2020-08-30

Canon A-1

Auch wenn es mir als ehemaliger Nikonianer schwer fällt zuzugeben: Die Canon A-1 war bei ihrem Marktauftritt im Jahr 1978 der Konkurrenz weit voraus und hat es geschafft viele Dinge, die damals am Rande des technisch machbaren waren, in einem Gehäuse zu vereinen. Diese Kamera hatte so gut wie alles, was sich der ambitionierte Amateur wünschte und zielte genau auf diese Käufergruppe (für die Profis gab es "die F"). Canon hatte Innovation aber nicht nur in die Kamera selbst, sondern auch in ihre Fertigungstechniken gesteckt und so konnte man das Ding zu einem Preis anbieten, den die Konkurrenz für viel schlechter ausgestattete Kameras verlangte. Der Preis stimmte nachweislich: Die A-1 verkaufte sich wie schon ihre etwas früher erschienene Schwester AE-1 wie "geschnitten Brot", insgesamt fast 2,5 Millionen mal. Sie ist damit unbestritten eine der wichtigsten Kameras der SLR-Geschichte, natürlich auch technologisch betrachtet.  

Laut Anleitung ein "von Skalen und Zeigern völlig ungestörtes
 Sucherbild". Ich persönlichfinde die Digitalanzeige zwar
informativ, vermisse aber Richtungszeiger für Über- bzw. 
Unterbelichtung. Für P-Modus OK, bei M unbrauchbar! 
Auch Canon war bewusst, welche innovative Leistung sie da 1978 abgeliefert haben. So findet sich in der Einleitung der Bedienungsanleitung sehr selbstbewusst 5 mal der Begriff „erste Kamera“. Allerdings beziehen sich die ersten vier davon auf die tatsächlich in dieser Form in einer Kamera neuartige Elektronik (eher innere Werte), erst Nr. 5 nennt auch das für die Fotografen greifbare Neue: 5 Automatikmodi plus volle manuelle Kontrolle, wenn gewünscht. Und sie ist tatsächlich die erste SLR, die die gleichzeitige automatische Einstellung von Blende und Verschlusszeit „Programmautomatik“ (P) nennt. Die ein Jahr vor der A-1 erschienene Minolta XD-7 (und ihre größte Konkurrentin am Markt) hatte „nur“ eine versteckte Programmautomatik an den jeweiligen Bereichsenden von Zeit- oder Blendenautomatik. Die A-1 kann genau das übrigens auch, und für mich ist das für den ambitionierten Amateur völlig ausreichend. Mit ihrem Preis/Leistungsverhältnis sprach die Canon allerdings auch ein paar SLR Anfänger an und die werden den P-Modus wohl häufig genutzt haben. Die allererste SLR mit Wechselobjektiven und „elektr(on)ischer“ Vollautomatik war die wenig bekannte Wirgin Edixa electronica von 1962, allerdings mit einer teuren und umständlichen Technik, die fast niemanden vom Hocker riss. 
Schaltzentrale mit jeweils teilverdecktem zentralen Einstell-
rad. Interessanterweise wird auch bei Zeitautomatik (Av) hier
die Blende eingestellt, was recht fummelig und nicht sehr ergonomisch
ist. Gut gelöst ist die Kombi aus Hauptschalter und Selbstauslöser.

Die Canon A-1 faszinierte und polarisierte die Fotoszene mit einer in dieser Fülle selten gesehenen Vielfalt von Einstellmöglichkeiten, Hebeln, Knöpfen und Systemzubehör. Die fünf Automatikmodi waren nur die Spitze des Eisbergs. Sie hatte aber auch ein paar Schwächen, die ihre Kritiker aus den anderen Markenlagern gerne betonen: Da ist zuerst der altbackene horizontale Tuchschlitzverschluss, der nur 1/60s Synchronzeit schafft und ohne Batterie gar nicht funktioniert. Was mir persönlich besonders missfällt ist die fummelige und manchmal umständliche Bedienung außerhalb des P-Modus. Da sind ihre direkte Konkurrentin Minolta XD7 und viele spätere Automatikkameras deutlich ergonomischer. Ansonsten ist nicht viel Negatives zu sagen. Sogar die Kritik an ihrer kleinen Schwester AE-1 trifft nicht, es wäre zu viel Plastik im Spiel. Bei der A-1 ist trotz gleicher Gehäusedimension und vieler Gleichteile tatsächlich einiges (wieder) aus Metall, und sie wirkt (und ist) dadurch sehr robust. Auch heute noch findet man wohl viel mehr noch funktionierende A-1 Exemplare als von den zahlreicheren Schwestern AE-1 und AE-1 Programm. Das ist rückblickend keine Selbstverständlichkeit für eine Kamera der Elektronik-Generation!
  
Nach längerer Marktbeobachtung bei e-bay war ich erstaunt, wie gefragt die A-1 auch heute noch ist. Gut erhaltene und funktionierende Gehäuse wechseln so zwischen 40 und 80€ die Besitzer, für ein originales Canon Objektiv dazu muss man je nach Typ nochmal das selbe rechnen. Über mein relativ günstig ergattertes Exemplar bin ich sehr glücklich. Nach Einlegen einer neuen Batterie zeigte sich der komplette Funktionsumfang. Die Kamera war aus erster Hand, gut gepflegt und wohl immer nur mit diesem Objektiv bestückt gewesen, daher auch kaum Staub auf Spiegel oder Mattscheibe. Trotzdem sieht (und hört, s.u.) man der Kamera an, dass sie benutzt wurde. Nach Aussage der Erstbesitzerin aus Berlin für vielfältige Streifzüge nach Ostberlin nach dem Mauerfall 1989 und auch zur Verhüllung des Reichstags durch Christo und Jean Claude im Jahr 1995.
Fast alle heute ca. 40 Jahre alte Canon A-1 haben ein mehr oder weniger großes "Altersleiden", so auch mein Exemplar. Es wird in den entsprechenden Kreisen meist (Keuch-)Husten oder Astma genannt und klingt beim Auslösen der Kamera auch fast so. Michael Reichardt hat auf seiner Seite nicht nur Tonaufnahmen davon, sondern auch sehr schön beschrieben, wie einfach man das wieder mit einem Tröpfchen Öl beheben kann. So hab ich es auch gemacht.
Canon hat übrigens ihre A-Serie nach der A-1 weiter ausgebaut und abgerundet. Neben den älteren AE-1 (Blendenautomatik) und AT-1 (Nachführmessung), gab es später noch eine AV-1 (Zeitautomatik). Die AE-1 bekam mit der AE-1 Programm eine noch erfolgreichere Nachfolgerin und mit der letzten A-Serienkamera AL-1 deute Canon schonmal an, dass auch sie bereits an Autofokus forschten. Canon konnte alle diese Kameras kostengünstig mit fast identischem technischen Innenleben bauen, immerhin zusammen etwas mehr als 13 Millionen Exemplare zwischen 1976 und 1985. Damit haben sie Ende der 1970er Jahre erstmalig die Marktführerschaft im SLR Segment übernommen, aber diese Geschichte bereite ich vielleicht mal extra auf... 

Datenblatt high-end Amateur SLR mit PSAM Automatik-Set
Objektiv alle Objektive mit Canon FD (ab 1971) oder FDn (ab 1979) Bajonett, frühere FL-Objektive (ab 1964) können mit Einschränkunegn genutzt werden. Hier mit dem Standardzoom FD 35-70 f/4 (ab 1979).
Verschluss elektronisch gesteuerter, horizontaler Tuchschlitzverschluss 30s - 1/1000s, B, stufenlos bei Zeitautomatik. Keine mechanische Verschlusszeit, Kamera funktioniert ohne Batterie nicht.
Belichtungsmessung Si-Photodiode, TTL, mittenbetont, LW -2 bis 21, Empfindlichkeit 6-12.800 ASA (9-42 DIN).
Belichtungsautomatik erste Kamera mit den heute üblichen vier Modi "PSAM": Programmautomatik, Zeitautomatik ("Av"), Blendenautomatik ("Tv"), Manuelle Einstellung, Zeitautomatik bei Arbeitsblende. 
Fokussierung manuell am Objektiv, serienmäßige Einstellscheibe mit Mikorprismenring und Schnittbildindikator. Weitere Einstellscheiben erhältlich, Wechsel nur durch Kundendiesnt.
Sucher eingebauter Pentaprismensucher 0.83-fache Vergrößerung (50mm), zeigt ca. 94% des Bildes. 7-Segment-LED Anzeigen für Blende, Verschlusszeit, Blitzbereitschaft und andere Warnungen. 
Blitz Synchronzeit 1/60s, Anschluss über PC-Buchse oder Mittenkontakt im Zubehörschuh, Extrakontakte für Canon-Systemblitze: Blitzautomatik stellt automatisch Synchronzeit und Blende ein.
Filmtransport Schnellschalthebel, Rückspulkurbel, Bildzähler (vorwärts- und rückwärts zählend!), Anschluss für Winder (2 B/s) oder Motordrive (bis 5 B/s).
sonst. Ausstattung Okularverschluss und mögliche Abschaltung der LED-Anzeige gegen Fremdlichtfehler bei Stativaufnahmen, Messwertspeicher mit Taste, Abblendschieber, elektronischer Selbstauslöser (2 oder 10 s), Mehrfachbelichtungshebel, auswechselbare Rückwand für den Ansatz einer Datenrückwand, ¼ '' Stativgewinde, Anschluss für ISO-Drahtauslöser, Filmlaschenhalter
Maße, Gewicht ca. 141 x 92 x 48 mm, 620 g
Batterie 6V PX28 oder 4LR44, Batterietest-Taster.
Baujahr(e) 1978-1985, ca. 2,43 Millionen Exemplare, dieses #1296717 von März 1981 (Code V342F)
Kaufpreis, Wert heute 1098 DM (1980 mit 1.4/50), ca. 50-200 € je nach Zustand und Objektiv
Links Camera-WikiWikipedia (D), Wikipedia (E)Ken Rockwell 35-70, Canon Camera Museum, Bedienungsanleitung, Canon SLR production numbers