2019-06-17

Welta Welti



Faltbalgenkameras für Rollfilm (wie z.B. diese Vollenda) waren in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eine sehr beliebte und weit verbreitete Kameraklasse. Kodak (Nagel Kamerawerke) waren die ersten, die dieses Design auch für den Kleinbildfilm nutzten. Mit der Kodak Retina von 1934 führten sie auch gleich die noch heute gebräuchliche 135er Patrone ein. Aber schon 1935 gab es erste Konkurrenten mit fast identischen Merkmalen auf dem Markt. Eine der wichtigsten davon war die Welti vom Welta Kamerawerk in Freital bei Dresden.  

Die Welti im Porst Katalog von 1938.
Ich war schon länger an einer interessiert, jetzt hat es endlich sehr günstig geklappt. Allerdings ist mein Exemplar ganz schön ramponiert (wie man an den Fotos sieht), das Leder ist an allen vier Ecken der Frontklappe abgeschubbelt und der kleine Klappständer fehlt. Ich habe ihn für das Foto oben durch ein kleines Stück Plastik ersetzt. Ansonsten schein alles zu funktionieren.
Die Kamera wurde von 1935 an bis zum Kriegsbeginn mit (wie damals üblich) kleineren Modifikationen und immer weiteren Verbesserungen gebaut. Die allerersten Versionen hatten noch sehr flache Drehknöpfe für Filmtransport und Rückspulen, außerdem fehlte zunächst der Gehäuseauslöser (man musste stattdessen vorne am Verschluss einen Hebel betätigen). Der Sucher tauschte im Laufe der Zeit seinen Platz mit dem Zubehörschuh und wanderte auf die linke Seite.
Diese Evolution war spätestens 1937 abgeschlossen, wie die Abbildung im Photo-Porst Katalog von 1937 links zeigt. Man konnte die Kamera mit zwei verschiedenen Verschlüssen und mindestens vier Objektiven kaufen, später kamen weitere solche Varianten dazu und andere fielen weg. Welta verkaufte auch eine Low-Budget-Version unter dem Namen Weltix, eine ebenfalls einfache Export-Version mit Namen Watson, sowie die High-End Variante Weltini mit eingebautem Entfernungsmesser und besseren Objektiv-Varianten.
Wie viele andere Feinmechanik-Betriebe wurde auch das Welta Kamerawerk in die Rüstungsproduktion für den Krieg eingespannt, wann genau die Welti-Produktion zum Erliegen kam ist mir nicht bekannt, aber ab 1940 dürften kaum welche mehr gebaut worden sein.  Ab 1942 war es jedenfalls ganz aus mit dem Kamerabau bei Welta und 1946 wurden dann die Produktionsmaschinen demontiert und als Reparationsleistung in die Sowjetunion geschafft. Ab 1947 ging es allerdings mit dem Wiederaufbau los, zunächst wurden die Werkzeuge neu gebaut, dann die Kameraproduktion mit den alten Modellen hochgefahren. Spätestens ab 1949, vermutlich früher,  wurden auch wieder Weltis hergestellt, wie mein Exemplar beweist. Sowohl die Serienummern des Objektivs (3238132) als auch des Compur Veschlusses (657xxxx) gehören ins Jahr 1949, leider hat Welta seine Gehäuse nie mit einer eigenen Nummer versehen. Damit entfällt leider auch die Möglichkeit daraus Produktionszahlen abzuleiten.   


Irgendwann Anfang der 1950er (vermutlich 1953) gab es endlich wieder ein Update, aus der Welti I wurde die Welti 1c, im Prinzip immer noch die selbe Kamera, allerdings mit einer mehr zeitgemäßen Gehäuseoberkappe. Außerdem griffen die Handelsbarrieren (z.B. Währung) zwischen Ost- und Westdeutschland: Die Compur Verschlüsse von Deckel in München wurden zunehmend durch ostdeutsche Varianten wie den Vebur ersetzt, als Objektive kamen am Ende fast ausschließlich das Carl Zeiss Jena Tessar (f/2.8, 4 Linsen) sowie das Meyer Trioplan (f/2.9, 3 Linsen) zum Einsatz. Bis in die 1960er Jahre hinein soll diese Kamera produziert worden sein, Genaues weiß ich leider nicht.

Zum Schluss hier links noch ein kleines Feature der Kamera, was die Welti der Retina vorraus hatte. Von einer Feder gespannt und einem kleine Hebelchen gehalten bzw. verstellt gibt es einen Parallaxenausgleich des Suchers für Nahaufnahmen. Ansonsten spricht im direkten Vergleich nicht viel für die Welti. Sie ist die deutlich klobigere Kamera und kostete (1937) bei ähnlichem Objektiv und Verschluss ca. 12 RM (15%) mehr als die nach meinem Geschmack einfacher zu bedienende Retina. Aber mal sehen, ich habe noch einen Konkurrenten ergattern können und da mache ich dann einen umfassenderen Vergleich...




Datenblatt Faltbalgen-Sucherkamera für KB-Film (135)
Objektiv Carl Zeiss Jena Tessar 5cm f/3.5. Auch mit Schneider Xenar oder Xenon, bzw. weiteren Objektiven erhältlich.
Verschluss Compur-Rapid Zentralverschluss, B-1-2-5-10-25-50-100-250-500. Einfachere Version auch mit Compur (bis 1/300 s).
Belichtungsmessung keine
Fokussierung Manuell am Objektiv (ab 1 m), keine Scharfstellhilfe.
Suchereinfacher, Fernrohrsucher, mit schaltbarer Parallaxenkorrektur.
Blitz kein Anschluss.
Filmtransport Mit Drehknopf, Bildzählwerk (vorwärtszählend 1-36), Rückspulknopf.
sonst. Ausstattung Automatische Rückstellung auf Unendlich beim Einklappen, Gehäuseauslöser,  Tiefenschärfe-Tabelle auf der Rückseite, Zubehörschuh (z.B. für Aufsteck-Entfernungsmesser), Stativgewinde 3/8", keine Trageösen, Bereitschaftstasche als Zubehör.
Maße, Gewicht ca. 125x80x40 mm,  540 g 
Batterie keine
Baujahr(e) 1935-1939 (1941?), und 1948-1953(?), diese hier von 1949.
Kaufpreis, Wert heute 87 -137 RM (1938, je nach Objektiv), heute ca. 30 €.
externe Quellen und Links Camera-Wiki, Instruction manual (english), Welta Prospekt 1939, Kurt Tauber, Dresdener Kameras, Wikipedia
bei KniPPsen weiterlesenKodak Retina (118), Kodak Retina (010), Kodak Retina (126), Balda Jubilette, Zeiss Ikon Tenax IWichtigste KB-Kameras 1937 (Porst Katalog)

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