Mit der Nagel Ranca habe ich eine weitere 3x4 Halbformat-Kamera für den 127er Rollfilm meiner Sammlung hinzugefügt. Es ist schon Nummer 15 und die vierte aus dem Hause Nagel. Die Ranca wurde parallel zur Pupille von Ende 1930 bis irgendwann Mitte/Ende 1931 gebaut und ist bei gleichem Grundgehäuse quasi deren Billigversion. Auch wenn es damals sehr üblich war, Kameras in verschiedenen Ausstattungsvarianten bzgl. Verschluss und Objektiv anzubieten, ging Nagel bei der Vermarktung der beiden Schwestern sehr konsequent vor: Die am besten ausgestattete Ranca war immer noch schlechter bestückt (und billiger) als die schlechteste Pupille. Als Objektiv wurde für die Ranca fast ausschließlich der Nagel-Anastigmat 5 cm f/4.5 verbaut, ein Triplett. Bei den Verschlüssen griff man neben einem hauseigenen Nagel-Einfachverschluss zu Gauthier (Pronto oder Ibsor).
Die Ranca neben der Pupille, mit der sie das Basis-Gehäuse teilte. |
Der teure doppelte Schneckengang der Pupille wurde bei meiner Ranca durch einen fixen Tubus ersetzt. Damit war sie für den Transport nicht mehr so kompakt wie die Pupille, außerdem konnten nur das einfache Triplett als Objektiv eingesetzt werden, bei dem Frontlinsenfokussierung möglich war. Diese Version wird in Sammlerkreisen heute mit ihrer Nagel-Modellnummer als Ranca 46/1 bezeichnet. Man findet aber auch Rancas mit einfachem Schneckengang (Ranca 46 bzw. 46/0), bei denen wenigstens das Objektiv noch eingefahren werden konnte, die Frontlinsenfokussierung bleibt aber auch hier nötig. Ob diese beiden Ranca-Versionen parallel angeboten wurden, oder die Vereinfachung über die Zeit voranschritt und der Schneckengang irgendwann dem letzten Sparstift zum Opfer fiel, ist leider unbekannt. Daher könnte man meinen, dass die einfachere Variante 46/1 die spätere sein sollte. Eine schnelle Seriennummern-Analyse sagt aber was anderes: Die 46/1-Kameras tragen 8x,xxx Nummern, während meine 46/0- Sichtungen zwischen 96,xxx und 105,xxx lagen.
Komplett interkompatible Filmführungen von Ranca (links) und Pupille mit sichtbaren Qualitätsunterschieden. |
Wenn auch weitgehend in allen Dimensionen identisch (ich habe es ausprobiert und zwischen Ranca und Pupille getauscht!), hat Nagel auch beim Innenleben soweit es geht gespart. Die Pupille hat ein extra in Nickel gefasstes Bildfenster und Federstahlzungen für bessere Filmführung. Beides fehlt bei meiner Ranca, wie man am Bild links sieht.
Obwohl es eine Billigversion war, ist die Ranca viel weniger erfolgreich gewesen als ihre teurere Schwester Pupille und daher heute viel seltener anzutreffen. Helmut Nagel berichtet in seinem Buch "Zauber der Kamera" (ISBN 3-421-02516-9) von nur insgesamt 2200 Ranca Kameras im Vergleich zu ca. 5000 Pupillen oder gar 43.000 Vollenda 48, die bei ihrem Erscheinen (Mitte 1931, ab Nagel-Seriennummer 115,xxx) die Ranca abgelöst haben dürfte.
Die drei Nagel 3x4-Schwestern: Pupille, Vollenda 48 und Ranca (46/1) |
Auch wenn die Ranca selbst keine Erfolgsgeschichte wurde, muss man August Nagel und seiner Firma rückblickend für ihre Modellpolitik gratulieren. Die Pupille war als Premiumprodukt angetreten, der Leica im neu entstehenden Kleinbildmarkt Paroli zu bieten. Nagel hat aber schnell erkannt, dass in der Hochpreisnische bei hohen Produktionskosten nicht genug zu holen ist. Für den Massenmarkt, den er auch später stets im Blick hatte, musste was billigeres her: Das war zunächst die Ranca, die sich mit der Pupille viele Einzelteile teilte. Doch Nagel realisierte, dass die Konkurrenz mit kleinen, einfachen Faltbalgenmodellen (z.B. die Korelle) durchaus am Markt Erfolg hatte. Daher wurde die Vollenda 48 entwickelt und letztlich zum Kassenschlager. Ich glaube, sie war die erfolgreichste 3x4-Kamera. Das hinderte Nagel nicht, sondern spornte ihn eher an, den nächsten konsequenten Schritt zu gehen und damit die gesamte 3x4 Konkurrenz abzuhängen, bzw. in die Aufgabe zu zwingen: Die Entwicklung der Retina inklusive der 135er Patrone…
Datenblatt | Kompakte 3x4 Einfachkamera (Rollfilm 127) |
Objektiv | Nagel-Anastigmat 5 cm f/4.5 (Triplett). |
Verschluss | Gauthier Pronto-S (T-B-25-50-100), auch mit Ibsor oder Nagel-Verschluss |
Fokussierung | Manuell per Frontlinsenverstellung, manche Modelle mit Zonenfokus-Bezeichnungen |
Sucher | Aufklappbarer optischer Durchsichtsucher. |
Filmtransport | per Drehknopf von Rolle zu Rolle, gute Planlage durch spezielle Filmführung, Bildzählung mit doppeltem roten Fester. |
sonst. Ausstattung | Drahtauslösergewinde, 3/8‘‘ Stativgewinde |
Maße, Gewicht | ca. 97 x 68 x 65 mm, xxx g |
Baujahr(e) | 1930-1931, ca. 2200 Exemplare, diese #82641 von 1931 |
Kaufpreis, Wert heute | ca. 70 RM (1931), 100-200€ je nach Zustand. |
Links | Camera-wiki, Collection Appareils, Coeln Cameras, |
Bei KniPPsen weiterlesen | Das plötzliche Verschwinden der 3x4 Kameras, August Nagel, Meine 3x4 Sammlung, Pupille, Vollenda 48 (1), Vollenda 48 (2), Nagel Vorkriegsproduktion, Gevaert 127er Rollfilm, Kodak Rollfilm 127, Retina 117 |
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