2018-04-15

Praktica LLC


Ende der 1960er Jahre war der VEB Pentacon der deutsche Kamerahersteller, der es noch am ehesten mit der immer besser werdenden japanischen Konkurrenz aufnehmen konnte. Nicht von ungefähr wurde die 1969 eingeführte L-Serie die erfolgreichste deutsche SLR. Allen L-Kameras (L von Lamelle) gemein ist der neue (relativ) kompakte vertikale Stahllamellenverschluss, der den bis dahin fast überall zu findenden langsamen horizontalen Tuchschlitzverschluss a la Leica in fast allen Belangen ins Abseits stellt. Aber dazu mal irgendwann etwas in einem extra-Post.  
Schon die erste Generation kam 1969 mit verschieden ausgestatteten Kameras. Neben dem Basismodell L gab es die LB (mit eingebautem nicht-TTL Belichtungsmesser), das Hauptmodell "LTL" (TTL bei Arbeitsblende), sowie die zwei Spitzenmodelle LLC und VLC. Letztere bot auswechselbare Sucher, beide hatten aber die andere große Innovation an Bord, TTL bei offener Blende, realisiert über die weltweit erstmalige Verwendung von elektrischen Kontakten zwischen Objektiv und Gehäuse.

Um es nochmal klar herauszustellen: Die LLC ist nicht die erste Spiegelreflex mit TTL bei offener Blende, sondern "nur" die erste Kamera, die für die notwendige Blendensimulation die Informationen vom Objektiv an die Kamera per elektrischen Kontakten (siehe Bild oben) übertrug. Schon die allererste Spiegelreflex mit TTL-Messung (Topcon RE Super) konnte stets bei offener Blende messen, auch andere Kameras der späten 1960er Jahre boten das (z.B. Minolta SRT-101, Nikkormat FTn), alle mit mechanischer Blendenwert-Übertragung. Der Marktführer und Prakticas größter Konkurrent bei Kameras mit dem defakto Standard M42 konnte es allerdings nicht: Pentax Spotmatic SP. Pentax brauchte sogar bis 1971 (Electro Spotmatic) bzw. 1973 Spotmatic F, um hier am Markt nachzuziehen. 
Wichtigstes Bauteil der neuen elektrischen Blendenwert-
Übertragung: Schiebewiderstand im Objektiv.
Es ist aber vermutlich viel schwieriger eine mechanische Übertragung des Blendenwertes beim M42-Schraubgewinde zu realisieren als bei immer in der gleichen Position einrastenden Bajonett-Verbindungen. Unmöglich ist es aber nicht, wie schließlich 6 verschiedene andere untereinander nicht kompatibele mechanische M42-Modifikationen beweisen (1968: Pentacon Super, 1970: ZeissIkon Ikarex TM,  1971: Olympus FTL, Pentax ES, 1972: Fujica ST-801, 1974: Mamiya MSX 1000). Leider wollten oder konnten sich diese Hersteller nicht auf ein einheitliches System einigen. Vermutlich auch aufgrund der Tatsache, dass man verstanden hatte, dass M42 eh ein Auslaufmodell war und im Hintergrund schon an Bajonetten gearbeitet wurde. Der wichtigste M42 Nachfolger ist natürlich Pentax' K-Bajonett (1975) und das hatte eine genormte (mechanische) Blendenwert-Übertragung. Praktica kam erst 1979 mit einem Bajonett (daher der Name: B-Reihe) und das hatte wieder: Elektrische Kontakte (als  EDC, elektronische Blendenkontrolle beworben). 
Elektrische Kontakte in anderen Objektivfassungen tauchen dann erst wieder in AF-Kameras (1981: Pentax ME-F) auf, diesmal zur Übertragung der Entfernungs-Informationen. Hier hat kein Hersteller jemals versucht, auch diese mechanisch zu übermitteln. Spätere, konsequent mit der mechanischen Vergangenheit brechende Systeme (z.B. Canon EF) übertragen heute alles nur noch elektrisch, bzw. elektronisch. Saß in den Pentacon "electric" Objektiven nur ein einfacher Schiebewiderstand, so sind es heute Mikroprozessoren mit eigenem Betriebsystem (Firmware), die mit den Kameras kommunizieren. 

Meine Kamera hier habe ich als teilweise defekt, aber in äußerlich sehr gutem Zustand mit zwei Objektiven (darunter das exzellente und damals originale Zeiss Pancolar) für nur 40€ bei e-bay ergattert. Zu meiner Überraschung war auch die seltene PX-21 Batterie dabei, noch mit Spannung! Besonders stolz bin ich, dass ich die festsitzenden Blendenlamellen des Pancolars wieder gängig bekommen habe. Bei der nötigen Komplett-Zerlegung des Objektivs habe ich schon arg geschwitzt, aber am Ende flutscht alles wieder! Auch der Belichtungsmesser in der Kamera zuckt nach etwas Pflege wieder, allerdings scheinen die Blendenwerte vom Objektiv nicht übertragen zu werden. Schade, denn hierum geht es ja gerade. Mal sehen, was sich noch machen läßt. Im Übrigen wird die Kamera in der Vitrine den Platz ihrer jüngeren Schwester LTL3 übernehmen, den sie quasi für den Meilenstein hier stellvertretend eingenommen hatte. 


Datenblatt Erste KB-Spiegelreflexkamera mit elektrischer Übertragung des Blendenwerts für Offenblendmessung
Objektiv M42 Schraubgewinde, hier Carl Zeiss Jena Pancolar 50 mm f/1.8 (6 Linsen in 4 Gruppen)
Verschluss mechanischer, vertikaler Stahllamellenverschluss 1s bis 1/1000 s und B.
Belichtungsmessung CdS, Nachführmessung bei offener Blende, "Electric"-Objektive vorausgesetzt.  12-1600 ASA (12-33 DIN)
Fokussierung Manuell am Objektiv, Mikorprismen als Scharfstellhilfe.
Sucher Spiegelreflex, nicht gespannter Zustand wird durch Dreieck im Sucher angezeigt.
Blitz Mittenkontakt im Zuberhörschuh, keine extra Buchse. Synchronzeit 1/125 s.
Filmtransport Schnellspannhebel, Bildzählwerk (vorwärtszählend), Rückspulkurbel. Hilfe beim Filmeinfädeln.
sonst. Ausstattung Stativgewinde, ISO-Drahtauslöser, Trageösen, Aufsteck-Okular für Zubehör, Zubehörschuh, Selbstauslöser, Arretierung für den Auslöser.
Maße, Gewicht ca. 145x98x50 mm, 613g (mit Batterie), 840g (mit Objektiv)
Batterie PX-21 (4.5 V)
Baujahr(e) 1969-1975, 176.697 Exemplare, diese #272497 
Kaufpreis, Wert heute 660 Mark (1969), heute ca. 50€
Links Camera-Wiki, Wikipedia, Dresdner Kameras, Praktica Collector, Bedienungsanleitung, Vielseitige Praktica (Buch), Prakticas reparieren lassen.

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