2025-06-07

50 Jahre Pentax-K Bajonett

Diese Tage (vermutlich am 1. Juni) feiert das Pentax K-Bajonett seinen 50. Geburtstag. Es ist neben dem 16 Jahre älteren Nikon F-Bajonett der einzige Objektivanschluss für (D)SLR-Kameras, der mit meist auf- und abwärts kompatiblen Modifikationen heute immer noch Verwendung findet und gebaut wird. Sprich: Man kann viele heute 50 Jahre alte Objektive an eine nagelneue DSLR anschließen und damit (mit Funktionseinschränkungen) fotografieren. 

Technische Details, Quelle: KMP
Bei der Präsentation seiner neuen K-Kameraserie und dem dazu gehörigen neuen Bajonett bei ihrer Blockbuster Geburtstagspartie im Imperial Hotel in Tokyo Anfang Juni 1975 wagte die Asahi Optical Company einen mutigen, aber längst überfälligen Schritt. 

Als erste japanischer SLR-Hersteller hatte man lange und erfolgreich auf das von Praktica und Contax eingeführte M42-Schraubgewinde gesetzt und es damit über die Jahre mit den exzellenten Takumar-Objektiven aber auch herausragenden Kamerakonstruktionen wie der Spotmatic noch populärer gemacht. Viele andere Kamera- und auch Objektivhersteller schlossen sich diesem lizenzfreien Standard an. 

Den etwas umständlicheren Objektivwechsel beim M42-Drehgewinde mit seinen fast 3 kompletten Umdrehungen verglichen mit einem kurzen 50-70° Dreh beim Bajonett ließen sich die Fotografen vielleicht noch gefallen. Aber spätesten mit TTL-Messung am Ende der 1960er und Automatisierung der Belichtung am Anfang der 1970er wurde klar, dass das Schraubgewinde gegenüber präzise in Position einrastenden Bajonetten nicht mehr mithalten konnte. Auch klappte die Abstimmung zwischen den inzwischen zahlreichen M42-Verwendern nicht mehr, so dass z.B. 6 verschiedene Varianten für die TTL-Offenblendmessung entwickelt und vermarktet wurden. Darüber hatte ich hier schonmal geschrieben.

Als größter und wichtigster M42-"Eigentümer" träumte Asahi Pentax von einem ebenso erfolgreichen Nachfolger-Standard in Form eines Bajonetts. Dazu suchte man zunächst (so sagen es einige Quellen) die Kooperation mit Zeiss (ob Zeiss Ikon oder Carl Zeiss - der Objektivhersteller - bleibt vage), die aber 1972 wegen des Ausstiegs der Deutschen aus der Kameraproduktion abgebrochen wurde. Wieviel vom endgültigen K-Bajonett-Standard aus der Kooperation stammt ist auch nicht überliefert. 

Jedenfalls kam es dann 1975 zur Markteinführung und Pentax brachte auf einen Schlag drei Kameras und sogar 26 Objektive mit diesem Bajonett auf den Markt. Die Kameras und auch viele Objektive waren eigentlich alte M42-Bekannte, das Flaggschiff Pentax K2 eine upgegradete ESII. 1976 dann kamen mit der M-Serie wirklich neue Kameras um das K-Bajonett herum. Pentax träumte allerdings auch alleine weiter vom Standard (oder wurde durch Klauseln im Zeiss-Vertrag dazu gezwungen...???) und lizenzierte das K-Bajonett großzügig (oder gar kostenfrei?) an viele kleinere SLR-Hersteller. Insbesondere Cosina's CT-1 und ihre vielfältigen Handelsmarken-Varianten machten den Objektivanschluss auch über die Pentax-Community hinaus populär. Ich erinnere mich noch selbst, dass bis spätestens dem Aufkommen der AF-SLR das K-Bajonett als universeller Standard von vielen Experten zumindest diskutiert wurde.
 
Im Laufe der nun 50 Jahre ist auch das K-Bajonett nicht stehengeblieben. Es wurden immer wieder Modifikationen implementiert, deren Details ich anderen Web-sites überlasse (siehe Links unten). Ricoh, als heutiger Eigentümer der Marke Pentax und der dazugehörigen Technologie ist jedenfalls stolz auf weitestgehende Kompatibilität wie ganz oben beschrieben. Für die vielen Besitzer größerer M42-Objektivsammlungen hatte Pentax übrigens einen Adapter im Programm, der ins Innere des weiten Bajonetts passte und trotz des exakt gleichen Auflagemaßes von 45.46 mm ein entsprechendes M42-Gewinde bereitstellte. Damit ließ sich zumindest bei Arbeitsblende fotografieren. 

Datenblatt Bajonett-Anschluss für SLR-Objektive
Auflagemaß 45.46 mm (übernommen von M42x1-Gewinde)
Durchmesser 44/48 mm (innen inkl./exkl. Bajonett-Zungen) 
max.  Öffnungswinkel  52° (bildseitig)
sonst. Funktionen mechanische Übertragung der eingestellten Blende, Offenbeldhebel, weitere Funktionen (z.B. AF etc.) wurden in späteren varianten implementiert.
Verwendet vonPentax, Ricoh, Chinon, Cosina, Miranda, Sigma, Vivitar, Zenit, u.a.
Links Wikipedia (DE), Wikipedia (EN)Wikipedia (EN, lens mount)Pentax K-mount page, Article Popular Photography 1975, The Evolution of the Pentax-K mount, Pentax-SLR
Bei KniPPsen weiterlesen Pentax ME-F und AF35-70 f/2.8, Pentax Spotmatic, Pentax K-1000, Pentax Spotmatic F, Asahi Pentax ES, Cosina CT-1, M42-Offenblendvarianten


2025-05-25

Kodak Instamatic 50


Kodak's Instamatic Kameras 100 und 104 habe ich hier schon vorgestellt. Diese etwas verschmutzte "50" bekam ich neulich als Teil einer kleinen Sammlung geschenkt. Die Instamatic 50 ist nach einigen Quellen (u.a. McKeown's) Kodak's erste Kamera für den neuen 126er ("Pak"-) Kassettenfilm, kam 1963 aber zusammen mit der "100" auf den Markt. Beide wurden sowohl in Rochester/NY (USA) als auch in England und Australien gebaut. Bis auf kleinere Äußerlichkeiten unterscheiden sich die beiden lediglich durch den Blitz: Während die "50" einen proprietären Blitzschuh (Hot-Shoe) für das Instamatic-Aufsteckblitzgerät besitzt (siehe Bild links), hat die "100" dieses (und auch die obligatorische Batterie dazu) eingebaut. Beide Blitzgeräte verwendeten AG1-Blitzbirnchen.   

Kodak hat insgesamt von 1963 bis zum Ende der 1970er Jahre über 60 verschiedene Instamatic-Modelle an 6 verschiedenen Produktionsstätten (USA, England, Deutschland, Spanien, Kanada und Australien) gebaut und angeblich schon 1970 die 50-Millionenmarke an verkauften Instamatics geknackt. Wenn man bedenkt, dass die Kameras eigentlich nur Mittel zum Zweck (Filmverkäufe) waren, ein immenser Markterfolgt. Die "50" und die "100" dürften auch im 7-stelligen Bereich gebaut worden sein, an das meistverkaufte Kameramodell der Welt kommen sie wegen ihrer eher kurzen Bauzeit aber wohl nicht ran.  

Datenblatt Einfachstkamera für 126er Pak-Film
Objektiv 43 mm f/11 Meniskus
Verschluss Einfachverschluss 1/40 und 1/90 s, umschaltbar per Schalter auf der Front.
Fokussierung Fixfokus, 1.20 m  - ∞.
Suchereinfacher optischer Durchsichtsucher
Blitz Proprieträrer Blitzschuh mit zwei Kontakten für Instamatic Blitzbirnchenhalter 
Filmtransport Schnellschalthebel an der Seite
sonst. Ausstattung Öse für Handschlaufe
Maße, Gewicht 102 x 60 x 51 mm, 265 g (ohne Film)
Baujahr(e) 1963-1965, diese hier (Camerosity-Code CCOE = 11/64)
Kaufpreis, Wert heute US$ 16 (1963), ca. 5 €
Links Camera WikiCollection Appareils, Wikipedia (engl.), Mes-Appareils
Bei KniPPsen weiterlesen Kodak als Filmhersteller, Kodak Instamatic 100, Instamatic SLR, Hubert Nerwin (Erfinder 126er Kassette), George Eastman, Agfamatic 200 Sensor

2025-05-11

Agfa ISO-PAK

Mit dieser Kamera schwenkte Agfa Ende 1967 eher kleinlaut auf das von Kodak entwickelte PAK-Kassettensystem (auch 126er, Instamatic) ein und gab sein eigenes Rapid-System im Gegenzug auf. ChatGTP behauptet, Agfa hätte über die Jahre (vermutlich 1967 bis 1983) insgesamt ca. 50 mio US$ Lizenzgebühren an Kodak gezahlt, was von der Größenordnug her hinkommen könnte, eine Quelle dazu wird leider nicht genannt. Agfa produzierte mit dieser Lizenz natürlich auch 126er Filmkassetten, wie die meisten anderen Filmhersteller inzwischen auch. 

Das Kameradesign kann man kaum als solches bezeichnen, so lieblos orientiert man sich an den in der technischen Spezifikation der Lizenz gemachten Vorgaben. Vermutlich musste es nach der Entscheidung, die den Agfa-Managern wohl nicht leicht gefallen sein dürfte, schnell gehen und herausgekommen ist diese lieblose Plastikdose. Diese erhielt 1969 mit der ISO-PAK C und ISO-PAK Ci noch zwei Nachfolger mit etwas besserer Ausstattung (Schnellschalthebel statt Drehknopf, Blitzwürfelanschluss und im Falle der Ci auch Unterbelichtungswarnung mittels CdS-Zelle und LED). 


Mit der Agfamatic-Serie brachte Agfa dann 1971 endlich 126er Kameras, die zum eigenen Anspruch bzgl. Design und Technologie passten. Als Kodak dann schon 1972 mit dem Pocketfilm 110 den nächsten Schritt vollzog, zögerte man bei Agfa nicht und kaufte gleich eine Lizenz und brachte schon 1973 mit der Agfamatic Pocket Serie die meiner Meinung nach gelungensten Pocketkameras auf den Markt. Aber das ist eine andere Geschichte...

Datenblatt Einfachstkamera für 126er PAK-Film
Objektiv Plastik-Meniskus 42 mm f/11
Verschluss Parator Einfachverschluss, 1/40 und 1/80 s, umschaltbar per Wettersymbol (Sonne/Wolken)
Fokussierung Fixfokus, 1.20 m - ∞.
Sucher einfacher optischer Durchsichtsucher
Blitz Anschluss per Mittenkontakt im Zubehörschuh. ISI-C Flashcube-Adapter war als Zubehör erhältlich.
Filmtransport Mit Drehrad.
sonst. Ausstattung Stativgewinde 1/4'', Öse für Handschlaufe.
Maße, Gewicht 115 x 67 x 53 mm, 172 g (ohne Film)
Baujahr(e) 1967-1969
Kaufpreis, Wert heute 31 DM (1968), heute ca. 5€
Links Camera-Wiki, Collection Appareils, Lippisches Kameramuseum, AGFA CNS PAK-126
Bei KniPPsen weiterlesen Agfa Isoflash Rapid, Agfa als Filmhersteller, Kodak Instamatic 100, Instamatic SLR, Hubert Nerwin (Erfinder 126er Kassette)

2025-05-01

McKeown's...

 

...PRICE GUIDE TO ANTIQUE & CLASSIC CAMERAS, 12. Ausgabe von 2004

Ein Muss für jeden ernsthaften Kamerasammler (und -händler) und DAS Standardwerk für die Community, meist wird es kurz McKeown's genannt. Ich habe 2011 die achte Ausgabe von 1992 bei einem Trödler in New Jersey gefunden und damals für ca. 20 US$ gekauft.  Diese hat ca. 500 Seiten und listet ca. 8000 Kameras mit weiteren Informationen und ihrem geschätzten Gebrauchtpreis, ca. 3000 davon mit einer Abbildung. 

Nach langem Zögern habe ich mir nun endlich die 12. (und bisher letzte) Ausgabe gegönnt, die nun über 40,000 Kameras auf 1250 Seiten listet, mehr als 10,000 davon mit Abbildungen oder Fotos. Nicht nur ist sie doppelt so dick und schwer wie meine alte, auch inhaltlich hat sie an Qualität zugelegt.

Meine Tenax II und ihr Eintrag in der 12. Mckeown‘s
Ausgabe als ein Beispiel, wie die meisten Einträge aussehen.
Eigentlich ist es höchst erstaunlich und sehr bewundernswert, was James und seine Frau Joan McKweown nach eigenen Angaben seit dem Jahr 1969 für ein Werk auf die Beine gestellt haben. 1974 erschien die erste Ausgabe mit ca. 1000 Kameras und im 2 bis 3-jährigen Abstand gab es Updates und Erweiterungen. Nicht alles haben sie alleine gemacht, im Vorwort der aktuellen Ausgabe werden ca. 200 Namen von Helfern genannt, die über die Jahre inhaltliche Beiträge geliefert haben. Immer erschienen die Ausgaben im Selbstverlag und auch der Vertrieb erfolgte im Wesentlichen in Eigenregie. So wie ich es verstehe, haben die beiden davon gelebt, sicher bin ich mir aber nicht. 

Nach dem Erscheinen der 12. Ausgabe sollte es eigentlich eine 13. geben, diesmal noch größer und besser. James und Joan ließen sich mehr Zeit als sonst und kündigten 2015 an, dass die neue diesmal 4-bändige Camera-Encyclopädie mit 100,000 Kameras sich ihrer Vollendung nähere. Das digitale Zeitalter war inzwischen da und die McKeowns sich nicht mehr sicher, ob sich noch genügend Käufer für eine teure gedruckte Version finden würden. Daher wurde auch eine Online- bzw. Smartphone-Version erwogen, diese Web-site geschaltet und einfach mal der Markt befragt. Leider ist es dabei bis heute geblieben. Inzwischen sind 10 Jahre nach der Ankündigung vergangen, sogar 20 Jahre nach der letzten Ausgabe hier. James ist vermutlich wirklich 80 Jahre alt, wie diese Website behauptet, und Joan unwesentlich jünger. Ich hoffe, dass es ihnen gesundheitlich noch gut geht und sie genügend Rücklagen für einen unbeschwerten Lebensabend bilden konnten. 

An die 13. Auflage glaube ich nicht mehr wirklich, daher habe ich nun auch endlich bei der 12. Version auf dem Gebrauchtmarkt zugegriffen. Ich hoffe aber, dass irgendwer irgendwann den Nachlass von James und Joan mit den zusätzlichen Infos und Bildern seiner Bestimmung zukommen lässt, in welcher Form auch immer. Mein Vorschlag: Camera-Wiki.org, die freie Online Kamera-Enzyklopädie, von der ich ein großer Fan bin. Ich habe dort auch schon selbst den einen oder anderem Beitrag geleistet. 

Und die Sache mit den Preisen für gebrauchte Kameras ist auch so ein Ding. Als die McKeowns in den 1970ern begonnen haben, ihr Werk zu publizieren, gab es einen echten Bedarf für einen verlässlichen und unabhängigen Preisführer. Verkäufer und besonders die Käufer wollten zumindest grob wissen, ob die gehandelte Kamera ein rares Schätzchen ist oder vielleicht ein Stück, das man auch auf dem nächsten Flohmarkt wieder finden würde. Aber der einzelne Preis - so steht es richtigerweise im Vorwort - hängt einzig und allein von der Laune des Käufers und Verkäufers zum Zeitpunkt der Transaktion ab.

Seit Ende der 1990er und dem Aufkommen von online-Handelsplattformen wie Ebay wurde auch der Kameragebrauchtmarkt transparenter. Jeder kann sich heute selbst ein Bild machen, was Verkäufer für das eine oder andere Modell gerne hätten, bzw. auch was andere Käufer tatsächlich bezahlt haben (was meist weiter auseinander liegt als man denkt!). Wer es gerne bequem hat, kann dazu auch die Website Collectiblend.com konsultieren, die regelmäßig online-Preise sichtet und aufbereitet. Ich glaube aber, dass viele der heutigen Preise von den McKeowns beeinflusst sind, einfach weil sie schwarz auf weiß gedruckt sind und trotz ihres Alters immer noch als Anhaltspunkt dienen. Ich hoffe, James und Joan wissen und schätzen das als ihren Beitrag zur analogen Fotografie.
 

2025-04-20

Compur Seriennummern - Compur serial numbers

 

Dial-set (Rädchen) Compur der Größe 0 an meiner 
Krauss Rollette von ca. 1926. Die Compur Seriennummer 
ist sechsstellig, aber leider nicht mehr lesbar
Vor über 4 Jahren habe ich an dieser Stelle ein modifiziertes Seriennummer-Schema für den Compur-Verschluss vorgeschlagen, dass ich dann vor 2 Jahren noch einmal verfeinert und berichtigt habe.  

Die wesentliche Erkenntnis: Deckel hat beim Compur nicht einfach nur hochgezählt, sondern es gab bewusste Sprünge innerhalb der Nummernsequenz, die bei der Einführung von Neuerungen (RIM-Set, bzw. Rapid) gemacht wurden. Auch hat Deckel Zeiss Ikon andere Nummernbereiche zugeordnet als ihren Konkurrrenten, was in den 1930er Jahren für Verwirrung sorgen sollte. 

In einem weiteren Beitrag zum Thema der vier- und fünfstelligen Nummern habe ich mich dann mit den ersten 20 Jahren der Compur-Produktion beschäftigt. Durch die Hilfe einiger meiner Leser konnte ich auch hier etwas Licht ins Dunkle bringen. Dieser Beitrag heute soll dieses Kapitel abschließen und ich will unten die wesentlichen Fakten zur Compur- (bzw. Compound) Nummernsequenz knapp aber präzise zusammenfassen...

Über 600 Compur- (und Compound-) Seriennummern, die an "Zeiss Ikon"-Kameras (bis 1926: ICA, Goerz und Contessa-Nettel) gefunden wurden. 
ROT: Compound, Dial-Set Compur: BLAU: ICA und Zeiss-Ikon Kameras, GELB: Goerz, LILA: Contessa Nettel, GRÜN: RIM-Set Compur 
Quelle: Pavel Krumphanzl.  
Doch zunächst löse ich mein Versprechen ein und präsentiere hier diese Grafik als Auswertung der großartigen Nummernliste von Kameras aus dem Zeiss-Ikon-Komplex (ICA, Goerz, Contessa-Nettel und ZI ab 1926), die ich vom Sammlerkollegen Pavel Krumphanzl bekommen habe. Ich habe den Kameras auf Basis ihrer eigenen Gehäusenummer (im Falle von Goerz: Objektivnummer) ein Produktionsdatum zugeordnet und stelle dies der am Verschluss gefundenen Seriennummer gegenüber. Wichtig zu betonen ist es, dass das Datum natürlich nicht das Produktionsdatum des Verschlusses ist. Dieser wurde vermutlich schon früher produziert, ggf. sogar schon Jahre früher. Außerdem hat natürlich auch die Kameradatierung ihre Fehler und bei manchen Kameras könnte auch nachträglich ein alter oder auch ein neuerer Verschluss als Reparatur verbaut worden sein. Daher ist das oben keine schöne Korrelation, sondern eher eine Datenwolke, der man wegen der großen Datenbasis aber durchaus ein paar Erkenntnisse entnehmen kann.

Hier nun aber wie versprochen die Zusammenfassung der "Fakten"...
  • Die frühen Jahre: Deckel begann mit der Compound-Fertigung ca. im Jahr 1905 und zählte von unten hoch. Vierstellige Compound-Nummern sind bekannt. Ab ca. 1912 kommt der Compur hinzu, beide Verschlüsse teilen sich einen Nummernkreis, der Compur startet schon 6-stellig bei ca. 214,xxx. Während des 1. Weltkrieges (ab 1915 bei ca. 340,xxx) werden keine Verschlüsse produziert.
  • 6-stellige Seriennummern (340,xxx bis 9xx,xxx): Während der 1920er Jahre wird die Produktion signifikant ausgebaut und fast nur noch der Compur produziert. Von Anfangs ca. 50-Tausend steigerte man sich auf über 300-Tausend Exemplare pro Jahr am Ende des Jahrzehnts. Die Kamerahersteller wurden wohl blockweise bedient: Man findet z.B. 300,xxx bis 450,xxx Nummern gehäuft bei ICA-Kameras, Contessa-Nettel Kameras haben häufig einen 6xx,xxx-Verschluss, etc. 
  • Niedrige Compur-Nummern (x,xxx bis 280,xxx): Mit dem Erfolg des Compur reicht der 6-stellige Nummerkreis nicht mehr lange, ca. 1926 wird die Millionenmarke erreicht. Vermutlich weil man die Nummern-Gravur-Maschinen nicht so schnell auf 7 Stellen umstellen konnte, erhalten Compur-Verschlüsse wieder 4-, 5- und niedrige 6-stellige Nummern bis ca. 280,xxx. Die meisten der gesichteten Kameras mit solchen Verschlüssen stammen aus dem Jahr 1927. 
  • 1,xxx,xxx: 1928 kommt der RIM-Compur auf den Markt und Deckel versieht alle Verschlüsse dieser Art für Zeiss Ikon und Carl Zeiss Jena mit einer 1,xxx,xxx Nummer während alle anderen Kamera- und Objektivhersteller einen 2,xxx,xxx bekommen. Inzwischen läuft aber auch die Produktion der Dial-Set-Verschlüsse auf längfristig niedrigerem Level weiter. Hier wird einfach weiter hochgezählt und so bekommen auch diese eine 1,xxx,xxx Nummer, diesmal aber für alle Abnehmer. Interessanterweise gibt es im oberen Bereich dieses Nummernkreises eine größere Lücke: Die höchste gesichtete Nummer in diesem Segment ist ca. 1,45x,xxx. 
  • 2,xxx,xxx und (ab ca. 1935) 3,xxx,xxx: Rim-Set Compur Verschlüsse (bis 1/300 s) für den allgemeinen Markt von 1928 bis ca. 1938. (Zeiss Ikon: 1,xxx,xxx)
  • 4,xxx,xxx: Compur Rapid (1/500 s in Größe 00, bzw. 1/400 s) für Zeiss Ikon Kameras (1934 bis ca. 1940)
  • 5,xxx,xxx: Compur Rapid (1/500 s in Größe 00, bzw. 1/400 s) für alle anderen Hersteller.
  • A,xxx,xxx und 0,0xx,xxx: Compur-Verschlüsse (nicht Rapid) ab irgendwann in 1938 als der Nummernkreis 3,xxx,xxx ausgereizt war, die 4,xxx,xxx aber schon an den ZI-Rapid vergeben. Ob beide Versionen parallel (auf verschiedenen Maschinen) oder nacheinander verwendet wurden, ist nicht belegt.
  • 6,xxx,xxx bis 8,6xx,xxx: Compur-Rapid (bis 1951) bzw. Synchro-Compur (1952 - 1954). Ob schon 1939 oder 1940 6,xxx,xxx verwendet wurde oder erst nach dem 2. Weltkrieg ist unsicher. Ab 1954 wird wieder mit neuem Seriennummern-System gezählt, allerdings ist diese Nummer nur noch intern und von außen an den Kameras nicht mehr sichtbar. 
  • 258,646 ist (bis auf eine Ausnahme) keine Seriennummer, auch wenn sie oft unbedarft als solche angegeben wird. Es ist die Nummer des Deutschen Patents zum Compur.
Fazit: Mit der Compur-Seriennummer allein ist prinzipiell keine genaue Altersbestimmung von Kameras oder Objektiven möglich. In Kombination aber mit einer Gehäuse- und im besten Fall auch Objektivnummer können uns diese Zahlen einiges erzählen. Insbesondere bleiben ungewöhnliche Kombinationen spannend. Ich werde der (möglicherweise) blockweisen Abgabe von Verschlüssen an einzelne Hersteller noch weiter nachgehen. 


2025-04-10

Zeiss Ikon Ikonette 35



Die Ikonette 35 (Zeiss Ikon Nr. 500/24, nicht zu verwechseln mit der Ikonette 504/12 von 1928) ist eine ganz besondere Kamera aus Westdeutscher Zeiss Ikon Produktion aus dem Jahr 1958. Besonders war sie nicht wegen der eher bescheidenen technischen Spezifikation um den einfachen PRONTO-Zentralverschluss herum, sondern wegen drei Dingen, die sie von der Masse der damals produzierten Kameras abheben: 

1) Ihr geschwungenes Design, entwickelt vom Hochschulprofessor Heinz Löffelhardt und seinem Schüler Hans Erich Slany. Damit passt sie perfekt in die sogenannte Nierentisch-Periode der 1950er

2) Der "Tempohebel" genannte kombinierte Auslöser und Schnellschalthebel, ein im wahren Wortsinn neben dem Objektiv herausstehendes Merkmal. Die Erfindung (DE 1 043 077 angemeldet am 25.5.1957) ist eine Weiterentwicklung des alten Tenax-Hebels, die von Fritz Krumbein aus Berlin Friedenau (ehemalige Goerz-Werk und zweites BRD-Standbein der neuen Stuttgarter Zeiss Ikon) gemacht wurde. Die Zeichnungen im Patent zeigen noch eine klassische Kameraform und noch nicht die "Niere". 

Zum 3) ist die hauptsächliche Verwendung von Kunststoff als Gehäusematerial zu nennen. Damit ist jetzt nicht billiges und dünnes Plastik gemeint, wie man es später bei manch anderer Kamera zu sehen und fühlen bekam. Nein, bei der Ikonette wurden sowohl hellgrau (Außenteile) als auch schwarz gefüllte Duroplaste verpresst (Kunststoffdruckguss), die nicht nur widerstandsfähig sind, sondern auch satt und wertig in der Hand liegen. Lediglich die Rückwand ist aus gebogenem Blech, genauso wie die daran befestigte Filmandruckplatte, die übrigens nicht der Kurve folgt, sondern tatsächlich die Planlage des Films gewährleistet. Natürlich ist auch die ganze Mechanik aus Metall und die Linsen aus Glas, aber der Kunststoff macht schon schätzungsweise 2/3 der Kamera aus. 
Das Kameragehäuse besteht hauptsächlich aus schwarz- bzw.
hellgrau gefülltem Duroplast-Kunststoff. Nur die Rückwand
ist aus gebogenem Blech. 

Diese drei Dinge allein könnten sie für heutige Sammler interessant machen. Dazu kommt aber dann noch der eine oder andere Mythos um ihren nur zwei Jahre währenden Marktauftritt und die angebliche Vernichtung von zurückgekauften Kameras durch Zeiss Ikon selbst, was zu ihrer heutigen Seltenheit beigetragen haben soll.  Ich bin ein skeptischer Mensch und glaube solche Dinge erst bei Vorlage von Dokumenten aus erster Quelle. 

Man liest heute verschiedene Versionen: Angeblich war der Hauptgrund des Rückrufes mangelnde Lichtdichtheit, die nicht reparabel war. Es gibt aber einige Berichte von Kamerasammlern im Netz, die alle nicht zu beanstandende Testaufnahmen gemacht haben, von Lichtlecks also keine Spur. Für einen viel wahrscheinlicheren Grund halte ich die Spekulationen über das technisch anfällige Zusammenspiel zwischen Tempohebel und Verschluss, was bei Fehlbedienung zu defekten Verschlüssen geführt habe. Man liest tatsächlich von vielen Kameras mit nicht funktionierenden Verschlüssen, auch mein Exemplar ist ein solches. 
Stilecht kombinierbar
mit dem Ikoblitz

Aber hat Zeiss Ikon wirklich Kameras zurückgekauft und vernichtet? Ich glaube nicht wirklich daran. Ich denke, dass die Ikonette mit der oben genannten Kombination, die sie heute für uns Sammler interessant macht, damals kaum einen Käufer überzeugen konnte. Sie verkaufte sich also schlecht und war vermutlich mit ihren exzentrischen Features nicht so billig zu produzieren, wie man in einer solchen Situation wünschen würde. Sehr wahrscheinlich besaß ZI die Kunststoffpresswerkzeuge nicht selbst, sondern ließ das Gehäuse bei Partnerfirmen im Lohn herstellen. 

Die Westdeutsche Zeiss Ikon befand sich in der zweiten Häfte der 1950er Jahre in einer Umbruch- und Findungsphase. Die endgültige Trennung vom Dresdener Firmenteil manifestierte sich spätestens ab 1954, man hatte trotzdem den Ansproch ein Vollsortimenter zu sein und produzierte Kameras für alle Segmente. Die Zeit der Balgenkameras ging langsam vorüber, bei den Kleinbildkameras liefen die entsprechenden Contina- und Contessa 35-Serien 1953 bzw. 1955 aus, auch um Platz für die Contaflex in der Produktion zu machen. Eine einfache und relativ preiswerte Kleinbildkamera fehlte noch im Programm. 

In diese Lücke stieß man 1958 mit der Ikonette und hat wohl zu viel auf einmal geändert. Der viele Kunststoff, die außergewöhnliche Farbe und die Nierenform haben vermutlich traditionelle Kamerakäufer abgestoßen und davon abgehalten, eine ansonsten doch relativ einfache Kamera zu kaufen. Auch die eigentliche technische Innovation, der kombinierte Auslöser und Schnellschalthebel hat nicht wirklich einen Vorteil gegenüber damals aufkommenden Schnellschalthebeln im Zusammenspiel mit separaten Auslösern. 
Die Ikonette 35 im Vergleich zu wichtigen Ahnen, Wettbewerbern und Nachfolgern: Kochmann Korelle K (1932, erste europäische Kamera mit Kunststoff-Gehäuse); Zeiss Ikon Tenax 1 (1939, erste Kamera mit Schnellschalthebel rund ums Objektiv); Penti (Kategorie Damenkamera); Zeiss Ikon Contessa 35 (so sahen die Sucherkameras von Zeiss Ikon in den 1960ern aus). 

Ich habe also nach Belegen für die Rückkaufthese gesucht und bisher keine gefunden. Stattdessen habe ich mir mal die bekannten Seriennummern angeschaut. Die Basis ist zwar klein, aber ich habe bisher nur Nummern gefunden zwischen S-74xxx und S-96xxx. Das spricht für nur eine oder maximal zwei Produktionskampagnen von insgesamt ca. 20 bis 30-Tausend Exemplaren, vermutlich innerhalb weniger Monate zu erledigen. Die haben dann wohl wie Blei in den Fotoläden gelegen und Zeiss Ikon hat einfach keine weitere Kampagne mehr gemacht. Ab 1960 gab es dann die eher traditionell gestaltete neue Contessa 35 Serien, mit der ZI endlich den Zeitgeist traf und der Konkurrenz etwas entgegensetzen konnte. Die Ikonette wurde klammheimlich aus den Katalogen entfernt und ist deshalb relativ selten, weil sie einfach wenig produziert wurde.
Für mich als Sammler ist sie natürlich ein Glücksfall, weil sie was Besonderes hat. Und dann natürlich die thematische Verwandtschaft zu einigen andern Kameras aus meiner Sammlung (siehe GIF oben).  Leider ist mein Exemplar wie gesagt defekt, der Verschluss hakt. Ich habe ein paar halbherzige und letztlich erfolglose Reparaturbemühungen unternommen, die allerdings meine Neugier bzgl. des Kamerainneren befriedigt haben.  Äußerlich ist sie - wie man an den Fotos sieht - in einem sehr guten Zustand, der Kunststoff kann schon was ab, lediglich das graue Kunstleder auf der blechernen Rückwand ist leicht verschmutzt. Wie immer ist jeder Kommentar zur Kamera willkommen, insbesondere natürlich zu ihrem kurzen Marktauftritt und den oben erwähnten Mythen. Wer eine andere Seriennummer kennt, immer her damit!

Datenblatt Einfache Kleinbild-Sucherkamera aus Kunststoff
Objektiv Novar 45 mm f/3.5 (Triplet)
Verschluss Pronto-Zentralverschluss (B-25-50-100-200). Es sind auch Kameras bekannt mit der modernen Zeitenskala B-30-60-125-250, technisch das Selbe...
Fokussierung Manuell per Frontlinsenverstellung, minimal 0.90 m. Keine Scharfstellhilfe.
Sucher Einfacher optischer Sucher mit roter Fahne, die die Notwendigkeit zum Filmtransport anzeigt.
Blitz Anschluß per Kabel und PC-Buchse.
Filmtransport Mittels "Tempohebel" (gleichzeitig Auslöser), gekoppelt mit Verschlussaufzug, Rückspulrad, Bildzählwerk (vorwärts).
sonst. Ausstattung Haken für Kameragurt. Eingelassener Zubehörschuh, Drahtauslöergewinde, Stativgewinde 1/4'', Selbstauslöser
Maße, Gewicht 130 x 76 x 70 mm, 424 g
Baujahr(e) 1958-1960, vermutlich nur ca. 20,000 bis 30,000 Exemplare, dieses #S-74538 von 1958.
Kaufpreis, Wert heute 89 DM, 29.95 US$ (1959), heute je nach Zustand und Zubehör 50-200 €
Links Camera-Wiki, Pacific Rim Camera, Mike Ekman, Engel-Art, Nocsensei (ital.), Camera Manual (english), Wolfgang Bongardt
Bei KniPPsen weiterlesen Nachkriegskameraproduktion in DeutschlandKorelle KZeiss Ikon Tenax 1Contessa 35ContaflexPenti, Werra

2025-04-01

Lego 31147

Es gibt sie wirklich: die Kategorie Spielzeug-Kameras (engl. Toy Cameras). Meist werden darunter Plastik-Kameras verstanden, mit denen man sogar noch fotografieren kann. Aber auch einfache Attrappen oder andere Alltagsgegenstände in Form einer Kamera fallen darunter. Sogar McKeown's widmet ihnen ein paar Seiten in seinem Sammler-Katalog. Dies hier aber ist etwas Spezielles, eben weil es das berühmte LEGO ist und man aus den 261 Einzelteilen auch andere Dinge bauen kann. 

Sie ist ein Produkt aus dem letzten Jahr und fiel mir erstmalig beim Lego-Weihnachtsgeschenkbummel für die Enkel in die Hände. Für die Enkel haben wir noch was Besseres gefunden, aber meine damals gezeigte Begeisterung hat dazu geführt, dass meine Frau mir das Ding später im Winterurlaub zum eigenen Zeitvertreib geschenkt hat.  
Ich bin tatsächlich begeistert, wie gut die Designer mit den beschränkten Möglichkeiten, die Lego-Steine eben so bieten, den generischen Charakter einer "Retro"-Kamera getroffen haben. Wenn das Ding heute zwischen meinen anderen Schätzen im Regal steht, fällt sie nicht mal besonders auf. Auch die natürlich beschränkte Funktionalität besticht: die beiden mitgelieferten Filme mit vorgefertigten Motiven lassen sich durch Öffnen der Rückwand einlegen. Wirklich gelungen! Ich habe länger mit mir gerungen, ob ich es hier posten soll, aber dann dachte ich: Heute ist ein gutes Datum dafür...

Datenblatt Spielzeugkamera aus 261 Teilen
Objektiv abnehmbar
Verschluss Auslöser beweglich, sonst imaginär.
Belichtungsmessung    unnötig
Fokussierung Objektiv ist drehbar
Sucher Durchsichtsucher über dem Objektiv, auch wenn die Form der Kamera ein SLR-Prisma andeutet.
Blitz Keiner, Zubehörschuh mit Mittennüppel
Film zwei mitgelieferte, einsetzbare Filme mit insgesamt 6 schon fertigen Dia-Motiven.
sonst. Ausstattung Handschlaufe, Rückspulkurbel, Rückwand zum Öffnen
Maße, Gewicht 125x72x83 mm, 161g (Film: 10.5g)
Baujahr(e) 2024
Kaufpreis, Wert heute 180 DKK, 20€
Links Lego-Website

2025-03-22

Zeiss Ikon Nettar IIC (517/2)

Ebenfalls in meinem Geschenkbeutel (Kamera #5) war diese Zeiss Ikon Nettar IIC, eine sehr solide aber dennoch einfache Faltbalgenkamera vom Anfang der 1950er Jahre. Sie gehört mit zu den letzten Vertretern ihrer Art. Ihr klassisches Bauprinzip geht zurück auf die ersten faltbaren Rollfilmkameras (ca. 1890), die sich den Laufboden wiederum von den Plattenkameras abgeschaut hatten. Als die Rollfilmkameras in den 1920er und 1930er Jahren die Marktführerschaft übernahmen, gab es von nahezu jedem Kamerahersteller eine oder mehrere Modelle in unterschiedlichen (Rollfilm-) Größen. Ab Mitte der 1930er setzte sich der Rollfilm 120 und 6x9 cm als Standard endgültig durch, zumindest im breiteren Massenmarkt, wo immer noch Kontaktkopien die Regel waren (siehe zum Beispiel meine Vollenda 620).    
In den 1930ern kamen bekanntermaßen auch die Kleinbildkameras auf, die dann endgültig die Marktführerschaft in den 1950ern übernehmen sollten. Nach der kriegsbedingten Pause fuhren die Kamerahersteller Ende der 1940er aber erstmal die Produktion der erfolgreichen Vorkriegsmodelle wieder hoch. Zeiss Ikon tat das auch für ihre bekannten Kameraserien Ikonta und Nettar, die schon immer im alten Contessa-Werk in Stuttgart produziert wurden. Die Nachkriegsvarianten bekamen ein wenig Facelift, indem der Aufklappsucher durch einen in der neuen Gehäusekappe integrierten optischen Fernrohrsucher ersetzt wurde. Im Falle der Nettar war die hier gezeigte geschwungene Gehäusekappe eine erste Version, spätere Kameras wie auch die Ikonta (532/2) hatten eine eckigere Form.
Durch Objektiv und Verschluss
unterschieden sich die Varianten

Ikonta und Nettar sind eigentlich nur Ausstattungsvarianten im selben Kameragehäuse, wobei die Nettar-Varianten die Billigversionen sind. Für die Nachkriegsvarianten von 1951 gab es folgende Auswahl (Preise aus Photo Porst-Katalog) : 

NETTAR...
Novar f/6.3 Vario 59,- DM
Novar f/4.5 Pronto 80,- DM
Novar f/4.5 Prontor-S 98,-DM
IKONTA...
Novar f/4.5 Prontor-SV 112,- DM
Novar f/3.5 Prontor-SV 150,- DM
Tessar f/3.5 Synchro-Compur 235,- DM

Die ursprünglichen Versionen in den 1930ern hatten sogar eine noch größere Differenzierung, siehe dieser Prospekt von 1938. Nicht unerwähnt werden sollte hier, dass es unter den Namen Nettar und Ikonta Kameras für verschiede Bildformate gab, die man durchaus als eigenständige Modelle sehen muss ( "A": 4.5x6, "B": 6x6 und "C": 6x9). Seltsam, aber so war das damals.... 

  
Nach dem 2. Weltkrieg lief die Produktion im Stuttgarter "Contessa-Werk" von Zeiss Ikon relativ zügig wieder an, weil es weder im Krieg zerstört noch von den Siegermächten (hier: die Amerikaner) demontiert wurde, im Gegensatz zu den Dresdener Betrieben, die unter beidem arg zu leiden hatten. 1948 fand dann die erste Hauptversammlung der neuen westdeutschen Aktiengesellschaft in Stuttgart statt. Zunächst wurden die Vorkriegsmodelle wieder aufgenommen, diese Version von 1951 ist das erste Nachkriegs-Update mit der zunächst geschwungenen Gehäusekappe. Weil man in Stuttgart Platz brauchte um auch höherwertige Kleinbildkameras wie die Contax IIa und die Contaflex fertigen zu können, zog man die Produktion von Nettar und Ikonta 1953 ins ehemalige Goerz-Werk nach Berlin-Friedenau um, wo bisher schon die Ikoflex und die Box Tengor gebaut wurden. 

Auf der anderen Seite des immer undurchlässiger werdenden eisernen Vorhangs, beim VEB Zeiss Ikon in Dresden, erkannte man schnell, dass es nach wie vor diese Nachfrage nach 6x9 Faltbalgenkameras gab, deren Produktionsstätten aber im Westen lagen. Daher wurde relativ schnell die zur Nettar/Ikonta fast baugleiche Ercona "entwickelt" und die Fertigung bei den ehemaligen Kamerawerkstätten ("KW") aufgenommen. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch noch ein anderer Ikonta/Nettar-Klon: Die Moskva, die angeblich (insgesamt für alle Varianten) fast eine halbe Million mal gebaut worden sein soll.

Die 6x9 Nettar (als Modell 518/2) wurde noch bis 1958 gebaut, spätestens dann war die Zeit dieser Kameras vorbei. Ihre 6x6 Schwestern hielten sich noch ein paar Jahre länger, dann übernahmen Kleinbildkameras die Rolle der Einsteigerkamera endgültig.  

Datenblatt Klassische Faltbalgenkamera für 6x9 cm auf Rollfilm 120
Objektiv Novar-Anasitigmat 105 mm f/4.5 (Triplet, vergütet). Eine billigere Version war auch erhältlich mit f/6.3 in Vario.
Verschluss Gauthier Pronto Zentralverschluss, B-25-50-100-200 1/s. Teurere Version auch erältlich mit Prontor SV (B-1-2-5-10-25-50-100-250), Gehäuseauslöser, Verschluss musste unabhängig vom Filmtransport gespannt werden. Keine Doppelbelichtungssperre.
Fokussierung Manuell per Fontlinsenverstellung, minimale Entfernung 1,50 m. Keine Scharfstellhilfe.
Sucher Einfacher, relativ kleiner optischer Durchsichtsucher.
Blitz Anschluss über PC-Buchse.
Filmtransport Mittels Drehrad, Kontrolle über rotem Fenster (verschließbar) und Rückseitenpapier. Keine Verriegelung gegen Leerbelichtungen.
sonst. Ausstattung Zubehörschuh, Trageschlaufe aus Leder, 2 x Stativgewinde 1/4'', ausklappbarer Standfuß, Drahtauslösergewinde
Maße, Gewicht ca. 165 x 100 x 45 mm (zusammengeklappt), 764 g
Baujahr(e) 1951-1953 in zwei Versionen, diese #T63281 von 1951
Kaufpreis, Wert heute 85 DM (1953 mit Vario), heute ca. 30 €
Links Camera-Wiki, Zeiss Ikon Prospekt (1953), Bruno Croci, Kurt Tauber



2025-03-09

Zeiss Ikon Colora F

Kamera Nr. 4 aus dem geschenkten Beutel voller einfacher Kameras ist diese Zeiss Ikon Colora F. Man würde sie auch ohne genauere Kenntnisse richtigerweise in die Mitte der 1960er Jahre verorten. Solche Kleinbild-Sucherkameras mit fest eingebautem Normalobjektiv und Zentralverschluss gab es damals von nahezu jedem Hersteller in verschiedenen Ausstattungsvarianten. Neben Kodak und Agfa hat sich insbesondere hier auch Zeiss Ikon hervorgetan, ein paar ihrer 1960er Kameras habe ich schon vorgestellt: Contessa, Cotessamat SE. Neben der Differenzierung mit hochwertigen Ausstattungsdetails wie Belichtungs- und/oder Entfernungsmessung, die die Kameras teurer machten, kamen damals immer billigere Modellreihen dazu. Bei Zeiss Ikon war das zunächst die Continette, dann die noch einfachere Colora. Man sparte am Objektiv (einfache Triplets mit Frontlinsenfokus) und am Verschluss (z.B. Prontor 125).   

Das Blitzgerät für AG-1 Blitzbirnen unter dem
hochgeklappten Zubehörschuh. Daneben auf der 
Rückspulkurbel der zughörige Blendenrechner.
Nachdem die Zeiss Stiftung im Jahr 1956 Zeiss Ikon's Konkurrenten Voigtländer von Schering übernommen hatte, und bevor man 1966 für beide Marken eine gemeinsame Vertriebsgesellschaft gründete, suchten die Verantwortlichen Anfang der 1960er Jahre nach Synergien. So teilte sich die zweite Generation der Colora ab 1963 das nun rundliche Gehäuse mit der Voigtländer Vitoret. Neben der Form ist der Voigtländer-typische Auslöseschieber auf der rechten Kameravorderseite charakteristisch für die neuen markenübergreifenden Kamerazwillinge. Die beiden Kameras sind zu 98% identisch und unterscheiden sich neben Beschriftung und wenigen ästhetischen Designelementen nur in einem kleinen technischen Detail (siehe unten). Ich gehe daher davon aus, dass auch die Colora mit den selben Maschinen wie die Vitoret vermutlich in Braunschweig gebaut wurde. Alles andere macht wirtschaftlich keinen Sinn.
 
Von beiden Modellen gibt es eine F (für "flash") Variante, die unter jeweils etwas höheren Gehäusekappen einen AG-1-Blitzbirnchenhalter und die entsprechende 15V-Batterie unterbrachte. Der Blitzreflektor klappte unter dem Zubehörschuh auf Knopfdruck elegant auf. Interessanterweise besitzen sowohl die Colora (ohne F) als auch die Vitoret eine PC-Buchse am Verschluss für den Anschluss von Blitzgeräten per Kabel, die Colora F (im Gegensatz zur Vitoret F !) diesen aber nicht mehr. Das heißt, man kann zwar ein externes Blitzgerät in den Zubehörschuh stecken, dies aber nirgends anschließen.

Vielleicht ist die fehlende Blitzbuchse für Zeiss Ikon auch das Argument, die Colora F mit 94 DM leicht unterhalb der 99 DM für die Voigtländer Vitoret F (Preisbindung!) zu positionieren. Von der Vitoret F wurden laut Claus Prochnow's Voigtländer Report 63500 Stück gebaut und verkauft, leider konnte ich zur Colora F keine Zahlen finden. Mich würde es allerdings nicht wundern, wenn die Zahl trotz des günstigeren Preises darunter liegen würde. 

Trotz des relativ günstigen Preises für diese Kameras war Blitzfotografie damit kein billiges Vergnügen. Ein Blitzbirnchen kostete ca. 40 bis 60 Pfennig, damit kostete ein Blitzfoto inklusive Film und Abzug mehr als doppelt so viel wie eines bei Tageslicht. Ich habe dazu leider nur Preislisten von 1956 und 1975 einsehen können, deren Preise allerdings ungefähr gleich auf lagen. Ich gehe mal davon aus, dass das auch für die 1960er Jahre galt. Kein Wunder, dass die am Ende der 1960er Jahre aufkommenden Elektronenblitze sich schnell durchsetzten, hier kostete ein Blitz außer den Anschaffungskosten fast nichts mehr. Eine mit der Vitoret/Colora F verwandte (Meilenstein-) Kamera zum Thema Elektronenblitz habe ich auch schon in meiner Sammlung...  


Datenblatt Kleinbild-Sucherkamera (24x36) mit eingebauten Blitzgerät für AG-1 Blitzbirnen
Objektiv Zeiss Ikon Novicar 50 mm f/2.8 (Triplet)
Verschluss Gauthier Prontor 125, B-30-60-125
Belichtungsmessung keine
Fokussierung manuell per Frontlinsenverstellung, keine Scharfstellhilfe
Sucher großer optischer Sucher mit Leuchtrahmen
Blitz eingebautes Blitzgerät für AG-1 Blitzbirnen, keine (!) alternative Anschlussmöglichkeit per Kabel.
Filmtransport mit Schnellschalthebel, Bildzählwerk (rückwärts)
sonst. Ausstattung Drahtauslösergewinde, Stativgewinde 1/4'', Zubehörschuh
Maße, Gewicht ca. 128 x 90 x 68 mm, 
Batterie 15 V Batterie für Blitzgerät, z.B. Daimon Nr. 324 oder Varta Pertrix Nr. 74
Baujahr(e) 1964-1965, Z.I.-Katalog-Nr. 10.0641. Vermutlich produziert auf der Vitoret-F Produktionslinie bei Voigtländer
Kaufpreis, Wert heute94 DM (1965), 5 €
Links Camera-WikiCamera manual (english), Photobutmore-Blitzseite, Vitoret F
Bei KniPPsen weiterlesen Vitrona, Die Geschichte des heißen Schuhs, Blitzbirnchen, Flash Bulbs

2025-03-01

Altissa Box

Dies ist nach der Baldessa 1 und der Agfamatic 300 Sensor Kamera Nummer 3 aus dem Einkaufsbeutel voller einfacher Kameras, den ich neulich geschenkt bekam. Es handelt sich um einen fast klassischen Vertreter einer Box-Kamera, einfachst konstruiert (billig zu bauen) und mit minimalen Einstell-Möglichkeiten für den Fotografen. Diese Altissa Box aus DDR-Produktion von 1954 bis ca. 1957 ist eine Neuauflage und Fortsetzung einer Vorkriegskonstruktion von 1937. 
Berthold Altmann hatte im Oktober 1934 die bis dahin von Emil Hofert geführte EHO-Kamerafabrik GmbH übernommen und ab ca. 1937 begonnen, seine Altissa-Boxen u.a. im kompakten 6x6-Format zu bauen, das durch die Rolleiflex populär wurde. Ab 1941 hieß die Firma schließlich Altissa-Camerawerk Berthold Altmann und begann nach der erzwungenen Kriegspause 1946 langsam wieder mit der Produktion der Vorkriegsmodelle. 1952 wurde Altmann enteignet und floh nach Westdeutschland. Das Altissa-Werk wurde als volkseigener Betrieb (VEB) weitergeführt, 1959 in die VEB Kamera und Kinowerke Dresden eingegliedert und die ehemaligen Produktionsräume 1961 aufgegeben. In diese Zeit fällt die Neuauflage der wohl anfangs recht erfolgreichen Altissa "Blechbüchse". Weitere Details kann man bei den unten aufgeführten Links finden.

Datenblatt Boxkamera aus Blech für 6x6-Aufnahmen auf Rollfilm 120
Objektiv Altissar Periskop f/8 (2 Linsen), Brennweite ca. 62 mm (selbst nachgemessen)
Verschluss Selbstspannender Einfachverschluss, B und 1/25s. Abblendbar durch Lochblende auf f/16
Fokussierung Fixfokus
Sucher großer optischer Fernrohrsucher
Blitz frühe Versionen der Kamera hatten eine PC-Buchse, dieses Modell vermutlich aus Kostengründen nicht mehr.
Filmtransport mittels Drehschraube an der rechten Kameraseite, rotes Rückseitenfenster, mit Schieber verschließbar.
sonst. Ausstattung Drahtauslösergewinde, Stativgewinde 3/8'', Ösen für Kameragurt.
Maße, Gewicht ca. 78 x 80 x 122 mm, 297 g (ohne Film, mit einer Spule)
Baujahr(e) 1954-1957, 
Kaufpreis, Wert heute 25.50 Mark (DDR, 1955), 5€
Links Camera-Wiki, VEBZeissIkon, Fotoapparate Meier, Lippisches Kameramuseum, Collection Appareils, Blende-Zeit-Forum