2019-06-27

KB-Balgenkameras der 1930er

Um das Kapitel der einklappbaren Balgenkameras für den Kleinbildfilm abzuschließen und abzurunden, hier ein Vergleich der drei sehr ähnlichen Konkurrentinnen von Kodak, Balda und Welta. Alle drei habe sehr viel gemeinsam, kein Wunder, steckt doch die entscheidende Technik im Verschluss und im Objektiv. Beides konnte man sich quasi aus dem gleichen Sortiment dazu konfektionieren. Die Verschlüsse waren (fast ausschließlich) von Deckel in München, zumeist Compur oder Compur-Rapid. Die Objektive stammten von Schneider-Kreuznach oder Carl Zeiss in Jena und wenigen anderen Herstellern. 
Die Unterschiede liegen also eher im Gehäuse selbst, der Verarbeitung und der Anordnung der jeweiligen Bedienelemente für Bildtransport und Rückspulung. Auch manches Extra-Feature macht ggf. den entscheidenden Unterschied. Hier also eine kleine Tabelle:


Kodak RetinaI, 1934-1954 Balda Baldina, 1935 -1951 (Jubilette, 1938) Welta Welti,
1935-1951

Preis 1937 mit Schneider Xenar  f/3.5 und Compur Rapid 85 RM 94 RM 97 RM
besondere
Ausstattungs-merkmale Gehäuse
Tiefenschärfedrehrad Tiefenschärfe-Tabelle
Parallaxenausgleich (kontinuierlich)
Trageschlaufe
Tiefenschärfe-Tabelle
Parallaxenausgleich (zwei Stellungen)
Zubehörschuh

Maße (BxHxT)
Gewicht
120 x 75 x 35 mm
443 g
123 x 83 x 38 mm
424 g
125 x 80 x 40 mm
540 g

So, mal angenommen, ich wäre 1938 mit ca. 100 RM in einen Fotoladen gegangen, um eine solche Kamera zu kaufen. Welche wäre es geworden? Für die Welti spricht insbesondere der Zubehörschuh, damit kann man z.B. einen Entfernungsmesser aufstecken. Allerdings wirkt sie deutlich klobiger als die beiden anderen und ist insbesondere dicker und auch schwerer. Auch ist sie die teuerste von allen und damit für mich raus. Die Baldina bzw. Jubilette ist zusammengeklappt kaum dicker als die Kodak und sogar etwas leichter, gleichzeitig wirkt der Klappmechanismus etwas solider (interessanterweise klappt sie in die andere Richtung auf). Was sie für mich disqualifiziert, ist das Filmtransportrad an der Unterseite der Kamera und das seltsame Bildzählwerk, bei dem sich das äußere Gehäuse dreht und damit vor versehentlichem Verstellen in der Hosentasche nicht geschützt. 
Bleibt also die Kodak Retina. Sie ist nicht nur die preiswerteste des Trios, sondern wirkt auch am praktischsten. Das Tiefenschärfe-Drehrad ist doch intuitiver zu bedienen als eine schnöde Tabelle und zusammengeklappt hat man sie gerne in der Hosentasche dabei. So wie ich haben wohl einige damls gedacht, denn mit wohl über 400,000 Exemplaren ist sie die erfolgreichste der drei. Leider gibt es keine Produktionszahlen der anderen, aber viel mehr als 100,000 werden es jeweils nicht gewesen sein.
Welta Weltini (175 RM*)
Diese Kameras sprachen den ambitionierten Foto-Einsteiger mit wenig Geld an. Man sollte nicht die Agfa Karat Kamera vergessen zu erwähnen, auch eine Faltbalgenkamera für den Kino-Film (Karat-Kassette!). Diese war allerdings halb so teuer wie die Kameras auf dieser Seite und vom Anspruch auch eher knapp oberhalb der Boxkameras angesiedelt.
Oberhalb dieser Kameras gab es ein weiteres Marksegment mit Faltbalgenkameras, was sich an den ambitionierten Amateur mit etwas mehr Geld richtete. Diese Kameras hatten alle einen gekuppelten Entfernungsmesser eingebaut. Alle drei Hersteller dieser Seite bedienten mit der Retina II, der Super Baldina und der Weltini dieses Segment, die Kameras kosteten ca. 50% mehr. In dieser Klasse spielten mit der Certo Vollina und der Super Nettel von Zeiss Ikon noch weitere Hersteller mit.

Balda Super Baldina (150 RM*) Kodak Retina II (185 RM*)
Certo Vollina III (175 RM*) Zeiss Ikon Super Nettel (178 RM*)

* Alle Preise und Abbildungen aus dem Photo-Porst Katalog von 1937. Preise soweit verfügbar mit Carl Zeiss Tessar oder Schneider Xenon 5 cm f/2.8 und Compur Rapid. Die Super Nettel mit Tessar f/3.5 und Metall-Schlitzverschluss.

2019-06-21

Balda Jubilette


Und hier ist noch eine frühe Faltbalgenkamera für den 135er Kleinbildfilm: Eine Balda Jubilette von 1938. Die Kamera ist ein Sondermodell des Modells Baldina zum 30-jährigen Firmenjubiläum der "Balda-Werke Max Baldeweg" in Dresden. Balda, wie die Firma in Kurzform hieß, wurde 1908 als Fotozulieferer gegründet und stellte seit 1925 selbst Amateurkameras her. Die Baldina war Baldewegs erste Kamera für dem immer populärer werdenden Kleinbildfilm. Die Baldina kam fast zeitgleich mit der Welti im Jahr 1935 auf den Markt, beide folgten der Kodak Retina, die 1934 auf den Markt kam und die 135er Patrone als Konfektionierung des 35mm-Kinofilms einführte, und damit dem erfolgreichsten Filmformat einen entscheidenden "Push" gab. 

Die Baldina gab es wie die Konkurrentinnen auch mit einer Auswahl an Objektiven vom einfachen Dreilinser mit Frontlinsen-Fokus bis hin zum lichtstarken 6-linsigen Xenon. Das Ganze auch noch jeweils entweder mit dem Compur (bis 1/300 s) oder dem Compur-Rapid (bis 1/500 s) Verschluss. Die Preisspanne war dadurch mit 72-132 RM enorm, wie mein Photo-Porst Katalog von 1937 zeigt. Allerdings war in der Basisversion die Baldina die günstigste der 3 Konkurrentinnen.
Die Jubilette von 1938 war nichts anderes als diese Basisversion und es gab sie schon ab 50 RM, aber auch hier war per Aufpreis vom 10 RM der Compur-Rapid oder von 2 RM der Parallaxenausgleich zu ordern.
Durch den Status als Jubiläumskamera kann man die Jubilette eindeutig ins Jahr 1938 datieren. Eine andere Möglichkeit gibt es leider nicht: Wie bei Welta ist auch bei Balda keine Gehäuse-Seriennummer zu finden. In meinem Fall kommt erschwerend hinzu, dass das Corygon Objektiv zwar eine Nummer trägt (227283), diese aber von dem recht seltenen Optik-Produzenten C. Friedrich in München stammt, von dem weiter nicht viel bekannt ist. Der Compur Verschluss trägt die Nummer 0036383. Auch das ist seltsam, Compur Verschlüsse aus den Jahren 1937 und 1938 fangen normalerweise mit einer 4 an. Ggf. ist es doch eine interne Balda-Nummer und der Verschluss wurde unter Lizenz hergestellt? Dafür spräche, dass diese fünfstellige Zahl zumindest die Größenordnung wiedergibt, die ich für die Baldina-Produktion damals schätzen würde (siehe zum Vergleich die bekannten Zahlen der Retina bzw. eine ähnliche Vermutung hier). 
Wie bei Welta und anderen Kameraherstellern im Großraum Dresden wird auch bei Balda die Kameraproduktion kriegsbedingt zurückgefahren, dann eingestellt. Nach Demontage durch die Siegermächte folgt der Wiederaufbau und die Wiederaufnahme der Produktion am Ende der 1940er Jahre. Max Baldeweg (1877-1955), damals schon Ende 60 verließ bei der Enteignung 1946 Dresden zusammen mit seinem Geschäftsführer und gründete seine Firma im Westen (Bünde/Westfahlen) neu. Das Werk in Dresden firmierte ab 1951 unter dem Namen Belca und wurde letztendlich vom VEB Pentacon absorbiert. Die Baldina wurde zwischen 1947 und 1951 weiter produziert. Alle anderen bekannten Nachkriegskameras unter der Marke Balda kamen dann aus Westdeutschland. Sogar der Name Baldina wurde weiter benutzt, allerdings für ein komplett neues zeitgemäßes Design. Ich habe diese Kamera schon in meiner Sammlung, allerdings deren OEM-version für Photo Porst unter dem Namen Hapo 24



Datenblatt Faltbalgen-Sucherkamera für KB-Film (135)
Objektiv Friedrich Corygon-Anastigmat 5cm f/2.9 (3 Linsen). Auch mit entsprechenden Objektiven von Schneider und Meyer erhältlich, alle mit Frontlinsen-Fokussierung.
Verschluss Compur Zentralverschluss, T-B-1-2-5-10-25-50-100-300. 
Belichtungsmessung keine
Fokussierung Manuell am Objektiv (ab 0.4 m), keine Scharfstellhilfe.
Suchereinfacher, Fernrohrsucher, mit Parallaxenkorrektur-Drehrad. (Bei einigen Jubilette Exemplaren fehlt das)
Blitz kein Anschluss.
Filmtransport Mit Drehknopf auf der Unterseite, Bildzählwerk (vorwärtszählend), Rückspulknopf.
sonst. Ausstattung Gehäuseauslöser,  Tiefenschärfe-Tabelle auf der Rückseite,  Anschluss für ISO-Drahtauslöser, Stativgewinde 3/8", Trageschlaufe,  Bereitschaftstasche als Zubehör.
Maße, Gewicht ca. 123x83x38 mm,  424 g 
Batterie keine
Baujahr(e) 1938, als (einfaches) Jubiläumsmodell der Baldina.
Kaufpreis, Wert heute 75 RM (1938), heute ca. 30 €.
externe Quellen und Links Camera-Wiki, Instruction manual (english), Digipainters Blog, Kurt Tauber, Dresdener Kameras, Jubilee BucketWikipedia, John's old Cameras
bei KniPPsen weiterlesenKodak Retina (118), Kodak Retina (010), Kodak Retina (126), Welta Welti, Zeiss Ikon Tenax IWichtigste KB-Kameras 1937 (Porst Katalog), VEB BelcaHapo 24

2019-06-17

Welta Welti



Faltbalgenkameras für Rollfilm (wie z.B. diese Vollenda) waren in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine sehr beliebte und weit verbreitete Kameraklasse. Kodak (Nagel Kamerawerke) waren die ersten, die dieses Design auch für den Kleinbildfilm nutzten. Mit der Kodak Retina von 1934 führten sie auch gleich die noch heute gebräuchliche 135er Patrone ein. Aber schon 1935 gab es erste Konkurrenten mit fast identischen Merkmalen auf dem Markt. Eine der wichtigsten davon war die Welti vom Welta Kamerawerk in Freital bei Dresden.  

Die Welti im Porst Katalog von 1938.
Ich war schon länger an einer interessiert, jetzt hat es endlich sehr günstig geklappt. Allerdings ist mein Exemplar ganz schön ramponiert (wie man an den Fotos sieht), das Leder ist an allen vier Ecken der Frontklappe abgeschubbelt und der kleine Klappständer fehlt. Ich habe ihn für das Foto oben durch ein kleines Stück Plastik ersetzt. Ansonsten schein alles zu funktionieren.
Die Kamera wurde von 1935 an bis zum Kriegsbeginn mit (wie damals üblich) kleineren Modifikationen und immer weiteren Verbesserungen gebaut. Die allerersten Versionen hatten noch sehr flache Drehknöpfe für Filmtransport und Rückspulen, außerdem fehlte zunächst der Gehäuseauslöser (man musste stattdessen vorne am Verschluss einen Hebel betätigen). Der Sucher tauschte im Laufe der Zeit seinen Platz mit dem Zubehörschuh und wanderte auf die linke Seite.
Diese Evolution war spätestens 1937 abgeschlossen, wie die Abbildung im Photo-Porst Katalog von 1937 links zeigt. Man konnte die Kamera mit zwei verschiedenen Verschlüssen und mindestens vier Objektiven kaufen, später kamen weitere solche Varianten dazu und andere fielen weg. Welta verkaufte auch eine Low-Budget-Version unter dem Namen Weltix, eine ebenfalls einfache Export-Version mit Namen Watson, sowie die High-End Variante Weltini mit eingebautem Entfernungsmesser und besseren Objektiv-Varianten.
Wie viele andere Feinmechanik-Betriebe wurde auch das Welta Kamerawerk in die Rüstungsproduktion für den Krieg eingespannt, wann genau die Welti-Produktion zum Erliegen kam ist mir nicht bekannt, aber ab 1940 dürften kaum welche mehr gebaut worden sein.  Ab 1942 war es jedenfalls ganz aus mit dem Kamerabau bei Welta und 1946 wurden dann die Produktionsmaschinen demontiert und als Reparationsleistung in die Sowjetunion geschafft. Ab 1947 ging es allerdings mit dem Wiederaufbau los, zunächst wurden die Werkzeuge neu gebaut, dann die Kameraproduktion mit den alten Modellen hochgefahren. Spätestens ab 1949, vermutlich früher,  wurden auch wieder Weltis hergestellt, wie mein Exemplar beweist. Sowohl die Serienummern des Objektivs (3238132) als auch des Compur Veschlusses (657xxxx) gehören ins Jahr 1949, leider hat Welta seine Gehäuse nie mit einer eigenen Nummer versehen. Damit entfällt leider auch die Möglichkeit daraus Produktionszahlen abzuleiten.   


Irgendwann Anfang der 1950er (vermutlich 1953) gab es endlich wieder ein Update, aus der Welti I wurde die Welti 1c, im Prinzip immer noch die selbe Kamera, allerdings mit einer mehr zeitgemäßen Gehäuseoberkappe. Außerdem griffen die Handelsbarrieren (z.B. Währung) zwischen Ost- und Westdeutschland: Die Compur Verschlüsse von Deckel in München wurden zunehmend durch ostdeutsche Varianten wie den Vebur ersetzt, als Objektive kamen am Ende fast ausschließlich das Carl Zeiss Jena Tessar (f/2.8, 4 Linsen) sowie das Meyer Trioplan (f/2.9, 3 Linsen) zum Einsatz. Bis in die 1960er Jahre hinein soll diese Kamera produziert worden sein, Genaues weiß ich leider nicht.

Zum Schluss hier links noch ein kleines Feature der Kamera, was die Welti der Retina vorraus hatte. Von einer Feder gespannt und einem kleine Hebelchen gehalten bzw. verstellt gibt es einen Parallaxenausgleich des Suchers für Nahaufnahmen. Ansonsten spricht im direkten Vergleich nicht viel für die Welti. Sie ist die deutlich klobigere Kamera und kostete (1937) bei ähnlichem Objektiv und Verschluss ca. 12 RM (15%) mehr als die nach meinem Geschmack einfacher zu bedienende Retina. Aber mal sehen, ich habe noch einen Konkurrenten ergattern können und da mache ich dann einen umfassenderen Vergleich...




Datenblatt Faltbalgen-Sucherkamera für KB-Film (135)
Objektiv Carl Zeiss Jena Tessar 5cm f/3.5. Auch mit Schneider Xenar oder Xenon, bzw. weiteren Objektiven erhältlich.
Verschluss Compur-Rapid Zentralverschluss, B-1-2-5-10-25-50-100-250-500. Einfachere Version auch mit Compur (bis 1/300 s).
Belichtungsmessung keine
Fokussierung Manuell am Objektiv (ab 1 m), keine Scharfstellhilfe.
Suchereinfacher, Fernrohrsucher, mit schaltbarer Parallaxenkorrektur.
Blitz kein Anschluss.
Filmtransport Mit Drehknopf, Bildzählwerk (vorwärtszählend 1-36), Rückspulknopf.
sonst. Ausstattung Automatische Rückstellung auf Unendlich beim Einklappen, Gehäuseauslöser,  Tiefenschärfe-Tabelle auf der Rückseite, Zubehörschuh (z.B. für Aufsteck-Entfernungsmesser), Stativgewinde 3/8", keine Trageösen, Bereitschaftstasche als Zubehör.
Maße, Gewicht ca. 125x80x40 mm,  540 g 
Batterie keine
Baujahr(e) 1935-1939 (1941?), und 1948-1953(?), diese hier von 1949.
Kaufpreis, Wert heute 87 -137 RM (1938, je nach Objektiv), heute ca. 30 €.
externe Quellen und Links Camera-Wiki, Instruction manual (english), Welta Prospekt 1939, Kurt Tauber, Dresdener Kameras, Wikipedia
bei KniPPsen weiterlesenKodak Retina (118), Kodak Retina (010), Kodak Retina (126), Balda Jubilette, Zeiss Ikon Tenax IWichtigste KB-Kameras 1937 (Porst Katalog)

2019-06-16

Tenax I @work

Mohnblumen auf einem Rapsfeld in der Nähe von Hanau-Mittelbuchen

Hier also wie versprochen erste Testbilder von meiner Tenax I. Den Film (ein simpler Kodak Gold 200) habe ich an einem Wochende "verschossen", die meisten Bilder draußen bei gutem Sommerwetter, d.h. die Belichtungseinstellungen waren überwiegend bei kleiner bis sehr kleiner Blende (8-16) und kurzen Verschlusszeiten (1/100 bzw. 1/300 s). Damit ergibt sich fast eine Fixfokus-Situation, man kann die Entfernung auf ca. 3 m einstellen und hat dann alles von unendlich bis 2 m scharf. Die Nahaufnahme oben mußte ich natürlich anders einstellen, aber auch hier sieht man die große Schärfentiefe. 

Historisches Karussell in Hanau-Wilhelmsbad

Insgesamt war es ein entspanntes Fotografieren. Der Schnellaufzughebel tut seinen Dienst, auch wenn seine Position für den linken Zeigefinger recht ungewöhnlich ist. Man braucht meist beide Hände zum Bilder machen. Der Aufklappsucher ist für mich als Brillenträger etwas zu klein, ich habe manchmal die Brille abgenommen, dann geht die Ausschnittsuche ganz gut. Die Bilder sind wie für ein nicht vergütetes Objektiv zu erwarten war, etwas flau und kontrastarm, auch bei der Detailschärfe erkennt man den recht simplen Dreilinser. Dennoch bin ich mit den Ergebnissen ganz zufrieden.

Regionalbahn am Bahnhof Wilhelmsbad

Nicht zufrieden war ich mit den Leistungen meines Labors. Das hatte ich beim Auftrag zwar auf die kleinen quadratischen 24x24 mm Negative hingewiesen und somit vorgewarnt. Der Film wurde standardmäßig entwickelt, dann aber fast wahllos geschnitten (mitten durch Bilder durch!), die weitere Verarbeitung (Abzüge, CD scannen) wurde verweigert. Also musste ich mit dem eigenen Flachbettscanner ran, was sehr aufwändig ist.

2019-06-02

Zeiss Ikon Tenax I (570/27)


Gleich zwei Zeiss Ikon Tenax I (Zeiss-Nr. 570/27) habe ich gestern meiner Sammlung hinzugefügt. Und das kam so: Bei meiner Recherche über Hubert Nerwin neulich bin ich natürlich über die Tenax und ihren Schnellschalthebel gestolpert, was mein Interesse geweckt hat. Gemeint wird meistens die Tenax II (580/27), eine Messsucherkamera mit Wechselobjektiven, die nicht nur bei ihrem Erscheinen 1938 einen stolzen Preis hatte (335 RM), sondern auch heute noch bei Sammlern heiß begehrt und entsprechend teuer ist (ca. 400 - 500 €). Es gibt aber auch die kleine Schwester Tenax I (570/27), ohne Messsucher und Wechseloptik, dafür aber mit dem Schnellschalthebel. Ich habe also auf e-bay bei einer günstigen Auktion mitgeboten und gewonnen, und erst beim nachträglichen Recherchieren realisiert, dass ich ein Nachkriegsmodell aus DDR-Produktion erworben hatte. Noch bevor die Kamera bei mir ankam, habe ich eine weitere Auktion gewonnen, diesmal das originale Vorkriegsmodell von 1938. 
Zweimal Tenax I: Links das Nachkriegsmodell (1948-1953), rechts das Original (1939-1941)
Das Bild oben zeigt schon die augenfälligsten Unterschiede, der ansonsten fast baugleichen Kameras. Die rechte ist das Original von 1938, bei ihr steht noch "Compur" unter dem Wort TENAX. Die Objektivbezeichnung (NOVAR-Anastigmat 1:3,5 f=3,5 cm) steht weiß auf schwarz direkt innen um die Frontlinse herum. Beim Nachkriegsmodell links ist diese Bezeichnung einen Ring nach außen gerutscht (schwarz auf silber), dafür ist die Tiefenschärfe-Skala nun als schwarzer Ring realisiert. Es gibt noch weitere, meist kleinere rein ästhetische Unterschiede. Technisch gibt es nur zwei: Das Vorkriegsmodell hat einen Drahtauslöseranschluss, an dessen Stelle gibt es beim VEB-Modell eine Blitzbuchse. Und, das Objektiv ist bei der Nachkriegskamera nun vergütet und schimmert leicht bläulich.

Weitere Bilder zum Vorkriegsmodell (Baujahr 1939), #H95897

Das Vorkriegsmodell (570/27) wurde auf der Frühjahrsmesse 1939 in Leipzig vorgestellt und kam im selben Jahr für 98 RM in den Handel. Mit ihren äußeren Dimensionen ist sie wirklich Hosentaschen-tauglich. Mit dem Schnellspannhebel, etwas ungewöhnlich mit dem linken Zeigefinger zu bedienen, hatte sie ein Alleinstellungsmerkmal, zumindest in ihrer Klasse. So etwas (also gleichzeitiger Filmtransport und Verschluss-Spannen) gab es damals nur bei ihrer großen Schwester Tenax II (auch 24x24 mm, 298 RM), oder der Kine-Exakta (ca. 300 RM). Nur die Robot mit ihrem Federmotor war bei der möglichen Bildfrequenz schneller, auch sie hatte das 24x24 mm Bildformat, spielte aber mit ca. 200 RM in einer anderen Liga. Die Tenax I zielte als bei Preis, Größe und Features auf Kameras wie Kodak's Retina I, oder die sehr ähnlichen Baldina und Welti. Die hatten alle 24x36 mm, aber eben keinen Schnellschalthebel.
Die Produktion in Dresden wurde kriegsbedingt schon 1941 eingestellt. Zeiss Ikon typisch beginnen die Seriennummern mit einem Buchstaben. Bekannt sind drei Serien H, J und M; für H habe ich  Nummern zwischen 87500 und 97500 gesehen, bei J zwischen 78000 und 88000, bei M von 40000 bis 47000. Ich schätze die Vorkriegsproduktion also mal auf ca. 27.000 Exemplare.  

Bilder des Nachkriegsmodells (ca. 1952), #88328

Nach dem Krieg ging es 1948 mit der Produktion in Dresden wieder los. Die Firma dort hieß jetzt VEB Zeiss Ikon, viele der ehemaligen Ingenieure (wie Hubert Nerwin) waren inzwischen bei der westdeutschen Zeiss Ikon in Stuttgart. Erste Nachkriegskameras wurden wohl noch mit dem Compur-Verschluss von Deckel aus München gebaut, aber wegen den Handelsbeschränkungen wurde dieser bald durch den ostdeutschen Tempor-Verschluss ersetzt. Dafür bekam die Kamera eine Blitzsynchronbuchse, an der Stelle, wo zuvor der Drahtauslöser angeschlossen wurde. Die Seriennummern haben jetzt keinen Buchstaben mehr. Ich kenne bisher vier- oder fünfstellige Zahlen zwischen 6.000 und 90.000, damit schätze ich mal ca. 90.000 Exemplare über fast 5 Produktionsjahre. Im Jahr 1953 gab es etwas Modellpflege, der unzeitgemäße Aufklappsucher wurde durch einen eingebauten Fernrohrsucher ersetzt. Dieses Modell wurde kurz nach Erscheinen in Taxona umbenannt, da die ostdeutsche Zeiss Ikon auch noch im Namensstreit mit der westdeutschen Schwester viele Modellnamen verlor. Die Taxona wurde dann noch bis 1959 gebaut, vermutlich in erklecklichen Stückzahlen, die Seriennummern waren zumindest 6-stellig. 
Die Tenax ist eine coole kleine Kamera, ich habe bereits den ersten Film eingelegt und werde demnächst von meinen Erfahrungen damit berichten.     

Datenblatt Sucherkamera für das Format 24x24 auf KB-Film (135)
Objektiv Novar-Anastigmat 35mm f/3.5 (3 Linsen). Spätere Baureihe 111/23 auch mit Tessar 37.5 mm f/3.5 oder Tessar 35mm f/2.8 (selten) erhältlich.
Verschluss Compur Zentralverschluss, B-1-2-5-10-25-50-100-300. (Dieser #1.344.446). Spätere Baureihe 111/23 mit Tempor Verschluss.
Belichtungsmessung keine
Fokussierung Manuell am Objektiv (ab 1 m), keine Scharfstellhilfe.
Suchereinfacher, aufklappbarer Newton-Sucher.
Blitz Synchronbuchse, nur bei späterem Modell 111/23.
Filmtransport Schnellspannhebel für den linken Zeigenfinder, Doppelbelichtungssperre, Bildzählwerk (vorwärtszählend 0-50), Rückspulknopf.
sonst. Ausstattung Stativgewinde 3/8", ISO-Drahtauslöser nur bei Vorkriegsmodell 570/27, Keine Trageösen, Bereitschaftstasche als Zubehör.
Maße, Gewicht ca. 109x65x45 mm, 340 g 
Batterie keine
Baujahr(e) (570/27): 1939-1941 in drei Serien H, J und M, ca. 27.000 Exemplare.
(111/23): 1948-1953, ca. 90.000 Exemplare ?
Kaufpreis, Wert heute 98 RM (1939), heute ca. 40 €.
Links Camera-wikiCollectiblendWikipediaDas-Kriegsende.deIndustrie- und Filmmuseum WolfenCameraBits & Pieces (Teil 1)CameraBits & Pieces (Teil 2 mit Reparatur)John's Cameras, Taxona Bedienungsanleitung