Vor genau 50 Jahren, im März 1968 begann die Produktion dieses unscheinbaren Meilensteins des Kamerabaus. Von außen sieht die PL electronic fast genauso aus wie ihre Schwester PL Nova I, im Boden versteckt sich die Innovation: Der erste elektronisch gesteuerte Schlitzverschluss in einer kommerziellen Kamera, bestehend aus einem Elektromagneten als Sperrklinke für den zweiten Verschlussvorhang, einer Platine als variable Verzögerungsschaltung (adieu Räderhemmwerk) und natürlich der dafür unverzichtbaren Batterie.
Die Ingenieure vom VEB Pentacon in Dresden (namentlich Hubertus Reimann, Siegfried Müller und Fritz Lindner) waren mit ihrer Erfindung (Patent DD44166) schneller am Markt als ihre westdeutschen Konkurrenten von Zeiss Ikon mit der Contarex SE "electronic". Diese wird oft als die weltweit erste bezeichnet, wurde schon für 1967 angekündigt, war aber erst ab Herbst 1968 erhältlich. Auch in Japan arbeitete man zu der Zeit wohl schon an dem Thema, als erste Kamera dort mit einem solchen Verschluss kann wohl die Yashica TL electro X von 1969 gelten.
Man sollte allerdings erwähnen, dass das Thema irgendwo in der Luft lag. Die Entwicklung der Elektronik machte überall Riesenfortschritte, die entsprechenden Bauelemente (insbesondere Transistoren) waren endlich erhältlich. Ende der 1950er kamen die ersten Transistorradios auf den Markt, und die eigentliche Erfindung (DE1095107, das elektronische Hemmwerk) wurde schon 1956 von Paul Fahlenberg gemacht, der zu dieser Zeit für das Compur-Werk Friedrich Deckel in München arbeitete. Die Firma gehörte damals zum Zeiss Konzern, realisierte einen solchen Verschluss aber erstmal nicht, bzw. dann erst in der Contarex SE. Die Herren Reimann et al. haben sich vermutlich die eine oder andere Inspiration davon geholt, und ein paar Ausführungspatente in der DDR selbst angemeldet. VEB Pentacon war angeblich vergeblich mit Compur in Verhandlungen, hatte aber wegen der deutschen Teilung wenig Skrupel die Technik trotzdem zumindestens für den ostdeutschen Markt einzusetzen.
Beide oben erwähnten Patente deuten die Möglichkeit zur automatische Belichtungssteuerung durch die Verwendung eines Photowiderstands an, später auch als Zeitautomatik realisiert. Allerdings besitzt die Praktica PL Electronic keinen Belichtungsmesser und man kann sie daher eher als Pilotstudie nur für den Verschluss betrachten. Mit dem Drehrad um die Rückspulkurbel wird lediglich der entsprechende Widerstand eingestellt, der die Oszillation zwischen Kondensator und Spule stärker oder schwächer dämpft. Allerdings ist der enorme Zeitenbereich von 30 bis zu 1/500 Sekunden bis dahin von keinem anderen (einzelnen) mechanischen Hemmwerk erzeugt worden. Auch dürfte die Genauigkeit der elektronisch gesteuerten Zeiten prinzipiell höher als die der mechanischen gebildeten gewesen sein.
Dennoch muss festgehalten werden, dass für den Fotografen diese Innovation erstmal keinen wirklichen Vorteil brachte. Mit einer PL electronic kann man bestenfalls genausogut oder schlecht fotografieren wie mit einer PL Nova. Im schlechten Fall ist allerdings die Batterie leer, was bei dieser Praktica hier wohl wegen des hohen Stromverbrauch recht schnell der Fall war. Daher wurde die Produktion nach nur ca. 3400 Exemplaren wieder eingestellt. Die elektronische Steuerung eines Verschlusses gab es von Pentacon erst wieder ab 1977 mit der Praktica EE2, einem Zeitautomaten.
Aber die Kameraindustrie war 1968 natürlich aufgewacht und erkannte den Wert der Erfindung recht schnell. Elektronische Verschlüsse sind viel simpler aufgebaut und billiger zu bauen als komplizierte Räderhemmwerke, dazu genauer und sie erlauben die einfache Integration in eine Belichtungsautomatik. So verwundert es nicht, dass ab 1969 von fast jedem renomiertem Kamerahersteller "Elektronik"-Kameras auf den Markt gebracht wurden, die meisten hatten ein E im Namen (z.B. Pentax ES 1971, Nikkormat EL 1972, Minolta XE 1974). Besonders die frühen elektronischen Kameras hatten nicht immer den besten Ruf und die Hersteller behielten zunächst ihre mechanischen Baureihen im Angebot. Canon war mit der AE1 1976 der erste, der konsequent auf Elektronik und moderne Produktionsverfahren setzte und damit den Markt aufrollte. Aber diese Geschichte kann man hier nachlesen.
Schaltplan der Elektronik aus dem Patent DD44166. Die
realisierte Schaltung der Kamera ist einfacher (kein
Photowiderstand, nur 2 Transistoren).
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Beide oben erwähnten Patente deuten die Möglichkeit zur automatische Belichtungssteuerung durch die Verwendung eines Photowiderstands an, später auch als Zeitautomatik realisiert. Allerdings besitzt die Praktica PL Electronic keinen Belichtungsmesser und man kann sie daher eher als Pilotstudie nur für den Verschluss betrachten. Mit dem Drehrad um die Rückspulkurbel wird lediglich der entsprechende Widerstand eingestellt, der die Oszillation zwischen Kondensator und Spule stärker oder schwächer dämpft. Allerdings ist der enorme Zeitenbereich von 30 bis zu 1/500 Sekunden bis dahin von keinem anderen (einzelnen) mechanischen Hemmwerk erzeugt worden. Auch dürfte die Genauigkeit der elektronisch gesteuerten Zeiten prinzipiell höher als die der mechanischen gebildeten gewesen sein.
Dennoch muss festgehalten werden, dass für den Fotografen diese Innovation erstmal keinen wirklichen Vorteil brachte. Mit einer PL electronic kann man bestenfalls genausogut oder schlecht fotografieren wie mit einer PL Nova. Im schlechten Fall ist allerdings die Batterie leer, was bei dieser Praktica hier wohl wegen des hohen Stromverbrauch recht schnell der Fall war. Daher wurde die Produktion nach nur ca. 3400 Exemplaren wieder eingestellt. Die elektronische Steuerung eines Verschlusses gab es von Pentacon erst wieder ab 1977 mit der Praktica EE2, einem Zeitautomaten.
Aber die Kameraindustrie war 1968 natürlich aufgewacht und erkannte den Wert der Erfindung recht schnell. Elektronische Verschlüsse sind viel simpler aufgebaut und billiger zu bauen als komplizierte Räderhemmwerke, dazu genauer und sie erlauben die einfache Integration in eine Belichtungsautomatik. So verwundert es nicht, dass ab 1969 von fast jedem renomiertem Kamerahersteller "Elektronik"-Kameras auf den Markt gebracht wurden, die meisten hatten ein E im Namen (z.B. Pentax ES 1971, Nikkormat EL 1972, Minolta XE 1974). Besonders die frühen elektronischen Kameras hatten nicht immer den besten Ruf und die Hersteller behielten zunächst ihre mechanischen Baureihen im Angebot. Canon war mit der AE1 1976 der erste, der konsequent auf Elektronik und moderne Produktionsverfahren setzte und damit den Markt aufrollte. Aber diese Geschichte kann man hier nachlesen.
Die Praktica PL electronic ist mit nur 3400 Stück ziemlich selten und als Meilenstein entsprechend bei Sammlern gefragt. Ich hatte Glück bei einer Auktion und mein Exemplar hat die außergewöhnliche Seriennummer 500005. Meine Vermutung ist, dass die Nummerierung des Modells bei 500001 startete, jedenfalls habe ich bisher keine Fotos mit Nummern unter dieser Zahl gesehen. Sie ist ansonsten sehr gut erhalten, keine Kratzer oder Beulen. Sie löst auch aus und läßt sich spannen, allerdings entweder bei B (mit eingelegter Batterie) oder (ohne Batterie) bei ihrer einzigen mechanischen Zeit (ca. 1/60s). Wie man an den Fotos sieht, hatte ich sie schon offen um die Elektronik zu fotografieren. Ob ich/man sowas reparieren kann...?
Datenblatt | Erste KB-Spiegelreflexkamera mit elektronischem Verschluss |
Objektiv | M42 Schraubgewinde. |
Verschluss | elektronisch gesteuerter, horizontaler Tuchschlitzverschluss 30s bis 1/500 s und B. |
Belichtungsmessung | keine. |
Fokussierung | Manuell am Objektiv, Mikorprismen als Scharfstellhilfe. |
Sucher | Spiegelreflex, nicht gespannter Zustand wird durch rotes Dreieck angezeigt. |
Blitz | Synchronbuchse, X und FP umschaltbar. Synchronzeit ca. 1/40 s. |
Filmtransport | Schnellspannhebel, Bildzählwerk (vorwärtszählend), Rückspulkurbel. |
sonst. Ausstattung | Stativgewinde, ISO-Drahtauslöser, Merkscheiben für Filmempfindlichkeit und Filmtyp, Trageösen, Okularbajonett für Zubehör. |
Maße, Gewicht | ca. 150x95x47 mm, 636g (mit Batterie) |
Batterie | PX-21 (4.5 V) |
Baujahr(e) | 1968-1969, ca. 3400 Exemplare, diese #500005 März 1968 |
Kaufpreis, Wert heute | 900 Mark, ca. 200 € (eigene Schätzung) |
Links | Club Daguerre, Blende und Zeit Forum, Dresdner Kameras, Praktica Collector, Bedienungsanleitung, ZeisikonVEB (Schaltung), Patent DD44166. |
Die Elektronik zu reparieren dürfte nicht schwierig sein, es sei denn, der Transformator ist durchgebrannt. Für die damals verwendeten Transistoren finden sich Ersatztypen. Das Ding durchzutesten st halt eine Fummelarbeit.
AntwortenLöschenHallo Dr.Mabuse,
Löschendanke für deinen Kommentar. Viele Reparaturen an alten Kameras habe ich schon erfolgreich durchgeführt, aber an Elektronik traue ich mich nicht ran. Ich habe zwar ein Grundverständnis über den Zweck und Wirkungsweise der einzelnen Komponenten, besitze auch Lötkolben und einen alten Spannungsprüfer, habe aber einen Heidenrespekt bei irgendwelchen Fummeleien mehr kaputt als heile zu machen. Wie würdest Du in diesem Fall genau vorgehen ("Durchtesten")? Bin gespannt auf deine Rückmeldung (gerne auch direkt per e-mail an knippsen (at) icloud.com.
Viele Grüße
CHristoph