2020-04-17

Nikkorex 35 Zoom

Mal wieder eine Meilensteinkamera für meine Sammlung, sie stand schon lange auf meiner Will-Haben-Liste. Warum Meilenstein? Sie ist die erste Spiegelreflexkamera mit einem fest eingebauten Zoom-Objektiv, sie ist sogar die erste Kamera überhaupt, für die das gilt. Das interessante ist aber, dass die Nikkorex 35 Zoom schon 1963 in der Anfangszeit der Zoom-Objektive auf den Markt kam und dann relativ schnell wieder verschwand. Es dauerte dann mit einer einzigen Ausnahme fast ein Vierteljahrhundert, bis fest eingebaute Zoomobjektive wieder auftauchten und sich in den 1990er Jahren endgültig am Massenmarkt etablierten. Dazu demnächst hier mehr, erstmal der Reihe nach und zur Kamera und dem Objektiv selbst.

Nippon Kogaku (später Nikon) war in der ersten Hälfte des 20sten Jahrhunderts "lediglich" ein renomierter japanischer Optik- und Objektivhersteller. Mit dem Bau von Kameras hat man erst nach dem zweiten Weltkrieg begonnen und mit der legendären Nikon Messsucherkameraserie einen ernormen Erfolg insbesondere in den USA gehabt. Gekrönt wurde dieser 1959 mit der Nikon F Spiegelreflex, die sich schnell zum Profi-Standard etablierte, auch und wegen der exzellenten Objektive. Spätestens ab dann hatte man auch die deutschen Vorbilder Zeiss und Leitz hinter sich gelassen und spielte ganz oben in der ersten Liga der Kamera- und Objektivhersteller. Nur ein solcher war damals in der Lage und mutig genug, sich an die komplexe Herausforderung Zoom-Objektiv zu wagen. 

Nikon's amerikanischer Distributor Joseph Ehrenreich war wohl maßgeblich daran beiteiligt, Nikon zu überzeugen, auch den Amateurmarkt mit einfacheren (Speigelreflex) Kameras zu versorgen. So entstand ab 1960 die Nikkorex-Serie, wegen mangelnder eigener Produktionskapazitäten bei Mamiya im Lohn gefertigt. Vom Konzept her war die erste Nikkorex 35 nichts besonderes mehr: Fest eigebautes Standardobjektiv, Porro- statt Prismensucher, eigebauter Selenbelichtungsmesser und Zentralverschluss. Sowas kannte man seit der Zeiss Ikon Contaflex und auch von einigen anderen Herstellern. Der Nikkorex Anfang war holprig, schnell kam ein zweites Modell Nikkorex 35/2, bei dem ein paar Kinderkrankheiten ausgemerzt und optische Korrekturen angebracht wurden.  Mit der Nikkorex F bekamen die Amateure 1962 endlich, was sie eigentlich suchten: eine preiswertere Kamera mit Anschluss an Nikon's F-Objektive.


Aber Nippon Kogaku arbeitete seit spätestens 1960 auch an Zoom-Objektiven und eines davon sollte auch in einer Nikkorex 35 Zoom als fest eingebautes Objektiv zum Einsatz kommen, sowas hatte sonst kein anderer Hersteller auf der Welt. Wem außer Nikon hätte man es auch zugetraut? Ihr Objektivdesigner Takahashi Higuchi bekam also auch einen Auftrag für ein Standardzoom, und tatsächlich kündigte man 1961 stolz ein 35-85 f/2.8-4 an und zeigte sogar mindestens einen Prototypen. Allerdings war dieses Objektiv im wahrsten Sinne ein dickes Ding: über 1.1 kg schwer, mit einem Filtergewinde von 82 mm und damit nicht geeignet für den Einbau in die Nikkorex. Außerdem war es für den Zweck zu teuer und hatte darüberhinaus keine konstante Öffnung über den Brennweitenbereich. Das ist blöd, wenn man keine TTL-Messung hat.  

Und so musste Higuchi-San mit seinem Team nochmal ran und ein Objektiv konstruieren, das einfacher, billiger und kleiner war und außerdem eine konstante Öffnung hatte. Die Anfangs- und Endbrennweite wurden dem untergeordnet und so kam damals als bester zu realisierender Kompromiss eben dieses seltsame 43-86 mm f/3.5 heraus. Interessanterweise kam dann auch das Objektiv mit dem F-Bajonett mit der selben optischen Konstruktion auf den Markt und wurde trotz seiner relativ bescheidenen optischen Qualitäten ein Longseller für Nikon. Vom frühen 35-85 war erstmal keine Rede mehr und die Nikon Gemeinde musste sogar bis 1977 auf das Nikkor 35-70 f/3.5 Standardzoom warten.



Die Nikkorex 35 Zoom wurde dann ab Frühjahr 1963 hauptsächlich in den USA vermarktet, ob es tatsächlich Versuche auf dem deutschen oder europäischen Markt gab, bleibt unklar. Angeblich hatte die Fa. Varimex (Frankfurt) sie unter dem Namen Nikkor 35 Zoom im Programm, davon findet sich aber heute kein Bild oder sonstige Hinweise im Netz.  Sie war mit 1246 g ein ganz schöner Klotz und mit knapp unter 250 US$ auch nicht gerade billig. Insgesamt wurden deshalb wohl nur ca. 15.000 Exemplare produziert und schon in der offiziellen US-Preisliste vom September 1965 finden sich keine Spuren mehr von ihr. Da war mit der Nikkormat FT endlich die eigentliche Amateurkamera für die tollen F-Objektive am Markt und Nikon beendete das Nikkorex-Kapitel. Das Zoom allerdings wurde als F-Objektiv ein Longseller für Nikon, fast eine Viertelmillion davon wurden in 4 Versionen verkauft. Das kurze Leben der Kamera am Markt hat sicher dazu beigetragen, dass es erstmal keine Nachahmer gab und der Meilenstein als allererste ZLR (Zoom Lens Reflex, ein Begriff von Olympus aus den 1990ern) nicht wirklich Beachtung fand. Doch dazu in Kürze mehr...  

Datenblatt Erste Kamera mit fest eingebautem Zoomobjektiv 
Objektiv Zoom-Nikkor 43-86 mm f/3.5 (9 Linsen in 7 Gruppen)
Verschluss Seikosha SLV Zentralverschluss (B-1-2-4-8-15-30-60-125-250-500)
Belichtungsmessung Selenzelle, Nachführmessung, gekoppelt. Zeiger auf Kameraoberseite und im Sucher (ASA 10-1600)
Fokussierung Manuell, Spiegelreflex mit Fresnellinse und Schnittbildindikator.
Sucher Porroprismensucher, eingespiegelte Anzeige des Belichtungsmessers
Blitz Buchse, umschaltbar M/X
Filmtransport Schnellschalthebel, Rückspulkurbel, Bildzählwerk (aufwärtszählend).
sonst. Ausstattung Zubehörschuh, 2x Stativgewinde ¼ '', ISO-Drahtauslöser, Filtergewinde 52mm
Maße, Gewicht 138x99x123 mm, 1246 g
Batterie keine
Baujahr(e) 1963-1965, ca. 15000 Exemplare, diese #278354 von 1964
Kaufpreis, Wert heute ca. 240 $US (1963), 100-200€ je nach Zustand.
Links Nikon's history pagesCamera-wiki.org, Nico van Dijk, Manual (Nikkorex 35/2), US Anzeige, Peter Lausch, Wikipedia


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