Um das Kapitel der einklappbaren Balgenkameras für den Kleinbildfilm abzuschließen und abzurunden, hier ein Vergleich der drei sehr ähnlichen Konkurrentinnen von Kodak, Balda und Welta. Alle drei habe sehr viel gemeinsam, kein Wunder, steckt doch die entscheidende Technik im Verschluss und im Objektiv. Beides konnte man sich quasi aus dem gleichen Sortiment dazu konfektionieren. Die Verschlüsse waren (fast ausschließlich) von Deckel in München, zumeist Compur oder Compur-Rapid. Die Objektive stammten von Schneider-Kreuznach oder Carl Zeiss in Jena und wenigen anderen Herstellern.
Die Unterschiede liegen also eher im Gehäuse selbst, der Verarbeitung und der Anordnung der jeweiligen Bedienelemente für Bildtransport und Rückspulung. Auch manches Extra-Feature macht ggf. den entscheidenden Unterschied. Hier also eine kleine Tabelle:
Kodak RetinaI, 1934-1954 | Balda Baldina, 1935 -1951 (Jubilette, 1938) | Welta Welti, 1935-1951 |
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Preis 1937 mit Schneider Xenar f/3.5 und Compur Rapid | 85 RM | 94 RM | 97 RM |
besondere Ausstattungs-merkmale Gehäuse |
Tiefenschärfedrehrad | Tiefenschärfe-Tabelle Parallaxenausgleich (kontinuierlich) Trageschlaufe |
Tiefenschärfe-Tabelle Parallaxenausgleich (zwei Stellungen) Zubehörschuh |
Maße (BxHxT) Gewicht |
120 x 75 x 35 mm 443 g |
123 x 83 x 38 mm 424 g |
125 x 80 x 40 mm 540 g |
So, mal angenommen, ich wäre 1938 mit ca. 100 RM in einen Fotoladen gegangen, um eine solche
Kamera zu kaufen. Welche wäre es geworden? Für die Welti spricht insbesondere der Zubehörschuh, damit kann man z.B. einen Entfernungsmesser aufstecken. Allerdings wirkt sie deutlich klobiger als die beiden anderen und ist insbesondere dicker und auch schwerer. Auch ist sie die teuerste von allen und damit für mich raus. Die Baldina bzw. Jubilette ist zusammengeklappt kaum dicker als die Kodak und sogar etwas leichter, gleichzeitig wirkt der Klappmechanismus etwas solider (interessanterweise klappt sie in die andere Richtung auf). Was sie für mich disqualifiziert, ist das Filmtransportrad an der Unterseite der Kamera und das seltsame Bildzählwerk, bei dem sich das äußere Gehäuse dreht und damit vor versehentlichem Verstellen in der Hosentasche nicht geschützt.
Bleibt also die Kodak Retina. Sie ist nicht nur die preiswerteste des Trios, sondern wirkt auch am praktischsten. Das Tiefenschärfe-Drehrad ist doch intuitiver zu bedienen als eine schnöde Tabelle und zusammengeklappt hat man sie gerne in der Hosentasche dabei. So wie ich haben wohl einige damls gedacht, denn mit wohl über 400,000 Exemplaren ist sie die erfolgreichste der drei. Leider gibt es keine Produktionszahlen der anderen, aber viel mehr als 100,000 werden es jeweils nicht gewesen sein.
Welta Weltini (175 RM*) |
Oberhalb dieser Kameras gab es ein weiteres Marksegment mit Faltbalgenkameras, was sich an den ambitionierten Amateur mit etwas mehr Geld richtete. Diese Kameras hatten alle einen gekuppelten Entfernungsmesser eingebaut. Alle drei Hersteller dieser Seite bedienten mit der Retina II, der Super Baldina und der Weltini dieses Segment, die Kameras kosteten ca. 50% mehr. In dieser Klasse spielten mit der Certo Vollina und der Super Nettel von Zeiss Ikon noch weitere Hersteller mit.
Balda Super Baldina (150 RM*) | Kodak Retina II (185 RM*) |
Certo Vollina III (175 RM*) | Zeiss Ikon Super Nettel (178 RM*) |
* Alle Preise und Abbildungen aus dem Photo-Porst Katalog von 1937. Preise soweit verfügbar mit Carl Zeiss Tessar oder Schneider Xenon 5 cm f/2.8 und Compur Rapid. Die Super Nettel mit Tessar f/3.5 und Metall-Schlitzverschluss.
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