In den letzten Jahren vor dem zweiten Weltkrieg etablierte sich eine Kameraklasse von hochwertigen Kleinbildkameras für den jungen "Kinofilm in der Tageslichtpatrone" wie der 135er Film damals noch genannt wurde. Ich meine nicht die sehr teuren Leica III oder Contax II, die sicherlich die Sperspitze der technischen Entwicklung repräsentierten, sondern Kleinbild-Kameras für (fast) jedermann. Dieses Ziel wurde erst nach dem Krieg in den 1950er und insbesondere 1960er Jahren erreicht. Erste Designelemente der erfolgreichen Nachkriegskameras tauchen aber schon vor dem Krieg auf. Ich halte die Welta Weltini für ein besonders gutes Beispiel einer solchen Kamera, die mit ihrer modernen Gehäuseform in Zukunft wies, allerdings auch manch einen technischen Anachronismus noch mit sich herumtrug. Weltini's schärfste Konkurrentin war Kodak's Retina II, die nicht ganz so futuristisch aussah, allerdings die modernere von beiden war.
An diesem Bild oben und am Vergleich mit ihrer "kleinen Schwester" Welti kann man viel ablesen. Mit ihr teilt die Weltini nämlich das Gehäuse, den Filmtransportmechanismus und einiges weitere. Dazugekommen ist neben ein paar Kleinigkeiten der gekoppelte Entfernungsmesser. Weil dieser aber an die ehemalige Unterseite der Kamera geschraubt wurde, wich das Stativgewinde auf die Oberseite. Dadurch ist an ihr fast alles andersherum, verglichen mit den meisten Kameras ihrer Zeit. Die Frontklappe klappt nach links, der Gehäuseauslöser (!) muss mit dem linken Zeigefinger gedrückt werden. Die Rückwand öffnet sich nach links, genauso läuft der Film quasi falsch herum von rechts nach links. Der Drehknauf zu dessen Transport sitzt links unten, die meisten Menschen werden die Kamera zum Filmtransport umgedreht haben.
Die Weltini existiert in 2 Varianten. Bei der ersten (1937-1938) hatte der Entfernungsmesser lediglich eine kantige Kappe (siehe Porst Katalog unten) und stand auch noch auf recht hohen Drehknöpfen. Erst diese überarbeitete Version II bekam 1938 dann die futuristische Gehäusekappe und flache Drehknöpfe. Technisch unterscheiden sich die beiden sonst nur in kleineren Detailverbesserungen. Verzichtet wurde komplett auf den Zuberhörschuh. An Blitzgeräte dachte damals noch niemand und der Entfernungsmesser war ja schon eingebaut! Dafür gab es (damals und bis in die 60er hinein selten!) Ösen für einen Kameragurt. Den brauchte man aber auch, denn die Weltini ist nicht gerade klein und mit 652g recht schwer.
Wieviele Weltinis gebaut wurden lässt sich mangels eigener Gehäusenummer und sonstiger Informationen nicht wirklich nachvollziehen. Von ihrer größten Konkurrentin Retina II wurden vor dem Krieg ca. 71,000 Stück verkauft. So viele werden es bei der gleich teuren, aber etwas komplizierteren Weltini nicht gewesen sein (Ich schätze mal die Hälfte davon). Es gab auch noch die etwas preiswerteren Balda Super Baldina und Certo Dollina III, sowie die teuren Zeiss Ikon Kameras Super Nettel 1 und 2 (4500 Stück) und Nettax (3000 Stück).
Datenblatt | Kleinbild-Faltbalgenkamera mit Messsucher |
Objektiv | Schneider Xenar 5 cm f/2.8 (#1569040, 1939), auch erhältlich mit Schneider Xenon 5 cm f/2, Carl Zeiss Tessar 5 cm f/2.8 und (selten) auch Leitz Elmar f/3.5. |
Verschluss | Compur Rapid (B-1-2-5-10-25-50-100-250-500), #5972016, 1938 |
Fokussierung | mit Schneckengang, Verschiebung des gesamten Objektivs, gekoppelter Messsucher mit 4 cm Basis, Naheinstellgrenze 1 m. |
Sucher | optischer Messucher mit eingespiegelter gelblicher Fokushilfe |
Filmtransport | Drehknopf auf Kameraunterseite mit separatem Entsperrknopf, Doppelbelichtungssperre, Rückspulen mit zweitem Drehknopf, Bildzählwerk (vorwärts) auf Kameraoberseite. |
sonst. Ausstattung | Ausklappständer für vertikale Aufnahmen, ISO-Drahtauslöser Gewinde, Stativgewinde 3/8'', Tiefenschärfetabelle, Gehäuseauslöser. Beim Einklappen des Objektivs wird das Objektiv auf unendlich zurückgestellt und der Auslöseknopf eingefahren. Trageösen für einen Kameragurt. |
Maße, Gewicht | ca. 84x126x40 mm (geschlossen), 652g |
Baujahr(e) | 1937-1938 (Typ I), 1938-1941 (dieser Typ II), diese hier von 1939. |
Kaufpreis, Wert heute | 155 RM (1937, mit Xenar), 110 US$ (1938 mit Xenon), heute ca. 50-100€ je nach Objektiv und Zustand. Mit Leitz Elmar ca. 350€. |
Links | Camera-wiki, Camera manual (English), Photo-Analogue, Wikipedia |
Bei KniPPsen weiterlesen | Welta Welti, Vergleich KB-Balgenkameras der 1930er, Welta Gucki, |
Weltini (Typ 1) aus dem Photo Porst Katalog von 1937. In dieser Version kostete sie mit 155 RM genau so viel wie ihre direkte Konkurrentin Kodak Retina II. |
A really interesting article - thanks for posting it.
AntwortenLöschenI have a number of Welta cameras - Weltax, Perle, 4x5 plate, Weltaflex and three Weltini 2 - Carl Zeiss Jenar Tessar 50 mm f2.8; Schneider Kreuznach Xenar 50 mm f2.8; Schneider Kreuznach Xenon 50 mm f2. They are all working and capable of producing excellent photographs. The two SK lens models both have pc port, which still work.
They are fun cameras to use - although ergonomically a bit awkward - and prefer the Welti for simplicity. The Steinheil lenses are also good performers with both colour and black and white films.
Any idea how many Leitz lensed Weltinis were made? I've never seen one.
Hello,
Löschenthanks for your comment. I don't have any idea how many Weltinis were made with the Leitz Elmar. But you can find them quite regularly on the usual auction platforms. There is a picture of one on the Weltini page of camera-wiki.org.
Actually, the Leitz Elmar f/3.5 was a direct competitor of the Zeiss Tessar and can be found (at almost the same price) on quite a few cameras in the 1930ies. I have a Nagel Pupille from 1931 with the Elmar, where it was quite usual.
Mostly, Leitz lens equipped cameras are selling at higher prices, which is often justified by the considered rarity. I personally believe, that the Leitz and Leica collecting community keeps nurturing the myths of Leitz quality and rarity. There is actually a wrong statement on the German Wikipedia (welta page), that the Weltini was the only camera (despite the Leicas) with a Leitz lens.