2018-10-10

Fujinon Z 43-75 mm f/3.5-4.5


Manchmal muss eben der Zufall helfen: Ich war eigentlich nur auf der Suche nach einem Fujinon (Standard-) Objektiv für das einsame Fujica ST801 Gehäuse, dass ich als kleinen Meilenstein für meine Sammlung erworben hatte. Natürlich hätte ich auch andere M42-Objektive anschrauben können, aber die haben ja nicht die besondere Fujica-Offenblend-Variante. Außerdem wollte ich nicht mehr als 20€ ausgeben und das schränkt die Auswahl an Angeboten schon ein. 5 Monate und einige Versuche hat es dann gedauert, bis ein ebay Händler mein Angebot von 15€ für dieses Schätzchen hier angenommen hat.
Ich ahnte da noch nicht, dass ich hier einen zweiten Meilenstein ergattert habe. Zusammen mit der Fujica AZ-1 war es 1977 nämlich das erste Zoomobjektiv, das als Standardobjektiv mit der Kamera zusammen verkauft wurde. Es ist tatsächlich (zumindest bei 75mm) so kompakt wie ein Normalobjektiv und muss wohl auch optisch eine ganz gute Figur machen. 
Zoomobjektive für KB-SLR gab es Ende der 1970er Jahre schon fast 20 Jahre, angefangen hat es mit dem Voigtländer Zoomar 36-82 mm f/2.8 im Jahr 1959. Dieses war ein ziemliches Monstrum und auch die optischen Qualitäten ließen zu wünschen übrig, so dass es für entsprechende Festbrennweiten eigentlich keine Konkurrenz war. Anfang der 1960 brachten die Kamerasystemhersteller zunächst Telezoomobjektive. Diese waren zumindest ebenso groß und schwer wie entsprechende Festbrennweiten und ihre optischen Leistungen fielen gegenüber dem bisher gewohnten nicht ganz so stark ab. Als erster Hersteller wagte sich dann 1963 Nikon an ein relativ kompaktes Standard-Zoom: Zoom-Nikkor Auto 43-86 mm f/3.5 , zunächst als fest eingebautes Objektiv in der Nikkorex Zoom, dann aber auch als F-Objektiv. 
Von Ken Rockwell ist es als Nikon's optisch schlechtestes Objektiv bezeichnet worden und da ist wohl auch was dran. Nikon selbst hat es dann 1976 komplett neu gerechnet, die zweite Version war dann wohl OK. Mitte der 1970er kamen dann auch die anderen Hersteller mit neuen Standard-Zooms. Canon hat anscheinend mit ihrem FD 35-70 f/2.8-3.5 S.S.C. aus dem Jahr 1973 gezeigt, dass auch sehr gute optische Leistungen möglich sind. TTL-Messung und auch die ersten Zeit- und Blendenautomatiken machten die variierende Anfangsöffnung akzeptabel, höher empfindliche Filme ermöglichten auch recht lichtschwache (3.5-4.5), dafür dann aber kompakte und ordentliche Standardzooms. Warum sich Fuji für 43 mm als Startbrennweite entscheiden hat, bleibt wohl ihr Geheimnis. Aber sie waren die ersten, die sich getraut haben, das Zoom als Standardobjektiv mit der Kamera zu verkaufen. Ein Modell was, wie wir wissen Schule gemacht hat, heute nennt man sowas Kit-Objektiv.  
Das Fujinon (rechts) im Vergleich zum Nikkor 43-86 (links) und dem kompakten Nikkor 35-70 f/3.5-4.5 von ca. 1986. Interessanterweise ist das Fuji-Objektiv am kompaktesten bei 75 mm, während das alte Nikkor eingefahren 43mm Brennweite hat. Das jüngste hier ist bei der mittleren Brennweite von 50mm am kürzesten. 

Erstaunlicherweise findet sich fast nichts zu Zoomobjektiven und deren historische Entwicklung im Netz. Eine kurze und ganz gute Zusammenfassung bietet die englische Wikipedia. Ich werde weiter schauen und mir dieses Kapitel vielleicht mal vornehmen.

2018-10-05

M42 Fujica Variante


Das M42 Objektivgewinde (eigentlich M42x1mm, Auflagemaß: 45.46mm) war lange Zeit DER Standard zum Anschluss von Wechselobjektiven an Spiegelreflexkameras. Eingeführt 1949 für die Contax S sowie spätere Praktica Kameras wurde es lange Zeit auch Praktica-Gewinde genannt. Weltweit populär wurde es auch durch die Verwendung durch Asahi Pentax (damals japanischer Marktführer) und anderen Herstellern, die sich kein umfangreiches eigenes Objektivprogramm leisten konnten oder wollten und gerne auf die riesige Auswahl an verfügbaren Objektiven verwiesen. Mit der Praktica F.X2 kam 1956 die automatische Springblende (zu erkennen am kleinen silbernen Pin). Dieses Update kam wohl noch früh genug, um allgemein auch von allen anderen Herstellern angenommen und damit zum Standard zu werden.    
Was dann nicht mehr geklappt hat, war einen Standard für die Offenblend-Belichtungsmessung abzustimmen. Hier kochte dann jeder Hersteller sein eigenes Süppchen, um der Kamera irgendwie die am Objektiv eingestellte Blende mitzuteilen, ohne vor dem Auslösen abzublenden. Während Pentacon bei der Praktica LLC auf elektrische Kontakte setzte, beruhen alle anderen Lösungen auf mechanischer Übertragung: 1968: Pentacon Super, 1970: ZeissIkon Ikarex TM,  1971: Olympus FTL, Pentax ES, 1972: Fujica ST-801, 1974: Mamiya MSX 1000.
Hier ist also die Fujica-Variante, realisiert durch einen maximal 1mm breiten Mitnehmer am Blendenring des Objektives, der einen Ring rund ums Kameragewinde schiebt, gekuppelt durch einen ebenfalls winzigen Pin. Weil ja beim M42-Gewinde das Objektiv nicht immer gleich fest "angezogen" wird, rastet es bei Fujica nun ein. Zum Abnehmen des Objektivs muss wieder entriegelt werden. Es kommt fast Bajonett-Feeling auf! 


Das Ganze ist abwährtskompatibel, das heißt, andere M42-Objektive können (ohne Offenblendfunktion) an der Fujica-Kamera verwendet werden. Allerdings verhindert der etwas überstehende Blendenmitnehmer die Verwendung von entsprechenden Fujinon-Objektiven an vielen anderen M42-Kameras. Bei meiner Praktica LTL3 jedenfalls ging es nicht.

2018-09-30

Fujica ST801


Wieder mal ein (kleiner) Meilenstein in der Geschichte der Kleinbild-Spiegelreflexkameras. Die Fujica ST801 war bei ihrem Erscheinen 1972 die erste SLR mit Leuchtdioden (LEDs) anstatt eines Drehspulinstruments mit Nadel. Jetzt kann man berechtigterweise fragen, wo der wirkliche Vorteil für den Fotografen liegt, vielleicht mal von ein paar wenigen Situationen bei schlechtem Licht abgesehen. 

Trotzdem war die Sache mit den LED's ein sichtbares Zeichen des Fortschritts, der sich allerdings eher im Verborgenen abspielte. Die Kamera hatte nämlich (wie ihre ein Jahr frühere Schwester ST701, noch mit Nadel) Silizium Photodioden anstatt CdS-Photowiderständen als Messelemente eingebaut, das ganze mit einer integrierten Schaltung, also echte Elektronik, keine langsamen halb-analogen Belichtungsmesser mehr. Bei der ST801 war das jetzt auch noch gepaart mit einer Offenblendvariante für M42, sowie einem schnellen Verschluss bis1/2000 s. Das Ganze in einem relativ kompakten Gehäuse und garniert mit einem damals noch seltenen Hot-Shoe (Blitz-Mittenkontakt im Zuberhörschuh). 



Elektronik war Anfang der 1970er einfach schwer angesagt und schickte sich an, auch in der Kameratechnik immer mehr Bereiche zu übernehmen. Zunächst wurden die elektrisch-analogen Belichtungsmesser durch präzisere und schnellere elektronische Varianten ersetzt. Wie eben hier in der ST801. Der nächste Schritt war die elektronische Verschluss-Steuerung, die dann in Fuji's nächstem Modell ST901 gleich zusammen mit einer Zeitautomatik realisiert wurde. Pionier dafür war keine japanische Kameraschmiede sondern 1968 der VEB Pentacon mit der Praktica PL electronic. Diese war aber eher ein technischer Pilotstudie, das Prinzip hat Pentacon erst mit der Praktica EE2 im Jahr erst 1977 wirklich umgesetzt. Da waren die japanischen Hersteller alle schneller und brachten Anfang der 70er alle "Elektronic"-Kameras mit Automatikfunktionen. Das kann man zum Beispiel in der Juni-Ausgabe von Popular Science von 1973 nachlesen. Auf Seite 80 gibt es dort ein anschauliches Schema über die Elektronic in der ST801 (siehe Bild). 
Fujifilm, oder wie sie früher hieß: Fuji Photo Film Co., ist eine bedeutende Firma, die nicht nur einer der drei großen Filmhersteller der Welt war, sondern immer schon auf verwandten Gebieten aktiv war. Im Gegensatz zu Agfa, die ja bekanntlich pleite und untergegangen sind, und auch Kodak, die zwar nach vorübergehender Insolvenz noch existieren, aber nur noch ein Schatten ihrer ehemaligen Größe und Bedeutung besitzen, ist Fuji immer noch da und auch heute (wieder) im Kamerabau aktiv. Respekt! Als Kamerahersteller gehörten sie nie zu den ganz großen, mit solch innovativen Kameras wie der ST801 haben sie der Industrie aber immer wieder Impulse gegeben. 


Datenblatt Erste KB-Spiegelreflexkamera mit LED-Anzeige
Objektiv M42 Schraubgewinde mit Fujica Offenblend-Variante. 
Verschluss Mechanischer, horizontaler Tuchschlitzverschluss 1s bis 1/2000 s und B.
Belichtungsmessung Si-Photodioden, TTL-Nachführmessung bei offener Blende, Fujinon-Objektive vorausgesetzt. Anzeige durch 7 LED's im Sucher. 25-3200 ASA (15-36 DIN)
Fokussierung Manuell am Objektiv, Mikorprismen und Schnittbildindikator als Scharfstellhilfen.
Sucher Spiegelreflex, Anzeige der eingestellten Verschlusszeit und LED's des Nachführbelichtungsmessers.
Blitz Mittenkontakt im Zuberhörschuh, FP und X Buchsen, Synchronzeit 1/60 s.
Filmtransport Schnellspannhebel, Bildzählwerk (vorwärtszählend), Rückspulkurbel. Hilfe beim Filmeinfädeln.
sonst. Ausstattung Stativgewinde, ISO-Drahtauslöser, Trageösen, Aufschraub-Okular für Zubehör, Zubehörschuh, Selbstauslöser, Arretierung für den Auslöser, Abblendtaste.
Maße, Gewicht ca. 133x91x50 mm, 635g (mit Batterie), 840g (mit Objektiv)
Batterie PX-28 (6V, Silberoxid), 4xLR44 möglich.
Baujahr(e) 1972-1978, ca. 200,000? Exemplare, diese #3050869  
Kaufpreis, Wert heute 125 £ (1974), heute ca. 50€ mit Objektiv
Links Camera ProtraitsInstruction ManualThe Camera SiteCamera-Wiki


2018-09-09

Zeiss Ikon Contessa (10.0632)


Diese interessante Kamera fiel mir gestern auf einem Flohmarkt in die Hände. Äußerlich extrem gut erhalten, der Belichtungsmesser funktionierte, nur leider ließ sie sich weder auslösen noch spannen. Für mich die Gelegenheit den Preis auf 5€ zu drücken. Zuhause habe ich kurzentschlossen den Schraubenzieher in die Hand genommen und hatte in wenigen Minuten das Ding wieder vollständig funktionstüchtig. Lediglich ein Häkchen des Verschlussaufzugs war aus seiner Nut gerutscht.

Contessa ist ein berühmter Kameraname. So hieß zunächst im Jahr 1908 ein 9x12-Modell der Kamerawerke Drexler&Nagel, das später sogar der Firma ihren Namen gab. Diese Firma wurde in den 20er Jahren zur Fusion zum Kameragiganten Zeiss Ikon gezwungen, der nicht nur die Produktionsstätte in Stuttgart, sondern natürlich auch den Namen Contessa übernahm. Ihr Gründer August Nagel wurde später Direktor und Chefentwickler der deutschen Kodak, der mit den Retina Kameras einer der größten Konkurrenten von Zeiss Ikon wurde.


Nach dem zweiten Weltkrieg erinnerte sich Zeiss Ikon wieder seiner Marke und brachte 1950 mit der Contessa 35 (interne Modellnummer 533/24) eine hochwertige Messsucher-Faltbalgenkamera für den Kleinbildfilm. Nach einem kleineren Upgrade 1953 (Synchro-Compur, MX) wurde deren Produktion aber schon 1955 wieder eingestellt. Zu groß war die Konkurrenz am Markt, insbesondere Kodak Retina und auch Voigtländer Vitessa boten z.T. mehr zu kleinerem Preis.  Auch griff, wer sich die super-teure Contessa leisten konnte, ggf. lieber zur Contax oder Leica. Zeiss Ikon war (mal wieder) zu kompliziert und teuer. 

Erfolg hatte man allerdings mit den einfacheren Contina Modellen. Ab 1960 gab es dann wieder eine zeitgemäße, einfachere, aber doch gut ausgestattete Kameraserie unter dem Namen Contessa. Diese Kamera hier machte den Anfang. Spätere Kameras der Serie trugen auch Bezeichnungen wie Contessamat oder Contessamatik, auch wurden Buchstabenkürzel verwendet, um die Modelle untereinander abzugrenzen. Diese hier wurde aber noch schlicht Contessa genannt, selbst auf das 35 verzichtete man.

Diese Kameras waren am Anfang der 60er Jahre wohl noch recht erfolgreich. Aber schon während dieses Jahrzehnts zeigte sich auch in Deutschland, was die Japaner zu produzieren im Stande waren, und das meist preiswerter als die heimischen Produkte. Anfang der 1970er dann kam mit der S310 die letzte Contessa-Generation auf den Markt. Es war ein fast schon verzweifelter Versuch von Zeiss Ikon mit einem von Voigtländer entwickelten Modell der japanischen Marktmacht noch etwas entgegen zu setzen. Aber darüber habe ich ja schon geschrieben.


Datenblatt KB-Sucherkamera
Objektiv 50 mm f/2.8 Carl Zeiss Tessar (4 Linsen in 3 Gruppen).
Verschluss Pronto Zentralverschluss, B-30-60-125-250
Belichtungsmessung eingebauter, ungekuppelter Selenbelichtungsmesser, 9-33 DIN
Fokussierung Manuell am Objektiv, keine Scharfstellhilfe.
SucherGroßer, optischer Sucher mit eingespiegeltem Leuchtrahmen
Blitz Synchronbuchse.
Filmtransport Schnellspannhebel, Bildzählwerk (rückwärtszählend), Rückspulkurbel im Boden der Kamera.
sonst. Ausstattung Selbstauslöser, Stativgewinde, ISO-Drahtauslöser, Zubehörschuh.
Keine (!) Trageösen, Bereitschaftstasche notwendig (s. Bild).
Maße, Gewicht ca. 117x84x70 mm, 559 g 
Batterie keine
Baujahr(e) 1960-1961 (andere Quelle: 1963?). Diese Y71457 ca. 1960
Kaufpreis, Wert heute ca. 250 DM (1960), heute ca. 40 €.
Links Collection Appareils,  Camera-Wiki

2018-08-29

Minolta SRT-101 @work


Seit langem mal wieder hier ein analoges Foto, aufgenommen mit der Minolta SRT-101 und dem W.Rokkor-HG 35mm f/2.8. Meine Tochter hat vor einiger Zeit sich die Kamera und Objektiv "ausgeliehen" und will sie gar nicht mehr hergeben. Sie hat schon einige Filme damit verschossen, viele schöne Aufnahmen sind entstanden. Dieses hier von unserem Hund Louis ist wirklich klasse geworden und zeigt ein wirklich schönes Spiel mit der Tiefenschärfe, wie es nur das Vollformat und Film liefern.

Das Objektiv ist übrigens eine Retrofokus-Konstruktion a lá Flektogon, wie viele andere erfolgreiche Weitwinkelobjektive ab den 1960er Jahren: 

W.Rokkor-HG 35mm f/2.8

2018-08-05

Retrofocus vs. Flektogon, Piere Angénieux und Harry Zöllner


Piere Angénieux, *14.07.1907 +26.06.1998Harry Zöllner, *29.01.1912 +30.12.2007

35 mm f/2.5 R1 Retrofocus
(Patent US 2,649,022
eingereicht am 29. Juli 1950)
Flektogon 35 mm f/2.8
(Patent DD10604A1 vom 8.3.1953 bzw.
Patent DE953471C vom 20.12.1953)
Nach längerer Zeit endlich wieder ein Beitrag über Photopioniere. Diesmal ist es ein Doppelportrait, allerdings nicht von sich gegenseitig inspirierenden Kollegen, die gemeinsame Sache machen (so wie bei Godowsky/Mannes oder Willmanns/Schneider), sondern zwei Konkurrenten, die quasi gleichzeitig und unabhängig voneinander dieselbe Erfindung machen und auch -natürlich mit Hilfe anderer- umsetzen.
Die Erfindung, das ist ein Weitwinkelobjektiv mit längerer Schnitt- als Brennweite für die Verwendung an den immer populärer werdenden Spiegelreflexkameras, denn der Spiegel brauchte ca. 38 mm Extraplatz im Strahlengang. Bis 1953 mussten sich SLR-Fotografen mit 40 mm Weitwinkel bescheiden. Realisiert werden konnte das mit Hilfe einer (oder mehrerer) relativ großen Zerstreuungslinse(n) vor dem 5-6 linsigem Basisobjektiv. Damit kommt die optische Hauptebene hinter der letzten Linse zu liegen. 
Beide Erfinder arbeiteten zunächst an der bei Messsucherkameras sehr populären Brennweite 35 mm. Dies geschah in den Jahren 1950 bis 1953, der Franzose war nach den Daten auf den Patenten etwas früher dran, dafür gab es vom Flektogon 1950 eine erste Kleinserie. Kaufen konnte man beide Objektive  von Mitte/Ende 1953 an. Man kann eigentlich davon ausgehen, dass sie zunächst selbst nichts von der jeweiligen Arbeit des anderen gewusst haben, Angéniuex's Patent wurde erst nach Einreichen desjenigen von Zöllner veröffentlicht.   

Britisches Patent GB 355 452 von 1930.
Erfinder ist Horrace William Lee von Kapella Ltd.
Gewusst aber haben beide sicherlich vom damals schon 20 Jahre alten Patent des Briten Lee. Dieser hatte die eigentliche Idee schon beschrieben. Zweck der Erfindung damals waren allerdings Kinoobjektive für Farbkameras mit Strahlenteilerprisma. Auch diese benötigen wie die späteren Reflexspiegel mehr Platz im Strahlengang als mit klassischer (symmetrischer) Objektivkonstruktion zur Verfügung steht.
Angénieux und Zöllner haben aber keineswegs abgeschrieben. Die Technologie war Anfang der 50er Jahre natürlich weiter, es gab neue und andere Glassorten und auch die Antireflex-Beschichtung (Vergütung) war endlich erfunden und erlaubte andere Freiheitsgrade bei der Konstruktion. Beide hatten ernorme Mengen von Formeln zu kalkulieren, damals alles per Hand und mit Hilfe von Logarithmentafeln und Rechenschieber. Auch hatten sie Hilfe von Rechnern, damals ein Beruf und noch keine Maschine. Interessanterweise waren diese Retrofokus-Weitwinkel die letzte Klasse von Objektiven, die noch ohne Computerhilfe designed wurden. Schon ab 1954 hatte Harry Zöllner und sein Team bei Carl Zeiss Jena die OPREMA (OPtik REchen MAschine) zur Verfügung, der erste arbeitsfähige in der DDR gebaute Computer. Auch Pierre Angénieux hat sicherlich später Computer benutzt, ansonsten wären seine Pionierleistungen zu Zoomobjektiven nicht möglich gewesen. 
Die Biographien der beiden ähneln sich. Der Franzose ist 5 Jahre älter, beide waren aber jung genug, um nicht als Soldaten im ersten Weltkrieg gegeneinander kämpfen zu müssen. Interessanterweise waren beide auch im 2. Weltkrieg nicht Soldat, sondern haben während der Kriegsjahre schon Objektive gerechnet. Zumindest bei Zöllner weiß man, dass er wegen dieser auch für die Rüstung wichtigen Aufgabe nicht selbst Soldat werden musste. Details zu ihren Lebensläufen können hier nachgelesen werden: Zöllner, Angénieux. Trotz der sehr ähnlichen Ausbildung und sicherlich auch Begabung, hört es mit den Parallelen irgendwann systembedingt auf. Angénieux macht sich schon 1935 selbständig, und weil die Firma irgendwann seinen Namen trägt, ist er heute der bekanntere der beiden. Er wurde als Anerkennung seiner Leistungen Mitglied der Ehrenlegion und bekam sogar zwei Oskars. Aber auch Harry Zöllner, der zeit seines Lebens Angestellter blieb und schließlich sogar bei seinem ersten Arbeitgeber 1977 auch in Rente ging, erhielt einige Ehrungen. 
Ob sie sich beide je persönlich getroffen haben, konnte ich nicht rausbekommen. Es ist vermutlich unwahrscheinlich, obwohl nach dem Mauerfall noch ein paar Jahre Gelegenheit gewesen wäre. Auf jeden Fall hat ihre Erfindung von 1950 die Entwicklung der Spiegelreflex-Systeme enorm vorangebracht. Schnell hatten auch andere Hersteller Retrofocus Weitwinkel im Programm. Beide Firmen hatten zunächst natürlich die Nase vorn und entwickelten erfolgreich weitere 28mm, 24/25mm und sogar 20mm Typen. Der Begriff Retrofocus wurde von Angenieux zunächst als seine Marke gebraucht, leider hatte er sich diese nicht schützen lassen, etwas was er zeitlebens bereut hat.



2018-07-14

Carl Zeis Tessar 40 mm f/4.5

Ich war einigermaßen erstaunt, dass ich neben dem "normalen" Tessar 2.8/50 mm dieses Tessar 4.5/40 mm als Wechselobjektiv der Praktica F.X2 Ausrüstung antraf. Bisher hatte ich von diesem Objektiv noch nichts gehört und war im ersten Moment fast erschrocken über die geringe Lichtstärke von f/4.5. Erst dachte ich, es ist vielleicht als Makroobjektiv gedacht gewesen, aber nach einigen Recherchen ergibt sich ein Bild: Es ist als Weitwinkelobjektiv benutzt worden. Laut Seriennummer wurde es im Juni 1953 gebaut und damit in einer Zeit, in der das moderne Retrofokus-Weitwinkel für die Spiegelreflex gerade erfunden, aber noch nicht wirklich verfügbar bzw. sehr teuer war. 
Vignettierung bei verschiedenen Blenden, hier am
Beispiel des westdeutschen Tessars 2.8/45.

Technisch existierte in der Anfangszeit der einäugigen Spiegelreflexkamera folgendes Problem für Weitwinkelobjektive: Der Spiegel im Strahlengang brauchte Platz. Bei der Kine-Exakta waren es 38 mm, es konnten also nicht einmal die moderaten und damals beliebten 35 mm Weitwinkel verwendet werden, denn Brennweite und Auflagemaß gingen mit den damaligen Optiken noch Hand-in-Hand. 
Da lag es nahe, es mit einem Tessar 40 mm zu versuchen. Dummerweise wird auch der Bildkreis dieses Universalobjektivs mit Abstand zur Filmebene kleiner und es leuchtete das Kleinbildformat insbesondere in den Ecken nicht mehr so aus wie der größere Normalobjektiv-Bruder. Diese sogenannte Vignettierung (relativ geringere Beleuchtungsstärke im Vergleich zur Bildmitte) kann man aber durch Abblenden verringern und so entschied man sich für f/4.5 als noch akzeptablen Kompromiss. Im Herbst 1953 kamen die ersten Flektogon Objektive von Carl Zeiss Jena auf den Markt und lösten das Problem mit neuer optischer Konstruktion, die Brennweite von Auflagemaß entkoppelte. Aber davon bei Gelegenheit noch mehr.

Mein Tessar hier ist jedenfalls recht selten und in dieser Form nur 5600 mal gebaut worden. Besonders interessant ist auch die Geschichte rund um den Neuanfang von Carl Zeiss Jena in den 1950ern

2018-07-08

Gelbfilter

Rückblickend scheint bestimmtes Fotozubehör sonderbar, einfach weil es heute nicht mehr gebraucht wird. Aber in den Zeiten der Schwarz-Weiß-Fotografie gehörten Gelbfilter zu jeder ambitionierten Fotoausrüstung. Was solche Filter tun, habe ich in einem früheren Post schonmal beschrieben. Diese drei hier gehören zur Ausrüstung rund um die Praktica F.X2  aus den 1950ern. Schön einzeln verpackt in Bakelit Etuis kamen sie in die Fototasche. Die 49 ist der Durchmesser des Filtergewindes in mm, lange Zeit ein Standardmaß bei Zeiss Ikon aber auch anderen. Es gab wohl auch noch einen "G3" Gelbfilter (mit 4x Belichtungsverlängerung), mein Vorbesitzer hat aber darauf verzichet.

2018-06-12

Ihagee Blitzleuchte


Auch dieses Zubehör kam mit meinem Flohmarktfang um die Praktica FX.2 herum. Wie fast alles andere auch in extrem gut erhaltenem Zustand, komplett im Karton. Sogar eine heute seltene Batterie vom Typ V72PX (22.5V) war dabei, allerdings keine Blitzlämpchen mehr, so dass ich das Ensemble aus Kamera und Blitz nicht wirklich ausprobieren kann. Eine Anleitung war (natürlich) auch dabei. Diese habe ich eingescannt und stelle sie hier anstelle von eigenem Text hier dem interessierten Leser zur Verfügung. Einfach auf das Bild oben klicken und viel Spaß dabei!

2018-05-26

KW Zwischenringe und Doppeldrahtauslöser

Zwischenringe sind die technisch simpelste Methode den Objektivauszug mechanisch zu verlängern und damit Nahaufnahmen zu ermöglichen. Bei M42 reichen simple Metallringe (wie diese hier aus Aluminium) mit vorne und hinten dem jeweiligen Gewinde. Diese hier, gebaut von den Kamerawerkstätten Niedersedlitz ("KW") in den 1950 oder 1960ern, sind 7, 14 und 28 mm breit. Beliebig kombinierbar erlauben sie einen maximalen Auszug von 49 mm und mit einem 50 mm-Objektiv einen maximalen Abbildungsmaßstab von ca. 1:1:

Ab 1956 hatten die Dresdener Kameras Praktica FX2 und später die Contax F mit entsprechenden Objektiven die automatische Springblende, d.h. die Blende blieb zum Scharfstellen maximal geöffnet und schloss sich erst beim Auslösen auf den eingestellten Wert.  Das ist natürlich auch bei Makrofotografie sinnvoll und dafür gab es noch einen Spezialzwischenring (14mm), der direkt hinter das Objektiv kam und den silbernen Pin bedienen konnte. Dazu brauchte man noch den mitgelieferten Doppeldrahtauslöser, der mit einem Druck dann die Blende schloss und die Kamera auslöste.