2014-12-30

Praktiflex

Ein echtes Schnäppchen konnte ich am 4. Adventsonntag auf e-bay machen. Am 26.12. kam es dann quasi als verspätetes Weihnachtsgeschenk bei mir an, total verdreckt, aber komplett und funktional. Ich habe also ein paar Stündchen geopfert, das Ding feinsäuberlich zerlegt (ist gar nicht so schwer) und habe die Einzelteile gebadet und geputzt. Jetzt strahlt die Praktiflex wieder in fast altem Glanz, hat ein paar kleine Schrammen hier und da, funktioniert aber noch! Den Spiegel habe ich nicht ganz sauber bekommen, hier hatte ich zuviel Respekt die spiegelde Schicht zu entfernen.
Der Spiegel ist übrigends das Besondere an dieser Kamera, da es der erste Rückschwingspiegel an einer KB-SLR überhaupt war. Das war 1939, zehn Jahre vor der seltenen ungarischen Gamma Duflex, oder 15 Jahre vor der Asahiflex IIb, die als Praktiflex-Nachbau die nächste kommerziell erfolgreiche SLR mit einem (echten) Rückschwingspiegel wurde. Der Spiegel der Praktiflex ist eigentlich eine recht simple Konstruktion, da direkt mit dem Auslöser gekoppelt. Drückt man diesen herunter klappt der Spiegel hoch und am unteren Druckpunkt löst der Verschluss aus. Lässt man dann den Knopf los klappt auch der Spiegel wieder nach unten. Es gibt allerdings keine mechanische Sperre, die verhindern würde, dass der Spiegel runterklappt bevor der Verschluss fertig ist. Das ist bei der Praktiflex kein größeres Problem, denn es gibt keine längeren Zeiten als eine 20stel. Spätere echte Rückschwingspiegel sind dann mit dem Verschluss gekoppelt und nicht mehr nur mit dem Auslöser. 


Dennoch ist das ein interessantes Merkmal für eine Kamera, die im Vergleich zu ihrer Dresdener Konkurrentin  (Kine-) Exakta wesentlich einfacher gebaut war, und mit nur 120 RM auch entsprechend günstiger zu bekommen war. Beide Kameras wurden relativ erfolgreich, auch wenn der 2. Weltkrieg die technische Weiterentwicklung für fast 10 Jahre verzögerte. Ich bin jedenfalls froh, nun zwei Kameras in meinem Regal stehen zu haben, die zu den ersten 40'000 SLR für den Kleinbildfilm überhaupt gehören (Am Ende werden es ca. 212 Millionen weltweit werden, aber dazu demnächst hier mehr).


Ansonsten ist die Ausstattung der Praktiflex  zeitgemäß gehobenes Mittelmaß. Den Tuchschlitzverschluss und den Vorspulknopf samt Bildzählwerk kennt man so ähnlich z.B. von der Leica, das Filmhandling mit fester Spule wirkt fast modern. Als Normalobjektiv wird (u.a.) das legendäre Tessar mitgeliefert, das mit sagenhaften 14 Lamellen eine fast kreisrunde Blende produziert. Als Anschluss fungiert ein M40x1 Schraubgewinde, erst nach dem Krieg wird daraus das bekannte M42. Die Geschichte von K&W ist auch interessant, aber da möchte ich auf die Links unten verweisen. Die Praktiflex ist die Urmutter des erfolgreichsten deutschen Spiegelreflex-Herstellers, auch wenn der sich später VEB Pentacon und nicht mehr Kamerawerkstädten Niedersedlitz nennen wird.

Datenblatt KB-Spiegelreflexkamera
(erste mit Rückkehrspiegel)
Objektiv Wechselobjektive mit M40x1 Schraubgewinde, z.B. Carl Zeiss Tessar 5cm f/3.5, 4 Linsen in 3 Gruppen.
Verschluss Horizontaler Tuchschlitzverschluss mit 20-30-50-75-100-200-300-500 1/s und B.
Fokussierung Manuell am Objektiv, Spiegelreflex mit Einstelllupe (keine Mattscheibe!), keine sonstigen Einstellhilfen.
Sucher Spiegelreflex mit ausklappbarem Lichtschachtsucher, Einstelllupe, alternativ Sportsucher.
Blitz keine Anschlussmöglichkeit.
Filmtransport Drehknopf, Bildzählwerk, Rückspulknopf.
sonst. Ausstattung Leica-Glocke für Drahtauslöser, Rückkehrspiegel
Maße, Gewicht ca. 158x85x47mm, 682/812 g (o/m Objektiv)
Batterie keine.
Baujahr(e) 1939-1946, Version 8: 1940-1946, diese Kamera (Serien-Nr. 9121): ca. 1941
Kaufpreis, Wert heute 1939: 120 RM (mit Objektiv),
heutiger Wert ca. US$ 500/€ 350
Links Wikipedia, Taunusreiter, Camera-Wiki, Dresdener Kameras, Praktica Collector

2014-12-26

Lytro Review (Teil 5 - Living Pictures auseinander genommen)

 Lytro-Tiefenkarte (stack.depthmap.png, 328x328 Pixel)
Wenn es darum geht der Lytro unter die Haube zu schauen kann ich nur die Website von Jan Kucera empfehlen (The Lytro Meltdown), der die Kamera(s) nicht nur physikalisch auseinander genommen hat, sondern auch viele Einsichten in die verwendeten Dateiformate und andere eigentlich verborgene Dinge liefert. Allerdings hat sich insbesondere mit dem Erscheinen der Lytro Illum einiges an den Dateiformaten etc. geändert, was er in seinem Vorwort auch anmerkt und ich auch beim Vergleich bemerkt habe. Trotzdem ist es DIE Quelle, wenn es um Details geht. Ich werde hier nicht alles wiederholen, sondern nur mit meine eigenen Beobachtungen ergänzen.
Der Lytro raw-file hat eine Größe von 16.1 MB (3280x3280 Pixel, 12 Bit) und enthält per Definition alle wesentlichen Bildinformationen. Alle? Nein eben nicht, und das wird bei der Analyse der Dateistruktur relativ deutlich. Das Microlinsenraster vor dem Sensor (bestehend aus ca. 130.000 Linsen) sitzt wohl bei jeder Kamera an einer etwas anderen Stelle, was ein nachträgliches Rekalibrieren per Software notwendig macht. Circa 1 GB an Daten gehen für Kalibrierdateien etc. drauf, was den 8GB internen Speicher entsprechend schmälert.  Nach Jan Kucera werden diese Daten sogar auf den Computer übertragen, das konnte ich allerdings nicht nachvollziehen. Ggf. hat Lytro hier was bei den letzten Versionen geändert.
Überträgt man dann die Bilder, so werden diese von Lytro Desktop lichtfeldtechnisch durchgerechnet und landen in einer Bilddatenbank, softwaretechnisch verpackt in Lytro-Bibliothek.lytrolibrary, zu finden im Bilderordner. Die Software bläst dabei die 16.1 MB Rohdaten auf ca. 50 MB auf (ja, für jedes einzelne Bild mit einer Auflösung von 1134x1134 Pixeln !). Der Großteil dieser Daten findet sich in der Datei stack.preadjust.lfp, hier handelt es sich vermutlich um das durchgerechnete Lichtfeldbild mit mehreren Schärfeebenen, etc. Die restlichen Dateien sind dagegen klein und enthalten JPG Vorschaubildchen und Animations- und Ansicht-Informationen im JSON-Format.


Wie gesagt, das ist alles gut verpackt und der normale Anwender soll gar nicht merken, welchen Datenfriedhof er da anlegt. Bei mir kamen bei nur 45 Lytro-Bildern insgesamt 2.3 GB zusammen. Aber das ist noch nicht alles! Lytro Desktop erlaubt den Export verschiedener Datenformate (z.B. simple JPGs oder TIFFs), aber auch als Living Picture zum Weitergeben. Dabei wird nicht eine Datei pro Bild geschrieben, sondern ein ganzer Order mit dem Namen des Bildes angelegt, der immer folgendes enthält und dabei 72 MB groß ist:

Als erstes fällt stack.depthmap.png auf, die Tiefenkarte des jeweiligen Bildes (s.o.), welche in einer Auflösung von 328x328 Pixeln (ungefähr die Anzahl der Mikrolinsen!) mittels 7 verschiedener Graustufen die Gegenstände des Bildes anhand ihrer Entfernung zur Kamera klassifiziert. Dann gibt es 7 TIFF-files, die interessanterweise alle gleich scharf sind, allerdings durch unterschiedliche Perspektiven die 3D-Informationen enthalten. Zusätzliche Info wird stack.lfp gespeichert, sodass die Lytro-Wolke oder ein anderes Lytro Desktop wieder ein Living picture zusammenrechnen kann.
Gegen die Verwendung von TIFF-Dateien ist eigentlich nichts einzuwenden, sind sie doch ein äußerst flexibler Container. Man hätte z.B. alle 7 Ebenen in einer einzigen TIFF Datei und noch dazu mit Kompression verwenden können, sogar die Tiefenkarte hätte als weitere Seite hinein gepasst. Nein, jede TIFF-Datei auf unserem Stack hat 10.3 MB, u.a. weil jedes Pixel mit 16 Bit Farbtiefe abgelegt wurde.
Fazit: Wieder eine Enttäuschung hier. Der Resourcenverbrauch ist wirklich unangemessen. Auch wenn ich nicht alles verstehe, bin ich fest überzeugt, dass Lytro bei weitem nicht ihr Potential für weitere Optimierungen ausgeschöpft hat. Wie soll das weitergehen, wenn neue Generationen (wie die Illum) noch größere Datenmengen verarbeiten und speichern müssen? Als erstes muss eine ordentlich und angemessene Komprimierung her. Ich bin überzeugt, dass bei der gegebenen Bildqualität eine Dateigröße von sagen wir 1-2 MB ohne Verlust möglich ist. Das würde nicht nur Platz sparen, sondern auch bei der Geschwindigkeit helfen.
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2014-12-24

Lytro Review (Teil 4 - Lytro App)


Der natürliche Verbündete der Lichtfeld-Kamera heißt natürlich Smartphone, weil heute die allermeisten Fotos auf dessen Display angeschaut werden. Wenn es gelänge die Living Pictures hier nahtlos zu integrieren und jeder quasi natürlich mit den Dingern rumspielte, wäre Lytro am Ziel. Leider ist es noch ein weiter Weg dahin. Aber die Anfänge sind gemacht...
Obwohl die ersten Lytros irgendwann im Frühjahr 2012 ausgeliefert wurden, dauerte es noch über ein Jahr bis zum Sommer 2013 bis es endlich die App für iOS gab, gleichzeitig wurde die bisher verborgene WLAN Funktion der Kameras per Firmwareupdate freigeschaltet und seither können Lytro-Kameras zumindestens mit iPhones und iPads drahtlos kommunizieren. Eine Android Version wird für 2015 (irgendwann...!) angekündigt. Die jetztige iOS Version hört auf die Nummer 2.1.0 und läuft nur noch auf iOS 8.x.
Wer jetzt aber (wie ich) geglaubt hat, dass man Living Pictures auf dem iPhone speichern könnte, per e-mail oder WhatsApp verschicken etc., der irrt leider (man kann nur Links auf die Lytro Website verschicken). Sowas ging in der früheren Version 1.2 mal, dort gab es eine coole Funktion zum Export von animierten GIF-Dateien zu genau diesem Zweck. Warum es die jetzige Version nicht mehr kann, weiß ich leider nicht.
Die App übernimmt im wesentlichen zwei Funktionen. Erstens ist sie ein schicker Browser für's Lytro-Web, man bekommt in der allgemeinen Galerie genau dieselben Bilder gezeigt, wie auch auf der Titelseite der Website am PC. Allerdings läuft es (zumindestens auf meinem iPhone 6) viel flüssiger als im Browser und auch der Touchscreen scheint besser geeignet zur Interaktion als die Maus. Besonders cool kommt die Tatsache, dass die Bewegungssensoren im Telefon zur perspektivischen Verschiebung genutzt werden: Wackelt man mit dem Display, wackelt drinnen auch das Bild, und zwar in 3D! Die Blende stellt man mit einem Twist aus zwei Fingern ein. Hier ist er: der natürliche Verbündete der Lytrografie!
Zweitens fungiert das Telefon als Modem, um die Fotos in die Lytro-Wolke hochzuladen. Dazu aktiviert man an der Kamera das WLAN und wählt am Phone die Kamera als Hot-spot aus. Deren Funkreichweite ist recht kurz, weiter als ein paar Meter gehen nicht. Jetzt läuft vieles parallel zum Lytro-Desktop. Man bekommt kleine Vorschaubildchen für alle Bilder auf der Kamera, und kann nun Bilder einzeln anwählen. Dann wird Bild für Bild lichtfeldtechnisch durchgerechnet, selbst auf dem schnellen iPhone 6 dauert das ca. 5 Sekunden (pro Bild) und man bekommt den zirkulierenden Statusanzeiger zu sehen (siehe Bild links). Jetzt noch Bild-Überschrift und Location ausgewählt und das Ding für die Upload-Queue vormerken. Wenn man eine Datenflatrate seines Mobilfunkproviders besitzt kann man getrost die Option wählen, dass über den Mobilfunk hochgeladen wird. Der startet dann im Hintergrund. Wenn nicht, kann man zumindest theoretisch die App anweisen zu warten bis man wieder in seinem Heim-WLAN ist. Der anschließende Upload funktionierte bei mir nur mit einzelnen Bildern und nicht ganzen Serien. Einmal abgebrochene Uploads ("failed") lassen sich nicht neu starten. Hier bleibt also auch noch viel Arbeit für Lytro's team. 
Alle Uploads aus der App landen übrigends im Album "Mobile Uplaods", unabhängig vom Zeitpunkt und ob man mehrere Bilder gleichzeitig hochläd. Ändern läßt sich das nachträglich leider nicht. Auch hatte ich das Album auf der Website umbenannt (und hoffte ein neuer würde angelegt, weit gefehlt). Das Ganze ist wirklich sehr frustrierend und man kann nur auf zukünftige Verbesserungen hoffen.
Fazit: Wegen der des eingebauten und coolen Lichtfeld-Browsers bekommt die App die beste Note aller bisher getesteten Komponenten. Allerdings maximal ein Befriedigend, wegen der Mängel bei Geschwindigkeit und Bild-Upload. Außerdem fehlt die Integration in die Smartphone-Umgebung (soziale Netzwerke, etc.) Hier wünschen wir uns als ersten Schritt den GIF-Export zurück.

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2014-12-22

Lytro Review (Teil 3 - Lytro Web)

Neben der Kamera selbst ist Lytro Web wohl die wichtigste Komponente der "Lytrografie", so wie es der Fotoabzug oder die Diashow bei der klassischen Fotografie war/ist. Wie sonst soll man "Living Pictures" anders darstellen als auf Bildschirmen und was liegt da näher als das Internet als Galerie zu nutzen. Die Firma Lytro bietet dafür ihren Kunden kostenlosen Wolkenplatz an, man darf beliebig viele Bilder hochladen (öffentlich oder nur privat), betrachten und viel wichtiger: interagieren kann man mit den Bildern in beliebigen (modernen) Web-Browsern. Lytro hat sich vielleicht Flickr als Vorbild genommen, allerdings ist vieles noch im Anfangsstadium, obwohl schon 3 Jahre online und jetzt sogar schon die zweite Kamerageneration unterstützt werden muss. Immerhin funktioniert das was da ist ohne auffällige Bugs.
Aber auch hier wieder braucht man viel Geduld, genauso wie beim Lytro Desktop. Wenn man die Website öffnet, bekommt man die über Tage immer gleiche Top-Auswahl an kachelartig angeordneten Living Pictures zu sehen. Und gerade weil sie durch ständige Schärfe- und Zoomfahrten so lebendig gehalten werden, wird der anzeigende PC ganz schön gefordert. Ich hab's auf meinem kleinen Netbook (Acer Aspire one, AMD C50 Doppelkern Prozessor, 2 GB RAM) ausprobiert. Zunächst habe ich alle Anwendungen geschlossen und unnötige Hintergrundprozesse beendet. Dann Firefox (V34.0.5) geöffnet und den Taskmanager gestartet. Nach kurzer Zeit pendelt die CPU Last bei 1% oder 2% herum. Dann habe ich https://pictures.lytro.com angesurft, und der Prozessor schuftet danach ständig im Mittel bei 52% Last. Selbst komplexe Webanwendungen wie Google Docs oder ähnlich sind viel sparsamer mit den Resourcen. 
Aber das ist nicht die einzige Enttäuschung: Fotos lassen sich per Lytro Desktop oder per Smartphone-App hochladen. Man landet daraufhin in seinem privaten Bereich der Galerie (meiner ist hier), hat allerdings kaum weiteren Gestaltungsspielraum. Die einzigen Dinge, die man noch in der Web-Anwendung machen kann ist Bilder löschen oder beschriften. Läd man mehrere Bilder auf einmal hoch, dann landen diese (zwangsläufig) in einem gemeinsamen Album. Späteres hinzufügen oder umsortieren zwischen Alben ist bisher unmöglich. Das (und anderes) verspricht Lytro schon seit längerem, wie man im Support-Forum nachlesen kann
Auch eine Suchfunktion suche ich bisher vergeblich. Wofür sind dann eigentlich Bildunter- und überschriften gut? Auch kann man nicht nach anderen Benutzern suchen, selbst man man deren Benutzernamen kennt. Man muss hoffen, ein Bild von Ihnen in der allgemeinen Galerie zu finden, über dieses gelangt man dann in die entsprechende Galerie und kann sich auch die anderen Bilder und Albums anschauen.
Immerhin - und das ist in meinen Augen die beste Funktion - erlaubt Lytro seinen Nutzern die Living Pictures (einzeln oder als komplettes Album) in eigene Webseiten (oder HTML-emails) einzubinden. Ich habe das schon bei meinem Lytro-Selfie getan, hier kommt noch ein komplettes Album von meinem Besuch gestern in Acorn Hall




Auch hier das Fazit: Das Grundkonzept stimmt, ein ganz guter Anfang ist gemacht, aber es gibt für das Lytro Team noch viel zu tun. Fehlende Funktionen gilt es nachzurüsten, aber ganz besonders sollte man am Resourcenverbrauch arbeiten. Es verdirbt einem den Spaß, wenn man durch unnütze Schärfefahrten durch nebensächliche Bilder ausgebremst wird. Weniger wäre hier mehr.
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Lytro Review (Teil 2 - Lytro Desktop)

Lytro Bilder taugen nicht zu einfachen Abzügen oder Ausdrucken, dazu sind sie (a) zu schlecht in der Qualität und (b) natürlich nicht gedacht. Der ganze Spaß beginnt erst mit der Interaktion des Betrachters mit dem "Living Picture". Und dazu braucht man eine elektronische Anzeigeplatform, derzeit existieren 3 davon: (1) Lytro Desktop, die Software für den Heim-PC, (2) die Lytro App für's Smartphone, und (3) Lytro Web, die Galerie in der Wolke. Heute geht es hier um (1), jeder kann sich die Software von Lytro's Web-Site herunterladen, allerdings sollte man einen einigermaßen modernen und leistungsfähigen Rechner besitzen, am besten einen Mac (min. OS X 10.7), die Plattform auf der Lytro Desktop zunächst exklusiv lief. Inzwischen gibt es auch eine Windows Version, allerdings läuft die nur auf den aktuellen 64-Bit Systemen. Mein Versuch, sie auf einem 4 Jahre alten Netbook mit Win7 Home Starter (32-Bit) zu installieren scheiterte:
Zum Glück besitze ich noch einen (5 Jahre alten) iMac mit Core 2 Duo Prozessor und 4 GB RAM, was ungefähr die Minimalanforderungen sind. Die Software kommt recht schlicht daher und ist intuitiv benutzbar für jeden, der schonmal iPhoto oder andere Bildbearbeitungprogramme verwendet hat. Das Bild hier unten fasst ca. 90% der Funktionen in den fünf wichtigen Untermenüs zusammen, mehr ins Detail möchte ich hier nicht gehen. 
Los geht's in dem man die Kamera per USB-Kabel an den Rechner anschließt. Die Software zeigt daraufhin ziemlich zügig die Kamera in der Bibliothek inklusive Vorschaubildchen der einzelnen Fotos an. Diese kann man dann auswählen und importieren. Dafür muss man aber etwas Geduld mitbringen, eine Eigenschaft, die von der Software häufiger bemüht wird. Ich habe gestoppt: Der eigentlich Import von fünf Aufnahmen dauerte 11.5 Sekunden, danach wird das Lichfeld durchgerechnet, was mit einem kreisenden Fortschrittsymbol (siehe Bild oben) auf den Bildchen angezeigt wird. Pro Bild dauerte das bei meinem iMac zwischen 23 und 35 Sekunden! Man stelle sich nur vor, man hätte den 8 GB Speicher der Kamera ausgeschöpft und ca. 350 Aufnahmen zu importieren, das ergibt dann ca. 3 Stunden (in der Zeit wird immerhin der Akku auch wieder aufgeladen). Zum Glück kann man fertig gerechnete Bilder schon weiter bearbeiten, während andere noch im Hintergrund rechnen, allerdings hat man keinen Einfluss darauf in welcher Reihenfolge die Dinger abgearbeitet und fertig werden.
Hat man einzelne Bilder "geöffnet" kann man diese fast wie in jeder anderen  Bildbearbeitung verändern. Der Mausklick ins Bild setzt den jeweiligen Fokus. Das Neue ist, dass man neben Farben, Helligkeit und Kontrast nun auch die Schärfe bearbeiten kann. Die Blende, die physikalisch an der Kamera fehlt, ist hier als Sofware-Regler nachgebildet. Und zwar zwischen f/1.0 (möglichst große selektive Schärfe) und f/16 (alles scharf!). Das ist am Anfang wirklich spannend, nutzt sich aber schnell ab. Hat man eine Einstellung gefunden, kann die Sofware auch stinknormale Digitalbilder exportieren (JPG oder TIFF). Natürlich läd man auch von hier aus die Bilder in die Lytro-Wolke hoch, dazu später mehr.
Mit dem Funktionsmodus "Animieren" kann die Präsentation der Bilder für andere vorbereit werden, in dem man Schärfe- und Zoomfahrten durch seine Bilder zusammenklickt. Das Ganze wirkt ein bisschen wie ein Videoschnittprogramm. Mir erschließt sich der Sinn nicht wirklich, ich hätte nichts vermisst, wäre es nicht vorhanden gewesen.
Der Präsentationsmodus schließlich ist ein bisschen wie bei Powerpoint. Man zeigt seine Diaschau, gegebenenfalls mit den erwähnten Schärfe-und Zoomfahrten durch die Fotos. Man kann hier auch zwei 3D-Darstellungsvarianten anwählen, dazu später mehr.
Mein Fazit zum Lytro-Desktop: Intuitiv zu bedienende Software, die aber sehr resourcenintensiv ist und machmal die Geduld arg strapaziert. Der Spaß an der so wichtigen Interaktion mit den "Living Pictures" kann so leicht verloren gehen. Obwohl die Software schon bei Version 4 angekommen ist, muss wohl noch viel unter der Haube (Geschwindigkeit!), aber auch am Funktionsumfang getan werden (Zum Beispiel lassen sich Fotos bisher nur in einer Richtung und in 90° Schritten drehen).

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2014-12-17

Lytro Review (Teil 1 - Bedienung und erste Eindrücke)

Die Lytro kommt in einem wirklich schicken Karton, fast genauso wie ein iPhone, nur etwas größer. Es scheint fast als habe Apple dem kleinen Startup aus der Nachbarschaft (es sind nur 10 km Luftlinie zwischen beiden Firmenzentralen im Silicon Valley) das Verpackungsdesign etc. zu ihrem Marktauftritt geschenkt. Nach dem Auspacken war ich erst mal erstaunt von der Größe der Kamera (41x41x112 mm), sie wirkt auf Fotos immer irgendwie kleiner. Von der Form her ist sie außergewöhnlich, was wohl unterstreichen soll, dass sie auch im Inneren anders tickt als "normale" Kameras. Am Besten als Größenvergleich geeignet schien mir die Rollei 35, auch ein quaderförmiges Design mit nur ca. 10% mehr Volumen.  
Nach dem Auspacken kann man gleich loslegen, der Akku ist zu ca. 80% geladen, der Bildspeicher (8 oder 16 GB) fest eingebaut und nach einem Druck auf den (vermutlichen) Auslöser springt das Display an und ein zweiter Druck schießt das erste Foto. Scharfstellen entfällt ja und die Belichtungsautomatik tut was sie soll. Im Gegensatz zu so manch anderen Digitalknippsen scheint es kaum Auslöseverzögerung zu geben. Der erste Eindruck: super-schnell das Ding! Leider kann die Lytro das nicht wirklich ins Ziel bringen. Ein Rechtswisch auf dem recht intuitiv zu bedienenden Touch-Display bringt das eben geschossene Foto wieder zum Vorschein, allerdings heißt es jetzt ca. 3 Sekunden (!) warten, bis der Prozessor das "Living Picture" durchgerechnet hat. Über solche Wartezeiten stolpert man leider immer wieder, ich werde das nochmal beim Softwareteil thematisieren. 
Insgesamt gibt es nur vier Bedienelemente: 1) besagten Auslöser auf der Oberseite, der auch als Anschalter fungiert, 2) einen Abschalter auf der Unterseite, 3) einen kapazitiven Zoomslider hinter dem Auslöser, lediglich an einer winzigen Riffelung zu erfühlen und erst mal überhaupt nicht intuitiv, und schließlich 4) das Touch-Display mit einem gut gelungenen und auf's Wesentliche beschränkten Software-Menu. Neben den Bedienelementen gibt es dann nur noch einen magnetisch haftenden Objektivdeckel, eine Öse zum Anbringen einer Handschlaufe und den mit Silikondeckel versehenen Micro-USB Anschluss.
Das Display ist eine kleine Enttäuschung. Ich fühlte mich ca. 11 Jahre zu meiner ersten Digitalkamera zurückversetzt, die hat ein fast genauso großes und ähnlich schlecht auflösendes (Lytro: 128x128 Pixel!) LCD Display (noch dazu spiegelt es...). Man mag einwenden, das wegen des speziellen Designs nicht mehr Platz geblieben ist. Allerdings ist für mich unverständlich, warum dann der schwarze Rand und die geringe Pixel-Auflösung. Im Jahr 2012 kann man schon was besseres erwarten (ILLUM, die 2. Generation, hat inzwischen ein höher auflösendes (480x800) 4 Zoll Display!).
Die Menü-Führung des Touch-Screens ist simple und konsequent ausgeführt, das ist wirklich Apple like. Man findet sich schnell zurecht und sogar die manuelle Kontrolle über Verschlusszeit und Empfindlichkeit (eine Blende gibt es ja nicht!) ist unabhängig voneinander möglich. Der interne 4-Blendenstufen ND Graufilter läßt sich dann manuell steuern, wenn auch alles andere fixiert ist. Man kann außerdem einen Selbstauslöser benutzen, den Lade- und Speicherzustand kontrollieren sowie Bilder löschen. Außerdem funkt die Lytro im WLAN, zum Datentransfer auf's Smartphone, aber dazu später mehr.
Dann also raus in die Welt und Fotos machen. Das geht recht flott von der Hand, allerdings kann der Sensor bei der Bildqualität die wir von modernen Digitalkameras oder sogar Smartphones gewohnt sind lange nicht mithalten. Simple Bilder wie Landschaftsaufnahmen oder einfache Protraits macht man besser nicht mit ihr, man wird nur enttäuscht! Die Auflösung ist mit 1080x1080 Pixeln unterirdisch, dazu kommt ein übermäßiges Rauschverhalten bei schlechtem Licht, außerdem überstrahlen die Spitzlichter recht seltsam.
Aber dazu ist sie ja eigentlich auch nicht gedacht. Geht man ganz nah ran an die Dinge (bis fast zur Linse vorne möglich), dann ergibt sich eine interessante Perspektive und das Spiel mit der Schärfe kann beginnen. Viele, viele Aufnahmen auf Lytro's Website zeigen das kreative Potential, auch wenn viele der neueren schon mit der Lytro ILLUM gemacht sind. Die neue Kamera einen deutlich höher auflösenden Sensor und bügelt einige der o.g. Schwächen aus.
Das ganze Konzept ist also auf eine andere Art der Foto-Betrachtung ausgelegt. Keiner wird ernsthaft erwägen (nur) Abzüge zu drucken. Also werden die Bilder auf Lytro's (kostenlose) Web-Site hochgeladen, am Computer oder am Smartphone betrachtet und interaktiv verändert. Zunächst wirklich faszinierend. Allerdings muss ich zugeben, dass sich der Effekt recht schnell auch abnutzt.
Mehr zum diesem Thema in meinen nächsten Beiträgen...

2014-12-15

Lytro Lichtfeldkamera

Fast genau vor drei Jahren wurde sie offiziell angekündigt und ich habe fasziniert berichtet. Allerdings war meine Faszination nicht groß genug, dass ich $399 ausgegeben hätte, um ein paar fotografische Experimente zu machen. Jetzt am Cyber Monday (dem Montag nach Thanksgiving, wo Elektronik zum Schnäppchenpreis angeboten wird) gab es sie für $99 sogar inklusive Stativhalterung, Schnellladegerät und persönlicher "Gravur" (siehe Bild). Ich habe also zugegriffen und werde hier von meinen Lichtfeld-Gehversuchen berichten.
Das ist sie also, Lytro's erste und überhaupt die erste kommerziell erhältliche plenoptische (Lichtfeld-) Kamera. Inzwischen gibt es mit dem Modell ILLUM sogar schon die zweite Generation, ein tatsächlich in vielen Belangen deutlich verbessertes Modell, allerdings mit $1599 auch ein recht teurer Spaß. Ich gehe mal davon aus, dass das erste Modell nicht mehr gebaut wird und man derzeit die (umfangreichen ?) Restbestände an den Mann bringen will. Die Kamera ist also seit ein paar Tagen bei mir und meine ersten Eindrücke schwanken zwischen Erstaunen und Enttäuschung, mehr dazu in einer kleinen Review-Serie, die ich über Weihnachten hier posten werde.

So ein Post wäre unvollständig ohne ein sogenanntes "Living Picture", einfach mal ein bisschen mit rumspielen, das Fragezeichen unterm Bild erläutert, was möglich ist.