2012-07-28

Kodak Retina I Fotos

Hier nun drei ausgewählte Fotos, aufgenommen mit meiner 66 Jahre alten Kodak Retina I bei einer Waterraftingtour auf dem Lehigh River in Pennsylvania am letzten Samstag. Die Kamera hatte ich in einen verschließbaren Plastikbeutel gepackt und wenn es die Situation erlaubte ab und zu mal rausgenommen, um Fotos zu machen. Mit einer normalen Digitalkamera hätte ich mich sowas nicht getraut.
Fast alle Fotos auf dem Film sind was geworden, ich bin wirklich zufrieden. Einige sind etwas überbelichtet, andere unscharf oder leicht verwackelt. Was will man erwarten bei der ganzen Schätzometrie bzgl. Entfernung und Beleuchtung. Auf dem unteren Foto sieht man am unteren Rand Fremdlichteinfall, das habe ich auf einigen der Fotos. Woher der kommt, weiß ich nicht genau, vielleicht ist der Balgen doch nicht ganz dicht und je nachdem, wie das Licht fällt...

Dennoch wirken insbesondere die Portraitfotos witziger und natürlicher als moderne Digitalbilder. Vielleicht, weil die abgebildeten Personen die alte Kamera nicht wirklich ernst genommen haben? Ich werde vermutlich doch noch mehr mit der Kamera fotografieren, hat irgendwie was...

2012-07-17

Kodak Retina I

Kodak's Retina, später auch Retina I genannt, ist ohne Zweifel ein Meilenstein der Kamerageschichte. Mit ihr führte Kodak 1934 die bis heute erfolgreichste Konfektionsform für fotografischen Film ein, die Kleinbildpatrone, auch 135er genannt. Auch wenn es nicht ganz richtig ist, wird im Allgemeinen Oskar Barnacks Leica als erste ("Still"-) Kamera für den 35mm Kinofilm angesehen. Frühe Leicas und auch Zeiss' Konkurrenzprodukt Contax nutzten allerdings jeweils spezielle Filmkassetten, die vom Fotografen selbst (in der Dunkelkammer) befüllt werden mussten. Kodak's neue (Wegwerf-) Kassette war so gestaltet, dass sie in beide Systeme passte und natürlich auch in die neue Retina, die aus dem 1931 erworbenem Kamerwerk Dr. Nagel in Stuttgart stammte. Ohne diesen entscheidenden Schachzug von Kodak und viele weitere Kameras, die für die Patrone auch von anderen gebaut wurden, wäre auch das 135er wie viele andere Formate schnell wieder Geschichte geblieben. Hier habe ich mal einen alten Kodachrome eingefädelt:
Kodak Retina, later also called Retina I, is undoubtedly a milestone in camera history. In 1934 Kodak introduced the most successful form of photographic film for still cameras together with this camera: The 135 cartridge for standard 35 mm film. Although it's not 100% correct, Oskar Barnack's Leica is generally considered the first still camera for 35mm motion picture film. Early Leica and Contax cameras each used proprietary cartridges for the film, which had to be loaded by the photographer himself (in the dark room!). Kodak's new (disposable) cartridge was designed in a way that it would fit in both systems as well of course in the new Retina. To compete with the high end German cameras Kodak had acquired "Kamerawerk Dr. Nagel" in Stuttgart in 1931, who then would produce a long series of Retina cameras for the new cartridge. Without this strategic move and also other producers quickly adapting the 135 film, the new format might have gone the way of many other formats we don't know anymore today. The picture below shows an old Kodachrome as an example:
Die Kamera ist ein simples, kompaktes und äußerst solides Meisterstück. Basierend auf dem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts äußerst beliebten Faltkamera-Designs für Rollfimkameras enstand eine Kleinbildkamera, die wohl kompakter kaum sein kann. Eingeklappt passt sie spielend in die Jackentasche, mit 455 g (inklusive Film) ist sie bei sehr ähnlicher Größe nur 5 g schwerer als meine aktuelle Olympus E-PL1 mit dem Lumix 20 f/1.7. Vom ersten Modell 1934 (Typ 117) ausgehend gab es bis 1941 regelmäßige Modellpflege (Typen 126, 141, 148 und 167) und auch entsprechende schwarze Varianten (Typen 118, 119, 143, 149). Während des Krieges wurden statt Kameras in Stuttgart Zeitzünder gebaut. 1946 nahm man mit diesem Typ 010 (schwarz:013) die Produktion der Vorkriegsmodelle 148 und 149 wieder auf. Die Basisfeatures der Retina I blieben stets dieselben, lediglich Kleinigkeiten wie der Auslöser am Gehäuse, Doppelbelichtungssperre etc. kamen während der 11-jährigen Produktionszeit dazu. Alle Modelle wurden  wie damals üblich wahlweise mit verschiedenen Objektiven (Carl Zeiss Tessar, Kodak Ektar, Schneider Xenar, etc.) oder auch Verschlüssen (Compur, Compur-Rapid) angeboten (s.u.).

The camera is a simple, compact and extremely robust masterpiece. Adapting the at the time very popular folding camera design the Retina could have hardly become more compact. Folded it fits easily in any pocket, and with 455 g (including film) it is only 5g heavier than my current Olympus E-PL1 with the Lumix 20 f/1.7 (while at similar size). Starting from the first model in 1934 (Type 117) until 1941 Kodak did regular facelifts (types 126, 141, 148 and 167) and also offered corresponding black variants (types 118, 119, 143, 149). During the war instead of cameras time fuses have been built in the Stuttgart factory. In 1946 the production resumed with this type 010 (black:013), which were essentially the same as the prewar models 148 and 149. The basic features of the Retina I types have always remained the same, only little things like the release button on the body, double exposure lock etc. were introduced during the 11-year production period. All models could be ordered with different lenses (Carl Zeiss Tessar, Kodak Ektar®, Schneider Xenar, etc.) and also shutters (Compur, Compur-Rapid) (see below).

Ich habe meine hier günstig bei ebay erstehen können und war erstaunt, wie gut sie trotz ihres Alters von 62 Jahren noch in Schuss ist. Alles funktioniert noch reibungslos, die Verschlusszeiten habe ich kurz nachgemessen und was soll ich sagen, es passte! 
I got mine cheap from ebay and was amazed about how well it is in shape despite its age of 62 years. Everything still works smoothly. I checked the shutter speeds and what should I say, all fit!

Seite aus meinem Photo Porst Katalog von 1937, abgebildet
ist Typ 141 (98 RM), für 75 RM gibt es Typ 126 mit dem
einfacheren Verschluss
Page from my Photo Porst catalog 1937, displayed
is type 141 (98 RM), for 75 RM type 126 is available
with a simpler shutter
Jetzt ist ein Film in der Kamera und auch die ersten Aufnahmen sind schon gemacht. Man muss sich schon an die archaische Bedienung gewöhnen: Belichtung und Entfernung schätzen und einstellen (oder hiermit undhiermit messen), dann den Verschluss spannen. Ohne gleichzeitig gespannten Verschluss und transportierten Film ist kein Auslösen möglich. Diese Doppelbelichtungssperre kann man aber durch direkte Betätigung des Verschlusses am Objektiv umgehen. Danach Filmtransport durch Drehen am Rädchen, einen Schnellschalthebel zum kombinierten Filmtransport und  Verschlussaufzug gab's erst ab 1951 beim Nachfolgemodell Ia. Immerhin zählt das Bildzählwerk mit und auf der Unterseite der Kamera Kamera gibt es noch einen Tiefenschärfeindex.

I put a film in the camera and the first shots are already made. You need to get used to the archaic operation mode: estimate exposure and distance (or measure it hereby andherewith), then cock the shutter. Without simultaneously having the shutter cocked and the film advanced the shutter release button on top of the camera is blocked. You can trick this double exposure lock by directly releasing the shutter at the lens. After the image is taken advance the film by turning the wheel, a fast advance lever for combined film transport and shutter cocking appeared only from 1951 with successor Retina Ia. At least a frame counter and on the bottom of the camera camera a depth of field index add to the features.
Kodak hat seine Retina-Serie konsequent ausgebaut. Parallel zum Modell I gab es ein entsprechendes Modell II mit eingebautem Entfernungsmesser, nach dem Krieg dann Nachfolgemodelle mit Belichtungsmesser und sogar Wechselobjektiven. Über die Retina Reflex-Modelle, die die Palette nach oben hin abrundeten, habe ich ja schon berichtet.

Kodak expanded its Retina series continuously over time. Parallel to the model I there was a model II with a built-in range finder. After the war follow-up models came on the market with exposure meters and even interchangeable lenses. I've already reported about the Retina Reflex models that rounded the range off upwards.
Eine Anekdote über die Retina I darf auch hier nicht fehlen. Edmund Hillary hat bei der Erstbesteigung des Mount Everest sein berühmtes Gipfelfoto von Tensing Norgay mit einer, damals schon 15 Jahre alten Retina (Typ 118) aufgenommen, die er gebraucht gekauft hatte. Heute steht diese in einem Museum in Neuseeland und ist vermutlich die wertvollste Retina auf dem Sammlermarkt. Von Hillary selbst gibt es kein Foto, angeblich weil Tensing mit der Kamera nicht umgehen konnte (oder auch, weil sie schlicht auf den zur Neige gehenden Sauerstoff achten mussten).

An anecdote about the Retina I should not be missing here. At the first ascent of Mount Everest Edmund Hillary took his famous summit photo of Tenzing Norgay with a black Retina I (Type 118). The camera was at that time already 15 year old and he had bought it second-hand. Today this particular piece is in a museum in New Zealand and is probably the most valuable on Retina on the collectors' market. From Hillary himself there is no photo, allegedly because Tensing could not handle the camera (or just because they simply had to pay attention to the dwindling oxygen).
Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf die Fotos aus meiner und werde natürlich berichten.
Anyway, I'm very excited about the photos of mine and will of course report.

2012-07-10

Verschlusszeiten-Tester


Angeregt durch verschiedene Websites (siehe auch unten) habe ich mir schon vor einiger Zeit einen elektronischen Verschlusszeiten-Tester gebaut. Das Ganze mit der einfachst-möglichen Schaltung (Photodiode, Widerstand und Batterie in Reihe an einen Klinkenstecker) für den Mikrophon-Eingang des Laptops, welches mittels eines Freeware Audioprogramms die Hauptarbeit, sprich die Zeitmessungen erledigt. Wie hätte man sowas früher ohne Computer gemacht?


Wenn man genau hinschaut, kann man aus dem Bild oben die Schaltung nachbauen, die Photodiode stammt wie die meisten anderen Bauteile aus einem Elektronik-Baukasten, in Ermangelung eines einfachen 7kOhm Widerstands habe ich einen entsprechenden Drehpoti eingebaut. Nachdem alles richtig zusammengelötet war, ergab sich als größte Schwierigkeit das Signal zu verstehen, welches das Audioprogramm so schön aufzeichnet. Wie man anhand des Screenshots sehen kann, ist das Signal erstmal nicht eindeutig. Durch Vergleich verschiedener Messungen findet man aber schnell raus, was man am Ende ausmessen muss. Das Programm zeigt auch Millisekunden an, wenn man will. Ich fand es aber einfacher, direkt mit der Anzahl der Samples zu rechnen. Bei einer Abtastrate von 44100 Hz ergibt sich im Beispiel eine Verschlusszeit von 1/58 s (44100/761 ist ungefähr 58), nahe dran an der eingestellten 60stel. Die Feinstruktur der Linie mit derselben Strukturbreite kommt übrigends von der verwendeten LED, die im amerikanischen Netz eben mit 60 Hz "flackert". Wenn man Tageslicht nimmt, ist die Linie flach.


Unten seht ihr als Beispiel zwei Messreihen meiner Kameras als Funktion der Abweichungen vom Sollwert. Zunächst einmal war ich überrascht, wie genau der mechanische Schlitzverschluss meiner 43 Jahre alten Nikon F noch arbeitet. Alle Verschlusszeiten bis zur 250stel weichen weniger als 20% ab, das ist weniger als 1/3 Blendenstufe und wird von allen Filmmaterialien in der Regel so weggesteckt. Die Retina Reflex S ist noch mal fast 10 Jahre älter und hat mit dem Zentralverschluss auch das vermutlich empfindlichere "Organ". Da verwundert es nicht, dass viele Zeiten doch etwas länger sind als angegeben. Was die z.T. erheblichen Überbelichtungen bei den kürzesten Zeiten angeht, habe ich noch meine Zweifel bezüglich der Messmethode. Berichte im Netz sagen, dass eine verbesserte Schaltung mit zwei Photodioden hier korrektere (also kürzere) Ergebnisse liefert. Das werde ich bei Gelegenheit aber mit dem elektronisch gesteuerten Schlitzverschluss meiner Nikon FE2 ausprobieren (wenn ich neue Batterien dafür habe). 

Alles in allem eine wirklich nette Bastelei, auch für ungeübte Elektronik-Laien. Hier noch ein paar Links zu weiteren Anleitungen: Lalo B, Kiev Survival, Baytan, Buonaluce, photo.net, etc...

2012-07-01

Agfa Clack

Die letzte und erfolgreichste (mit fast 1.7 mio Exemplaren) von Agfa's Box Kameras ist nun auch in meiner Sammlung. Sie wurde von 1954 bis 1965 im Agfa Camera-Werk in München gebaut. Auch wenn sie nicht mehr so aussieht wie die Urgroßmutter der 120er-Film 6x9 Box-Kameras, die Kodak Brownie No.2 oder viele andere Nachahmner (hier eine andere Agfa-Box aus meiner Sammlung), fast alle Ausstattungsmerkmale sind Box-typisch (einlinsiges Meniskus-Objektiv, Einfachverschluss mit B und 1/30s, zwei Blendenwerte: ca. f/11 und f/13). Nur der wirklich ordentliche optische Sucher zum direkten Durchschauen gehört eher zu technisch anspruchsvolleren Kameras der Zeit.
   

Über die Kamera ist wirklich schon viel geschrieben worden im Netz, so dass ich mich hier auf die Bilder und ein paar Links beschränke. Der meiner Meinung nach beste Zusammenfassung stammt von Eric Fiss, andere Seiten finden sich im Camera-wiki, in Wikipedia oder auch hier. Meine Kamera ist wohl ein eher frühes Exemplar mit Blechhülle und ohne eingebautem Gelbfilter, wurde mal in Enschede in Holland gekauft und fand irgendwie den Weg in die USA.

Datenblatt Ungewöhnliche Boxkamera (6x9) aus Bakelit
Objektiv Meniskus 95 mm f/11, abblendbar um eine Stufe
Verschluss selbstspannender Boxkamera- ("Guillotinen") Verschluss, ca. 1/30 s (M) und B
Film(format) Rollfilm 120, 6x9 cm
Fokussierung Fixfokus, ab ca. 3m, einschwenkbare "Nah"-Linse für 1.5m bis 3m.
Sucher Einfacher, optischer Durchsichtsucher.
Blitz Synchronkontakte an der Oberseite, Agfa-Blitz Clibo zum Aufstecken als Zubehör.
Filmtransport Drehknopf an der Oberseite, rotes Filmfenster in der Rückwand
sonst. Ausstattung gebogene Rückwand, aufsteckbare Filter (30mm), Stativgewinde, Trageschlaufe
Maße, Gewichtca. 111/100/93, 328 g (ohne Film)
Batterie keine.
Baujahr(e)1954-1965, made in Germany (München)
Kaufpreis, Wert heute19,50 DM (1954), ca. 5 €/US
LinksManual (english), Bedienungsanleitung (deutsch) 

Seiten aus dem Photo Porst "Photohelfer" Katalog von 1956