2022-06-26

Deutsche Objektivproduktion 1925 bis 1942 in Zahlen

Objektivproduktion (Anzahl) der führenden 7 deutschen Produzenten für hochwertige Optik im Zeitraum von 1925 bis 1942. Daten abgeleitet von Seriennummersequenzen.

Die obige Grafik und die dazugehörige Excel-Tabelle schlummert schon länger auf meinem Computer, sind diese Daten doch ein Nebenprodukt meiner Recherchen zu Seriennummern. Sie finden sich in anderer Form in meinem kleinen Altersbestimmungswerkzeug hier links oben am Rand. Ich habe mich bisher gescheut, sie so zu veröffentlichen, weil die Datenbasis nicht komplett ist. 

Die gezeigten führenden 7 deutschen Objektivhersteller repräsentieren zwar den Großteil der höherwertigen Objektivproduktion im betrachteten Zeitraum. Für ein komplettes Bild fehlen aber mindestens die Firmen E. Ludwig, ENNA, Staeble und C. Friedrich (für die Jahre vor 1925 und nach 1945 wären noch viel mehr Hersteller zu betrachten). Bis jetzt ist es mir aber nicht gelungen mehr Details über diese kleineren Produktionen zusammen zu bekommen. Ich schätze ihren Beitrag zur Gesamtproduktion im obigen Zeitraum auf ca. 1 - 1.5 Millionen Objektive. Unter den Balken oben verbergen sich zum Vergleich 8.5 Millionen. 

Was außerdem fehlt ist Deutschland's größter Kamerahersteller: Das Agfa-Kamerawerk in München, welches inklusive der Vorgängerfirma Rietzschel bis zum 2. Weltkrieg ca. 7 Millionen Kameras mit eigenen Objektiven produziert und verkauft hat. In dieser Zahl sind zum großen Teil einfachste Boxkameras enthalten. Auch von anderen Herstellern gab es solche aus deutscher Produktion. Deren Objektive sind meist nicht extra nummeriert und entziehen sich somit einer getrennten Analyse.

Trotzdem kann man an dieser Stelle mal alles zusammensetzen und kommt größenordnungsmäßig auf ca. 20 Millionen Kameras bzw. Objektive aus Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Verteilung dieser 20 Mio folgt dem Muster der obigen Grafik: ca. 1/4 (5 mio) in den ersten 30 Jahren mit stetigem Wachstum der Industrie, inkl. ein paar schwierigen Jahren im 1. Weltkrieg. Dann die Weltwirtschaftskrise mit dem großen Einbruch im deutschen Krisenjahr 1932. In den späten 1920er Jahren    passiert zusätzlich einiges in der Fotoindustrie, was den Grundstein für den phänomenalen Kameraboom ab 1933 (3/4, also ca. 15 mio in nur 9 Jahren) legt: 1) die wirtschaftliche Konsolidierung, Zeiss Ikon geht aus einigen kleinen und angeschlagenen ehemaligen Konkurrenten hervor, Agfa etabliert sich als DER deutsche Filmhersteller und kauft Rietzschel, Kodak kauft Nagel; 2) Rollfilme werden technisch so gut, dass die bisher marktbeherrschenden Plattenkameras ab 1930 zu Ladenhütern werden, Leitz zeigt der Welt wie Hightech Kleinbild geht; 3) in vielen Fotofirmen kommt eine innovative Generation junger Ingenieure ans Ruder und löst die Gründergeneration aus den 1890ern ab. Sie erfinden und trauen sich an neue Dinge, z.B. Kleinbildkameras, Bakelit, oder billige Boxen für die Jugend. Der Boom der 1930er kommt ja bekanntlich wegen des von Deutschland ausgehenden Weltkriegs zu einem jähen Ende. Fast die gesamte Produktion wird ab 1941 Kriegsgüter herstellen, die Innovationen der 1930er (Farbfilm, Vergütung, Blitz, etc.) werden dann zu einem zweiten, noch größeren Boom in den 1950ern führen, aber das ist eine andere Geschichte…

2022-06-19

Kodak (Nagel) Vorkriegsproduktion in Zahlen

Mein Interesse für Produktionszahlen von Kameras (und deren Entwicklung) ist hier im Blog schon hinlänglich bekannt. Nun habe ich mich mal drangemacht und die Kameraproduktion des Kamerawerkes Nagel (ab 1932 Kodak AG Deutschland) in Stuttgart aufzuarbeiten. Gestützt habe ich mich im Wesentlichen auf Daten aus dem Buch "Zauber der Kamera" von Helmut Nagel (ISBN 3-421-02516-9). Helmut Nagel ist der Sohn des Firmengründers August Nagel und war selbst lange Jahre Chef von Kodak Deutschland. Ich gehe also mal davon aus, dass seine Daten zu Produktionszahlen, Produktionszeitraum  und Verkaufspreisen stimmen. Was ich dazu gedichtet habe, sind zwei Dinge: 1) habe ich für jedes der 52 Vorkriegsmodelle eine wahrscheinliche Verteilung der Produktionsmenge über den angegebenen Zeitraum angenommen; 2) Viele Kameras wurden in unterschiedlichen Ausstattungsvarianten (Objektiv, Verschluss) zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Hier habe ich für die Umsatzverteilung einen mittleren Preis (niedrigster+höchster Preis geteilt durch zwei) angenommen.
Umsätze (geschätzt, in Tausend RM) mit Kameras (ohne Film etc.)
bei Kodak Deutschland vor dem 2. Weltkrieg 

Was man an den beiden Grafiken hier sieht, ist einerseits ein Spiegel der Entwicklung der gesamten Kameraindustrie in Deutschland. Man erkennt die beiden Einbrüche in der Produktion, 1932 als Folge der Weltwirtschaftskrise und 1940/1941 nach Ausbruch des Weltkriegs. Im Zeitraum von 1942 bis 1946 wurden in Deutschland so gut wie keine Kameras mehr produziert. Auf die kurze Blüte der 3x4-Kameras (127er Film) im Jahr 1931 bin ich hier schon eingegangen
Auf der anderen Seite war das Kodak Nagelwerk eben nicht typisch und ein Innovationstreiber für die Industrie. Man startet im Jahr 1928 quasi auf dem Zenit der Plattenkameraproduktion in Deutschland (siehe einen typischen Vertreter hier) und produziert selbst nur wenige Modelle. Aber schon 1930 zeichnete sich ab, dass diese umständlichen Kästen zu Ladenhütern würden und die Kundschaft kompaktere Film-Modelle wünschte. Nach dem ersten gescheiterten Kleinfilm-Versuch (3x4) brachte Kodak im Jahr 1934 die Retina und die universelle 135er Patrone und trieb damit die ganze Branche vor sich her. Die hier in den Jahren gezeigten Kleinbild-Umsätze hatte außer Leitz (Schraubleicas) kein anderer Kamerahersteller vor dem Krieg.
Vorkriegs-Kameraproduktion bei Kodak (Nagelwerk) in Deutschland (Stückzahl)

Das zahlen- und umsatzmäßig wichtigste Kodak-Modell war aber die 6x9-Klappbalgenkamera "Junior 620". Insgesamt 581.000 Exemplare für nur 32,25 RM verließen in den Jahren 1933 bis 1939 das Werk. (Ich kann mir gut vorstellen, dass man an der Kamera selbst nicht viel verdient hat, sondern die Margen am Ende mit den Film-Verkäufen realisiert hat). Sogar die noch viel preiswerteren 3 Stuttgarter Box-Modelle (ab 5 RM) kommen zahlenmäßig da nicht ran. Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass das Stuttgarter Nagelwerk Kodak's High-end Produktionsstätte war. Preiswerte Kodak-Boxen wurden millionenfach von anderen Kodak Standorten produziert (z.B. in UK und USA) und in alle Welt verkauft. 

Das hier soll erst ein Anfang sein. Zum einen plane ich noch einen zweiten Kodak Teil mit der Nachkriegsproduktion (ebenfalls aus Helmut Nagels Buch). Zum anderen sind diese Zahlen und Grafiken ja ganz nett, gewinnen aber erst dann wirklich an Wert, wenn man sie in die richtige Perspektive setzt. Sprich: Der gesamte Kameramarkt, bzw. wichtige Konkurrenten sollten ähnlich betrachtet werden. Rudimentäre Ansätze für Agfa und Co. habe ich schon, aber noch lange nichts so detailliertes wie das hier. Am weitesten gediehen ist schon eine Analyse der Vorkriegs-Objektivproduktion. Für jeglichen Input, Fragen und Kritik bin ich dankbar (Kommentare unten, bzw. e-mail an knippsen (at) icloud (punkt) com).