2025-01-01

Nagel Ranca (46/1)

Mit der Nagel Ranca habe ich eine weitere 3x4 Halbformat-Kamera für den 127er Rollfilm meiner Sammlung hinzugefügt. Es ist schon Nummer 15 und die vierte aus dem Hause Nagel. Die Ranca wurde parallel zur Pupille von Ende 1930 bis irgendwann Mitte/Ende 1931 gebaut und ist bei gleichem Grundgehäuse quasi deren Billigversion. Auch wenn es damals sehr üblich war, Kameras in verschiedenen Ausstattungsvarianten bzgl. Verschluss und Objektiv anzubieten, ging Nagel bei der Vermarktung der beiden Schwestern sehr konsequent vor: Die am besten ausgestattete Ranca war immer noch schlechter bestückt (und billiger) als die schlechteste Pupille. Als Objektiv wurde für die Ranca fast ausschließlich der Nagel-Anastigmat 5 cm f/4.5 verbaut, ein Triplett. Bei den Verschlüssen griff man neben einem hauseigenen Nagel-Einfachverschluss zu Gauthier (Pronto oder Ibsor). 

Die Ranca neben der Pupille, mit der sie das Basis-Gehäuse teilte. 
Der teure doppelte Schneckengang der Pupille wurde bei meiner Ranca durch einen fixen Tubus ersetzt. Damit war sie für den Transport nicht mehr so kompakt wie die Pupille, außerdem konnten nur das einfache Triplett als Objektiv eingesetzt werden, bei dem Frontlinsenfokussierung möglich war. Diese Version wird in Sammlerkreisen heute mit ihrer Nagel-Modellnummer als Ranca 46/1 bezeichnet. Man findet aber auch Rancas mit einfachem Schneckengang (Ranca 46 bzw. 46/0), bei denen wenigstens das Objektiv noch eingefahren werden konnte, die Frontlinsenfokussierung bleibt aber auch hier nötig. Ob diese beiden Ranca-Versionen parallel angeboten wurden, oder die Vereinfachung über die Zeit voranschritt und der Schneckengang irgendwann dem letzten Sparstift zum Opfer fiel, ist leider unbekannt. Daher könnte man meinen, dass die einfachere Variante 46/1 die spätere sein sollte. Eine schnelle Seriennummern-Analyse sagt aber was anderes: Die 46/1-Kameras tragen 8x,xxx Nummern, während meine 46/0- Sichtungen zwischen 96,xxx und 105,xxx lagen. 
Komplett interkompatible Filmführungen von
Ranca (links) und Pupille mit sichtbaren Qualitätsunterschieden.

Wenn auch weitgehend in allen Dimensionen identisch (ich habe es ausprobiert und zwischen Ranca und Pupille getauscht!), hat Nagel auch beim Innenleben soweit es geht gespart. Die Pupille hat ein extra in Nickel gefasstes Bildfenster und Federstahlzungen für bessere Filmführung. Beides fehlt bei meiner Ranca, wie man am Bild links sieht.

Obwohl es eine Billigversion war, ist die Ranca viel weniger erfolgreich gewesen als ihre teurere Schwester Pupille und daher heute viel seltener anzutreffen. Helmut Nagel berichtet in seinem Buch "Zauber der Kamera" (ISBN 3-421-02516-9) von nur insgesamt 2200 Ranca Kameras im Vergleich zu ca. 5000 Pupillen oder gar 43.000 Vollenda 48, die bei ihrem Erscheinen (Mitte 1931, ab Nagel-Seriennummer 115,xxx) die Ranca abgelöst haben dürfte.

Die drei Nagel 3x4-Schwestern: Pupille, Vollenda 48 und Ranca (46/1)
Auch wenn die Ranca selbst keine Erfolgsgeschichte wurde, muss man August Nagel und seiner Firma rückblickend für ihre Modellpolitik gratulieren. Die Pupille war als Premiumprodukt angetreten, der Leica im neu entstehenden Kleinbildmarkt Paroli zu bieten. Nagel hat aber schnell erkannt, dass in der Hochpreisnische bei hohen Produktionskosten nicht genug zu holen ist. Für den Massenmarkt, den er auch später stets im Blick hatte, musste was billigeres her: Das war zunächst die Ranca, die sich mit der Pupille viele Einzelteile teilte. Doch Nagel realisierte, dass die Konkurrenz mit kleinen, einfachen Faltbalgenmodellen (z.B. die Korelle) durchaus am Markt Erfolg hatte. Daher wurde die Vollenda 48 entwickelt und letztlich zum Kassenschlager. Ich glaube, sie war die erfolgreichste 3x4-Kamera. Das hinderte Nagel nicht, sondern spornte ihn eher an, den nächsten konsequenten Schritt zu gehen und damit die gesamte 3x4 Konkurrenz abzuhängen, bzw. in die Aufgabe zu zwingen: Die Entwicklung der Retina inklusive der 135er Patrone


Datenblatt Kompakte 3x4 Einfachkamera (Rollfilm 127)
Objektiv Nagel-Anastigmat 5 cm f/4.5 (Triplett).
Verschluss Gauthier Pronto-S (T-B-25-50-100), auch mit Ibsor oder Nagel-Verschluss
Fokussierung Manuell per Frontlinsenverstellung, manche Modelle mit Zonenfokus-Bezeichnungen
Sucher Aufklappbarer optischer Durchsichtsucher.
Filmtransport per Drehknopf von Rolle zu Rolle, gute Planlage durch spezielle Filmführung, Bildzählung mit doppeltem roten Fester.
sonst. Ausstattung Drahtauslösergewinde, 3/8‘‘ Stativgewinde
Maße, Gewicht ca. 97 x 68 x 62 mm, 294 g
Baujahr(e) 1930-1931, ca. 2200 Exemplare, diese #82641 von 1931
Kaufpreis, Wert heute ca. 70 RM (1931), 100-200€ je nach Zustand.
Links Camera-wikiCollection AppareilsCoeln Cameras
Bei KniPPsen weiterlesen Das plötzliche Verschwinden der 3x4 KamerasAugust Nagel, Meine 3x4 Sammlung, Pupille, Vollenda 48 (1), Vollenda 48 (2),  Nagel VorkriegsproduktionGevaert 127er Rollfilm, Kodak Rollfilm 127, Retina 117

2024-12-25

Weihnachtsfotos auf alten Glasplatten

Diese Schachtel mit alten Glasplatten-Negativen fiel mir auf der Darmstädter Fotobörse vor 4 Wochen  in die Hände und ich habe sie spontan für ein paar Euro gekauft. Das aufgeklebte, handgeschriebene Schildchen mit „Familienphotos bis 1914“ weckte meine Neugier. Ein erster Kontrollblick auf der Börse zeigte einen Stapel gut erhaltener Glasnegative in Cellophanhüllen, drei davon im kleinen Plattenformat 6.5x9 cm, die anderen waren 9x12 cm groß. 

Diese Negative wurden natürlich mit Plattenkameras aufgenommen, wie ich sie hier oder hier schon beschrieben habe. Früher hat man von solchen Glasplatten Kontaktkopien hergestellt, z.B. mit Agfa Lupex Kopierpapier. Ich habe heute natürlich andere Möglichkeiten und die digitalen Abzüge, die ich hier auf der Seite veröffentliche, habe ich mit dem Aufbau links gemacht, mit einfacher Bildbearbeitung ins Positiv verwandelt und in brauchbare Form gebracht. 

Zwei der kleineren Platten zeigen eine Familie unter dem Weihnachtsbaum. Wenn man genau hinschaut, sieht man mindestens zwei Details, die eine zeitliche Einordnung erlauben: Zum einen trägt der mittlere Sohn der Familie ein Hemd mit Reißverschluss (erstmals ab Mitte der 1930er für weite Kreise verfügbar), außerdem weht auf der Ritterburg des Jüngsten eine kleine Hakenkreuzflagge.


Die größeren 9x12 Platten zeigen vermutlich ältere Motive. Nach der Mode zu urteilen, würde ich allerdings nur bei der Frau mit dem Kinderwagen und eventuell bei der Silberhochzeitsgesellschaft (?) von frühem 20. Jahrhundert ausgehen. Die anderen beiden Aufnahmen wirken für mich etwas moderner (evtl. 1920er Jahre?). Aber, urteilt selbst! Ich hoffe, ich trete mit der Veröffentlichung dieser alten Familienaufnahmen niemanden auf die Füße. Wenn jemand die Fotos kennt und mehr dazu erzählen kann, bitte unten kommentieren. Ansonsten: Frohe Weihnachten!


2024-12-17

Rectaflex


Seit langem hier mal wieder ein Spiegelreflex-Meilenstein: Die italienische Rectaflex war die erste in Serie gefertigte SLR mit einem Pentaprisma. Sie kam im Oktober 1948 auf den Markt und hat damit die anderen Teilnehmer des "Rennens" um diese Innovation eindeutig hinter sich gelassen. Dies gilt seit dem akribisch recherchierten Buch von Marco Antonetto (la Reflex Magica) als gesichert. Bedauerlicherweise gibt es immer noch Sammler, die die alte Dresdener Behauptung wiederkäuen, der Contax S gebühre diese Ehre. Auch unter meinem Beitrag zur Contax F gibt es einen solchen unbelehrbaren Kommentar. Eine gute um umfangreiche Zusammenfassung des "Rennens" und Diskussion der zeitlichen Abfolge findet sich hier.
Das Pentaprisma als zentrales Element
der modernen Spiegelreflexkamera.
Ich habe eigentlich nicht mehr damit gerechnet, dass ich eine Rectaflex mal meiner Sammlung hinzufügen kann, ist sie doch im Vergleich zum Beispiel zur Contax S relativ selten anzutreffen und wird daher üblicherweise entsprechend hochpreisig gehandelt. Mir lief sie auf der jährlichen Darmstädter Foto-Börse über den Weg und wegen ihrer ausgeprägten Gebrauchspatina und etwas Verhandlungsgeschicks konnte ich sehr günstig zuschlagen. 

Mein erster Eindruck war: Was für ein Klotz, mit Objektiv fast 1kg schwer, auf Bildern wirkt sie ohne direkten Vergleich kleiner. Außerdem hat sie insgesamt eine sehr hochwertige Anmutung mit einigen State-of-the-Art Features, natürlich bezüglich der späten 1940er Jahre, in mancher Hinsicht wirkt sie sogar rückblickend modern. Das ist insbesondere erstaunlich, wenn man bedenkt, dass ihre Erbauer keinerlei Erfahrungen mit Kameras hatten und sie am Ende die erste und einzige italienische Spiegelreflexkamera bleiben sollte. 

Die Geschichte der Kamera ist sehr interessant und in deutscher oder englischer Sprache noch nicht detailliert im Netz zu lesen. Meine Hauptquelle für diese Kurzzusammenfassung ist die unten angegebene italienische Website, die sich wiederum auf das oben erwähnte Buch beruft. Das Ganze startet im Jahr 1946 als der römische Jurist Telemaco Corsi von der perfekten Kamera träumt und sich für ihn als nebenberuflich leidenschaftlichen Erfinder die Gelegenheit ergibt, seinen Traum auch umzusetzen. Corsi ist eigentlich Geschäftsführer von S.A.R.A. (Studi Atrezzature Realizzazioni Automechanice), einer kleineren Firma bei Rom, die alte Militärfahrzeuge für zivile Zwecke umrüstet. Während des Krieges hatte man unter anderem auch optisches Equipment wie Zielfernrohre in Lizenz montiert. Corsi war nicht Eigentümer, sondern nur angestellter Geschäftsführer von SARA, das zum großen Industriekonzern SNIA Viscosa, einem bedeutenden Kunstseidehersteller, gehörte. Er schaffte es irgendwie seine Chefs und Geldgeber von SNIA zu überzeugen, dass der Bau seiner Traumkamera eine gute Idee und neues Betätigungsfeld seiner Firma werden sollte.
 

Er scharrte also ein paar Techniker und Gleichgesinnte um sich und schaffte es, innerhalb weniger Monate einen noch nicht funktionierenden Prototypen zu konstruieren, der auf der Mailänder Messe im Juni 1947 vorgestellt wurde. Dieser hatte schon einen Rückschwingspiegel, aber das damals verwendete Prisma erzeugte zwar ein aufrichtiges, aber noch seitenverkehrtes Bild. Dies wurde schließlich durch die Verwendung des bis heute üblichen Dachkant-Pentaprismas geändert. Das folgende Jahr nutzte Corsis Team, um die Konstruktion mehr oder weniger fertigzustellen. Auf der Mailänder Messe 1948 konnte man die Besucher mit einer funktionierenden Kamera begeistern, was Corsi nutzte, seine Geldgeber vom Einstieg in die Serienfertigung zu überzeugen. Ab Oktober begann dann die Auslieferung der ersten Exemplare und das "Rennen" war gewonnen. Ich habe keine Ahnung, ob Corsi oder die anderen Teilnehmer überhaupt wussten, dass sie an einem solchen teilnahmen.

Die Kamera hatte natürlich anfangs einige Kinderkrankheiten,  insbesondere mit dem Verschluss. Kein Wunder bei der geringen Erfahrung des Entwicklerteams und der Geschwindigkeit, mit der diese Kamera quasi aus dem Boden gestampft wurde. Die ersten Jahre wurde bei laufender Produktion weitere ständige Verbesserungen implementiert, kurzzeitig gab es daher eine abgespeckte "Junior"-Version ohne Langzeitwerk und nur 1/500s als kürzeste Zeit. Nach fast 5000 ausgelierten Kameras und 4 Jahren hatte man 1952 endlich eine fertige Kamera (die sogenannte Standard 1000), allerdings war die Sache viel teurer geworden als gedacht und die Verkäufe ließen zu wünschen übrig. 



Die Verantwortlichen von SNIA entbanden Corsi von der Gesamtführung der Unternehmung, ließen ihm aber weiter das Entwicklungslabor, wo er schon bald den neuen Standard 1300 entwickelte (z.B. diese Kamera hier, Serien-Nummer ab 25001), der für die folgenden ca. 2 Jahre die produktivste Zeit des Unternehmens (300 Kameras pro Monat bei insgesamt 300 Angestellten) prägen sollte. Für Vertrieb und Marketing wurde Leon Baume angeheuert, dem es schließlich gelang, einen lukrativen Großauftrag für die US-Streitkräfte von insgesamt 30.000 Kameras über 5 Jahre an Land zu ziehen. Das entspräche ca. 500 Exemplare pro Monat, und hatte zur Folge, dass schon die erste Lieferung von 1500 Kameras Verspätung hatte. Die US-Armee stornierte daraufhin die folgenden Bestellungen und bezahlte wohl auch nicht die vereinbarte Summe.
 
Von diesem Schlag sollte sich das Rectaflex-Projekt nicht mehr erholen. Corsi und Baume kamen nicht miteinander klar und Ende 1954 beschloss SNIA Viscosa, die Produktion mit den noch vorhandenen Einzelteilen im Jahr 1955 auslaufen zu lassen. Baume suchte gleichzeitig einen Käufer für das Kameradesign und die Maschinen und fand den Fürsten Franz Josef II. von Lichtenstein, der die Firma schließlich mit seiner eigenen Kameraschmiede Contina zur Rectaflex International verschmolz. Dort in Vaduz sollte dann eine Weiterentwicklung der Standard 1300 mit anders geformten Prismengehäuse (Seriennummer ab 40001) "vom Band laufen". Der Umzug und Implementierung zogen sich dann aber bis 1958 und es wurden letztlich nur 300 Kameras in Lichtenstein produziert. 

So sehr mich die Kamera und ihre Geschichte faszinieren, ich wundere mich nicht über das Scheitern und die Umstände, die dazu geführt haben. Ähnliche Beispiele kenne ich aus Deutschland und habe sie hier im Blog vorgestellt und als 50er-Jahre Start-ups bezeichnet. Es war halt die Nachkriegswunderzeit, alles schien möglich und Träume wurden einfach mal so umgesetzt, der Realitätscheck fiel dann oft schmerzhaft aus, wie hier. Die Qualität und Innovationshöhe der Rectaflex ragt allerdings aus den vielen Startup-Kameras weit heraus und hätte sicher jedem größeren Kamerahersteller als Flagschiff gut zu Gesicht gestanden. So bleibt sie aber Kameraeinzelkind, die jetzt ihren verdienten Platz neben der Kine Exakta und der Contax F in meiner Vitrine findet.

Datenblatt Erste KB-Spiegelreflex mit Pentaprisma 
Objektiv Wechselobjektive mit Rectaflex-Bajonett, hier mit Schneider Xenon 50 mm f/2. Andere Objektive von Angenieux, Bertiot, Zeiss, …
Verschluss Horizontaler Tuchschlitzverschluss, B-1-2-5-10-25-50-100-200-600-1300 1/s. Frühe Versionen der Kamera: ...-100-200-500-1000. Modell Junior nur mit Kurzzeitwerk B-25-50-100-200-500.
Fokussierung Manuell per Schneckengang und Verschiebung des ganzen Objektivs. Fokussierhilfe siehe Sucher...
Sucher Spiegelreflex mit Mattscheibe und Pentaprisma, extra Mischbildentfernungsmesser im Bildzentrum. Rückschwingspiegel (mit Auslöser gekoppelt).
Blitz Zwei Anschlussbuchsen an der Kameravorderseite, einstellbare Verzögerung
Filmtransport Mit Drehknopf auf der rechten Kameraoberseite, gleichzeitiges Spannen des Verschlusses. Bildzählwerk (0-35, vorwärts), Rückspulknopf.
sonst. Ausstattung Stativgewinde 3/8'', ISO-Drahtauslösergewinde, Film/Empfindlichkeits-Merkscheibe.
Maße, Gewicht 148 x 90 x 50 / 82 mm, 708 / 982 g (ohne / mit Objektiv).
Baujahr(e) 1948-1955, ca. 11.000 Exemplare. Diese #28253 von 1953
Kaufpreis, Wert heute 135.000 L (1954) bzw. 295 US$ (1950), heute je nach Zustand, Objektiv und Modell, ca. 300 € bis 1500 €
Links Camera-Wiki, Pentax-SLR.com, Bencinistory (Italienisch), Anleitung (Italienisch), Manual (Englisch), ZeissIkonVEB (Contax S vs. Rectaflex), Mike Eckman, Kleinbildkamera.ch

2024-11-23

Penti I


Über die coole DDR-Taschenhalbformat-Kamera Penti habe ich schon vor fast 3 Jahren hier geschrieben, Damals war es das komplett ausgestattete Modell Penti II mit eingebautem Selen-Belichtungsmesser und Nachführmessung. Es gab aber auch (gebaut von ca. 1961 bis 1966) diese einfachere und ein Drittel günstigere Version Penti I ohne Belichtungsmesser. Da die Gehäuse indentisch sind, kann man beide Versionen leicht verwechseln, es steht aber jeweils "Penti I" oder "Penti II" unterhalb des Objektivs. Interessanterweise kann man auch an der Petnti I die Filmempfindlichkeit einstellen, hier allerdings nur als Merkhilfe.
Dieses Exemplar habe ich neulich auf einem Flohmarkt von der Erstbesitzerin erwerben können. Es hat ein paar Gebrauchsspuren ist aber ansonsten voll funktionsfähig. Die (kunst-)lederne Bereitschaftstasche war auch dabei. Für die ganze Geschichte zur Kamera bitte meinen anderen Beitrag lesen und den Links unten folgen...

Datenblatt kompakte Halbformat-Kamera (18x24mm) für die SL-Kassette
Objektiv Meyer Domiplan 30 mm f/3.5 (Triplet)
Verschluss selbst-spannender Zentralverschluss, B-30-60-125
Belichtungsmessung keine
Fokussierung manuell, keine Scharfstellhilfe, kürzeste Entfernung: 1m
Sucher optischer Durchsichtsucher (hochkant) mit Leuchtrahmen und Parallaxenmarkierung, 
Blitz Anschluss über PC-Buchse an der Kameraoberseite, X-Synchronisation bei allen Zeiten, FP bei 1/30s
Filmtransport mittels Schiebestange (ca. 2.5cm Hub) auf der linken Seite, die beim Auslösen ausfährt und beim Reinschieben den Film von der Filmpatrone in die leere Aufnahmenpatrone schiebt. Keine Rückspulung notwendig. Zählwerk (vorwärts von 1-24), manuelle Rückstellung mit durch Rückwand verborgenem Zahrad.
sonst. Ausstattung Zubehörschuh (kalt), ISO-Drahtauslöser, ¼'' Stativgewinde, M18x0.5 Filtergewinde, Öse für Handschlaufe
Maße, Gewichtca. 109 x 76 x 47 mm, 261g (ohne Film und Leerpatrone)
Batterie keine
Baujahr(e) 1961-1977, ca. 800,000 Exemplare (alle 3 Versionen), davon die meisten von der Penti II. Penti I Produktion wurde angeblich schon 1966 eingestellt, die Kamera war aber noch länger im Verkaufsprogramm. Diese Kamera #429672 von ca. 1966.
Kaufpreis, Wert heute 109 Mark (DDR), plus 16.95 Mark für die Bereitschaftstasche, heute je nach Zustand 5-30 €. Sammler zahlen für die farbigen Varianten auch mehr.
Links Dresdner-Kameras.de, Camera-Wiki, Optiksammlung, Bedienungsanleitung,  Mike Eckman, Zeissikonveb.de, Günter Posch
Bei KniPPsen weiterlesen Penti IIKorelle K, Agfa KaratRapid-Film verwenden, Olympus PEN, Pentacon Electra

2024-11-16

Zeiss Ikon Contessamat SE (10.0654)

Schon vor einigen Jahren habe ich hier Zeiss Ikons Contessa (10.0632) vorgestellt. Hier nun ihre etwas jüngere Schwester Contessamat SE, die nur eine von 16 Varianten von Zeiss Ikons Kleinbild-Sucherkameras im selben Gehäuse war. Sie waren alle in den frühen 1960er Jahren auf den Markt, hießen SymbolicaTenax AutomaticContina, Contessa/mat/ic und unterschieden sich relativ geringfügig in ihrer Ausstattung. Alle hatten ein fest eingebautes Objektiv von Carl Zeiss (entweder ein 4-linsiges Tessar 2.8/50 mm, oder ein einfacheres Triplet mit 45 mm Brennweite: Color Pantar oder Lucinar) und alle einen Zentralverschluss von Gautier (Pronto...) mit mehr oder weniger großem Zeitenbereich und Automatisierungsgrad.   
Die erste Kamera in diesem Gehäuse war die Symbolica II (1959), gefolgt von der Tenax Automatic (1960). Zeiss Ikon hat dann ab 1960 ihre Modellpolitik konsolidiert und zunächst in diesem Gehäuse ihre Contessa (35)-Serie fortgesetzt (alle folgenden Contessa(mat/ic)-Modelle hatten einen eingebauten Belichtungsmesser), dann auch die Contina-Serie als einfachere Einstiegsmodelle (Triplet-Objektiv). Die Contessamat-Modelle hatten eine Trap-needle Blendenautomatik, Modelle mit einem E im Suffix einen eingebauten Entfernungsmesser. Alle Modelle hatten eine PC-Blitzbuchse, bei einigen (wie dieser hier)  erweitert mit einer zweiten Steckverbindung auf der Kameraoberseite, die es erlaubte, kabellos den Ikoblitz 5 anzubringen. Erst die späten Modelle der Serie (ab ca. 1965) hatten dann den normalen Mittenkontakt Im Zubehörschuh ("hot-shoe").  

Bei der Modellvielfalt war Zeiss Ikon in den frühen 1960er Jahren nicht allein. Auch die direkten Konkurrenten hatten entsprechend unzählige Modelle auf Markt, siehe z.B. KodakBraun oder Voigtländer. Interessanterweise hatten diese Kleinbildkameras mehr oder weniger alle dieselben Features. Ab ca. 1965 war der Höhepunkt der Kameraproduktion solcher (KB-Sucher-) Kameras in Deutschland erreicht, ab da ging es nur noch bergab. Dies lag nicht an mangelndem Interesse der Kunden, oder an deren mangelnder Kaufkraft. Nein, der Kameramarkt wurde in mehrerer Hinsicht diverser: Auf der einen Seite kamen aus Japan tolle Kameras für kleineres Geld, aber auch automatisierte Spiegelreflexkameras. Neue Technologien, wie die Verwendung von Kunststoff statt Metall oder Elektronik statt Mechanik taten ihr Übriges. Aber der Niedergang der deutschen Kameraindustrie zum Beginn der 1970er Jahre ist vielleicht mal eine andere Geschichte. Zeiss Ikon hat 1971 mit der Contessa S310 einen letzten Versuch gemacht, dieses Marktsegment zu bedienen.

Datenblatt KB-Messsucherkamera mit Blendenautomatik  
Objektiv Color-Pantar 45 mm f/2.8 (Triplet) mit Frontlinsen-Fokussierung
Verschluss Gauthier Prontormatic 500 (B, 30-500 1/s)
Belichtungsmessung mittels Selenzelle, steuert Blende automatisch nach Zeitvorwahl. Blendenwahl wird im Sucher und in einem Fenster auf der Kameraoberseite angezeigt. Filmempfindlichkeit 11-30 DIN (10 - 800 ASA)
Fokussierung Manuell per Frontlinsen-Verstellung
Sucher Messsucher mit Einspiegelung der gewählen Blende, Leuchtrahmen mit Prallaxenmarkierung.
Blitz PC-Blitzbuchse auf der Oberseite hinter Drehschieber. Möglichkeit zum kabellosen Anschluss des Ikoblitz 5 mit speziellem Fuß.
Filmtransport Schnellschalthebel, Rückspulkurbel auf der Kameraunterseite, Bildzählwerk.
sonst. Ausstattung Zubehörschuh („kalt“), ISO-Drahtauslösergewinde, 1/4‘‘ Stativgewinde, Bildlagemarkierung, keine Gurtösen, dafür optionale Bereitschaftstasche.
Maße, Gewicht 117 x 85 x 73 mm, 552 g
Batterie keine
Baujahr(e) 1963-1966, diese #D74363 von ca. 1964
Kaufpreis, Wert heute 298 DM (1965), ca. 20€
Links Camera-Wiki, Manual (English), Anleitung (Französisch)
Bei KniPPsen weiterlesen
Westdeutsche Nachkriegskameraproduktion, Preisbindung, Geschichte der Belichtungsautomatik, andere automatische KB-Kameras

2024-10-27

Agfa Lupex Fotopapier

Diese alte Schachtel bekam ich die Tage von meiner Mutter geschenkt, die sie selbst als kleines Mädchen am Anfang der 1940er Jahre von ihrer Tante geschenkt bekam. Der Inhalt waren (und sind es immer noch!) selbstgemachte Puzzleteile aus Sperrholz, die meine Großtante selbst bemalt und mit der Laubsäge ausgesägt hatte. 

Der ursprüngliche Inhalt der Schachtel war damals schon lange aufgebraucht - vermutlich von meinem Großonkel, einem Chemie-Ingenieur, der selbst bei der I.G. Farben, allerdings nicht bei deren Abteilung III (Agfa) angestellt war. Das LUPEX war ein relativ gering empfindliches Fotopapier, das dadurch eigentlich nur für Kontaktabzüge zu gebrauchen war, man sprach damals von "Kopierpapier" (nicht mit der heutigen Bedeutung zu verwechseln). Die Schachtel enthielt 100 Blatt im Format 14x20 cm auf dünnem Fotokarton. Mit dem entsprechenden Kopierrahmen konnte man mit einem Blatt gleichzeitig 4 Negative im gängigen Format 6x9 kopieren, die dann alle einen dünnen weißen Rand hatten.
  

Hier die Evolution des Agfa-Logos auf den Fotopapierpackungen im Lauf der Jahrzehnte. Ganz links die Vorkriegsvariante (ca. 1927 bis mindestens 1945), zu erkennen an "I.G. Farben, Berlin SO36", in der Mitte die Nachkriegsvariante (ab 1952: Agfa AG, Leverkusen - Bayerwerk). Rechts ab 1964 bis mindestens in die frühen 1980er Jahre als Agfa-Gevaert. Der Produktionsstandort war immer das Werk in Leverkusen. Wer noch andere Varianten kennt, insbesondere die frühe Nachkriegszeit, bitte melden! 

In einem Agfa Gesamtprospekt aus den 1930er Jahren gibt es einen schönen Abschnitt über Lupex Papiere (ab S. 50), auch interessant zu lesen im Vergleich zu den anderen genannten Alternativen. Zur Abrundung unten noch zwei Seiten aus meinem Photo-Porst-Katalog von 1938, mit Infos und Preisen zum Agfa-Lupex und Abbildungen von Kopier-Zubehör für die Dunkelkammer:

2024-10-09

Plattenkameras 6,5 x 9 aus Photo Porst Katalog 1932 und der "Niedergang der Plattenkamera"

Angeregt durch meinen Beitrag über die Kenngott Supra No.2, eine Laufboden-Plattenkamera für das Format 6.5 x 9, möchte ich hier anhand der Beispiele aus meinem Photo-Porst Katalog von 1932 zeigen, welche Auswahl der Fotoamateur damals noch hatte. Einfach auf eins der Bildchen klicken und die entsprechende Katalogseite öffnen. Wer es lieber am Stück liest, kann sich hier das PDF runterladen, das noch einige Extraseiten u.a. zur Wahl der richtigen Kamera enthält. Viel Spaß!

Die 16 Plattenkameras im Format 6.5x9 aus dem Photo Porst Katalog von 1932. Daneben gibt es dort eine sehr ähnliche Auswahl an 9x12-Modellen (insgesamt 20) sowie ein paar Stereo- sowie Spiegelreflex-Kameras (9x12) für Glasplatten oder Filmpacks.

Ein Klick auf die Bilder öffnet die entsprechende Katalogseite.

Photo Porst Kameraverkäufe 1931
Porst hat im Jahr 1931 31-Tausend Kameras verkauft (und damit 3.45 mio Reichsmark Umsatz gemacht), „nur“ 6500 davon (21%) waren 6.5x9 Modelle. Die allermeisten (44%) waren noch (!) die großen (9x12) Laufboden-Plattenkameras, wie man an der Grafik rechts ablesen kann. Im 1932er Katalog spielten sogenannte Kleinfilm-Kameras (3x4 und 35 mm) schon eine gewisse Rolle (hatte ich schon von berichtet), und rückblickend wissen wir, welche Revolution am Kameramarkt zugange war: Plattenkameras wollten die Kunden ab ca. 1932 nicht mehr kaufen. Der 1935er Porst Katalog, den ich ebenfalls besitze, spricht eine eindeutige Sprache. Leider fehlt darin die entsprechende Statistik, aber 9x12-Kameras werden überhaupt nicht mehr angeboten, nur ein paar Modelle der 6.5 x 9 Klasse halten der alten Fotoplatte noch die Stange. Die Kunden kauften Kleinbild- und Rollfilmkameras, die Filme waren inzwischen so gut und lichtempfindlich geworden, dass es nicht nur billiger und praktischer war, sondern auch qualitativ ebenbürtig zur Plattenkamera wurde. Plattenkameras wurden regelrecht zu Ladenhütern, alleine Agfa hatte 1932 plötzlich 70.000 Plattenkameras auf Lager, die sich nur langsam über die nächsten Jahre verkaufen ließen. Dies betraf die gesamte Branche, diejenigen Hersteller, die nichts anderes anbieten konnten als Platte (sowie Kenngott) gingen pleite. Der Ausverkauf der auf Lager liegenden Plattenkameras dauerte fast 10 Jahre, wie die Seite aus dem Porst-Katalog von 1938 beweist (mehr oder weniger alles zum halben Preis oder weniger im Vergleich zu 1932!):