Die Geschichte der Iloca Electric geht bekanntlich mit der Agfa Selecta-m weiter. Das Agfa Kamerawerk in München hatte aus der Iloca Konkursmasse den fertig entwickelten Prototypen Auto-Electric und vermutlich viele Werkzeuge und Bauteile übernommen. Die gelegentlich zu findende Behauptung, Agfa hätte die ganze Firma Iloca übernommen und die Kamera in Hamburg weiter produziert, ist sicher falsch (auch wenn vermutlich einige Iloca Techniker nach München umgezogen sind). Agfa hat den Prototypen überarbeitet und ans damalige Agfa Design angepasst. Ich war natürlich neugierig und wollte wissen: Wieviel Iloca Electric steckt noch in der Selecta-m? Daher musste ein Exemplar her und sich dem direkten Vergleich stellen:
Und man findet tatsächlich sehr viele Gemeinsamkeiten. Das Spritzguss-Gehäuse mit dem Filmhandling, die Elektrik (Filmtransportmotor und Batteriefach, etc.) sind quasi identisch, genauso die Rückwand und Bodenplatte, letztere mit kleinen Abweichungen. Das fest eingebaute Objektiv, der Automatikverschluss sowie die Anordnung von Sucher und Belichtungsmesser sind natürlich anders als bei der ursprünglichen Iloca Electric, entsprechen aber dem Auto-Electric Prototypen. Sogar die Zulieferer der Komponenten blieben wohl dieselben: Das 45 mm f/2.8 Iloca-Ysarex wurde lediglich in Color-Solinar-R („R“ für Rodenstock) umgelabelt. Auch blieb es beim Compur-Automat Verschluss von Deckel, wohingegen die nicht-motorisierte Schwester Agfa Selecta einen Prontor-matic P Verschluss von Gauthier hatte.
Agfa Optima und Selecta-m im Design und Größenvergleich |
Die Agfa Formensprache bekam die Selecta-m durch folgende vergleichsweise funktionsfreien Änderungen: Die Gehäusekappe aus verchromten Blech wurde ca. 7 mm höher als sie eigentlich hätte sein müssen. Dafür wird diese nach obenhin schlanker und gibt der Kamera zusammen mit dem charakteristischen Auslöseschieber (statt Knopf) und dem geriffelten Fokusring das typische Agfa-Aussehen der Zeit. Der direkte Vergleich mit der Agfa Optima auf dem Bild hier links zeigt das sehr schön, offenbart aber auch, welch ein Klotz die Motorkamera ist. Obwohl die Selecta-m nach wie vor eine Messsucherkamera war (die einfache Selecta war nur eine Sucherkamera!), bekam sie Zonenfokus-Symbole. Auch die farblich markierten Verschlusszeiten (Vorwahl für die Blendenautomatik) passen ins Agfa-Schema.
Mit stolzen 598 DM war die Selecta-m 1962 mehr als doppelt so teuer wie ihre kleine Schwester Selecta (278 DM), mit der sie die Blendenautomatik und die sonstige Anmutung gemein hat. Ob allerdings der motorische Filmtransport, der Messsucher sowie das etwas bessere Objektiv diesen Preisunterschied rechtfertigen, kann im Rückblick bezweifelt werden. Allerdings hatten beide Kameras mit ihrer selektiven Automatik (daher der Name) nicht den Markterfolg, den Agfa von der Vollautomatik Optima gewohnt war. Diese verkaufte sich millionenfach (in nur drei Jahren) und verdiente das Geld, das Agfa in solche Experimente wie motorischen Filmtransport steckte. Agfa bewies einen relativ langen Atem und produzierte die Selecta-m noch bis ca. 1965. Damit dürfte sie deutlich häufiger zu finden sein als die Iloca Electric, ich schätze mal so 20,000 Exemplare, und ist trotzdem eine der seltensten Agfa-Nachkriegskameras. Aber Agfa (und andere) merkten auch, dass die Zeit (und die Technik) für eingebauten motorischen Filmtransport noch nicht reif war. Die kam erst 20 Jahre später zusammen mit Plastik und Elektronik.
Mein Exemplar sieht zwar äußerlich klasse aus, ist aber leider ein Totalschaden. Weder lässt sich die Elektrik und der Motor zu irgendeinem Zucken bewegen, noch der Verschluss auslösen oder irgendetwas daran einstellen. Ich hab sie natürlich aufgeschraubt und dabei Zeichen eines früheren erfolglosen Reparaturversuchs entdeckt. Ich fürchte, dass die allermeisten dieser Kameras in einem ähnlichen Zustand sind. Wer eine funktionierende besitzt, mag sich gerne bei mir mit einem kurzen Video (mit Ton) vom Auslösen und Filmtransport melden. Ich würde das gerne hier zeigen…
Datenblatt | Motorisierte KB-Messsucherkamera mit Blendenautomatik |
Objektiv | Color-Solinar-R 45 mm f/2.8 (4 Linsen, Tessar Typ, gebaut von Rodenstock) |
Verschluss | Compur-Automat Zentralverschluss, B-30-60-125-250-500, automatische Blendensteuerung durch Selenzelle. |
Belichtungsmessung | mit Selenzelle, Filmempfindlichkeit 12-1600 ASA, 11-33 DIN. |
Fokussierung | manuell durch Frontlinsenverstellung. Zonensymbole, Gekuppelter Messsucher, kürzeste Entfernung 1m. |
Sucher | gekuppelter Messsucher mit Parallaxenkorrektur, rotes und grünes Fähnchen als Signale für falsche und richtige Belichtung. |
Blitz | per PC-Buchse, 1/30s Synchronzeit. |
Filmtransport | motorisch mit 3V Elektromotor, ca. 2 Bilder in 3s. |
sonst. Ausstattung | Zubehörschuh (kalt), ISO-Drahtauslösergewinde, Stativgewinde 1/4‘‘ |
Maße, Gewicht | ca. 125x100x68 mm, 842 g (ohne Batterien und Film) |
Batterie | 2xAA für den motorischen Filmtransport |
Baujahr(e) | 1962-1965. Seriennummerbereich HAxxxx bis HBxxxx, ca. 20,000 Exemplare. |
Kaufpreis, Wert heute | 598 DM (1962), ca. 50-100€, mit funktionierendem Motor auch deutlich mehr. |
Links | Camera-Wiki, Deutsches Museum Digital, Udo Spickmann, Bleckedermoor.de, Anleitung |
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