Kleine Kamera GANZ GROSS! Das Bild zeigt die Sida auf den meisten Monitoren in ca. doppelter Größe, ihre wahren Dimensionen stehen unten in der Tabelle. Am Besten ist sie mit einer Streichholzschachtel zu vergleichen, die an beiden Seiten jeweils eine AA-Batterie angeklebt hat. Es ist (neben der ähnlichen Simplex Snapper) die kleinste Boxkamera in meiner Sammlung. Auch wenn sie keine Boxform hat gehört sie mit Fixfokus-Meniskus und Einfachverschluss definitiv in diese Klasse. Gefertigt ist sie aus drei Teilen Zink-Druckguss: abnehmbare Rückwand, eigentlicher Kamerakörper und die rechteckige Verschlusskappe mit dem Objektiv im Zentrum. Nimmt man diese ab, kommt der einfache Selbstspannverschluss zum Vorschein, der auch nur aus drei Blechteilen, drei Schrauben und einer Feder besteht. Insgesamt hat die Kamera weniger als 30 Einzelteile und ist zudem wegen der Ganzmetallkonstruktion super robust.
Der Verschluss meines Exemplars funktionierte nicht mehr. Korrosion hatte zugeschlagen, die ich aber mit feinem Schmirgelpapier entfernen konnte. Jetzt geht er wieder und auf dem GIF links kann man gut die Funktionsweise für Momentaufnahmen („M“, ca. 1/25 s) sowie Zeitaufnahmen („T“, Schieber Links oben) erkennen.
Bei meiner Kamera fehlt leider der Drehknopf für den Filmtransport (oben auf dem rechten Zylinder). Dafür war noch eine Spule für den speziellen Sida-Rollfilm mit Rückseitenpapier in der Kamera. Dieser ist 32 mm breit (nicht 35 mm, wie manchmal behauptet wird!) und bot 10 Aufnahmen vom Format 25x25 mm. Auf der Kamerarückseite ist das Rollfilm-typische rote Fenster, die Unterseite hat ein Stativgewinde mit sehr unüblich kleinem (3mm) Gewinde, die Oberseite einen winzigen Fernrohrsucher, gerade noch so zum groben Anpeilen des Motivs geeignet.
Der einlinsige Meniskus hat eine angegebene Brennweite von 35 mm und wird mittels eingelegter Unterlegscheibe auf f/8 abgeblendet. Damit ergibt sich eine akzeptable Tiefenschärfe für das Fixfokusobjektiv sowie eine durchschnittliche Belichtung für mittlere Beleuchtungssituationen draußen. Viel sollte man aber nicht von der Qualität der Aufnahmen erwarten. Diese ist eher bescheiden bis ungenügend, wie die fünf Originalaufnahmen beweisen, die ich mit großer Freude zusammen mit der Kamera auspacken durfte. Es handelt sich um Kontaktabzüge im Briefmarkenformat, mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Ich hab sie mit 2400 dpi eingescannt und etwas digital aufgepeppt. Vielleicht könnte man aus echten Vergrößerungen noch etwas mehr rausholen, aber das hat sich wohl kaum einer der Kameranutzer wirklich geleistet.
Die Sida (der Name kommt angeblich von "Sieh da!") ist eine Kreation von Fritz Kaftanski (*18.11.1899), einem deutschen Erfinder und Kameraunternehmer, der wegen seiner jüdischen Herkunft vor den Nazis fliehen und auch sich selbst und seine Kamerafirmen immer wieder neu erfinden musste. Am Ende war er insgesamt an 9 Kamerafirmen maßgeblich beteiligt gewesen und starb 1988 hochbetagt in seiner neuen Heimat Frankreich. Die "Sida Gesellschaft für photographische Apparate mbH" wurde 1934 von zwei Geschäftspartnern in Berlin gegründet, er selbst blieb im Hintergrund. 1936 kam die kleine Kamera auf den Markt, Kaftanski musste 1937 nach Prag in die Tschecheslowakei fliehen, wo er wieder eine neue Firma gründete und die Kamera auch dort produzierte. Am Ende gab es wohl noch weitere Produktionsstätten (England, Polen, ...) und Varianten aus Bakelit statt Metalldruckguss. Aber die Geschichte von Fritz Kaftanski und den mit ihm verbundenen Kameras arbeite ich vielleicht ein anderes Mal auf.
Wie erfolgreich die Sida in den wenigen Jahren vor und auch während des 2. Weltkriegs wirklich war, läßt sich im Nachhinein schwer rekonstruieren. Auf der einen Seite war sie billig zu bekommen, und damit eine gute Einstiegskamera für die breite Masse. Auf der anderen Seite war vermutlich der spezielle Rollfilm nicht überall verfügbar und auch wegen seiner unüblichen Breite nicht von jedem Labor zu entwickeln. Ich glaube, dass auch die Nutzer nach schon wenigen Filmrollen von den Ergebnissen enttäuscht und vom entsprechend aufwändigen Filmhandling frustriert waren und sich entweder besseren Kameras zuwandten oder ganz die Finger von der Fotografie ließen.
Als Sammelgegenstand taugt die Sida aber allemal, wegen der vielen Varianten und der intersessanten Geschichte dahinter.
Datenblatt | Einfachkamera für Sida-Rollfim (25x25 mm) |
Objektiv | Meniskus 35 mm f/8. |
Verschluss | Selbstspann-Verschluss M (1/25 s) und T. |
Fokussierung | Fixfokus |
Sucher | einfacher Fernrohrsucher |
Filmtransport | Mit Drehrad auf der Kameraoberseite. Kontrolle über rotes Rückseiten-Fensterchen. |
sonst. Ausstattung | Stativgewinde ca. 3 mm, lederne Kameratasche |
Maße, Gewicht | ca. 70x50x40 mm, 180 g |
Baujahr(e) | ca. 1936, verschiedene Varianten bis 194x. Vermutlich mehrere 10-Tausend Exemplare |
Kaufpreis, Wert heute | 1,50 RM (1936), ca. 10-30€ je nach Zustand und Zubehör. |
Links | Camera-Wiki, Submin.com, Fotofex Camerapage, Collection Appareils, Wikipedia-Artikel über Fritz Kaftanski (französisch) |