Die erste SLR mit einer echten Belichtungsautomatik (Blendenautomatik) kommt aus Frankreich und ist vermutlich die einzige französische SLR, die in nennenswerter Stückzahl verkauft und verwendet wurde. (Es gab vorher lediglich die legendäre Alsaflex, von der wohl nur wenige Stück gebaut wurden). Die Kamera kombiniert geschickt einen eingebauten Metrawatt Selen-Belichtungsmesser mit dem Prontor-Reflex Zentralverschluss. Das Ganze ist natürlich eine sogenannte „Trap-needle“-Konstruktion, ich hatte das Prinzip schon ausführlich in meinen Beiträgen zur Agfa Optima und Fujica S2 erläutert. Diese ist natürlich eingebettet in den schon so komplizierten Ablauf von Spiegelreflexkameras mit Zentralverschluss. Aber der Reihe nach. Zunächst die Übersetzung des ersten Abschnitts aus der Bedienungsanleitung der Kamera:
Blick auf die Anzeige des Belichtungsmessers. |
Die Fotozelle wählt unabhängig die idealen Bedingungen für die korrekte Belichtung Ihrer Aufnahmen. Beim Drücken des Auslösers schließt ein automatischer, robuster, einfacher und batterieloser Mechanismus die Blende automatisch und stoppt sie an der Öffnung, die genau der Helligkeit des in Ihrem Sucher angezeigten Motivs entspricht. Dabei wird Folgendes berücksichtigt: 1) die von Ihnen gewählte Verschlusszeit, 2) die Empfindlichkeit des verwendeten Films. Dieser automatische Mechanismus kann durch manuelle Steuerung außer Betrieb genommen werden. Dann ist Ihre SAVOYFLEX "Automatik" eine herkömmliche Kamera (z. B. Blitzfotos, Posen oder Spezialeffekte).
Der robuste und einfache Mechanismus ist der eigentlich Clou der Kamera und hängt direkt am wohl längsten Auslöseweg aller meiner Kameras: 10 mm sind runterzudrücken! Dabei passieren auf den ersten Millimetern Hub quasi gleichzeitig Folgendes: Der Verschluss schließt sich, der Spiegel klappt hoch und eine kleine metallene Blende verschließt den Suchereinblick vor Fremdlichteinfall. Auf den nächsten Millimetern wird dann wohl die Nadel des Belichtungsmessers eingeklemmt und die Blende entsprechend geschlossen. Falls man außerhalb des Blendenbereichs 2.8 bis 22 wäre, wird der weitere Auslöseweg blockiert, d.h. Fehlbelichtungen sind im Automatikmodus ausgeschlossen. Falls OK, dann reichen der letzte Millimeter um den Verschluss auszulösen. Hält man den Finger weiter gedrückt, passiert weiter nichts mehr. Erst wenn der Fotograf hier locker lässt, kehrt der Spiegel wieder in seine Ausgangsposition zurück und verschließt dabei das Filmfenster lichtdicht. Der Verschluss öffnet sich und der Suchereinblick ist wieder frei. Hier liegt die größte Schwäche der Kamera: Bei längeren Verschlusszeiten muss der Fotograf selbst daran denken, den Finger lange genug auf dem Auslöser zu belassen, sonst klappt der Spiegel runter bevor der Verschluss zu ist.
Während die gewählte Verschlusszeit mechanisch an den Trap-Needle-Mechanismus übermittelt wird, muss der Fotograf beim Filmwechseln die Empfindlichkeit des Films selbst einstellen. Dies geschieht durch Einstecken einer entsprechend gelöcherten Plastik-Blende vor die Selenzelle. Der „ungeschützte“ Sensor entspricht dabei ca. 200-400 ASA, die Löcher in den Plastikblenden werden umso kleiner je niedriger die Filmempfindlichkeit ist. Ein Satz von 8 verschiedenen Blenden aus schwarzem Plastik lag jeder Kamera bei, leider hatte meine nur noch die Blende „25-50 ASA“ einstecken. Eigentlich ganz pfiffig, allerdings macht es die Kamera recht häßlich und verlorene Blenden machen Probleme...
Diese Meilenstein-Kamera ist das Topmodell einer recht kurzen Serie von 35 mm SLR-Kameras aus dem Hause ROYER. 1959 kamen zunächst die Modelle I und II ohne Belichtungsmesser und Automatik auf den Markt. Dabei hatte das Modell I lediglich Frontelement-Fokus, während alle weiteren Modelle dann interessanterweise sowohl per Frontelement als auch mittels eines weiteren Schneckengangs durch Verschieben des gesamten Objektivs fokussiert werden können. Sowas habe ich bisher bei keiner anderen Kamera gesehen, ist beim wohl verwendeten Tessar-Typ aber kein Problem und hat den Vorteil einer sehr kleinen Naheinstellgrenze. Das Modell I wurde dann gegen Ende 1960 zugunsten des neuen Modells III „automatic“ eingestellt. Ab Anfang 1962 gab es dann etwas Modellpflege, beide Modelle II und III erhielten ein „E“ angehängt und einen Zubehörschuh spendiert. Das Basismodell II E hatte als kürzeste Verschlusszeit nur noch die 1/300 s, während die Savoyflex automatic weiterhin die 1/500 s besaß. Die Produktion dieser SLR’s wurde wohl schon 1963 eingestellt. 1964 folgten auch alle anderen eigenen Kameras und Rene Royer entschied sich, sein Geld nur noch durch den Import japanischer Kameras (Yashica) zu verdienen. Verbreitung fanden die eigenen Kameras wohl überwiegend in Frankreich selbst, jedenfalls habe ich bisher nur französische Broschüren oder Anzeigen gesehen. Auch mein Exemplar habe ich aus Frankreich bekommen, relativ gut erhalten. Der Verschluss funktioniert, sogar der Belichtungsmesser reagiert noch etwas.
Datenblatt | Erste SLR mit Belichtungsautomatik (Blende) |
Objektiv | Fest eingebautes SOM Berthiot 50 mm f/2.8 (vermutlich Tessar Typ) |
Verschluss | Prontor-Reflex Zentralverschluss, B-1-2-4-8-15-30-60-125-250-500 |
Belichtungsmessung | mittels Selenzelle über dem Objektiv, Anzeige mit kleinem Drehspulinstrument an der rechten Kamera-Vorderseite. Für die Automatik: Einstellung der Filmempfindlichkeit über Einsteckblenden aus Plastik zur Abschattung des Sensors. |
Fokussierung | doppelte Fokussiermöglichkeit: Auszug des gesamten Objektivs per Schneckengang (bis 80 cm), zusätzlich Frontlinsen-Verstellung, dadurch Nahaufnahmen bis 35 cm möglich. |
Sucher | Spiegelreflex, Fresnelllinse und Schnittbildindikator. Automatisch zurückkehrender Spiegel (siehe Text). |
Blitz | Blitzbuchse, Umschaltbar X/M |
Filmtransport | superweicher Schnellspannhebel mit integriertem Bildzählwerk (vorwärts), Rückspulknopf |
sonst. Ausstattung | Selbstauslöser, Zubehörschuh (kalt), Stativgewinde 1/4‘‘, Drahtauslöser-Gewinde, Filmmerkscheibe, Filmemfindlichkeitsblenden zum Einstecken, optionale Vorsatzlinsen "Ampliflex" (Tele 80mm), "Hyperflex" (WW 35mm) und "Macrofelx" (Nahlinse) |
Maße, Gewicht | 130 x 95 x 76 mm, 805 g |
Batterie | keine |
Baujahr(e) | 1959-1963, die Version III automatic ab 1960 |
Kaufpreis, Wert heute | ?, je nach Zustand und Ausstattung 50-300 € |
Links | Camera-Wiki, Pentax-SLR, Collection Appareils, Chronologie, Bedienungsanleitung (französisch) |
Bei KniPPsen weiterlesen | Geschichte der Belichtungsautomatik, andere SLR-Pioniere mit Blendenautomatik: Wirgin Edixa Electronica, Topcon Uni, Konica Auto-Reflex |
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