2021-05-16

Agfa Seriennummern - Agfa serial numbers

Mein Interesse an historischen Markt- und Produktionszahlen von Kameras ist hier im Blog schon hinlänglich bekannt. Seriennummern sind dafür eine sehr gute Primärquelle und lassen oft einen einigermaßen guten Rückschluss auf das Produktionsjahr oder gar die Produktionsmenge zu (siehe mein Dating-Tool hier links oben im Blog).  Manche Daten basieren auf offiziellen Produktionsbüchern der Kamerahersteller, ganz oft aber haben Sammler wie ich Nummern und weitere Infos gesammelt und sich das weitere zusammengereimt. Nicht immer ist alles korrekt und stimmig, wie mein Beitrag zu den Compur-Seriennummern gezeigt hat, aber das macht die ganze Sache ja auch spannend. 
My interest in historical market and production figures for cameras is already well known here on the blog. Serial numbers are a very good primary source for this and often allow a reasonably good conclusion about the year of production or even the production volume (see my dating tool here in the top left corner of the blog ). Some of the data is based on the camera manufacturer's official production books, but quite often collectors like me have collected numbers and other information and put together the rest of them. Not everything is always correct and consistent, as my article on the Compur serial numbers showed, but that makes the whole thing exciting.
Eine sehr niedrige Compur-Seriennummer war auch Grund für mich, meine erste Laufboden-Plattenkamera zu kaufen. Aber irgendwas daran war von Anfang an komisch. Mein Tool spuckt für die #546812 das Jahr 1919 aus, die traditionelle Zuordnung 1922/1923. Kameras unter dem orangen Agfa-Label gibt es aber erst ab 1926, als die neu gegründeten IG-Farben die Rietzschel-Kameraproduktion der Agfa zugeordnet haben. Was nun? Die Agfa Isolar trägt zum Glück noch zwei weitere Seriennummern, nämlich am Objektiv und etwas versteckt unter der Mattscheibe die Gehäusenummer, bestehend aus zwei Buchstaben und bis zu drei Ziffern. Aber auch zu diesen Nummern gibt es bisher keine klare Zuordnung zum entsprechenden Produktionszeitraum. 
A very low Compur serial number was also the reason for me to buy my first walking floor plate camera. But there was something weird about it from the start. My tool spits out the year 1919 for the # 546812, the traditional assignment 1922/1923. However, cameras under the orange Agfa label did not exist until 1926, when the newly founded IG Farben assigned the Rietzschel camera production to Agfa. What now? Fortunately, the Agfa Isolar has two more serial numbers, namely the housing number on the lens and a little hidden under the screen, consisting of two letters and up to three digits. But even these numbers have not yet been clearly assigned to the corresponding production period.

Daher habe ich mich selbst dran gemacht, etwas Licht ins Dunkel zu bringen und will hier meine Ergebnisse und einen Vorschlag dazu vorstellen. Gestützt habe ich mich zunächst auf eine Sammlung von frühen Seriennummern, die vor Jahren von Dirk Spennemann und anderen auf flickr mal zusammengetragen wurden (ca. 50 meist Agfa Standard Kameras). Ich habe diese Auswahl um 12 weitere Netzfunde ergänzt. Bei der Auswertung erkennt man Folgendes:

* An der ersten Stelle wurden nur die  Buchstaben A, B, C, D, E, F, G, H, J und K verwendet.

* An der zweiten Stelle wurden alle (25) Buchstaben relativ gleich verteilt verwendet, auch hier fehlt das I. Dies wurde von Agfa damals wohl grundsätzlich nicht benutzt, selbst ein Objektiv hieß Jge(s)tar.

* Es folgen zwei oder drei Ziffern, damit ergeben sich 1000 Kameras pro Buchstabenblock, 25.000 Kameras pro Startbuchstaben, bzw. 250.000 Kameras, die insgesamt mit diesem Schema abgedeckt werden können. 

Therefore, I have made it myself to shed some light on the darkness and want to present my results and a suggestion here. I initially relied on a collection of early serial numbers that were compiled years ago by Dirk Spennemann and others on Flickr (approx. 50 mostly Agfa standard cameras). I have added 12 more net finds to this selection. The evaluation shows the following:

* In the first place only the letters A, B, C, D, E, F, G, H, J and K were used.

* In the second place, all (25) letters were used relatively evenly distributed, the I is also missing here. This was probably not used by Agfa at the time, even a lens was called Jge (s) tar.

* This is followed by two or three digits, resulting in 1000 cameras per block of letters, 25,000 cameras per starting letter, or 250,000 cameras that can be covered by this scheme.

Das passt ganz gut zu den Objektiv-Seriennummern, die von 200.000 bis knapp über 500.000 reichen. Wenn man annimmt, dass die Gehäusenummern von AA[00]1 hochzählen (tatsächlich ist eines mit AA442 in der Liste), dann erkennt man eine ganz gute Korrelation mit den Objektiv-Seriennummern. In der oben genannten Quelle wurde die Vermutung geäußert, dass vielleicht die ersten Buchstaben A bis K ganz simple für die Jahre 1926 bis 1935 stehen. Aber das ist etwas zu kurz gesprungen, würde es doch bedeuten, dass Agfa in jedem Jahr maximal (!) 25.000 Kameras gebaut hat (s.u.). Und auch andere Tatsachen passen nicht, so wären alle gesichteten ISOLAR's in den 1930ern entstanden, wo sind dann die von 1927ff?
That goes very well with the lens serial numbers, which range from 200,000 to just over 500,000. If one assumes that the body numbers count up from AA[00]1 (in fact one with AA442 is in the list), then one can see a quite good correlation with the lens serial numbers. In the above-mentioned source, the assumption was made that perhaps the first letters A to K quite simply stand for the years 1926 to 1935. But that is a bit too short. It would mean that Agfa has built a maximum (!) of 25,000 cameras each year (see below). And other facts do not match neither, so all the ISOLARs that were listed would have originated in the 1930s, where are all those from the late 20ies?

Ich bin daher noch tiefer in die Agfa-Geschichte eingestiegen und habe mir zu diesem Zweck sogar „DAS" AGFA-Buch gekauft. Dieses liefert keinerlei Informationen direkt zu den Seriennummern, allerdings die Bestätigung, dass tatsächlich keine Produktionsaufzeichnungen aus dem Münchener Kamerawerk erhalten sind. Dafür viele andere Hintergrundinfo und grobe Produktionszahlen der ersten Agfa Jahre. Diese finden sich mit meinem Vorschlag einer Zuordnung in der folgenden Tabelle. 
So I went even deeper into the Agfa story and bought “THE" AGFA book for this purpose. This does not provide any information about the serial numbers directly, but confirms that no production records have actually been received from the Munich camera factory. Instead, lots of other background information and rough production figures from the first Agfa years were given. These can be found in the following table with my suggestion of an assignment.

Jahr
Kameraproduktion Gehäusenummer (ca.) Objektivnummer (ca.)
1926 45.000 AA xxx - BV xxx 200.000 - 250.000
1927 84.000 BW xxx - FE xxx 250.000 - 370.000
1928 90.000 (+ 40.000)* FF xxx - JU xxx 370.000 - 500.000
192960.000 (+200.000)* JV xxx - KH xxx** >500.000
year
camera production body serial no (c.) lens serial no (c.)
1926 45.000 AA xxx - BV xxx 200,000 - 250,000
1927 84.000 BW xxx - FE xxx 250,000 - 370,000
1928 90.000 (+ 40.000)* FF xxx - JU xxx 370,000 - 500,000
192960.000 (+200.000)* JV xxx - KH xxx** >500,000
* Im Jahr 1928 startete die sehr erfolgreiche Billy-Serie mit anderer Seriennummer und einfachen Objektiven ohne Nummer, die auch 1929 den Großteil der Produktion ausmachte.
** letzte bekannte Nummer

* In 1928 the very successful Billy series started with a different serial number and simple lenses without a number, which also accounted for the majority of production in 1929.
** last known serial no.


Trotz Weltwirtschaftskrise stieg das Agfa-Kamerwerk in München zahlenmäßig ab 1930 zu Europas größtem Hersteller auf und wurde weltweit nur noch von Kodak in Rochester, NY übertroffen. Im Zentrum des Erfolges standen zunächst die eher einfachen und preiswerten Kameras wie die Billy-Serie sowie ab 1930 die Box, die sich im ersten Jahr 44,000 mal verkaufte. Die Laufboden- und Rollfilmkameras der Standard- und Isolar-Serien mit hochwertigen Objektiven, die hier der Gegenstand sind, waren plötzlich nicht mehr gefragt. Laut Kadlubek's Buch stapelten sich über 70,000 solcher Kameras 1930 in Agfa's Lägern, die sich danach nur langsam leerten. Ich bin aufgrund dieser Information und den gesichteten Kameras geneigt zu behaupten, das deren Produktion spätestens im Jahr 1930 eingestellt wurden. Viele Modelle blieben bis ca. 1935 im Agfa Verkaufsprogramm und wurden (wie uns der Photo Porst Katalog von 1932 verrät) zu Ramschpreisen an den Mann gebracht (die Isolar 408 für 75,90 RM statt zunächst 138 RM). 
Eine wichtige Stütze dieser These und meiner ganzen Zuordnung sind auch auch die gesichteten Kameras mit dem RIM-Compur, der bekanntlich 1928 auf den Markt kam. Einige der Standard-Kameras tragen einen solchen und zwar alle mit sehr niedrigen 2.0xx.xxx Nummern, die sich den Produktionsjahren 1928 und 1929 zuordnen lassen. 
Despite the global economic crisis, from 1930 the Agfa camera factory in Munich grew to Europe's largest manufacturer and was only surpassed worldwide by Kodak in Rochester, NY. The focus of success was initially on the rather simple and inexpensive cameras such as the Billy series and, from 1930, the Box, which sold 44,000 times during the first year. The plate and roll film cameras of the Standard and Isolar series with high-quality lenses, which are the subject here, were suddenly no longer in demand. According to Kadlubek's book, over 70,000 such cameras were piled up in Agfa's warehouses in 1930, which then only emptied slowly. Based on this information and the cameras I have seen, I am inclined to say that their production was discontinued by 1930 at the latest. Many models remained in the Agfa sales program until around 1935 and (as the Photo Porst catalog from 1932 reveals) were sold at junk prices (the Isolar 408 for RM 75.90 instead of RM 138 at first). The cameras sighted with the RIM Compur shutter, which, as is well known, were launched on the market in 1928, are also an important support of my theory and the entire assignment. Some of the standard cameras have one, all with very low 2.0xx.xxx numbers that can be assigned to the production years 1928 and 1929.
Typische Agfa Seriennummer
an meiner Optima Reflex
Typical Agfa serial number
on my Optima Reflex
Die Billy-Kameras, die ab 1929 (und später zusammen mit der Box) einen Großteil der Produktion ausmachten, verwendeten eine leicht modifiziertes Seriennummer Schema, das noch tiefergehend ergründet werden will. Die Zahl ist nun vierstellig und tritt immer noch in Kombination mit einer vorangestellten Buchstabenfolge auf, die manchmal aber auch Ziffern enthält. Die einfachen Agfa Objektive (Jgestar, Agnar, Bilinar, etc.) verwenden keine eigenen Seriennummern mehr. Ab Mitte der 1930er bis  ca. Ende der 1960er Jahre tragen die hochwertigeren Kameras dann alle Seriennummern mit zwei Buchstaben gefolgt von vier Ziffern. Ich habe schon ‘zig davon gesichtet und es sieht so aus, als ob die Kameras in Blöcken mit ähnlichen Seriennummern produziert wurden. So habe ich für die Optima Reflex (1961-1963) insgesamt 9 Nummern mit den Buchstabenkombinationen "ZU", "ZV" oder "ZW" gefunden, für "ZU" gibt es allerdings auch andere Agfa-Kameras.   Aber um hier wirklich Licht reinzubringen, braucht es vermutlich hunderte Seriennummern mit weiteren Infos. Ich bleibe dran und bereite auch das vielleicht irgendwann mal auf. Wer Lust hat zu helfen: Bitte schickt mir eure Agfa Seriennummern mit Kamera, Objektiv (-Nr), Bild, etc. an knippsen (at) icloud (.) com. 
The Billy cameras, which made up a large part of production volume of 1929, used a slightly modified serial number scheme that needs to be explored in more detail. The number now has four digits and still occurs in combination with a preceding sequence of letters, which sometimes also contains digits. The simple Agfa lenses (Jgestar, Agnar, Bilinar, etc.) no longer carry own serial numbers. From the mid-1930s to around the end of the 1960s, the higher-end cameras then all have serial numbers with two letters followed by four digits. I've seen dozens of them and it looks like the cameras were produced in blocks with similar serial numbers. E.g., the Optima Reflex (1961-1963) a total of 9 units with the letter combinations "ZU", "ZV" or "ZW" have been sighted, but there are also other Agfa cameras for "ZU". But to really shed some light on this, you will probably need hundreds of serial numbers with further information. I will stick with it and maybe at some point publish more work here, too. If you want to help: Please send me your Agfa serial numbers with camera, lens (-no.), pictures, etc. to knippsen (at) icloud (.) Com.
Jetzt habe ich also die zeitliche Zuordnung der frühen Agfa-Kameras nach ihrer Gehäuse oder Objektiv-Nummer vorgeschlagen, die Ausgangsfrage nach der niedrigen Compur-Nummer an meiner ISOLAR noch nicht beantwortet. Zum Glück verhält es sich mit den anderen von mir gesichteten ISOLARs genauso: alle haben einen "Dial-Set" Compur mit 6-stelliger Seriennummer und wurden nach Gehäuse-Nr. zwischen 1928 und 1930 gebaut. Damals führte Deckel gerade den "RIM-Set" Compur am Markt ein und ich behaupte mal kühn, dass alle danach produzierten Kameras mit Dial-Set-Verschlüssen nur noch aus (Jahre alten) Lagerbeständen versorgt wurden. Außerdem ist z.B. von Photo Porst bekannt, dass alte Kameras von den Händlern bei Neukauf in Zahlung genommen wurden. Ich kann mir gut vorstellen, dass wertvolle Teile wie der Verschluss durchaus wiederverwendet wurden ("refurbished" würde man heute sagen). Daher kann mein Verschluss an der Isolar durchaus aus den frühen 1920ern stammen, die Kamera selbst wurde 1928 zusammengeschraubt.
However, now I have suggested the chronological assignment of the early Agfa cameras according to their body or lens number, but so far missed to answer the initial question about the low Compur number on my ISOLAR. Fortunately, all the other ISOLARs I have sighted are the same: they all have a "Dial-Set" Compur shutter carrying a 6-digit serial number but according to body no. were built between 1928 and 1930. At that time, Deckel was just launching the "RIM-Set" Compur shutter on the market. I just boldly claim that all cameras with dial-set shutters produced afterwards were only supplied from (year-old) stocks. It is also known from Photo Porst, for example, that dealers took old cameras in as part of a new purchase. I can well imagine that valuable parts such as the shutter have been reused ("refurbished" would be called today). So my shutter on the Isolar could well be made in the early 1920s; the camera itself was assembled in 1928.

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