2021-06-07

111 Jahre Compur

Titel des Compur Patents (Klicken für ganzes Dokument)

Heute vor 111 Jahren wurde eine der wichtigsten Erfindungen der Fotogeschichte zum Patent erteilt: der berühmte Compur-Verschluss. Er war sogar in zweierlei Hinsicht bedeutsam: Technologisch, weil er der erste Verschluss mit einem Räderhemmwerk (Uhrwerk) war, der die ganze Zeitenreihe von 1 Sekunde bis zur kürzesten Verschlusszeit (1/200 s bzw. 1/300 s) sehr präzise und reproduzierbar erzeugen konnte. Die immer besser und empfindlicher werdenden Filme würden das brauchen... Dann war das Patent aber auch wirtschaftlich bedeutsam, da Christian Bruns als ehemaliger Mitstreiter von Friedrich Deckel sein Patent an die Carl Zeiss Stiftung verkaufte, diese aber den Verschluss bei Deckel bauen ließen. Damit hatte Zeiss neben den von Paul Rudolph erfundenen Objektiven ihr wohl wertvollstes Ass im Ärmel und kontrollierte spätestens seit der Etablierung von Zeiss Ikon (1926) und den (geheimen) Beteiligungen an Deckel und Gauthier ein Verschluss-Monopol, das weit über Deutschland hinaus reichte.

Compur an einer Laufboden-
kamera aus den 1920ern mit 
Patentnummer darunter.
Compur-Verschlüsse auf Basis dieses Patents werden bis in die 1960er Jahre hinein in großer Stückzahl gebaut (insgesamt wohl mehr als 8 Millionen Stück), natürlich gab es im Laufe der Zeit Verbesserungen, wie hier nachzulesen. Der Wettbewerb mit japanischen Herstellern und auch dem Schlitzverschluss läutete den Niedergang der einst weltweit führenden deutschen Kameraindustrie in den 1970ern ein. Vielleicht hatte man sich zu sehr auf den Zentralverschluss und sein Aushängeschild Compur verlassen...

Über Christian Bruns selbst findet man leider nicht viel, außer der Tatsache, dass er mal bei Steinheil in München gearbeitet hat und dort Friedrich Deckel traf, mit dem er zusammen eine Firma gründete, um den Vorläufer des Compur, den Compound-Verschluss zu vermarkten. Beide trennten sich 1905 wieder, Deckel wurde Alleininhaber und Bruns gründete seine eigene Firma, wie man auf dem Patent lesen kann. Wer das "&CO." war konnte ich nicht herausfinden, vielleicht sein Bruder (?) Heinrich Bruns, der auf der amerikanischen Patentanmeldung US-Pat 1.053.152 als Co-Erfinder genannt wird? Auch die Frage, warum er das Patent an Zeiss verkaufte und für wieviel bleibt wohl unbeantwortet.  Danach verschwindet seine Spur wieder, wie auch jegliche private Information über Geburts- und Todesdatum, Familie, Ausbildung und so weiter im Dunkeln bleibt. Ich hatte gehofft, irgendwo ein Foto von ihm zu finden, immerhin war er in der Branche tätig. Falls jemand hierzu was beitragen kann, bitte unten im Kommentarfeld melden oder mir eine e-mail an knippsen (at) icloud.com schicken.

Bei meinen Recherchen zum Thema bin ich auch auf Rudolph Klein und Theodor Brueck gestoßen, zwei deutsche Auswanderer, die bei Bausch & Lomb in Rochester, NY gearbeitet und sich im Jahre 1910 mit ihrer Firma Ilex selbstständig gemacht hatten. Sie haben ein eigenes und inhaltlich sehr ähnliches Patent US-Pat 1.092.110 angemeldet und auch erteilt bekommen. Christian Bruns war mit seiner deutschen Anmeldung definitiv früher (7.6. vs. 25.6. 1910). Seine amerikanische Anmeldung (9.11.1911) kam aber nach der von Klein&Brueck, wurde aber wiederum früher zum Patent erteilt (18.2.1913 vs. 31.3.1914). Warum beide erteilt wurden, bleibt wohl das Geheimnis der amerikanischen Patentbehörde. Auf alle Fälle ist das Klein&Brueck-Patent aber keines Falls die Basis der modernen Uhrwerk-gesteuerten Zentralverschlüsse, wie auf dieser Web-site behauptet wird.  

Im Internet findet man immer wieder falsche Vermutungen über die Nummer 258646 D.R.P., die unterhalb des Objektivs die Dial-Set Compur Verschlüsse an z.B. Laufbodenkameras aus den 1920er Jahren ziert. Es ist weder eine Seriennummer noch kann man damit eine zeitliche Einordung in die 20er oder 30er Jahre vornehmen. Es ist schlicht die Nummer des (immer noch) öffentlich zugänglichen Deutschen Reichspatents 258646 vom 7. Juni 1910.
 
Ich habe schön öfters hier über den Compur-Verschluss was erzählt, wer möchte kann ja dort weiterlesen: Compur-Seriennummern,  Compur an der Conatflex, weitere Kameras mit Compur-Verschluss


2021-06-01

Baldina

Diese Baldina von 1936 ist quasi ein Nachzögling für meine Sammlung von frühen Kleinbildkameras. Bisher wurde sie dort von der Jubilette vertreten. Es ist fast dieselbe Kamera, die Balda 1938 zur Feier ihres 30-jährigen Bestehens unter die Leute brachte. Die Baldina war ein Longseller, dieses Ur-Modell wurde von 1935 bis 1941 gebaut, aber auch nach dem 2. Weltkrieg wieder ab 1946 bis 1950. Ihre direkte und wieder fast identische Nachfolgerin hieß Belca Beltica und wurde in Dresden ab 1951 weitergebaut. Auch Balda in Westdeutschland baute ab 1951 eine Baldinette, die ihre Ahnin Baldina nicht verleugnen kann. Weitere Details und Links bei den entsprechenden Beiträgen und unten in der Tabelle.

Mein Exemplar lief mir für unter 20 € über den Weg, da konnte ich nicht widerstehen. Es ist sehr gut erhalten und voll funktionstüchtig mit einer schönen Patina, die zeigt, dass sie tatsächlich benutzt wurde. Mit der Seriennummer des Schneider Xenars (am Hinterlinsenglied) kann ich die Kamera recht genau ins Jahr 1936 einordnen. Die Kamera selbst oder der Prontor-Verschluss tragen lieder keine Nummern. 

Datenblatt Faltbalgen-Sucherkamera für KB-Film (135)
Objektiv Schneider Xenar 5cm f/2.9 (4 Linsen). Auch mit anderen Objektiven von Schneider oder Carl Zeiss erhältlich.
Verschluss Prontor II Zentralverschluss, T-B-1-2-5-10-25-50-100-175 (viele Kameras haben auch den Compur)
Fokussierung Manuell am Objektiv (ab 0.55 m), keine Scharfstellhilfe.
Suchereinfacher Fernrohrsucher, mit Parallaxenkorrektur-Drehrad. 
Filmtransport Mit Drehknopf auf der Unterseite, Bildzählwerk mit Deckel zum Aufklappen (vorwärtszählend), Rückspulknopf.
sonst. Ausstattung Tiefenschärfe-Tabelle auf der Rückseite,  Anschluss für ISO-Drahtauslöser, Stativgewinde 3/8", Trageschlaufe,  Bereitschaftstasche als Zubehör.
Maße, Gewicht ca. 123x83x38 mm,  427 g 
Baujahr(e) 1935-1941, diese (lat. Seriennummer #904995 des Objektivs) von 1936
Kaufpreis, Wert heute ca. 80RM (1936), heute ca. 30 €.
externe Quellen und Links Camera-Wiki, Instruction manual (Jubilette, english), Kurt Tauber, Dresdener Kameras, FotofreakWikipedia
bei KniPPsen weiterlesenKB-Kameras der 1930erBalda JubiletteKodak Retina (118), Kodak Retina (010), Kodak Retina (126), Welta Welti, Zeiss Ikon Tenax IWichtigste KB-Kameras 1937 (Porst Katalog), VEB BelcaHapo 24