Mein Interesse für Produktionszahlen von Kameras (und deren Entwicklung) ist hier im Blog schon hinlänglich bekannt. Nun habe ich mich mal drangemacht und die Kameraproduktion des Kamerawerkes Nagel (ab 1932 Kodak AG Deutschland) in Stuttgart aufzuarbeiten. Gestützt habe ich mich im Wesentlichen auf Daten aus dem Buch "Zauber der Kamera" von Helmut Nagel (ISBN 3-421-02516-9). Helmut Nagel ist der Sohn des Firmengründers August Nagel und war selbst lange Jahre Chef von Kodak Deutschland. Ich gehe also mal davon aus, dass seine Daten zu Produktionszahlen, Produktionszeitraum und Verkaufspreisen stimmen. Was ich dazu gedichtet habe, sind zwei Dinge: 1) habe ich für jedes der 52 Vorkriegsmodelle eine wahrscheinliche Verteilung der Produktionsmenge über den angegebenen Zeitraum angenommen; 2) Viele Kameras wurden in unterschiedlichen Ausstattungsvarianten (Objektiv, Verschluss) zu unterschiedlichen Preisen angeboten. Hier habe ich für die Umsatzverteilung einen mittleren Preis (niedrigster+höchster Preis geteilt durch zwei) angenommen.
Umsätze (geschätzt, in Tausend RM) mit Kameras (ohne Film etc.) bei Kodak Deutschland vor dem 2. Weltkrieg |
Was man an den beiden Grafiken hier sieht, ist einerseits ein Spiegel der Entwicklung der gesamten Kameraindustrie in Deutschland. Man erkennt die beiden Einbrüche in der Produktion, 1932 als Folge der Weltwirtschaftskrise und 1940/1941 nach Ausbruch des Weltkriegs. Im Zeitraum von 1942 bis 1946 wurden in Deutschland so gut wie keine Kameras mehr produziert. Auf die kurze Blüte der 3x4-Kameras (127er Film) im Jahr 1931 bin ich hier schon eingegangen.
Auf der anderen Seite war das Kodak Nagelwerk eben nicht typisch und ein Innovationstreiber für die Industrie. Man startet im Jahr 1928 quasi auf dem Zenit der Plattenkameraproduktion in Deutschland (siehe einen typischen Vertreter hier) und produziert selbst nur wenige Modelle. Aber schon 1930 zeichnete sich ab, dass diese umständlichen Kästen zu Ladenhütern würden und die Kundschaft kompaktere Film-Modelle wünschte. Nach dem ersten gescheiterten Kleinfilm-Versuch (3x4) brachte Kodak im Jahr 1934 die Retina und die universelle 135er Patrone und trieb damit die ganze Branche vor sich her. Die hier in den Jahren gezeigten Kleinbild-Umsätze hatte außer Leitz (Schraubleicas) kein anderer Kamerahersteller vor dem Krieg.
Vorkriegs-Kameraproduktion bei Kodak (Nagelwerk) in Deutschland (Stückzahl) |
Das zahlen- und umsatzmäßig wichtigste Kodak-Modell war aber die 6x9-Klappbalgenkamera "Junior 620". Insgesamt 581.000 Exemplare für nur 32,25 RM verließen in den Jahren 1933 bis 1939 das Werk. (Ich kann mir gut vorstellen, dass man an der Kamera selbst nicht viel verdient hat, sondern die Margen am Ende mit den Film-Verkäufen realisiert hat). Sogar die noch viel preiswerteren 3 Stuttgarter Box-Modelle (ab 5 RM) kommen zahlenmäßig da nicht ran. Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass das Stuttgarter Nagelwerk Kodak's High-end Produktionsstätte war. Preiswerte Kodak-Boxen wurden millionenfach von anderen Kodak Standorten produziert (z.B. in UK und USA) und in alle Welt verkauft.
Das hier soll erst ein Anfang sein. Zum einen plane ich noch einen zweiten Kodak Teil mit der Nachkriegsproduktion (ebenfalls aus Helmut Nagels Buch). Zum anderen sind diese Zahlen und Grafiken ja ganz nett, gewinnen aber erst dann wirklich an Wert, wenn man sie in die richtige Perspektive setzt. Sprich: Der gesamte Kameramarkt, bzw. wichtige Konkurrenten sollten ähnlich betrachtet werden. Rudimentäre Ansätze für Agfa und Co. habe ich schon, aber noch lange nichts so detailliertes wie das hier. Am weitesten gediehen ist schon eine Analyse der Vorkriegs-Objektivproduktion. Für jeglichen Input, Fragen und Kritik bin ich dankbar (Kommentare unten, bzw. e-mail an knippsen (at) icloud (punkt) com).
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