmträgerrückseite, Ansicht durch rotes Fenster.
sonst. Ausstattung Drahtauslösergewinde, kein (!) Stativgewinde (erst ab ca. 1927)
Maße, Gewicht 30x122x64 mm, 251g
Baujahr(e) 1919-1926, als Zeiss Ikon Piccolette bis ca. 1930. Diese #234783 von ca. 1923
Kaufpreis, Wert heute 8 US$ (USA 1923), je nach Zustand und Ausstattung 20-100 €
Links Camera-WikiEarlyphotography, Zeiss Ikon Brochure 1928, Pacificrim instruction bookletMike Elek Video manual, Sammlung Kurt Tauber, Engel-Art, Emtus, John's cameras, Britische Anzeige 1924, Französische Anzeige 1924?, Dänische Anzeige 1922
Bei KniPPsen weiterlesen Vest Pocket Kodak127er RollfilmAugust Nagel, Ernemann Bobette

 

2022-11-20

Revue Auto-Reflex (Konica Auto-Reflex)

Um meine Sammlung zur Geschichte der Belichtungsautomatik abzurunden, fehlte noch dieser Meilenstein: Die Konica Auto-Reflex, hier unter dem Namen von Konica's deutschen Vertriebspartners Foto Quelle als Revue Auto-Reflex. Ihre kleine Schwester Revue SP (Konica Auto-Reflex P) habe ich vor kurzem auch schon vorgestellt. Mit ihr teilt sie das in der SLR-Geschichte ansonsten einmalige Feature mit der Formatumschaltung zwischen 18x24 (Halbformat) und 24x36 mm. Aber dazu habe ich mich dort schon ausgelassen und werde es hier nicht wiederholen.
Die Auto-Reflex neben ihrer automatiklosen Schwester Revue SP (Auto-Reflex P)
Von der Auto-Reflex wird oft behauptet, sie wäre die erste SLR mit einer Belichtungsautomatik gewesen. Das ist falsch, es gab in den Jahren vor ihr schon einige andere, wie man in meinem Beitrag dazu nachlesen kann. Alle automatischen SLR vor ihr hatten einen Zentralverschluss, sie war lediglich die erste aus heutiger Sicht moderne SLR mit einem Schlitzverschluss. Ihr fehlte sogar noch TTL-Messung, das kam erst mit ihrer Nachfolgering Autoreflex T im Jahr 1968. 

Schema des Seilzugverlaufs in
Konica's Trap-Needle Implementierung.
Hier am Beispiel der Autoreflex T3.
Ich habe irgendwie immer Belichtungsautomatik mit dem Aufkommen der Elektronik gedanklich verbunden. Das stimmt auch im Falle der Zeitautomatik, bei Blendenautomatiken aber erst seit der Canon AE-1 (1976). Die Auto-Reflex und auch alle ihre Nachfolger bis hinein in die 1980er nutzen eine mehr oder weniger raffinierte sehr mechanische Implementierung des alten Kodak'schen Trap-Needle Prinzips von 1938.
Zentrales, und charakteristisches Bauteil ist ein sehr komplex geführtes und federgespanntes Drahtseil, das quer durch die Kamera verläuft. Seine Aufgabe ist es, das Drehspulinstrument des Belichtungsmessers so zu drehen, das es zu den Einstellungen der Kamera passt. Dazu ist das obere Ende des Seils mit dem Einstellrad für die Verschlusszeit verbunden, die eleganterweise mit der Filmempfindlichkeitseinstellung kombiniert ist. Wird dieses Rad um einen Lichtwert gedreht (oder die Empfindlichkeit entsprechend verstellt), so dreht sich das komplette Drehspulinstrument um eine Blende. Somit wird gewährleistet, dass die Nadel, die zum Beispiel bei 1/125 s auf Blende 8 zeigt, bei 1/60 s auf Blende 11 gerichtet wird. Das andere Ende des Seils reicht in den Fußraum des Spiegelkastens und "liest" dort quasi die maximale Öffnung des angesetzten Objektivs ab. Die sonstige Trap-Needle Konstruktion ist fest verbaut und wird über den Verschlussaufzug federgespannt. Ist der Blendenring am Objektiv auf EE ("Electric Eye", frühe Objektive) oder AE ("Automatic Exposure", spätere Objektive) gestellt, wird das Objektiv beim Auslösen nur bis zur im Sucher von der Nadel angezeigten Blende abgeblendet. Fertig ist die Blendenautomatik; die Batterie wird nur für den Belichtungsmesser gebraucht.
 
Mein Exemplar habe ich nach langer Suche doch sehr günstig bekommen können. Es ist allerdings auch defekt, löst nicht mehr aus und hat auch so die eine oder andere Macke. Für meine Zwecke (Vitrine) reicht es. Vielleicht traue ich mich mal an einem langen Winterwochenende ran und versuche mal den Seilzug freizulegen und den Verschluss wieder zum Laufen zu bekommen. Bei eingelegter Batterie zeigt die Nadel immerhin vernünftige Werte an.  

Datenblatt Erste moderne SLR mit Schlitzverschluss und Blendenautomatik.
Einzige KB-SLR mit umschaltbarem Format 24x36 und 18x24 (zusammen mit der kleinen Schwester Auto-Reflex P, ohne Automatik im selben Gehäuse)
Objektiv Konica AR Bajonett, hier mit Hexanon 52 mm f/1.8 (Gauß-Typ, 6 Linsen in 5 Gruppen, #4560392)
Verschluss vertikaler, mechanischer Metall-Schlitzverschluss (Copal Square), B-1-2-4-8-15-30-60-125-250-500-1000 1/s. 
Belichtungsmessung CdS-Belichtungsmesser (extern, kein TTL), damit realisierte Trap-Needle Blendenautomatik. 
Fokussierung Mattscheibe mit Mikroprismen im Zentrum.
Sucher Spiegelreflex mit Rückschwingspiegel. Halbformatmarkierungen. Nadelanzeige der verwendeten Blende.
Blitz M und X Buchse. X-Synchronzeit 1/125 s.
Filmtransport mit Schnellschalthebel, Rückspulkurbel. Bildzählwerk (vorwärts) zählt im Halbformatmodus nur jedes zweite mal hoch.
sonst. Ausstattung Selbstauslöser, Stativgewinde 1/4‘‘, Drahtauslöseranschluss, als Zubehör: Zubehörschuh zum Aufstecken
Maße, Gewicht ca. 142x94x46, 719 g (ohne Objektiv), 942g (mit 1.8/52)
Batterie PX625 (1.35V Hg), oder Alternative.
Baujahr(e) 1965-1968, #851617
Kaufpreis, Wert heute ca. 250 US$ (1966), 569 DM (1968 bei Foto Quelle), ca. 150 €
Links Konicafilesbuhla.de, Camera-Wiki, Wikipedia, Bedienungsanleitung (Auto-Reflex, mehrsprachig), Mike Eckman, Konica-collector.org
Bei KniPPsen weiterlesen Konica Autoreflex TCKonica TC-X, Konica FS-1, Konica C35V, Konica C35AF

2022-10-02

KW Pilot Reflex (3x4)

Ein seltenes Schnäppchen für meine 3x4-Kamerasammlung habe ich neulich gemacht. Die KW Pilot Reflex ist die einzige zweiäugige Spiegelreflex (TLR) für das Format 3x4 auf dem 127er Rollfilm. Sie gehört außerdem zu den wenigen TLR's, die mittels Spreizen und Balgen "auszuklappen" sind (andere sind Welta's  Superfekta und Perfekta, sowie die Zeca-flex). Mit ihren gehobenen Ausstattungsmerkmalen war sie außerdem eine der teuersten 3x4-Kameras und erreichte damit in Wirtschaftskrisenzeiten nur eine bescheidene Stückzahl und ist daher heute bei Sammlern sehr gefragt.

Eines dieser Ausstattungsmerkmale ist der Schnellschalthebel, der für einen Bildvorschub zweimal betätigt werden muss. Dazu gehört natürlich ein mechanisches Bildzählwerk, das sogar bis 18 zählen kann und mit dem kleinen Knopf daneben manuell auf 1 zurückgestellt werden muss. Ein rotes Fensterchen für das Rückseitenpapier des 127er Rollfilms gibt es trotzdem, es wird nur einmal beim Einlegen und ersten Vorspulen des Films gebraucht. 
Wer jetzt aber meint, dieser Hebel wäre in irgendeiner Weise mit dem Verschluss gekoppelt, irrt. Weder wird der Verschluss damit gespannt (wie z.B. bei der Tenax I oder der großartigen Rolleiflex), noch gibt es eine Doppel- oder Leerbelichtungssperre. Der Hebel kann jederzeit betätigt werden und schiebt einfach den Film vor.

Sie ist, bedingt durch den zusätzlichen Reflexsucher, nicht die kleinste 3x4-Kamera, aber dennoch wohl proportioniert und sehr solide gebaut. Mit einem Druck auf eine Taste auf der linken Seite springen sowohl die Objektive in Aufnahmeposition als auch der Reflexsucher auf. Wenn man nicht vergessen hat, den Verschluss zu spannen, ist sie also schnell schussbereit. Mit Ihren 90+ Jahren Alter hat mein Exemplar einige Spuren der Benutzung und der Korrosion vorzuweisen, ist aber noch voll funktionstüchtig. 

Die durchaus interessante Geschichte der Kamerawerkstätten Guthe & Thorsch will ich hier nicht wiederholen. Hier wurde die Praktiflex entwickelt und sie wurden später die Keimzelle des VEB Pentacon. Die Pilot 3x4 war 1931 ihre erste Kleinbild und auch Reflexkamera, was sehr bemerkenswert ist, betrachtet man die fast perfekte Ausführung. In meinem Artikel über das kurze Leben dieser 3x4-Kameraklasse habe ich schon die Gründe genannt, warum es auch von dieser Kamera keinen Nachfolger gab: Sie kam zur Unzeit (viel Konkurrenz), war zu teuer (1932: wenig Kaufkraft im Markt) und das Konzept wies in eine technische Sackgasse. 
Auf vielen Seiten liest man, dass die Pilot Reflex von 1931-1937 gebaut wurde. Das ist sehr wahrscheinlich falsch! Ich habe mir einige Mühe gemacht und Seriennummern von Kameras, Objektiven und den Compur-Verschlüssen gesichtet (insgesamt 15). Daraus ergeben sich eine Gesamtzahl von nicht viel mehr als ca. 3500 gebauten Kameras. Ab der Seriennummer von ca. 2500 mit einem etwas moderneren "PILOT"-Schriftzug, ansonsten die selbe Kamera. Angeblich produzierte KW schon ab 1928 mehr als 100 Kameras pro Tag! Die nur 3500 Pilot's wären somit in wenigen Monaten quasi nebenbei machbar gewesen, warum dann 7 Jahre Produktionszeit annehmen bei sonst keinerlei technische Änderungen.
Die meisten Kameras mit 3000er Nummer haben Objektive und Verschlüsse von 1931, zwei Kameras allerdings auch von 1933. Daher schließe ich mal auf einen recht kurzen Produktionszeitraum von Mitte 1931 bis Frühjahr 1933. Im internationalen Verkaufsprogramm war sie vermutlich noch einige Jahre, daher die falsche Zuordnung? Ich jedenfalls freue mich über das seltene Stück und auch über weitere Zuschriften (an knippsen (at) icloud.com) oder Kommentare hier unten mit Seriennummern oder Fotos. 

Datenblatt Einzige TLR für 3x4 cm Negative auf Rollfilm 127.
Objektiv Schneider-Kreuznach Xenar 5 cm f/2.9 (4 Linsen, Tessar Typ), # 476791 (1931). Kamera war auch erhältlich mit Zeiss Tessar f/3.5 oder f/2.8, Leitz Elmar f/3.5, oder den beiden "Lichtriesen" Zeiss Biotar oder Schneider Xenon 4.5 cm f/2. 
Sucherobjektiv, Guthe&Thorsch Eigenbau (verm. Triplet, f/2.8)
Verschluss Deckel Compur Zentralverschluss, T-B-1-2-5-10-25-50-100-300.
# 2460969 (1931) 
Fokussierung Mittels Drehknopf auf rechter Kameraseite, kürzeste Entfernung 1m (mit Xenon oder Biotar 0.7 m). Schärfekontrolle über Mattscheibe im Reflexsucher.
Sucher Reflexsucher mit Fadenkreuz, aufrechtes aber seitenverkehrtes Bild. Ausklappbare Sucherlupe für Bildzentrum. Zusätzlicher, aufklappbarer optischer Durchsichtsucher auf der linken Kameraseite.
Filmtransport Mit Schnellschalthebel (2 x pro Bild), mechanisches Bildzählwerk, siehe Text.
sonst. Ausstattung Spreizenmechanismus mit Balgen für Aufnahme- und Metalltubus für Sucherobjektiv. Kamera wird durch Ausfahren des Objektivs 15 mm dicker. Drahtauslöser-Gewinde, Ösen für Kamera-Ledergurt, 3/8'' Stativgewinde.
Maße, Gewicht ca. 50 x 80 x 130 mm, 525 g
Baujahr(e) 1931-1933, ca. 3500 Exemplare, siehe Text.
Kaufpreis, Wert heute RM 175.50 (1932, Xenar)/ US$ 85 (1932, Tessar). Heute je nach Zustand 400 - 600 € (plus 300€ für Xenon oder Biotar)
Links Camera-Wiki, Mike Eckman, Riess History of KW, Collectiblend, earlyphotography.co.uk, Photoscala.de
Bei KniPPsen weiterlesen Das plötzliche Verschwinden der 3x4 Kameras, Altersbestimmung per Seriennummer, Praktiflex, meine TLR's

Seite aus dem Photo Porst Katalog 1932, sie war hier die
teuerste aller 3x4 Kameras.

2022-09-12

Geschichte der Belichtungsautomatik in 16 Beispielen

Die wichtigste Automatisierung in der Kamerageschichte ist die Belichtungsautomatik, die ich hier anhand vieler Beispiele aus meiner Sammlung nachzeichnen möchte. Viele Details zu diesen Kameras und den jeweiligen technischen Automatik-Implementierung findet man in den früheren Beiträgen. Die kleinen Bilder hier sind mit den jeweiligen Artikeln verlinkt. Also munter klicken!

Zunächst ein paar Begriffe: Um automatisch eine zur aktuellen Beleuchtungssituation richtige Kameraeinstellung zu finden, gibt es drei Parameter bzw. Variablen zu beachten: Die Empfindlichkeit des Films (oder Sensors), die Belichtungszeit und die Blende. Erstere ist bei analogem Film nicht verstellbar, muss aber mit bedacht, bzw. der Kamera/Belichtungsmesser mitgeteilt werden. Die anderen beiden können dann nacheinander so bestimmt werden, dass entweder die passende Verschlusszeit zur frei gewählten Blende ermittelt wird (Zeitautomatik, auf Englisch: Aperture priority, Kürzel: A), oder die passende Blende zur voreingestellten Verschlusszeit (Blendenautomatik, auf Englisch: Shutter priority, Kürzel: S). Es gibt aber auch automatische Kameras, die nach einem fest eingebauten Programm jeweilige Blende/Zeit-Kombinationen, definiert über ihren Lichtwert ansteuern. So was nennt man Lichtwert-, Voll- oder Programmautomatik (Kürzel: P). Späte elektronische Kameras ließen auch variable Programme zu. 

Nun noch etwas Technik: Zentrale Aufgabe einer Belichtungsautomatik ist es das Signal des eingebauten Lichtsensors zu nutzen und damit Zeit und/oder Blende bzw. beides bzgl. der eingestellten Filmempfindlichkeit richtig zu wählen. Als Lichtsensor dienten zunächst Selenzellen, die selbst einen kleinen Strom erzeugen und daher ohne Batterie auskommen. Später wurden Fotowiderstände (meist aus Cadmiumsulfid, CdS) oder Fotodioden (z.B. Si) verwendet, die beide eine Batterie zum Betrieb brauchen. 

Jetzt gab es für die Erfinder der automatischen Belichtungseinstellung ein zentrales Problem zu lösen: Die elektrischen Strömchen des Lichtsensors reichten geradeso aus, die Nadel am Drehspulinstrument zu bewegen, keinesfalls aber um Blende oder Zeit an der Kamera ohne das Zutun des Fotografen zu verstellen. Dazu wurden drei grundsätzliche Lösungen gefunden:

1) Das Trap-Needle Prinzip: Die Nadel des Belichtungsmessers darf sich zunächst frei bewegen. Beim Druck auf den Auslöser wird sie aber in ihrer jeweiligen Position durch eine speziellen Mechanismus eingeklemmt. Die sogenannte Steuerkurve (orange im Bild rechts) bestimmt, wie weit bestimmte Bewegungen innerhalb der Kameramechanik gehen dürfen. Damit lässt sich dann entweder durch die Fingerkraft des Fotografen auf dem Auslöser oder einen vorgespannten Federmechanismus die Blende und/oder Zeit so verstellen, dass es zum Zeigerausschlag passt. Das war nicht nur die erste Lösung, die gefunden wurde, sondern auch die in den meisten Kameras eingesetzte (bis hinein in die 1980er!). Meistens wurden Blendenautomatiken damit realisiert, aber auch Vollautomatiken bei oft einfachen Sucherkameras. 

2) Die Luft-Pneumatik: Wohl inspiriert vom alten Deckel‘schen Compound-Verschluss, der einen Luft gefüllten Zylinder als Hemmwerk verwendet hat. Diesmal wird statt der Nadel eine sehr dünne Plastikscheibe vom Drehspulinstrument bewegt. Diese verdeckt mehr oder weniger die Öffnung eines per Feder vorgespannten Luftzylinders. Nach dem Auslösen strömt die Luft proportional zur Öffnung schnell in den Zylinder und steuert damit die Zeit, die der Verschluss offen bleibt. Wurde zur Realisierung der ersten Zeitautomaten genutzt, war aber verglichen mit (1) nicht besonders akkurat und auch nicht erfolgreich.
3) Elektronik: Ab Mitte der 60er Jahren waren endlich Transistoren und andere elektronische Bauteile verfügbar, mit denen man ein elektronisches Hemmwerk für die Zeitsteuerung des Verschlusses bauen konnte. Die Geschwindigkeit der Auf- oder Entladung eines Kondensators hing am eingestellten Widerstand im Stromkreis, fast genauso wie die Größe des Lochs im Zylinder das Aus- oder Einströmen der Luft bestimmt. Ersetzt man nun den festen Widerstand durch einen Fotowiderstand, hat man den elektronischen Zeitautomaten zusammen.   Einziger Nachteil zur Trap-Needle Variante: während die eingeklemmte Nadel den Beleuchtungszustand bei der Auslösung festhielt, fehlte es der einfachen Elektronik anfangs an einem Messwertspeicher. Das verhinderte zunächst SLR-Zeitautomaten mit TTL-Messung, da es beim Auslösen auf dem CdS-Widerstand erst mal dunkel wurde. Erst komplexere elektronische Elemente in Form integrierter Schaltkreise erlaubten ab 1971 den Siegeszug der Automatisierung über Elektronik. 

Auf die eher noch als analog zu bezeichnen Elektronik aus den 60er und frühen 70er Jahren setzte fast nahtlos die Digitalisierung auf. Viele vorher mechanische Elemente wurden durch elektronische ersetzt, z.B. die Nadelanzeigen oder Suchereinspiegelungen durch LED oder gar LCD Displays. Oder das ehemalige Uhrwerk eines Selbstauslösers durch eine elektronische Variante mit immer schneller blinkender LED. Kamerakonstruktionen wurden dadurch modular und viel flexibler, da man Kabel eben einfacher ver- und umlegen kann als mechanische Verbindungen wie Zahnräder oder Seilzüge. Am Ende zogen echte Computer in die Kameras ein und die komplexe Beleuchtungssituation wurde mit gespeicherten Daten verglichen, um die richtige Belichtungzeit und Blende noch genauer zu bestimmen. 

1938 - Kodak Super Six-20

Sie war tatsächlich schon 1938 die erste Kamera überhaupt mit einer Belichtungsautomatik („Electric Eye“) und teilte mit vielen anderen bahnbrechenden Innovationen ein Schicksal: Es gab ein Basispatent, was es zwanzig Jahre lang allen anderen Herstellern verbot, das Trap-Needle Prinzip für eine Blendenautomatik zu nutzen. Damit fehlte der weitere Innovation fördernde und den Marktpreis senkende Wettbewerb. Viel gravierendere Gründe für ihren sehr geringen Markterfolg aber waren zwei Dinge: Sie war mit 225 US$ sehr teuer, dafür bekam man 1938 in den USA einen halben Kleinwagen. Außerdem war sie wohl nicht sehr verlässlich und oft defekt. Daher wurden nur 719 Exemplare je produziert und verkauft. Eine solche für die Sammlung zu bekommen ist nahezu unmöglich, aber man kann sie sich im Museum anschauen, z.b. hier.

1956 - Agfa Automatic 66 und 1960 - Durst Automatica 

Die zweite Automatikkamera basierte nicht auf Kodak‘s Trap-needle Prinzip sondern auf der Erfindung von Julius Durst und war ein Zeitautomat nach dem Luft-Pneumatik Prinzip.  Durst hatte wohl zunächst nicht die finanziellen und technischen Möglichkeiten, seine Erfindung selbst umzusetzen und lizensierte das Ding an Agfa, Europas größtem Kamerahersteller. Die Agfa Automatic 66 kam 1956 auf den Markt und teilte in manchen Aspekten ein ähnliches Schicksal wie die Super Six-20. Auch sie war mit 498 DM sehr teuer und fand wohl weniger als 5000 Abnehmer. Die Kunden wollten inzwischen Kleinbild und keine überteuerte Rollfilm-Faltbalgenkamera mehr, die an alte Zeiten erinnerte.  
Eine solche brachte die Firma Durst dann endlich 1960 mit dem selben Prinzip. Sie ist ganz schick, aber leider nicht ganz zu Ende gedacht (es fehlte die korrekte Implementierung der Filmempfindlichkeits-Einstellung). Mit über 10.000 Exemplaren ist sie aber im Gegensatz zur Agfa für Sammler heute erschwinglich. Auch ich habe ein Exemplar, mehr Info's zur Kamera und zur Luft-Pneumatik siehe dort.

1959 - das Jahr der automatischen Einfachkameras

1959 kam Bewegung in die Szene, vermutlich waren Selenzellen endlich zu einem vernünftigen Preis und in ausreichender Anzahl verfügbar. Die genaue zeitliche Abfolge des Erscheinens kann heute nicht mehr rekonstruiert werden, aber innerhalb dieses Jahres gab es plötzlich einige einigermaßen erschwingliche Kameras mit dem "Electric Eye" zu kaufen, die meisten ansonsten relativ einfach gehalten, was z.B. Objektiv oder Verschluss anging. Sie alle steuerten die Blende mit der Selenzelle. Diese waren: Braun Paxette Electromatic,  Kodak Automatic 35,  Bell & Howell Electric Eye 127Kodak Brownie Starmatic und die Revere Eye-Matic EE 127

1959 - Agfa Optima 

Der Star aber dieser "Klasse von 1959" war die Agfa Optima. Auch sie war eine Volks- und keine Eliten-Kamera und hatte als erste eine Vollautomatik an Bord. Der Druck auf die "Magische Taste" klemmte die Nadel ein und steuerte damit Verschlusszeit und Blende (in dieser Reihenfolge). Mehr Details in meinem Beitrag. Sie war mit ca. 500.000 Exemplaren selbst super erfolgreich und begründete eine ganze Serie von Agfa-Optima Nachfolgern. Eine davon war (1961) die Agfa Optima Reflex, eine zweiäugige Spiegelreflex, die erste mit Belichtungsautomatik, versteht sich. Natürlich inspirierte der Optima Erfolg auch die Konkurrenz, das Kodak'sche Trap-Needle Patent war ja gerade ausgelaufen. 

1960 - Royer Savoyflex

Sie wird gerne übersehen, weil sie die einzig signifikante französische SLR war und auch nur in Frankreich nennenswerte Verbreitung fand. Aber sie ist tatsächlich die weltweit erste SLR mit einer Belichtungsautomatik (Trap-Needle Blendenautomatik, natürlich). Sie hat ein fest eingebautes Objektiv und eine simple Implementierung der Filmempfindlichkeits-Einstellung per Plastik-Steckblende vor der Selenzelle, die ihr ein charakteristisches Aussehen verleiht.

1961- Voigtländer Ultramatic

Auch sie wird öfters übersehen, wenn es um die erste SLR mit Wechselobjektiven (DKL-Bajonett) und Blendenautomatik geht. Im Gegensatz zu den anderen DKL-Spiegelreflexen hatte sie sogar einen Rückschwingspiegel. Ab 1965 gab es ihre direkte Nachfolgering Ultramatic CS mit CdS-Fotowiderstand und TTL-Messung (allerdings nach der Tocon Uni, s.u.)

1962 - Wirgin Edixa Electronica

Ebenfalls eine deutsche DKL-SLR und ein teurer Designflopp, der am Ende die Firma Wirgin mit in die Pleite zog. Heinz Waaske entwicklete nicht mehr und nicht weniger als die erste SLR-Vollautomatik mit Wechselobjektiven, realisiert als Trap-Needle-Kontstruktion mit elektromotorischer Verstellung des Lichtwertes.  
1963 - Seikosha SLV-Automaten aus Japan 

Aus Japan kommen ab 1963 einige SLR auf den Markt. Mit fest eingebauten Objektiven und Trap-Needle Belichtungssteuerung rund um den Seikosha SLV Zentralverschluss waren sie einfach zu bedienende Spiegelreflexe und keine technische Meilensteine mehr. Sie holten (wie die Agfa Optima) die Belichtungsautomatik aus der Hochpreisecke. Hier die ggf. unvollständige Liste: Minolta ER, Fujicarex, Nikkorex auto 35, Ricoh 35 Flex, Mamiya Auto-Lux 35
1964 - Topcon Uni 

Ebenfalls eine Zentralverschlusskamera, aber mit Wechselobjektiven und der damals brandheißen TTL-Messung. Mit dieser Kombination und natürlich einer Trap-Needle Blendenautomatik war sie die weltweit erste ihrer Art und wirkt heute noch recht modern. Schon im Jahr darauf wirkten die Selenzellen-Wabenfenster wie von gestern. Leider hatte Topcon nicht den Erfolg am Markt, den sie mit ihren Innovationen bis dahin verdient hätten. 

1965 - Konica Auto-Reflex

Die Konica Auto-Reflex wird oft als die erste SLR mit Belichtungsautomatik genannt, aber das stimmt natürlich nicht, siehe oben. Aber sie war die erste "moderne" SLR mit diesem Feature, sprich: sie hatte einen Schlitzverschluss und Wechselobjektive mit modernem Bajonett. Ansonsten war alles beim alten: eine Trap-Needle Blendenautomatik, allerdings konsequent zu Ende gedacht und  implementiert. Lediglich der CdS-Sensor war zwar eingebaut, aber nicht TTL, das kam erst 1968 mit der nächsten Generation Autoreflex T. 

1965 - Yashica Electro half und 1966 - Yashica Electro 35

Yashica kann man als den Elektronik-Pionier im Kamerabau bezeichnen. Zunächst kam 1965 in kleiner Serie eine Halbformatkamera als erste Zeitautomatik mit elektronischem Hemmwerk. Richtig zum Durchbruch gelangte die Technik aber ab 1966 mit der super erfolgreichen Electro 35-Serie, die über 5 Millionen mal gebaut und verkauft wurde. Der CdS-Sensor maß das Licht extern während der Belichtung und konnte Verschlusszeiten bis zu ca. 30 Sekunden stufenlos steuern.

1971 - Pentax ES

Die erste Zeitautomatik-SLR ließ noch lange fünf Jahre auf sich warten und hieß Pentax ES. Das lag an einem erst spät gelösten technischen Problem. Während man bei der Trap-Needle Blendenautomatik mit dem Einklemmen der Messnadel den Belichtungswert fixierte und für den weiteren Verschlussablauf merkte, gab es sowas bei der zunächst archaischen Elektronik nicht. Das war aber wegen des zwischenzeitlich sich verdunkelnden Sucherbildes nötig. Die Asahi Pentax Elektroniker waren die ersten, die es lösten, viele andere SLR Hersteller folgten aber schnell. Mitte der 1970er gab es mehr Zeit- als Blendenautomatik SLR-Modelle und für die nächsten fast 30 Jahre ein fast religiös anmutendes Automatik-Schisma

1976 - Canon AE-1

Die Elektronik entwickelte sich rasant und erlaubte es bald, viele bisher mechanische Komponenten im Kamerabau durch entsprechende elektronische zu ersetzen. Die Canon AE-1 war 1976 die erste, die dies sehr erfolgreich umsetzte. Genau: Sie war die erste Blendenautomatik, die NICHT auf dem Trap-Needle Prinzip beruhte. Dem Fotografen war das egal, er schaute im Sucher auf keine Nadel mehr, sondern ihn blinkten LED's an. 
1977 - Minolta XD7

Mit modularer Elektronik sind die Entwicklungszyklen kürzer als mit komplexer Mechanik. So ging es am Ende der 1970er Schlag-auf-Schlag. Schon 1977 brachte Minolta mit der XD7 die erste SLR die beide Automatikvarianten beherrschte. Heimlich, am jeweiligen Bereichsende, konnte sie sogar vollautomatisch die Belichtung steuern, hat aber mit Blick auf die Zielgruppe des ambitionierten Amateurs darauf verzichtet, einen Programmautomatik-Modus anzubieten. 

1978 - Canon A-1

Schon 1978 kam der Gegenschlag von Canon. Die A-1 hatte frei wählbar fünf Automatik-Modi, neben Blenden- und Zeitautomatik waren das die nun auch so genannte Programmautomatik, die manuelle Einstellung sowie eine Zeitautomatik bei Arbeitsblende. Viele nachfolgende Kameramodelle benutzen diese "PASM"-Wahlmodi bis in die heutige Digitalzeit.

1983 - Nikon FA

Damit schien auf dem Feld der Belichtungsautomatik zunächst einmal alles erfunden zu sein. Einiges habe ich hier bisher nicht erwähnt. Es gab natürlich auch noch die automatische Blitzsteuerung durch die Kameraelektronik, aber auch die Frage nach dem (TTL-)Messmodus (Spot- vs. mittenbetont). Da überraschte 1983 Nikon die SLR-Welt mit der sog. Matrix- oder Mehrfeldmessung. Hierbei erkennt die Kamera quasi automatisch knifflige Beleuchtungssituationen (durch Vergleich der Lichtverteilung im Sucherbild mit einer internen Datenbank) und ermittelt daraus die richtige Zeit/Blenden-Kombination.  

Damit ist die Geschichte der Belichtungsautomatik tatsächlich abgeschlossen. Die Kameragenerationen danach brachten mit dem Autofokus die andere wichtige Automatik. Bei den heutigen Digitalkameras ist natürlich kein extra Belichtungsmesser mehr eingebaut, das Signal kommt vom Bildsensor selbst, aber die damals entwickelten Logiken gibt es immer noch: Die meisten Kameras heute bieten die Wahl zwischen Zeit- Blenden- oder Programmautomatik, aber auch mittenbetonter, Spot- oder Mehrfeld-Messung. Drehspulelemente oder eingeklemmte Messnadeln gibt es natürlich nicht mehr und manchmal ist auch heute noch der Fotograf die bessere Automatik. 

2022-09-10

Nikon FA

Normalerweise poste ich hier nur Kameras, die ich selber besitze, diesmal ist es anders. Ich habe schon einige Auktionen verfolgt und auch das eine oder andere Mal mitgeboten, bisher erfolglos. Das liegt natürlich daran, dass ich in diesem Fall unbedingt eine funktionierende Kamera bräuchte, einfach um ihre Belichtungsautomatik zu testen und zu würdigen. Solche Kameras werden natürlich von anderen Interessenten zum Fotografieren gesucht und daher sind die Preise außerhalb meines Sammelbudgets. Dafür besitze ich schon seit den Zeiten ihres Erscheinens (1983) den deutschen Kameraprospekt, dessen Scan ich hier gerne verlinke. Auch die beiden Bilder hier sind daher.  
Nikon hat sich lange Jahre bei Innovationen zur Belichtungsautomatik zurückgehalten und immer so ein Jahr nach der Konkurrenz entsprechende Dinge (dann aber sorgfältig) implementiert. Seit der Nikkormat EL (1972) gehörte Nikon zur Zeitautomatik-Fraktion, eine Programmautomatik gab es ab 1982 in der Consumer-SLR Nikon FG. Erst 1983 kam mit der Nikon FA der Multi-Automat, der Canon A-1 und Minolta XD7 das Fürchten lehren sollte. Neben der wohl ergonomischsten Automatik-Implementierung dieser drei hatte sie als tatsächlich letzte Belichtungsautomatik-Innovation die Matrixmessung (von Nikon AMP-Prozess genannt) eingeführt. 
Wer möchte, kann sich Nikon's detaillierte Erklärung auf obiger Doppelseite durchlesen. Kurz zusammengefasst: Das Bild wird in 5 Segmente aufgeteilt, deren Belichtung gemessen wird. Das entsprechende Muster wird nun vom Kameracomputer mit einer internen Datenbank ähnlicher Belichtungssituationen verglichen und der entsprechende und ggf. vom üblichen (mittenbetonten) Messwert abweichende Datenbank-Lichtwert zurückgegeben. 
Die FA war bzw. ist eine tolle Kamera, war aber nicht sonderlich erfolgreich. "Nur" ca. 350.000 Exemplare wurden in ca. 6 Jahren verkauft, das war in der Hochphase der analogen SLR nicht genug um wirklich zu den Bestsellern zu gehören.  Ich verzichte hier mal auf weitere technische Daten, die gibt es sogar bei Wikipedia.  Matrix- bzw. Mehrfeldmessung gab es danach in weiteren Nikon- später auch in vielen anderen Kameras und ist heute in Digitalkameras meist eine Option unter anderen.

2022-08-31

Topcon Uni

Ich habe hier schon einige Meilensteinkameras zur automatischen Belichtungssteuerung vorgestellt (demnächst gibt‘s mal eine Übersicht). Dies ist eine der wenigen, die mir bisher noch gefehlt haben. Die Topcon Uni von 1964 ist die erste SLR mit Wechselobjektiven und eingebauter Belichtungsautomatik, die das Licht durch das Objektiv (TTL) bei offener Blende misst. Das neue von dieser Liste war die Sache mit TTL, damals eine ganz große Sache in der Branche. Topcon hatte schon im Jahr zuvor mit der RE Super dem Rivalen Pentax Spotmatic damit die Schau gestohlen. 

Die RE Super sollte in der ersten SLR Liga mitspielen, wo Automatik erst mal verdächtig bzw. verpöhnt war. Aber Topcon hatte mit ihrer „Wink Mirror“ SLR Serie auch was für den Amateur. Es handelte sich um Zentralverschluss-SLRs, die ab 1961 schon Nachführmessung (Wink Mirror E, Selenzelle) konnten, ab 1963 gab es Wechselobjektive und Blendenautomatik (UV Bajonett, Wink Mirror S). Da lag es sehr nahe, die Selenzelle durch die neue TTL-Messung mit Batterie zu ersetzen und heraus kam die Topcon Uni. 
Die Kamera wirkt viel moderner als zum Beispiel ihre deutschen Zeitgenossen (Voigtländer oder Kodak, etc.) und man kann sie durchaus vom Stil her mit Kameras aus den 1970ern verwechseln. Topcon spendierte der Serie um das UV-Bajonett alle paar Jahre weitere kleinere technische Updates, die sich Unirex (EE) und schließlich IC-1 Auto nannten. Interessanterweise hatte letztere einen Schlitzverschluss bei ansonsten ähnlicher Spezifikation. 

Größtes Manko und sicherlich einer der Gründe, warum Topcon nicht den Markterfolg wie die heute bekannteren Japaner hatte, war das UV Bajonett, das wegen des Zentralverschlusses keine wirklich lichtstarken Objektivkonstruktionen zuließ. Auch war das Objektivangebot beschränkt und kein Fremdhersteller hat je eigene Modelle dafür angeboten. Wie wir heute wissen, kam die letzte Zentralverschluss-SLR 1975 auf den Markt (Mamiya 528 AL), da war Topcon schon auf Schlitzverschluss umgestiegen und kurz davor, ganz das Kamerageschäft aufzugeben. 

Eigentlich spricht ja technisch nichts dagegen, eine Blendenautomatik auch mit einem Schlitzverschluss zu kombinieren. Eine solche SLR brachte Konica mit der Auto-Reflex 1965, allerdings konnte diese noch kein TTL. Dieses Feature kam erst 1968 mit deren Nachfolgerin Konica Autoreflex T.  

Zum Schluss möchte ich noch auf ein interessantes Detail hinsichtlich der TTL- Implementierung von Topcon hinweisen, was man bei genauem Hinsehen auf dem Bild links sehen kann. Man erkennt auf dem Spiegel ein Muster sich kreuzender feiner Linien, die allerdings beim Blick durch den Sucher unsichtbar sind. Es handelt sich dabei um den CdS Lichtsensor, das Muster ist unregelmäßig, um die Mittenbetonung der Lichtmessung zu realisieren. Man findet im Netz dazu allerdings zwei verschiedene Erklärungsvarianten: a) die CdS-Linien sind auf den Spiegel aufgedruckt; b) die Linien sind durchsichtig/nicht spiegelnd und der CdS-Sensor als Schicht auf der Rückseite des Spiegels. Wie dem auch sei, am Ende läuft es fast auf das selbe hinaus. Bei der RE Super hat Topcon es genauso gemacht, allerdings bei späteren Kameras zugunsten der auch bei anderen Kameraherstellern üblichen Technik wieder aufgegeben. Hier schauen ein oder (meist) zwei CdS-Zellen durch das Pentaprisma auf die Mattscheibe. Ist vermutlich viel billiger zu realisieren und genauso gut wie Topcons Variante.

Datenblatt Erste SLR mit Belichtungsautomatik und TTL Messung
Objektiv Topcon UV Bajonett, hier mit UV Topcor 53 mm f/2 (Gauß-Typ, 6 Elemente in 4 Gruppen), eine Serie von Objektiven zwischen 28 und 200 mm war erhältlich.
Verschluss Seikosha SLV Hinterlinsen Zentralverschluss, B-1-2-4-8-15-30-60-125-250-500 1/s, Automatischer Rückschwingspiegel fungiert als Hilfsverschluss.
Belichtungsmessung TTL mittels CdS-Zelle, mittenbetont. EV 5-18 (100 ASA), Filmempfindlichkeit 25-400 ASA. Automatische Belichtungssteuerung (Blendenautomatik nach Trap-Needle Prinzip) für Zeiten <=1/8s.
Fokussierung SLR, Fresnellinse mit Mikroprismen
Sucher Eingebautes Pentaprisma, 0.75x Vergrößerung (Normalobjektiv), 95%, Nadelanzeige der vom Belichtungsmesser ausgewählten Blende. 
Blitz M, X Buchse, umschaltbar.
Filmtransport Schnellschalthebel, Rückspulkurbel, Bildzählwerk
sonst. Ausstattung Zubehörschuh, Selbstauslöser, Stativgewinde 1/4‘‘
Maße, Gewicht ca. 136x93x84 mm, 866 g (m. Objektiv und Batterie)
Batterie PX625 (1.35V Quecksilber oder Alternativen)
Baujahr(e) 1964-1969, #54102585
Kaufpreis, Wert heute 160 US$ (1964), ca. 40€
Links Manual, Camera-Wiki, mailch