2020-12-24

Bentzin Primarette mit Meyer Makro Plasmat


Manchmal erstaunen mich Dinge so sehr, dass ich es nicht lassen kann, darüber zu schreiben. Wie zum Beispiel extreme Preise, die bei Kamera-Auktionen erzielt werden. Ich hatte hier schon mal eine Nikon F, die nur wegen ihrer niedrigen Seriennummer plötzlich für ein Vielfaches ihres "normalen" Wertes verkauft wurde. Bei dieser Primarette des eher unbekannten Kamerahersteller Bentzin war mir erst nicht klar, was (in diesem Fall) mehrere Bieter dazu bewegt, ein gutes Brutto-Monatsgehalt für eine seltsame, ca. 85 Jahre alte Kamera zu bieten. 
Zugegeben, die Kamera selbst ist schon etwas Besonderes mit ihrem extra Sucherobjektiv, das ein umgekehrtes Bild auf eine Mattscheibe projiziert. Damit ließ sich sicher besonders präzise scharf stellen, fast wie bei einer zwei-äugigen Spiegelreflex (TLR), die sie aber nicht war.  
Nach etwas recherchieren ist mir jetzt aber klar, was hier den Preis nach oben getrieben hat: Es ist das Objektiv! Mit anderen Objektiven (z.B. einem Zeiss Tessar oder einem Meyer Trioplan) liegt das normale Preisniveau für die Kamera so um die 1000€, immer noch viel für eine eher unbekannte Marke der 1930er. 

Das Objektiv aber scheint unter einigen Photographica Sammlern einen gewissen Kultstatus zu besitzen und hatte wohl schon in den 1930ern den Ruf, eines der besten, wenn nicht DAS beste Objektiv auf dem Markt zu sein. Von Meyer wird es in einer Broschüre recht unbescheiden als "absolut frei von Verzeichnung und anderen optischen Defekten" bezeichnet. Es wurde in seiner späten Zeit bei Meyer Optik in Görlitz vom ehemaligen Zeiss-Forscher Dr. Paul Rudolph entwickelt, dem "Vater" von u.a. Tessar und Planar. Weil es vermutlich damals schon vergleichsweise teuer war, ist es heute eher selten anzutreffen, und sowas treibt natürlich Sammlerpreise nach oben. 
Trotzdem ist es mir schleierhaft, warum das Objektiv heute in relativ aktuellen Fassungen (z.B. Leica M) als Umbau angeboten wird und dafür 4 bis 5-stellige Summen verlangt werden. Man muss bedenken, die Linsen sind nicht vergütet und können wohl trotz der damaligen Leistungsdaten mit heutigen Spitzenobjektiven nicht mehr mithalten! Ich möchte jeden einladen, mal bei ebay "Plasmat 2.7" zu suchen und zu staunen, welche Preise für so alte Objektive noch aufgerufen werden. Ich werde jedenfalls am Thema nochmal dranbleiben und hoffe, dass mir der Verkäufer der Kamera verzeiht, dass ich seine Fotos für diesen Beitrag "geklaut" habe.

2020-12-20

Certo Dollina (Ur-Modell)




Was für ein Schnäppchen habe ich da neulich mit dieser Kamera gemacht! Wer meinen Blog hier verfolgt weiß, dass es mir die Kleinbildkameras der 1930er Jahre besonders angetan haben. Also habe ich fast automatisch beim Stöbern durch die ebay Auktionen diese Kamera auf die Beobachtungsliste gesetzt und dann erst nach und nach realisiert, was ich schließlich recht günstig ersteigern konnte. 
Es handelt sich um das Ur-Modell der Certo Dollina von 1935, zu erkennen an der noch offen liegenden Mechanik zum Film-Entsperren und zum Ausklappen des Objektives, oberhalb desselben. Beim später Dollina I genannten, aber fast baugleichen Modell verschwand beides hinter einer Blende. Meine Kamera ziert im Inneren die Seriennummer 387 (!), nur ein einziges Foto einer identisch aussehenden Kamera konnte ich im Internet finden, diese mit der Seriennummer 874. Außerdem sehr ungewöhnlich und an einer Dollina I wohl nicht (mehr) zu finden, ist der Compur-Rapid Verschluss (bis 1/500s). In der einschlägigen Sammlerliteratur wird die Kamera stets mit dem Compur Verschluss (bis 1/300s) beschrieben. Zunächst habe ich an einen späteren Umbau gedacht, allerdings stammen sowohl Objektiv (von 1934) als auch Verschluss (Anfang 1935) aus der Anfangszeit der Certo Dollina Produktion.  


Der Compur-Rapid Verschluss war damals noch sehr neu auf dem Markt und Dollina's wichtigste Konkurrentin Kodak Retina hatte ihn serienmäßig. Daher vermute ich, dass es ein paar Ur-Modelle mit dem Rapid Verschluss gab, Certo aber ab ca. 1936 mit Einführung der anderen Modellvarianten Dollina 0 (unteres Segment mit Einfachverschlüssen und 3-linsigen Objektiven)  und Dollina II (mit gekuppeltem Entfernungsmesser, oberes Segment) den Rapid-Verschluss nur noch am Top-Modell angeboten hat. Die ansonsten baugleiche Dollina I (mittleres Segment) musste danach mit dem Compur vorlieb nehmen. Weitere Details auch zu späteren Dollina Modellen kann man am Besten hier nachlesen
Meine Kamera hat für ihre 85 Jahre einen sehr guten Erhaltungszustand, vermutlich wurde sie stets in der ledernen Bereitschaftstasche getragen und sorgfältig behandelt oder/und wenig benutzt. Lediglich der Filmtransport ist sehr schwergängig, funktioniert aber noch! Wie bei vielen Zentralverschlusskameras der Zeit waren Auslöser und Filmtransport noch nicht miteinander gekoppelt, d.h. Doppelbelichtungen oder gar leere Negative musste der Fotograf selbst verantworten. Bei der Dollina muss der Filmtransport erst durch einen Knopf entriegelt werden, der dann aber nach ca. 40 mm Filmvorschub wieder einrastet. Dabei zählt immerhin der Bildzähler automatisch eins hoch. Wer genau wissen will, wie das oder auch das Rückspulen geht, kann das in der Bedienungsanleitung nachlesen, die (leicht zerfleddert) dabei war und die ich hier als Scan gerne zur Verfügung stelle. 
Certo war mit der gesamten Dollina-Serie recht erfolgreich, insbesondere mit den späteren Super-Dollina Modellen, die sogar bis zum Anfang der 1970er Jahre in Dresden produziert wurden. Certo hatte lange trotz der sozialistischen Planwirtschaft eine gewisse Selbständigkeit und wurde erst 1980 in den VEB Pentacon eingegliedert.   

Datenblatt frühe Kleinbildkamera 24x36 für 135er Standard-Kassetten
Objektiv Carl Zeiss Jena Tessar 5cm f/2.8 (#1515140), auch erhältlich mit Schneider Xenar oder Radionar, Meyer Trioplan, Steinheil Cassar. Einfahrbar per Spreizenmechanismus und Balgen, verschwindet hinter belederter Frontkappe.
Verschluss Compur-Rapid (#5059923), T-B-1-2-5-10-25-50-100-250-500. Kamera wurde allerdings meist mit dem Compur ausgeliefert ( bis 1/300s) 
Belichtungsmessung keine
Fokussierung Gehäusefokussierung per Drehknopf auf Kameraoberseite (bis <0,7m)
Sucher im Gehäuse integrierter optischer Durchsichtsucher
Blitz keine Synchronisation vorgesehen
Filmtransport per Drehrad, manuelle Entriegelung per Knopf, nicht mit dem Auslöser am Objektiv gekoppelt. Automatischer Bildzähler (vorwärts), Rückspulrad. 
sonst. Ausstattung Zubehörschuh (z.B. für Entfernungsmesser), Drahtauslösergewinde, Stativgewinde 3/8'', Kameragurtösen, ausklappbarer Hilfsständer für geöffnete Kamera, Tiefenschärfetabelle auf Kamerarückseite. Lederne Bereitschaftstasche, Gelbfilter und Sonnenblende (aufsteckbar) als Zubehör.
Maße, Gewicht ca. 121 x 83 x 38 mm (eingeklappt), 525g
Batterie keine
Baujahr(e) 1935 (Ur-Modell), 1936-1937 als Dollina I, ca. 40,000 Exemplare
Kaufpreis, Wert heute ca. 80-100 RM (1935), ca. 200 € (Ur-Modell), 50-100 € Dollina I
Links Compur History, Wikipedia, Camera-Wiki, Dresdner Kameras, Earlyphotography.co.uk, The Living Image
Bei KniPPsen weiterlesen      Kodak Retina 118, Kodak Retina 126, Kodak Retina I, Agfa Karat 6.3, Welta Welti, Baldina, 3x4-Kleinfilmkameras,  Bedienungsanleitung

2020-12-14

Compur serial numbers - Compur Seriennummern


One of my sources:
a French booklet
from 1994 with information
covering up to ca 1991
ISBN 2-906840-06-8
Eine meiner Quellen:
ein franz. Büchlein
von 1994 mit Informationen
gültig bis ca. 1991.
ISBN 2-906840-06-8
ACHTUNG: Update verfügbar ---> hier
UPDATE available: please see here.

Seriennummern sind eine tolle Möglichkeit, das Alter von Kameras und Objektiven zu bestimmen. Vorausgesetzt, man hat eine verlässliche Referenzliste. Nur in einigen Ausnahmen existieren tatsächliche Werkslisten, in den allermeisten Fällen tragen Sammler Informationen zusammen und veröffentlichen die entsprechenden Korrelationen zwischen Seriennummer und Produktionsjahr. Für die Compur und Compur-Rapid Zentralverschlüsse existiert eine solche Liste, zu finden im Netz z.B. bei Camera-Wiki.org, die sich wiederum auf ein dort referenziertes Sammlerwerk von 2001(Wilkinson, M, and C Glanfield. 2001.  A Lens Collector's Vade Mecum) beruft. Aber auch andere veröffentlichten diese Liste als ihre eigene (z.B. hier), und auch in einem Büchlein von 1994 (siehe Bild rechts) findet sich exakt dieselbe Liste von Compur-Seriennummern und Jahrezahlen. Ich würde mal sagen, hier wird mangels besseren Wissens fröhlich voneinander abgeschrieben, die eigentliche Quelle und Angaben zu ihrer Genauigkeit aber leider weggelassen. Jetzt gibt es aber gerade bei den Compur-Verschlüssen eine Möglichkeit die Richtigkeit der ermittelten Jahresangabe zu validieren. Meistens existiert nämlich noch die extra Seriennummer des verbauten Objektivs und manchmal auch noch zusätzlich diejenige der Kamera. Die zwei bis drei ermittelten Jahreszahlen sollten zueinander passen und sagen wir mal maximal 1 Jahr voneinander abweichen. 
Serial numbers are a great way to tell the age of cameras and lenses, provided there is a reliable reference list. Actual manufacturer's lists only exist in a few exceptions. Mostly, collectors compile information and publish the corresponding correlations between serial number and year of production. There is such a list for the Compur and Compur-Rapid leaf shutters, which can be found on the Internet, for example at Camera-Wiki.org, which in turn refers to a publication from 2001 (Wilkinson, M, and C Glanfield. 2001. A Lens Collector's Vade Mecum). But others also published this list as their own (e.g. here), and in a booklet from 1994 (see picture on the right) there is exactly the same list of Compur serial numbers and years. I assume, due to a lack of better knowledge, there is a lot of copy and paste. Unfortunately, the actual source and information about its accuracy were omitted. But now there is a possibility, especially with the Compur shutters, to validate the correctness of the determined year. Most of the time, there is also the extra serial number of the built-in lens and sometimes also that of the camera. The two or three respective production years should match and, let's say, differ from one another by a maximum of 1 year.
RIM-Compur mit halb
verdeckter Seriennummer
(Korelle 3x4, 1931)
RIM-Compur with partially
hidden serial number
(Korelle 3x4, 1931)
Und genau das taten sie bei mir in mehreren Fällen nicht, und zwar meist bei Kameras aus den frühen 1930er Jahren. Daher bin ich der Sache nochmal nachgegangen und habe mir alle eigenen Kameras (immerhin 13 Stück von 1930 bis 1952), aber auch viele Beispiele aus dem Netz (wo entsprechende verlässliche Angaben vorlagen, ganz viele davon bei EarlyPhotography) nochmal genau angeschaut und analysiert. Das Ergebnis seht ihr oben in Form einer Excel-Grafik. Insbesondere zwei Dinge sind falsch an der allgemein akzeptierten Liste (blaue Linie): 

1) Die Produktionszahlen zum Compur werden wohl insbesondere in den späten 1920er Jahren unterschätzt. Wohl schon um 1930 wird die 2-Millionen Marke überschritten und nicht erst 1933. Ein Grund dafür dürfte der neue "RIM"-Compur im Jahr 1928 sein. Bei diesem wird die Verschlusszeit durch Drehen des äußeren Rands eingestellt, im Vergleich zum älteren "Dial-Set" Compur mit separatem Einstellrad). Diese modernere Designvariante passte gut zum einsetzenden Trend hin zu kleineren (Roll-)Filmkameras, die sich anschickten, die umständlichen Fotoplatten innerhalb weniger Jahre abzulösen. Einen Dämpfer bekam dieser Boom durch die Weltwirtschaftskrise, die sich in Deutschland hauptsächlich im Jahr 1932 durch einem enormen Einbruch der Industrieproduktion manifestiert. Auch dies zeigen meine Beispiele und die angepasste rote Kurve schön.

2) Deckel führte 1934 den Compur-Rapid Verschluss (bis 1/500 s bei Größe 00, bzw. 1/400s bei Größe 0) ein und versah ihn mit Seriennummern, die mit 5 Millionen starteten. Gleichzeitig wurden aber noch bis 1939 die normalen Compur-Verschlüsse weiter produziert, die wohl so bei 4,500,000 aufhören. Bei meiner Recherche habe ich allerdings auch Rapid-Verschlüsse in diesem Bereich gefunden. Diese stammen alle von Zeiss Ikon Kameras, während andere Kameramarken die 5,xxx,xxx Nummern tragen.
And that's exactly what they didn't with some of my cameras, mostly with those from the early 1930s. So, I looked into the matter again and carefully assessed and analyzed all of my own cameras with Compur shutters (at least 13 from 1930 to 1952), but also many examples from the Internet (where relevant reliable information was available, many of them at EarlyPhotography). You can see the result above in the form of an Excel chart. Two things in particular are wrong with the generally accepted correlation (blue line): 
1) The production numbers for the Compur shutter were probably underestimated, especially in the late 1920s. The 2 million mark was surpassed as early as 1930 and not just 1933. One reason might be the new RIM-shutter introduced in 1928. with this shutter the speed is set by turning the outer rim, compared to the older Dial-Set shutter where this is done by a separate dial. The more modern design went well with the emerging trend towards smaller (roll-) film cameras, which were going to replace the cumbersome photo plates within a few years. This boom was dampened by the global economic crisis, which hit Germany mainly in 1932 with an enormous slump in industrial production. My examples and the adapted red curve also reflects this nicely. 
2) In 1934, Deckel introduced the Compur-Rapid shutter (up to 1/500 s for size 00, or 1/400s for size 0) and shipped it with 7 digit serial numbers starting with a "5". At the same time, however, the normal Compur shutters continued to be produced until 1939. They which probably stopped counting below 4,500,000. Interestingly however, I also found Rapid shutters in this number range. These were all from Zeiss Ikon cameras, while other camera brands carry the 5, xxx, xxx numbers. This is subject of further investigation, though.
Compur Rapid an einer
Kodak Retina (118) 
#5007138 (1934)
Compur Rapid at a
Kodak Retina (118) 
#5007138 (1934)

Basierend auf fast 50 eigenen und fremden Beispielen habe ich zwei neuen Zuordnungen (eine davon für die >5 mio Rapids) gemacht, die in der Grafik von der roten und grünen Linie repräsentiert werden. Natürlich liegen nicht alle Beispielpunkte auf den neuen Linien, deren zeitliche Zuordnung basierte ja wiederum auf Seriennummernlisten von Objektiv und/oder Kamera. Von einer Ungenauigkeit von +/- 1 Jahr muss man in den meisten Fällen ausgehen. Insbesondere sollten Punkte rechts von oder unter der Linie keine Probleme machen, da ja durchaus ein schon älterer Verschluss beim Zusammenbau der Kamera verwendet worden sein könnte. Natürlich habe ich die neue Korrelation in mein kleines Kamera-Dating-Tool oben links auf der Seite schon eingebaut.

Ich bin natürlich auf Kommentare und Kritik gespannt, wackele ich doch etwas an Jahrzehnte alten Sammlerparadigmen. Außerdem möchte ich alle einladen, mir ihre Beispiele (Kombinationen von Compur- mit anderen Seriennummern zuzusenden). Bitte alles hier unten im Kommentar posten, oder gleich per e-mail an knippsen@icloud.com.  
Based on almost 50 own and third-party examples, I made two new assignments (one of them for the Rapid shutters with 5 mio numbers), which are represented in the chart above by the red and green lines. Of course, not all sample points are on the new lines, their temporal assignment was based on the serial number correlation lists of the lens and / or camera. In most cases, you have to assume an inaccuracy of +/- 1 year. In particular, points to the right of or below the line should not cause any problems, as an older shutter could have been used when assembling the camera. Of course, I've already built the new correlation into my little camera dating tool at the top left of the page. I'm looking forward to your comments and criticism, of course, as I shake a bit decades-old collector's paradigms. I would also like to invite everyone to send me their examples (combinations of Compur numbers with other serial numbers). Please post everything below in the comment, or send an e-mail to knippsen@icloud.com. 
 
Für alle, die die Zuordnung eher in Tabellenform sehen wollen, hier ist sie: 
For all, who want to see the correllation in form of a table, here it is: 

 Year old assignment new assignment


Compur Compur-Rapid
1912 214.000 214.000
1914 250.000 250.000
1920 450.000 600.000
1922 500.000 700.000
1925 600.000 850.000
1926 750.000 920.000
1927 850.000 1.070.000
1928 950.000 1.250.000
1929 1.000.000 1.500.000
1930 1.150.000 2.000.000
1931 1.500.000 2.450.000
1932 1.800.000 2.500.000
1933 2.250.000 2.700.000
1934 2.700.000 3.000.000 5.000.000
1935 3.200.000 3.250.000 5.050.000
1936 3.750.000 3.950.000 5.250.000
1937 4.250.000 4.200.000 5.500.000
1938 4.850.000 4.350.000 5.800.000
1939 5.400.000 4.450.000 6.050.000
1947 6.000.000
6.100.000
1948 6.200.000
6.200.000
1949 6.500.000
6.500.000
1950 7.000.000
7.000.000
1951 7.700.000
7.700.000
1952 8.500.000
8.500.000

2020-12-06

Nagel Pupille



Die Königin unter den 3x4 Kameras, so hat sie Volkmar Kleinfeld in seinem Beitrag im PhotoDeal 108 (1/2020) bezeichnet. "Aufwendig und ideenreich konstruiert, präzise gefertigt". Jetzt, wo ich nach längerer Suche selbst eine besitze, kann ich nur zustimmen. Sie ist verglichen mit meinen anderen 3x4 Kameras die kompakteste, aber auch die solideste und diejenige, die sich am wertigsten anfühlt.

Wirklich beeindruckend ist ihre Kompaktheit, sie ist weniger als 10 cm breit und 7 cm hoch. Ich hoffe das kommt auf diesem Bild neben der Retina 1 gut raus. Die Retina ist eine eigentlich schon sehr kompakte Kleinbildkamera für die 135er Kleinbildpatrone, die Pupille aber trotz des größeren Negativformats fast nur halb so groß! Am auffälligsten an ihrer Erscheinung ist der im Vergleich klobige doppelte Schneckengang rund ums Objektiv. Mit dem ersten davon wird Optik und Verschluss ein- oder ausgefahren, der zweite gut sichtbare mit kleinteiliger, aber groß geschriebener Meterskala ist für das Fokussieren da. Die allermeisten Kameras aus der Zeit verwenden Faltbalgen und Spreizenmechanismus, was ihnen eine gewisse Verwundbarkeit verleiht. Nicht so die Pupille, sie mutet eher wie ein unkaputtbarer Taschenrevolver an. 

Über die Geschichte von August Nagel und seines Kamerawerkes in Stuttgart haben ich und z.B. das Foto-Museum Uhingen schon geschrieben. Wenn auch erst 1928 gegründet spielte man gleich in der ersten Liga der Kameraproduzenten mit. Neben der Pupille wurden noch einige andere Rollfilmkameras produziert, interessanterweise mit der Vollenda 48 noch eine 3x4 Halbformatkamera. Diese hatte den klassischen Faltbalgen und kostete nur die Hälfte der Pupille. Außerdem gab es mit der Ranca noch eine Billigversion der Pupille. Auf diese Nagelkameras trifft natürlich meine Analyse über das
Verschwinden der 3x4 Kameras in besonderen Maße zu. In dieser Fabrik sollte ab 1934 die Retina vom Band laufen, die Kamera, die den Todesstoß für 3x4 Kameraklasse bedeutete. Daher bin ich fest davon überzeugt, dass die Pupille nur für eine recht kurze Zeit gebaut wurde und zwar hauptsächlich 1931 bis (längstens) 1933. Die allermeisten davon dürften im Laufe des Jahres 1931 entstanden sein. Ich stütze mich dabei auf Seriennummern der Objektive, die meist gut auf allen Fotos im Netz zu erkennen sind. Alle die ich bisher gesichtet habe, zeigen folgende Zahlen: Schneider-Objektive (Xenar bzw. Xenon) größer als 378xxx, angeblich hatte Schneider im April 1931 die 400xxx erreicht; beim Leitz Elmar waren die Nummern zwischen 101xxx und 110xxx, Leitz hatte erst 1931 begonnen, seine Objektive extra mit Seriennummern auszustatten und dort bei 100xxx gestartet. Die Kameras selbst haben fünfstellige Seriennummern im Inneren, diese sind leider nicht so oft und gut dokumentiert. Gefunden habe ich Nummern zwischen 82135 und 94656, die sie sich aber mit anderen Nagelkameras teilten. Laut Helmut Nagel (in seinem Buch "Zauber der Kamera", dva 1977) wurden ca. 5000 Pupillen gebaut. Etwas seltsam in dem Zusammenhang ist die Sache mit der Seriennummer des Compur-Verschlusses, die auch oft zur Altersbestimmung herangezogen wird. Meine Kamera hat einen Verschluss mit #2302048, und damit von 1933. Allerdings hatte ich genau das schonmal und bei den anderen gesichteten Pupillen ebenfalls, so dass ich inzwischen davon überzeugt bin, dass die bisher verwendete Zuordnungs-Tabelle zumindest für die späten 20er/frühen 30er Jahre falsch ist, dazu demnächst hier mehr.
Meine Kamera kam übrigens in einem ebenfalls sehr gut erhaltenen Lederetui, mit etwas Zubehör, wie auf den Bilder zu erkennen. Auch eine Anleitung war dabei, die ich für den interessierten Leser hier gerne zur Verfügung stelle. Außerdem empfehle ich zur weiteren Primärliteratur-Lektüre die schöne Kodak-Broschüre "Warum Kleinfilm" von 1932 und eine zur Pupille als Spiegelreflexkamera. Viel Spaß damit!

Datenblatt Kompakte Kleinfilmkamera 3x4 (Rollfilm 127)
Objektiv Leitz Elmar 50mm f/3.5 (4 Linsen in 3 Gruppen), auch erhältlich mit Schneider Xenar 50 mm f/3.5 und f/2.9, Schneider Xenon 45 mm f/2, Cooke Anastigmat 2inch f/3.5, Zeiss Tessar f/3.5
Verschluss Fr. Deckel Compur, T-B-1-2-5-10-25-50-100-300, diese #2302048
Belichtungsmessung keine
Fokussierung mit großem Schneckengang, bis 70 cm Naheinstellgrenze, Aufsteck-Entfernungsmesser von Leitz als Zubehör
Sucher Aufklappbarer optischer Durchsichtsucher. Spiegelreflex-Aufstecksucher optional erhältlich. 
Blitz Keine Anschlussmöglichkeit.
Filmtransport per Drehknopf von Rolle zu Rolle, gute Planlage durch spezielle Filmführung, Bildzählung mit doppeltem roten Fester.
sonst. Ausstattung Drahtauslösergewinde, Tiefenschärfe-Drehskala, 3/8‘‘ Stativgewinde, mitgeliefertes Zubehör: Objektivdeckel, Gelbfilter, Standhilfe zum Aufstecken.
Maße, Gewicht ca. 97 x 68 x 49 (60/65) mm (eingef. /unendl./0.7m), 397g
Batterie keine
Baujahr(e) 1931-1933 (ggf. bis 1935), ca. 5.000 Exemplare, diese #90563 von 1931
Kaufpreis, Wert heute ca. 200 RM (1931), 180-400€ je nach Zustand und Objektiv.
Links Camera-Wiki, Classic-Camera-CollectionAnzeigen (engl.), Foto-Museum Uhingen
Bei KniPPsen weiterlesen Das plötzliche Verschwinden der 3x4 KamerasAugust Nagel, Korelle 3x4, Foth Derby, Zeh Goldi, Welta Gucki, Ising Puck, Gevaert 127er Rollfilm, Kodak Rollfilm 127



2020-10-08

iPhone 6, das meist gebaute Kameramodell aller Zeiten



Die meisten Menschen, mich eingeschlossen, benutzen für die überwiegende Zahl ihrer Fotos heutzutage ein aktuelles Smartphone. Aktuelle Modelle besitzen mindestens zwei eingebaute Kameras (für Vorder- und Rückseite), die Highend Versionen sogar mehrere Rückseitenkameramodule unterschiedlicher Brennweite. Deren Qualität ist heute so gut, das einfache Digitalkameras einfach obsolet wurden. 

iOS Kamera App
Als ich mich also neulich fragte, welches Digitalkameramodell wohl millionenfach gebaut und verkauft worden sein konnte, um es mit den 21 Millionen Smena 8M aufzunehmen, kam ich schnell auf die Smartphones. Hier war die Recherche einfach, denn es wird relativ genau Buch geführt. Viele Smartphones schlagen zahlenmäßig die Smena um Längen, obwohl sie oft nur wenig mehr als ein Jahr lang gebaut werden. Die Zahl von über 220 Millionen für das iPhone 6 hat mich dann aber doch umgehauen. Es kam im September 2014 mit einem exzellenten Feature-Set auf einen noch nicht ganz gesättigten Markt und ging weg wie warme Semmeln, trotz eines recht üppigen Preisschilds. Seit dem ist die Modellvielfalt gerade auch im Topsegment größer geworden, und weder Apple noch Samsung oder andere Konkurrenten haben jemals mehr Einheiten eines einzelnen Modells verkauft und werden es vermutlich auch nicht mehr tun. Daher habe ich große Hoffnung, dass meine Auslobung des iPhone 6 als meist gebautem Kameramodells aller Zeiten, auch noch lange, wenn nicht für immer, gültig bleiben wird.
Auch ich habe eines davon sogar am ersten Verkaufswochenende im September 2014 bei Apple bestellt und einige Tage später in Betrieb genommen. Über 4 Jahre habe ich es benutzt, bis sowohl der Akku als auch eines der Funkmodule nicht mehr so richtig wollten. In diesen vier Jahren habe ich einige Tausend Fotos gemacht, deutlich mehr als mit den anderen mir zur Verfügung stehenden Kameras in dieser Zeit. 
Das Kameramodul als Ersatzteil heute für
unter 10€ zu bekommen...
Es ist auch kinderleicht, ganz gute Fotos zu machen, die gesamte Bedienung geschieht per App. Es gibt nur ein mechanisch bewegtes Teil: das gesamte Objektiv zwecks Scharfstellen per Autofokus. Eine Blende gibt es hingegen nicht. Fotografiert wird immer bei der vollen Öffnung f/2.2. Die Belichtung wird in den meisten Situationen allein durch den elektronischen Verschluss geregelt, mit einer kürzesten Zeit von 1/10000 s. Bei der standardmäßig verwendeten Empfindlichkeit von 32 ISO reicht das auch für sehr helle Umgebung (LW 17.5, Strand oder Skipiste im Sonnenschein). Wenn es auf der anderen Seite dunkler wird, bleibt die Belichtungsautomatik bei 1/15 s und zieht die Empfindlichkeit bis ISO 2000 hoch (LW 1.5, Kerzenlicht), was leicht verrauschte, aber noch brauchbare Aufnahmen gibt. 

Der brauchbare und schnelle Autofokus funktioniert nach der Phasenerkennungsmethode, bewegt wird das gesamte Objektiv mikrometerweise per Magnet. Gezoomt wird rein per Software-Cropping, hier hätte ich mir immer ein wenig mehr gewünscht (was die neueste Smartphonegeneration durch eine weitere Telekamera realisiert). Das iPhone 6 hat ein leichtes Weitwinkel von KB-äquivalenten 30 mm Brennweite. Für Panoramas und HDR-Aufnahmen rechnet die Software in Sekundenbruchteilen Mehrfachbelichtungen zusammen. Ich wünschte, meine anderen Digitalkameras könnten das so kinderleicht. Ach so, fast vergessen: Videos, Zeitraffer und Zeitlupenaufnahmen (mit bis zu 240 FPS) gehen auch! 
Auch wenn das iPhone 6 und die Smena 8M natürlich technologisch Welten trennen, Kameras für die Masse waren beide, und gute Fotos gelingen auch damit. Beide stehen jetzt nebeneinander in meiner Sammlung. Da das iPhone inzwischen einen Nachfolger hat, war ich mal kurz davor es zu verkaufen oder gar zu entsorgen. Zum Glück hab ich es nicht gemacht!

Datenblatt meist produzierte und meist verwendete Kamera
Objektiv 4.15 mm f/2.2 (30 mm KB-Äquivalent), 5 z.T. asphärische Kunststofflinsen
Sensor Sony Exmor BSI (backside illumination), 1/3'' (4.8x3.6 mm), 3264x2448 Pixel, entspr. 1.417 μm Pixelgröße, 8MP
Fokussierung Autofokus, Phasendetektion
Blitz eingebaute Blitz-LED
Betriebssystem, Software iOS8 bis iOS12, Apple‘s Kamera App und Fremdsoftware erhältlich.
sonst. Ausstattung alles per Software: Zeitauslöser, AF-Punkt Auswahl, Gesichtserkennung, HDR, Panorama, u.v. mehr...
Maße, Gewicht 138x67x7.5 mm, 129g
Batterie 3.82 V, 6.91 W·h(1,810 mA·h) Li-Polymer
Baujahr(e) 19. Sept. 2014 bis 7. Sept. 2016 und wieder 2017-2018. 
Kaufpreis, Wert heute 699 € für das Basismodell (2014)
Links takebetterphotos.comWikipedia

2020-09-27

Smena 8M

Ich habe sie schon ca. 4 Jahre in meinem Regal stehen, damals für ganz wenig Geld auf einem Flohmarkt erworben. Auch wenn ich sonst Plastikkameras liegen lasse, hatte diese irgendwie mein Interesse geweckt und ich musste sie einfach mitnehmen. Dann stand sie also in meinem Regal neben den vielen anderen herum, wurde immer wieder verschoben und so recht wusste ich nicht, ob und wann ich sie hier in meinem Blog vorstellen sollte und was es überhaupt dazu zu erzählen gibt.

Dann stolperte ich neulich über diesen Beitrag der Leute von DPreview. Auch wenn dieser recht oberflächlich recherchiert ist und jegliche Quellenangaben fehlen, fragte ich mich, ob es wirklich stimmen kann, dass diese hier die am meisten produzierte 35mm Kamera der Welt ist. Ich habe also ein bisschen im weiten Netz gegraben und versucht diese Angabe zu bestätigen. In der Tat findet man auf der Sovietcams.com Seite (eine der besten spezialisierten Kameraseiten, die ich kenne, mit Quellenangaben!) die Zahl von 21.041.191 Einheiten (8M zusammen mit ihrer Vorgängerin Smena 8), die in 32 Produktionsjahren (!) zusammengekommen sind. Es gibt für mich keinen Grund an dieser Angabe zu zweifeln. Auch die Tatsache, dass von Smena 8 zu Smena 8M ein Designwechsel stattgefunden hat, disqualifiziert sie nicht. Das Objektiv, der Verschluss und alle wesentlichen Funktionen blieben dieselben. Auch entfallen auf das ältere Modell 8 vermutlich nur ca. 3 Millionen davon, und für die 8M verbleiben immer noch ca. 18 Millionen, die es zu schlagen gilt.
   
Die Frage ist eher nach den "Gegnern" in diesem "Wettbewerb" um die meist produzierte Kamera der Welt. Hier also das Ergebnis meiner ersten (nicht umfassenden) Recherchen: Zunächst möchte ich auf meine SLR-Liste verweisen, die mit der Zenit E auch eine Sowjet-Kamera an der Spitze hat (12 mio). Aber auch die Canon AE-1 und AE-1 Programm haben es mit zusammen mehr als 10 mio. auf eine erkleckliche Zahl gebracht. Bei DPreview wird die Olympus Trip 35 auf Platz zwei genannt, mit 5.4 mio Einheiten. Ganz nahe daran käme wohl auch die Yashica Electro 35 (Serie) mit ebenfalls über 5 mio Stück. Leider gibt es nur von den wenigsten Kameras oder Herstellern verlässliche Produktionszahlen. Aber ich vermute, dass auch andere Kameras insbesondere aus den 1970ern auf ähnliche Zahlen gekommen sind. Mir fallen hier die Canonet QL17, Konica C35 oder die  Minolta Himatic (Serien) ein. Diese Kameras waren alle super erfolgreich, standen aber miteinander im (kapitalistischen) Wettbewerb und wurden so regelmäßig durch verbesserte Modelle ersetzt. Keine Chance also, die mit langem Atem erreichten Zahlen aus der Planwirtschaft zu übertreffen. Einen anderen Longseller gibt es aber noch aus den USA zu berichten: Die Argus C3 bringt es immerhin auch auf ca. 3 Millionen Stück in 28 Jahren (1938 bis 1966).
Alle diese o.g. Kameras betreffen den 135er Film und das 24x36 mm Format. Aber auch bei anderen Filmformaten gab und gibt es Topseller: Insbesondere Kodak war in der Massenproduktion von einfachen Kameras sehr erfolgreich. Schon die frühen Box-Kameras und Folders gingen in die Hunderttausende. Der erste wirkliche Megaseller (ca. 10 Millionen) war die Starflex-Serie für den 127er Film in den 1950ern, der dann in den 1960ern durch die 126er Instamatic-Serie deutlich übertroffen wurde. Angeblich wurden alleine von Kodak mehr als 60 Millionen 126er Kameras bis Mitte der 1970er gebaut. Es kann gut sein, dass ein einzelnes Modell davon (Instamatic 104 ?) auch mehrere Millionen erreichte. Zahlen konnte ich keine finden. Aber auch Agfa und ihr amerikanischer "Ableger" Ansco produzierten zeitweise mehrere Millionen Kameras pro Jahr, allerdings ebenfalls viele Modelle mit häufigen Modellwechseln. 
Grundsätzlich nahm die Zahl der produzierten Kameras im Laufe des letzten Jahrhunderts kontinuierlich zu. Dass es nach 1980 allerdings ein einzelnes Modell auf mehr als ein paar Millionen gebracht hat, ist wegen der ebenfalls zunehmenden Modellvielfalt sehr unwahrscheinlich.  Also bleibt mir zu konstatieren: Die Smena 8M ist höchstwahrscheinlich die Kamera mit der höchsten Produktionszahl eines einzelnen Modells. Aber Stop! Dies gilt nur für Film und vermutlich auch für reine Digitalkameras, auch wenn ich hier noch nicht in Details geschaut habe. Aber es gibt ja... das iPhone 6 (inkl. 6plus), welches mit seiner 8MP Rückseitenkamera insgesamt 224 Millionen Mal verkauft wurde, davon allein 4 Millionen am ersten Verkaufstag, dem 19. September 2014. Auch viele andere populäre Smartphones schlagen die Smena 8M noch.    


Zurück zur Smena. Die Kamera selbst ist ein durch ihren Minimalismus fast unkaputtbares Fotografierwerkzeug. Gespart wurde an Belichtungs- und Entfernungsmesser, Schätzometrie ist also angesagt. Auch ist der Filmaufzug nicht mit dem Verschluss-Spannen gekoppelt, beides muss separat betätigt werden. Vergisst man das eine oder andere, kommt es zu Doppel- oder Leerbelichtungen. Wenn man sich als Fotograf aber konzentriert und richtig schätzt, hat der kleine Apparat alles, um zu guten Bildern zu kommen. Das Objektiv ist ein vergütetes Triplet mit 40 mm Brennweite, die Blende hat 8 (!) Lamellen und die solide Filmführung glänzt durch eine ordentliche Andruckplatte für exakte Planlage. Blitzlichter lassen sich per Kabel und PC-Buchse anschließen und die Beschriftungen rund ums Objektiv richten sich sowohl per Piktogramme an die Anfänger wie auch mit den üblichen Skalen an erfahrenere Fotografen. Ich schätze, dass sehr viele gelungene Schnappschüsse und Familienerinnerungen damit festgehalten wurden. Mein Exemplar ist von 1990 (Seriennummer 90107993) und aus der PK3470-Serie. Als ich sie auf dem Flohmarkt gekauft habe, war sogar noch ein Film drin, den ich allerdings bei der überraschenden Entdeckung ruiniert habe. Sie bekommt jetzt natürlich einen gebührenden Platz in meiner Sammlung, vermutlich neben meinem inzwischen auch ausgedienten iPhone 6!

2020-09-05

Canon Zoom FDn 35-70 mm 1:4

Mit meiner Canon A-1 kam ein interessantes Objektiv, das selbst ein paar Worte verdient hat. Canon war kein früher Pionier bei Zoom-Objektiven, hat aber spätestens seit Anfang der 1970er Jahre gerade in diesem Segment bei den Objektivherstellern ganz oben mitgespielt und vielfach auch den einen oder anderen neuen Standard gesetzt. Damit haben sie Zoom-Objektiven überhaupt erst zu der allgemeinen Akzeptanz verholfen, die sie heute noch haben. Dieses Objektiv ist ein sehr schönes Beispiel dafür.
Frühe Zoomobjektive boten bis auf die Tatsache, dass der Fotograf nicht mehr das Objektiv für verschiedene Bildwinkel wechseln musste, eigentlich nur Nachteile: Sie waren teuer, schwer und groß (manchmal schwerer und teurer als zwei entsprechende Festbrennweiten zusammen), oft lichtschwach.
Linsenschnitt des 35-70 f/4, ausgeführt in 
zwei jeweils gegenläufig verschiebbaren
Gruppen.  
Was aber am meisten schmerzte waren die Kompromisse, die man bei den Abbildungsleistungen machen musste. Gerade beim letzten Punkt hat Canon Pionierarbeit geleistet. Ihr FD 35-70 mm f/2.8-3.5 von 1973 gilt als das erste Standardzoom, das es von den Abbildungsleistungen mit den gängigen Festbrennweiten aufnehmen konnte. Es war zwar immer noch relativ schwer und teuer, aber den Bildern sah man das Zoom nicht mehr an. In den folgenden Jahren arbeiteten die Hersteller auch an den äußeren Dimensionen und dem Preis  und so bot Fuji als erster Hersteller im Jahr 1977 eine SLR zusammen mit einem kompakten Zoom als Standard an (Fuji AZ-1 mit Fujinon 43-75). 
Die anderen folgten natürlich und auch Canon brauchte ein preiswertes, leichtes und dennoch optisch gutes Standardzoom für ihre Megaseller AE-1 und A-1. Herausgekommen ist dieses FDn 35-70 mm f/4 mit der grundsätzlich ähnlichen optischen Konstruktion wie der alte Star von 1973, allerdings etwas lichtschwächer. Außerdem wurden einige Teile in Plastik statt Metall ausgeführt und damit wurde es nur noch etwas größer und schwerer als ein 50 mm Normalobjektiv. Angeblich sind sogar die Abbildungsleistungen nochmal etwas besser als der Ahn. Tatsächlich bescheinigen auch neuere Tests an Digitalkameras dem Objektiv exzellente Ergebnisse über den ganzen Brennweitenbereich.
Eine Sache ist recht eigenartig (und vielleicht einzigartig?) bei diesem Zoom. Es behält stets seine externen Maße. Sowohl Zoomen als auch Fokussieren passieren innerhalb der äußeren Hülle, die am vorderen Ende aus dem Fokusring besteht. Da die Frontlinse je nach Einstellung mehr oder weniger hinter dem Entfernungsring verschwindet, fungiert dieser daher auch als Sonnenblende. Lediglich bei 35 mm Brennweite und 50cm Entfernung (nächstmögliche Einstellung) kommt die Frontlinse soweit raus, dass man einen Filter aufschrauben kann. 

Datenblatt kompaktes Standardzoom mit sehr guten Abbildungsleistungen
opt. Konstruktion 8 einzeln stehende Linsen in 2 Zoomgruppen, Typ Drehzoom
Blende f/4-f/22 in halben Stufen einrastend, 6 Blendenelemente
Vergütung Mehrschicht (Super Spectra Coating)
Filtergewinde 52 mm, dreht sich mit Fokus. Innerhalb des Fokusrings, keine größeren Filterhalter oder z.B. Linearpolfilter möglich.
bekannte optische Schwächen  tonnenförmige Verzeichnung bei 35mm, sonst ohne größere Schwächen, scharf bei allen Brennweiten.
Bajonett  Canon new FD, mit Entriegelungstaste am Objektiv
Maße, Gewicht ca. 87mm x 63 mm Durchmesser, 305 g
Baujahr(e) 1979-1983
Kaufpreis, Wert heute 45.000 Yen (1979), ca. 30€
Links Ken Rockwell, Canon Camera Museum, Olypedia, MIR, Canon Classics

2020-08-30

Canon A-1

Auch wenn es mir als ehemaliger Nikonianer schwer fällt zuzugeben: Die Canon A-1 war bei ihrem Marktauftritt im Jahr 1978 der Konkurrenz weit voraus und hat es geschafft viele Dinge, die damals am Rande des technisch machbaren waren, in einem Gehäuse zu vereinen. Diese Kamera hatte so gut wie alles, was sich der ambitionierte Amateur wünschte und zielte genau auf diese Käufergruppe (für die Profis gab es "die F"). Canon hatte Innovation aber nicht nur in die Kamera selbst, sondern auch in ihre Fertigungstechniken gesteckt und so konnte man das Ding zu einem Preis anbieten, den die Konkurrenz für viel schlechter ausgestattete Kameras verlangte. Der Preis stimmte nachweislich: Die A-1 verkaufte sich wie schon ihre etwas früher erschienene Schwester AE-1 wie "geschnitten Brot", insgesamt fast 2,5 Millionen mal. Sie ist damit unbestritten eine der wichtigsten Kameras der SLR-Geschichte, natürlich auch technologisch betrachtet.  

Laut Anleitung ein "von Skalen und Zeigern völlig ungestörtes
 Sucherbild". Ich persönlichfinde die Digitalanzeige zwar
informativ, vermisse aber Richtungszeiger für Über- bzw. 
Unterbelichtung. Für P-Modus OK, bei M unbrauchbar! 
Auch Canon war bewusst, welche innovative Leistung sie da 1978 abgeliefert haben. So findet sich in der Einleitung der Bedienungsanleitung sehr selbstbewusst 5 mal der Begriff „erste Kamera“. Allerdings beziehen sich die ersten vier davon auf die tatsächlich in dieser Form in einer Kamera neuartige Elektronik (eher innere Werte), erst Nr. 5 nennt auch das für die Fotografen greifbare Neue: 5 Automatikmodi plus volle manuelle Kontrolle, wenn gewünscht. Und sie ist tatsächlich die erste SLR, die die gleichzeitige automatische Einstellung von Blende und Verschlusszeit „Programmautomatik“ (P) nennt. Die ein Jahr vor der A-1 erschienene Minolta XD-7 (und ihre größte Konkurrentin am Markt) hatte „nur“ eine versteckte Programmautomatik an den jeweiligen Bereichsenden von Zeit- oder Blendenautomatik. Die A-1 kann genau das übrigens auch, und für mich ist das für den ambitionierten Amateur völlig ausreichend. Mit ihrem Preis/Leistungsverhältnis sprach die Canon allerdings auch ein paar SLR Anfänger an und die werden den P-Modus wohl häufig genutzt haben. Die allererste SLR mit Wechselobjektiven und „elektr(on)ischer“ Vollautomatik war die wenig bekannte Wirgin Edixa electronica von 1962, allerdings mit einer teuren und umständlichen Technik, die fast niemanden vom Hocker riss. 
Schaltzentrale mit jeweils teilverdecktem zentralen Einstell-
rad. Interessanterweise wird auch bei Zeitautomatik (Av) hier
die Blende eingestellt, was recht fummelig und nicht sehr ergonomisch
ist. Gut gelöst ist die Kombi aus Hauptschalter und Selbstauslöser.

Die Canon A-1 faszinierte und polarisierte die Fotoszene mit einer in dieser Fülle selten gesehenen Vielfalt von Einstellmöglichkeiten, Hebeln, Knöpfen und Systemzubehör. Die fünf Automatikmodi waren nur die Spitze des Eisbergs. Sie hatte aber auch ein paar Schwächen, die ihre Kritiker aus den anderen Markenlagern gerne betonen: Da ist zuerst der altbackene horizontale Tuchschlitzverschluss, der nur 1/60s Synchronzeit schafft und ohne Batterie gar nicht funktioniert. Was mir persönlich besonders missfällt ist die fummelige und manchmal umständliche Bedienung außerhalb des P-Modus. Da sind ihre direkte Konkurrentin Minolta XD7 und viele spätere Automatikkameras deutlich ergonomischer. Ansonsten ist nicht viel Negatives zu sagen. Sogar die Kritik an ihrer kleinen Schwester AE-1 trifft nicht, es wäre zu viel Plastik im Spiel. Bei der A-1 ist trotz gleicher Gehäusedimension und vieler Gleichteile tatsächlich einiges (wieder) aus Metall, und sie wirkt (und ist) dadurch sehr robust. Auch heute noch findet man wohl viel mehr noch funktionierende A-1 Exemplare als von den zahlreicheren Schwestern AE-1 und AE-1 Programm. Das ist rückblickend keine Selbstverständlichkeit für eine Kamera der Elektronik-Generation!
  
Nach längerer Marktbeobachtung bei e-bay war ich erstaunt, wie gefragt die A-1 auch heute noch ist. Gut erhaltene und funktionierende Gehäuse wechseln so zwischen 40 und 80€ die Besitzer, für ein originales Canon Objektiv dazu muss man je nach Typ nochmal das selbe rechnen. Über mein relativ günstig ergattertes Exemplar bin ich sehr glücklich. Nach Einlegen einer neuen Batterie zeigte sich der komplette Funktionsumfang. Die Kamera war aus erster Hand, gut gepflegt und wohl immer nur mit diesem Objektiv bestückt gewesen, daher auch kaum Staub auf Spiegel oder Mattscheibe. Trotzdem sieht (und hört, s.u.) man der Kamera an, dass sie benutzt wurde. Nach Aussage der Erstbesitzerin aus Berlin für vielfältige Streifzüge nach Ostberlin nach dem Mauerfall 1989 und auch zur Verhüllung des Reichstags durch Christo und Jean Claude im Jahr 1995.
Fast alle heute ca. 40 Jahre alte Canon A-1 haben ein mehr oder weniger großes "Altersleiden", so auch mein Exemplar. Es wird in den entsprechenden Kreisen meist (Keuch-)Husten oder Astma genannt und klingt beim Auslösen der Kamera auch fast so. Michael Reichardt hat auf seiner Seite nicht nur Tonaufnahmen davon, sondern auch sehr schön beschrieben, wie einfach man das wieder mit einem Tröpfchen Öl beheben kann. So hab ich es auch gemacht.
Canon hat übrigens ihre A-Serie nach der A-1 weiter ausgebaut und abgerundet. Neben den älteren AE-1 (Blendenautomatik) und AT-1 (Nachführmessung), gab es später noch eine AV-1 (Zeitautomatik). Die AE-1 bekam mit der AE-1 Programm eine noch erfolgreichere Nachfolgerin und mit der letzten A-Serienkamera AL-1 deute Canon schonmal an, dass auch sie bereits an Autofokus forschten. Canon konnte alle diese Kameras kostengünstig mit fast identischem technischen Innenleben bauen, immerhin zusammen etwas mehr als 13 Millionen Exemplare zwischen 1976 und 1985. Damit haben sie Ende der 1970er Jahre erstmalig die Marktführerschaft im SLR Segment übernommen, aber diese Geschichte bereite ich vielleicht mal extra auf... 

Datenblatt high-end Amateur SLR mit PSAM Automatik-Set
Objektiv alle Objektive mit Canon FD (ab 1971) oder FDn (ab 1979) Bajonett, frühere FL-Objektive (ab 1964) können mit Einschränkunegn genutzt werden. Hier mit dem Standardzoom FD 35-70 f/4 (ab 1979).
Verschluss elektronisch gesteuerter, horizontaler Tuchschlitzverschluss 30s - 1/1000s, B, stufenlos bei Zeitautomatik. Keine mechanische Verschlusszeit, Kamera funktioniert ohne Batterie nicht.
Belichtungsmessung Si-Photodiode, TTL, mittenbetont, LW -2 bis 21, Empfindlichkeit 6-12.800 ASA (9-42 DIN).
Belichtungsautomatik erste Kamera mit den heute üblichen vier Modi "PSAM": Programmautomatik, Zeitautomatik ("Av"), Blendenautomatik ("Tv"), Manuelle Einstellung, Zeitautomatik bei Arbeitsblende. 
Fokussierung manuell am Objektiv, serienmäßige Einstellscheibe mit Mikorprismenring und Schnittbildindikator. Weitere Einstellscheiben erhältlich, Wechsel nur durch Kundendiesnt.
Sucher eingebauter Pentaprismensucher 0.83-fache Vergrößerung (50mm), zeigt ca. 94% des Bildes. 7-Segment-LED Anzeigen für Blende, Verschlusszeit, Blitzbereitschaft und andere Warnungen. 
Blitz Synchronzeit 1/60s, Anschluss über PC-Buchse oder Mittenkontakt im Zubehörschuh, Extrakontakte für Canon-Systemblitze: Blitzautomatik stellt automatisch Synchronzeit und Blende ein.
Filmtransport Schnellschalthebel, Rückspulkurbel, Bildzähler (vorwärts- und rückwärts zählend!), Anschluss für Winder (2 B/s) oder Motordrive (bis 5 B/s).
sonst. Ausstattung Okularverschluss und mögliche Abschaltung der LED-Anzeige gegen Fremdlichtfehler bei Stativaufnahmen, Messwertspeicher mit Taste, Abblendschieber, elektronischer Selbstauslöser (2 oder 10 s), Mehrfachbelichtungshebel, auswechselbare Rückwand für den Ansatz einer Datenrückwand, ¼ '' Stativgewinde, Anschluss für ISO-Drahtauslöser, Filmlaschenhalter
Maße, Gewicht ca. 141 x 92 x 48 mm, 620 g
Batterie 6V PX28 oder 4LR44, Batterietest-Taster.
Baujahr(e) 1978-1985, ca. 2,43 Millionen Exemplare, dieses #1296717 von März 1981 (Code V342F)
Kaufpreis, Wert heute 1098 DM (1980 mit 1.4/50), ca. 50-200 € je nach Zustand und Objektiv
Links Camera-WikiWikipedia (D), Wikipedia (E)Ken Rockwell 35-70, Canon Camera Museum, Bedienungsanleitung, Canon SLR production numbers