Eine frühe Kleinbildkamera für 35 mm Film gehört ab sofort zu meiner wachsenden Sammlung auf diesem speziellen Gebiet. Die Beira von der Kamerafabrik Woldemar Beier in Freital/Sachsen ist technisch gesehen ein interessanter Zwitter zwischen verschiedenen Konzepten und zeigt an ihrer eigenen Entwicklung innerhalb weniger Jahre sehr schön, wohin die Reise ging: letztlich zur Kleinbildkamera für die 135er Patrone, wie wir sie alle kennen.
Die Beira wurde als günstigere Alternative zur Leica auf der Frühjahrsmesse 1931 vorgestellt. Viele Kamerahersteller hatten deren Erfolg am Markt zum Anlass genommen, eigene Kleinbildkameras zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Die meisten waren Faltbalgenkameras für das Format 3x4 cm auf 127er Rollfilm (darüber habe hier ich schon einiges geschrieben). Die Beira gehörte allerdings zu den wenigen, die sich an den 35 mm Film und das kompliziertere Handling ohne Rückseitenpapier trauten. Allerdings belichtete auch die Beira 3x4 cm (exakt nachgemessen: 30 x 38.5 mm) auf (natürlich dann:) unperforierten 35 mm Film. Den konnte man damals als Meterware in geschlossenen Blechdosen erwerben und ihn selbst (in der "Dunkelkammer") konfektionieren (1,60m ergeben 36 Aufnahmen) und in die (nicht lichtdichte!) Patrone füllen, oder das Ganze den Fotohändler machen lassen.
Der Blick in die offene Kamera lässt einen noch rückblickend mit dem Kopf schütteln. Der Film wurde ausgehend von der kernlosen Vorratspatrone über eine Gummiwalze geführt, die bei meinem Modell nach 90 Jahren arg brüchig, ausgetrocknet und damit funktionslos ist. Auf der linken Seite der Kamera wird aufgespult. Hierfür soll es statt der einfachen, offenen Spule auch aufnehmende Kassetten gegeben haben. Vorgespult wird nach jeder Aufnahme mit dem Drehknopf links oben, dabei dreht sich die Gummiwalze und mit ihr der kleine Zeiger des Bildzählwerks. Wenn der wieder auf das Zählwerk zeigt, heißt es aufhören zu drehen.
Eine mechanische Sperre für den korrekten Filmvorschub gibt es genauso wenig wie gleichzeitiges Spannen des Verschlusses oder eine Doppelbelichtungssperre. Da war die Leica schon viel weiter, allerdings auch deutlich teurer! Auch eine Rückspulmöglichkeit gibt es nicht, der Film muss also im Dunkeln direkt in die Entwicklerdose. Wirklich benutzerfreundlich war das nicht. Allerdings gab es sogenannte Tageslichtkapseln, siehe die Porst-Katalogseite unten. Das Filmhandling und die Verwendung des unperforierten 35mm Films ist das eigentlich Spezielle an diesem Kleinbildpionier. Alles andere war damals Standard und die Beira unterscheidet sich nicht sehr von ihren vielen 3x4 Wettbewerbern: Verschlüsse waren entweder der einfache Pronto oder ein Compur, die 5 cm Objektive kamen meist von Meyer in Görlitz oder Rodenstock. Die federgespannte Spreizenkonstruktion poppte auf Knopfdruck das Objektiv in die Fotoposition, sanfter Druck ließ es wieder fast komplett im Gehäuse verschwinden.
Das hier vorgestellte Urmodell wurde in dieser Form wohl nur 1931-1932 produziert. Nach Kadlubek sollte es erst Beika heißen, wurde dann aber (vermutlich wegen der Nähe zu Leica?) in Beira umbenannt. Trotz intensiver Suche im Internet ist es mir aber nicht gelungen, irgendwelche Belege dafür zu finden. Weder gibt es ein Bild oder Foto, noch eine Anzeige oder sonstige Broschüre von bzw. mit Beika. Wer derartiges hat, bitte melden! Ich bin daher geneigt zu glauben, dass es nur eine Ankündigung war oder vielleicht sogar eine Fehlinformation ist. Keine Beika Kamera dürfte in irgeneiner Sammlervitrine stehen, sonst wäre die Szene schon durchgedreht.
Ab ca. 1933 gab es dann Modellpflege und ein Upgrade erschien in Form der Beira Ia. Bei dieser wurde die Gummiwalze durch die bekannte Zahnradwelle für (jetzt) perforierten 35 mm Film ersetzt und natürlich das Bildformat auf 24x36 mm reduziert. Die Kamera akzeptierte nun die auch für andere Kameras verwendeten 35 mm Kassetten, auch wenn diese noch nicht der 135er Norm entsprachen (die kam erst mit der Kodak Retina 1934). Außerdem hat die Ia nun einen fest montierten optischen Fernrohrsucher, an dem sie sich leicht erkennen läßt.
Auf dieser Basis kam 1935 dann das Spitzenmodell Beira II, oder auch Beira Okula genannt. Diese hatte neben dem normalen Sucher einen gekoppelten Entfernungsmesser mit Prisma an Bord, beides zusammen in einem Gehäuse auf der Oberseite der Kamera, das ihr fast die Anmutung einer SLR mitgibt. Die Okula gab es auch mit dem Compur Rapid und in der Topausstattung mit einem Schneider Xenon 4.5 cm f/2. Sammler zahlen für sowas in gutem Zustand mehr als 1000 €. Ich bin allerdings froh, hier ein sehr frühes Basismodell von 1931 relativ günstig ergattert zu haben. Ich weiß noch nicht, ob ich es in der Vitrine zu den 3x4 Kameras oder zu den anderen frühen Kleinbildkameras (Leica, Contax, Retina, Dollina, Welti, ...) stellen soll...?
Datenblatt | Frühe Kleinbildkamera für unperforierten 35mm Film (Bildformat 3x4 cm) |
Objektiv | Rodenstock Trinar 5cm f/4.5 (Triplet). Kamera war auch mit Meyer Trioplan (bis f/2.9) oder Schneider Xenar f/3.5 erhältlich. |
Verschluss | Pronto, T-B-100-50-25, auch mit Compur T-B-1-2-5-10-25-50-100-300 erhältlich. |
Fokussierung | Per Frontlinsenverstellung, kürzeste Entfernung 0.5 m |
Sucher | großer optischer Aufklappsucher. |
Filmtransport | mit Drehknopf, drehender Metallpfeil am Bildzählwerk dient zur einzigen Orientierung. Rückspulen nicht vorgesehen. |
sonst. Ausstattung | Selbstauslöser und Drahtauslöser-Gewinde am Pronto. Stativgewinde 3/8‘‘ |
Maße, Gewicht | 130 x 62 x 40/60 (geschl./offen), 393 g (inkl. Patrone) |
Baujahr(e) | 1931-1933, diese hier laut Objektiv-Seriennummer (470356) von 1931. Vermutlich nur wenige tausend Exemplare. |
Kaufpreis, Wert heute | je nach Objektiv und Verschluss 48 bis 110 RM (1932), heutiger Wert je nach Zustand 200-400 € (siehe auch Collectiblend.com) |
Links | CJ‘s Classic Camera Collection, Camera-Wiki, Kamerafarbik Woldemar Beier (Wikipedia), Corsopolaris (frühe 24x36 Kameras), Thomas Knorre‘s Beier-Seite |
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