2025-04-10

Zeiss Ikon Ikonette 35



Die Ikonette 35 (Zeiss Ikon Nr. 500/24, nicht zu verwechseln mit der Ikonette 504/12 von 1928) ist eine ganz besondere Kamera aus Westdeutscher Zeiss Ikon Produktion aus dem Jahr 1958. Besonders war sie nicht wegen der eher bescheidenen technischen Spezifikation um den einfachen PRONTO-Zentralverschluss herum, sondern wegen drei Dingen, die sie von der Masse der damals produzierten Kameras abheben: 

1) Ihr geschwungenes Design, entwickelt vom Hochschulprofessor Heinz Löffelhardt und seinem Schüler Hans Erich Slany. Damit passt sie perfekt in die sogenannte Nierentisch-Periode der 1950er

2) Der "Tempohebel" genannte kombinierte Auslöser und Schnellschalthebel, ein im wahren Wortsinn neben dem Objektiv herausstehendes Merkmal. Die Erfindung (DE 1 043 077 angemeldet am 25.5.1957) ist eine Weiterentwicklung des alten Tenax-Hebels, die von Fritz Krumbein aus Berlin Friedenau (ehemalige Goerz-Werk und zweites BRD-Standbein der neuen Stuttgarter Zeiss Ikon) gemacht wurde. Die Zeichnungen im Patent zeigen noch eine klassische Kameraform und noch nicht die "Niere". 

Zum 3) ist die hauptsächliche Verwendung von Kunststoff als Gehäusematerial zu nennen. Damit ist jetzt nicht billiges und dünnes Plastik gemeint, wie man es später bei manch anderer Kamera zu sehen und fühlen bekam. Nein, bei der Ikonette wurden sowohl hellgrau (Außenteile) als auch schwarz gefüllte Duroplaste verpresst (Kunststoffdruckguss), die nicht nur widerstandsfähig sind, sondern auch satt und wertig in der Hand liegen. Lediglich die Rückwand ist aus gebogenem Blech, genauso wie die daran befestigte Filmandruckplatte, die übrigens nicht der Kurve folgt, sondern tatsächlich die Planlage des Films gewährleistet. Natürlich ist auch die ganze Mechanik aus Metall und die Linsen aus Glas, aber der Kunststoff macht schon schätzungsweise 2/3 der Kamera aus. 
Das Kameragehäuse besteht hauptsächlich aus schwarz- bzw.
hellgrau gefülltem Duroplast-Kunststoff. Nur die Rückwand
ist aus gebogenem Blech. 

Diese drei Dinge allein könnten sie für heutige Sammler interessant machen. Dazu kommt aber dann noch der eine oder andere Mythos um ihren nur zwei Jahre währenden Marktauftritt und die angebliche Vernichtung von zurückgekauften Kameras durch Zeiss Ikon selbst, was zu ihrer heutigen Seltenheit beigetragen haben soll.  Ich bin ein skeptischer Mensch und glaube solche Dinge erst bei Vorlage von Dokumenten aus erster Quelle. 

Man liest heute verschiedene Versionen: Angeblich war der Hauptgrund des Rückrufes mangelnde Lichtdichtheit, die nicht reparabel war. Es gibt aber einige Berichte von Kamerasammlern im Netz, die alle nicht zu beanstandende Testaufnahmen gemacht haben, von Lichtlecks also keine Spur. Für einen viel wahrscheinlicheren Grund halte ich die Spekulationen über das technisch anfällige Zusammenspiel zwischen Tempohebel und Verschluss, was bei Fehlbedienung zu defekten Verschlüssen geführt habe. Man liest tatsächlich von vielen Kameras mit nicht funktionierenden Verschlüssen, auch mein Exemplar ist ein solches. 
Stilecht kombinierbar
mit dem Ikoblitz

Aber hat Zeiss Ikon wirklich Kameras zurückgekauft und vernichtet? Ich glaube nicht wirklich daran. Ich denke, dass die Ikonette mit der oben genannten Kombination, die sie heute für uns Sammler interessant macht, damals kaum einen Käufer überzeugen konnte. Sie verkaufte sich also schlecht und war vermutlich mit ihren exzentrischen Features nicht so billig zu produzieren, wie man in einer solchen Situation wünschen würde. Sehr wahrscheinlich besaß ZI die Kunststoffpresswerkzeuge nicht selbst, sondern ließ das Gehäuse bei Partnerfirmen im Lohn herstellen. 

Die Westdeutsche Zeiss Ikon befand sich in der zweiten Häfte der 1950er Jahre in einer Umbruch- und Findungsphase. Die endgültige Trennung vom Dresdener Firmenteil manifestierte sich spätestens ab 1954, man hatte trotzdem den Ansproch ein Vollsortimenter zu sein und produzierte Kameras für alle Segmente. Die Zeit der Balgenkameras ging langsam vorüber, bei den Kleinbildkameras liefen die entsprechenden Contina- und Contessa 35-Serien 1953 bzw. 1955 aus, auch um Platz für die Contaflex in der Produktion zu machen. Eine einfache und relativ preiswerte Kleinbildkamera fehlte noch im Programm. 

In diese Lücke stieß man 1958 mit der Ikonette und hat wohl zu viel auf einmal geändert. Der viele Kunststoff, die außergewöhnliche Farbe und die Nierenform haben vermutlich traditionelle Kamerakäufer abgestoßen und davon abgehalten, eine ansonsten doch relativ einfache Kamera zu kaufen. Auch die eigentliche technische Innovation, der kombinierte Auslöser und Schnellschalthebel hat nicht wirklich einen Vorteil gegenüber damals aufkommenden Schnellschalthebeln im Zusammenspiel mit separaten Auslösern. 
Die Ikonette 35 im Vergleich zu wichtigen Ahnen, Wettbewerbern und Nachfolgern: Kochmann Korelle K (1932, erste europäische Kamera mit Kunststoff-Gehäuse); Zeiss Ikon Tenax 1 (1939, erste Kamera mit Schnellschalthebel rund ums Objektiv); Penti (Kategorie Damenkamera); Zeiss Ikon Contessa 35 (so sahen die Sucherkameras von Zeiss Ikon in den 1960ern aus). 

Ich habe also nach Belegen für die Rückkaufthese gesucht und bisher keine gefunden. Stattdessen habe ich mir mal die bekannten Seriennummern angeschaut. Die Basis ist zwar klein, aber ich habe bisher nur Nummern gefunden zwischen S-74xxx und S-96xxx. Das spricht für nur eine oder maximal zwei Produktionskampagnen von insgesamt ca. 20 bis 30-Tausend Exemplaren, vermutlich innerhalb weniger Monate zu erledigen. Die haben dann wohl wie Blei in den Fotoläden gelegen und Zeiss Ikon hat einfach keine weitere Kampagne mehr gemacht. Ab 1960 gab es dann die eher traditionell gestaltete neue Contessa 35 Serien, mit der ZI endlich den Zeitgeist traf und der Konkurrenz etwas entgegensetzen konnte. Die Ikonette wurde klammheimlich aus den Katalogen entfernt und ist deshalb relativ selten, weil sie einfach wenig produziert wurde.
Für mich als Sammler ist sie natürlich ein Glücksfall, weil sie was Besonderes hat. Und dann natürlich die thematische Verwandtschaft zu einigen andern Kameras aus meiner Sammlung (siehe GIF oben).  Leider ist mein Exemplar wie gesagt defekt, der Verschluss hakt. Ich habe ein paar halbherzige und letztlich erfolglose Reparaturbemühungen unternommen, die allerdings meine Neugier bzgl. des Kamerainneren befriedigt haben.  Äußerlich ist sie - wie man an den Fotos sieht - in einem sehr guten Zustand, der Kunststoff kann schon was ab, lediglich das graue Kunstleder auf der blechernen Rückwand ist leicht verschmutzt. Wie immer ist jeder Kommentar zur Kamera willkommen, insbesondere natürlich zu ihrem kurzen Marktauftritt und den oben erwähnten Mythen. Wer eine andere Seriennummer kennt, immer her damit!

Datenblatt Einfache Kleinbild-Sucherkamera aus Kunststoff
Objektiv Novar 45 mm f/3.5 (Triplet)
Verschluss Pronto-Zentralverschluss (B-25-50-100-200). Es sind auch Kameras bekannt mit der modernen Zeitenskala B-30-60-125-250, technisch das Selbe...
Fokussierung Manuell per Frontlinsenverstellung, minimal 0.90 m. Keine Scharfstellhilfe.
Sucher Einfacher optischer Sucher mit roter Fahne, die die Notwendigkeit zum Filmtransport anzeigt.
Blitz Anschluß per Kabel und PC-Buchse.
Filmtransport Mittels "Tempohebel" (gleichzeitig Auslöser), gekoppelt mit Verschlussaufzug, Rückspulrad, Bildzählwerk (vorwärts).
sonst. Ausstattung Haken für Kameragurt. Eingelassener Zubehörschuh, Drahtauslöergewinde, Stativgewinde 1/4'', Selbstauslöser
Maße, Gewicht 130 x 76 x 70 mm, 424 g
Baujahr(e) 1958-1960, vermutlich nur ca. 20,000 bis 30,000 Exemplare, dieses #S-74538 von 1958.
Kaufpreis, Wert heute 89 DM, 29.95 US$ (1959), heute je nach Zustand und Zubehör 50-200 €
Links Camera-Wiki, Pacific Rim Camera, Mike Ekman, Engel-Art, Nocsensei (ital.), Camera Manual (english), Wolfgang Bongardt
Bei KniPPsen weiterlesen Nachkriegskameraproduktion in DeutschlandKorelle KZeiss Ikon Tenax 1Contessa 35ContaflexPenti, Werra

2025-04-01

Lego 31147

Es gibt sie wirklich: die Kategorie Spielzeug-Kameras (engl. Toy Cameras). Meist werden darunter Plastik-Kameras verstanden, mit denen man sogar noch fotografieren kann. Aber auch einfache Attrappen oder andere Alltagsgegenstände in Form einer Kamera fallen darunter. Sogar McKeown's widmet ihnen ein paar Seiten in seinem Sammler-Katalog. Dies hier aber ist etwas Spezielles, eben weil es das berühmte LEGO ist und man aus den 261 Einzelteilen auch andere Dinge bauen kann. 

Sie ist ein Produkt aus dem letzten Jahr und fiel mir erstmalig beim Lego-Weihnachtsgeschenkbummel für die Enkel in die Hände. Für die Enkel haben wir noch was Besseres gefunden, aber meine damals gezeigte Begeisterung hat dazu geführt, dass meine Frau mir das Ding später im Winterurlaub zum eigenen Zeitvertreib geschenkt hat.  
Ich bin tatsächlich begeistert, wie gut die Designer mit den beschränkten Möglichkeiten, die Lego-Steine eben so bieten, den generischen Charakter einer "Retro"-Kamera getroffen haben. Wenn das Ding heute zwischen meinen anderen Schätzen im Regal steht, fällt sie nicht mal besonders auf. Auch die natürlich beschränkte Funktionalität besticht: die beiden mitgelieferten Filme mit vorgefertigten Motiven lassen sich durch Öffnen der Rückwand einlegen. Wirklich gelungen! Ich habe länger mit mir gerungen, ob ich es hier posten soll, aber dann dachte ich: Heute ist ein gutes Datum dafür...

Datenblatt Spielzeugkamera aus 261 Teilen
Objektiv abnehmbar
Verschluss Auslöser beweglich, sonst imaginär.
Belichtungsmessung    unnötig
Fokussierung Objektiv ist drehbar
Sucher Durchsichtsucher über dem Objektiv, auch wenn die Form der Kamera ein SLR-Prisma andeutet.
Blitz Keiner, Zubehörschuh mit Mittennüppel
Film zwei mitgelieferte, einsetzbare Filme mit insgesamt 6 schon fertigen Dia-Motiven.
sonst. Ausstattung Handschlaufe, Rückspulkurbel, Rückwand zum Öffnen
Maße, Gewicht 125x72x83 mm, 161g (Film: 10.5g)
Baujahr(e) 2024
Kaufpreis, Wert heute 180 DKK, 20€
Links Lego-Website