2019-05-12

Hubert Nerwin


Hubert Nerwin ist einer der wichtigsten Kamerapioniere und -designer des zwanzigsten Jahrhunderts. Leider gibt es über ihn nicht sehr viel zu lesen. Eine gedruckte Biografie gibt es (noch ?) nicht und eine ihm gewidmete Seite auf zeisshistorica.org ist nur noch im web-Archiv aufrufbar. Ich möchte daher hier kurz zusammenfassen, was man sonst über ihn im Netz finden kann.

Hubert Nerwin wurde wohl am 7. April 1906 in Linz an der Donau geboren, war also gebürtiger Österreicher, besaß spätestens nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich einen deutschen Pass und wurde nach seiner Immigration in die USA Ende der 40er Jahre amerikanischer Staatsbürger. Ein Bild von seiner Ankunft mit seiner Familie in New York habe ich hier gefunden.  


Aber der Reihe nach: Nerwin entdeckt früh seine technische Begabung und macht eine Ingenieursausbildung. Nach seinem Examen 1926 geht es zunächst zu IBM nach Stuttgart, in einer nächsten Station zu Siemens nach Berlin, um dann schließlich 1932 bei Zeiss Ikon in Dresden zu landen, wo er erstmalig mit Kameratechnik in Berührung kommt. Hier stößt er zum Entwicklerteam, was im selben Jahr gerade die Contax I auf den Markt gebracht hatte. Nerwin mach schnell Karriere, zum einen natürlich durch sein außergewöhnliches Talent, zum anderen aber auch weil andere führende Entwickler bei Zeiss Juden waren und die Firma verlassen mussten. 

Während dieser Zeit in Dresden war Nerwin (z.T. maßgeblich) an der Entwicklung und Konstruktion einiger Kameras beteiligt, die wichtigste davon war sicherlich die Contax II, aber auch die Contaflex, die Tenax und Ikoflex Modelle sind bekannt. Auf einer Tenax Werbeanzeige soll er sogar selbst in Lederhose zu sehen sein (s.o.). Der zweite Weltkrieg und die anschließende Teilung Deutschlands ändert dann auch das Schicksal Hubert Nerwins. Mir ist nicht bekannt, ob er als Soldat in der einen oder anderen Form eingezogen wurde. Vermutlich wurde seine Arbeit als Chefentwickler als so wichtig angesehen, dass er davon befreit wurde. Bekannt ist, dass er und seine Familie über seine Heimat Linz dem Bombenhagel in Dresden entfliehen konnten und schließlich wieder in Stuttgart landeten. Dort meldete er sich beim dortigen Zeiss Ikon Contessa-Werk, der Keimzelle der westdeutschen Zeiss Ikon AG. 
In Stuttgart hat er wohl noch an der Weiterentwicklung zur Contax IIa sowie der Entwicklung der Contessa 35 mitgewirkt. Die Dresdener Contax Produktionslinien sind ja bekanntlich 1947 als Reparationsleistung in die Sovietunion umgezogen worden, auf ihnen wurden die nun Kiev genannten Kameras noch bis in die 1980er gebaut. Aber nicht nur die Soviets wollten vom Know-How der einstmals weltweit führenden Kameraschmiede Zeiss-Ikon profitieren. Auch die Amerikaner unterstützten (etwas subtiler) den entsprechenden Technologieabfluss aus Deutschland.

Jedenfalls bekam Hubert Nervin 1947 ein Angebot der Firma Graflex aus Rochester, NY, was er wohl nicht ablehnen konnte. Und, wen wundert's: Die erste Kamera die er dort entwickelte, war ein Auftrag für's amerikanische Militär. 1955 wechselte er dann quasi auf die andere Straßenseite in Rochester: zu Kodak! Dort, bei der Filmfirma, entwickelt er keine High-Tech Kameras mehr, sondern geht in die Geschichte ein mit der Entwicklung der 126er Instamatic Kassette. Das Ding wurde für Kodak eine Goldgrube, wieviel des Gewinns sie Hubert Nerwin abgegeben haben, ist nicht bekannt. Er jedenfalls geht kurz darauf in den Ruhestand, hält hier und da noch Reden auf Treffen der Zeiss Historical Society und stirbt im März 1983 im Alter von fast 77 Jahren. Sein ehemaliger Arbeitgeber Zeiss Ikon in Stuttgart baut übrigens sogar eine Spiegelreflexkamera für die Nerwinsche Kassette. 



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