2021-10-24

Sony Digital Mavica MVC-FD7

Kürzlich machte mich ein Freund auf diesen Petapixel-Review aufmerksam und hat bei mir sofort den Nerv getroffen. Ich habe zwar noch nicht viele Digitalkamera-Veteranen in meiner Sammlung, aber hier war mir sofort klar: Eine Digital-Mavica muss ich haben (und ausprobieren). Die FD7 (mit Zoom) und ihre kleine Schwester FD5 (einfaches Standard-Objektiv) kamen 1997 gleichzeitig auf den Markt. Im jährlichen Rhythmus folgten Modell-Updates und bis 2002 gab es insgesamt 18 verschiedene FD-Modelle, alle mit dem namensgebenden FD ("Floppy-Disk") 3.5'' Diskettenlaufwerk und einem 2.5'' LCD-Screen auf der Rückseite.

Die FD7 und FD5 gehörten nicht zu den ersten Digitalkameras auf dem Markt, aber zu ihrer Zeit zu den kommerziell erfolgreichsten (angeblich hatte Sony mit ihnen in den USA einen Marktanteil von 40%). Der ganze Digitialkameramarkt steckte noch in den Kinderschuhen, der Durchbruch kam bekanntlich in den frühen 2000er Jahren. In den 1990ern fehlte es insbesondere noch an allgemein verfügbarer digitaler Infrastruktur, aber hier genau setzte Sony an: Wie bekommen die Nutzer ihre digitalen Fotos schnell und einfach dahin, wohin sie sie haben wollen? Antwort: Die damals in jedem Computer vorhandene 3.5''-Diskette.


Die Konkurrenz hatte (nur) das serielle Kabel (wo hab ich das hingelegt?) oder die ebenfalls sehr langsame IrDA-Drahtlosverbindung. Sony machte also in Sachen Benutzerfreundlichkeit alles richtig und kam außerdem mit dem richtigen Produkt zur richtigen Zeit. Versetzen wir uns also ins Jahr 1997. Computer erobern die Büros und mit etwas Verzögerung auch viele private Haushalte. Hauptmedium für den Datenaustausch ist (noch) die 3.5'' Diskette, die dann später durch die CD-Rom, Memory Sticks und letztlich durch das Überall-Internet abgelöst wird. Das WWW als die Killer-Anwendung des Internets ist 1997 gerade 4 Jahre alt, hier entstehen die ersten Webshops, News-Kanäle und Firmen-Repräsentationen. Und diese Web-sites verlangen nach Bildmaterial, was die Mavica FD viel einfacher und direkter liefert als jede andere analoge oder digitale Kamera auf dem Markt.

Das technische Design der Mavica FD-Serie war konsequent auf diesen Einsatz ausgerichtet. Die Diskette war billig und überall verfügbar. Interessanterweise fasste sie mit ca. 40 JPEG-Fotos ungefähr so viele wie ein KB-Film. Dazu wurde das Bild in VGA-Auflösung (640x480 Pixel) in zwei wählbaren Stufen komprimiert (Std und Fine), wobei der Unterschied nur in der Dateigröße (ca. 30KB vs. 60 KB pro Bild) wirklich auffällt. Die Bildqualität ist nach heutigen Maßstäben sehr bescheiden, für die genannten Anwendungen damals aber mehr als ausreichend. Im Übrigen verbirgt die Kamera (und auch die Anleitung) konsequent jegliche Fototechnik vom Fotografen, nirgendwo kann man etwas über Belichtungszeit oder Blende erfahren, man braucht das auch nicht wirklich.

Größenvergleich mit einer kompakten Kleinbildkamera
Das zeigt schon recht deutlich, dass Sony's Zielgruppe nicht die Amateurfotografen oder gar die Gelegenheitsfotografen waren, dafür war die Bildqualität noch zu schlecht und die Kamera im Vergleich zur analogen Filmknipse zu teuer.
Käufer der Kamera waren eher Menschen die mit oder über das Internet Geld verdienen wollten und dafür Bilder brauchten, die einfach verfügbar aber nicht besonders gut sein mussten. 

Die Geschichte der Mavica FD-Serie hört konsequenterweise im Jahr des allgemeinen Durchbruchs der kompakten Digitalkamera (2003) auf, was wiederum eng verbunden ist mit den nun verfügbaren (und genügend großen) Speicherkarten sowie dem USB-Port am Computer. Hier konnten weder der lausige CCD-Sensor der Mavica noch die 3.5'' Diskette mehr mithalten. Insofern war die Mavica FD nur ein Zwischenschritt und die Sache mit der Diskette eine technische Sackgasse. Allerdings ein wichtiger Schritt, denn sie hat das digitale Bild hoffähig gemacht und den Weg für ihre Speicherkarten-Nachfolger bereitet.

Ich habe mein FD7-Exemplar sehr günstig und in voll funktionsfähigem Zustand erwerben können. Natürlich habe ich schon damit rumgespielt und Testaufnahmen gemacht. Zum Glück besitze ich noch ein externes Diskettenlaufwerk mit USB-Anschluss, ansonsten hätte ich ganz schön in die Röhre geschaut. Denn die Kamera kennt keinen anderen Modus die Bilder zu übertragen und ich habe (wie die meisten wohl) keinen Computer mehr mit einem eingebauten Laufwerk. In einem zweiten Blog-Beitrag werde ich von meinen Erfahrungen berichten und einen kleinen Kamera-Review schreiben. Nur dies als kleinen Vorgeschmack: Ein Bild aufzunehmen dauert immer mindestens 7 Sekunden, anschauen auf dem eingebauten Monitor 5 Sek. Dafür hat man es in max. 20 Sekunden auf dem PC und im Nu im Internet!

Datenblatt Frühe Consumer-Digitalkamera mit Diskettenlaufwerk
Objektiv optisches 10x Zoom 4.2-42 mm f/1.8-2.9 (40-400 mm KB-äquivalent)
Sensor und Verschluss ¼'' CCD, vermutlich Sony ICX098BQ mit 659 x 494 Px (0.3 MP), elektronischer Verschluss, Bildgröße 640x480 (VGA). Zwei Qualitätsstufen wählbar ("Field", "Frame"), wobei nur Frame die volle Auflösung liefert, Field aber bewegte Motive scharf abbildet.
Belichtungssteuerung Belichtungsregelung und Weißabgleich automatisch, verschiedene Programmoptionen per Menü wählbar.
Fokussierung Autofokus, manuelle Fokussierung per Drehrad. Naheinstellgrenze ca. 1 cm (!)
Sucher kein (!) optischer Sucher, TFT-LCD Schirm mit 61380 Px (ca. 286x215), Helligkeit in Grenzen regelbar, für Außenaufnahmen tendenziell zu dunkel.
Blitz Eingebaut, per Taste zuschaltbar. Blitz ist ungeregelt und gibt stets volle Leistung ab, die nur für ca. 3 m Entfernung ausreichend ist
Speichermedium 3.5'' 2HD-Diskette (1.44 MB). Speicherkapazität ca. 30-40 JPEG Fotos im Standard- oder 15-20 im Fine-Kompressionsmodus.
sonst. Ausstattung 1/4'' Stativgewinde, 4 Software-Bildeffekte (Pastell, Negative, Sepia, B&W), 5 extra Motivprogramme (Softportait, Sport, Strand, Sonnenuntergang/Mondschein, Landschaft)
Maße, Gewicht ca. 127 x 111 x 74 mm, 714 g (mit Akku und Diskette)
Batterie 7.2 V Li-Ionen Akku (Ladegerät im Lieferumfang), CR2025 Li-Batterie als Memory-Buffer (nicht essentiell)
Baujahr(e) 1997
Kaufpreis, Wert heute 899 US$ (1997), in funktionsfähigem Zustand: 30-50 €
Links Camera-wiki, WikipediaDigitalkamera MuseumRFWilmut, Lucas P Sample shotsNotes on CCD sensors, Petapixel

2021-10-14

Rolleicord V




Eigentlich gehören zweiäugige Spiegelreflexkameras (Twin Lens Reflex, TLR) nicht in mein Beuteschema (diese Ausnahmen bestätigen die Regel ;-). Die schöne Rolleicord V habe ich neulich zum Geburtstag geschenkt bekommen und ihr gebührt natürlich ein Platz in meiner Sammlung und ein ordentlicher Beitrag hier. Sie stammt aus dem Nachlass eines ehemaligen Lehrers, der sie als junger Mann ca. 1955 gekauft und wohl bis in die 1980er Jahre hinein verwendet hat. Jedenfalls zeugte noch der Rollfilm davon, den ich im Inneren noch gefunden habe (war nichts drauf, siehe Verschlussdefekt unten).

Rollei, oder wie sie damals noch hießen: Franke & Heidecke aus Braunschweig hatten 1929 mit ihrer Rolleiflex den TLR-Standard gesetzt, der von vielen Kameraherstellern kopiert, aber auch von F&H selbst immer weiterentwickelt wurde. Schon 1933 kam die günstigere Rolleicord als Alternative, um selbst mit der Rolleiflex an der technologischen Spitze zu bleiben, aber den Wettbewerbern nicht den günstigeren Massenmarkt komplett zu überlassen. Die Rolleiflex hatte ab der 2. Version (1932) ihren berühmten Schnellschalthebel (die "Kurbel", engl. "Crank") für gleichzeitigen Filmtransport und Verschlussaufzug und andere technische Neuerungen an Bord. Mit etwas Verzögerung fanden viele dieser Features auch ihren Weg in eine neue Rolleicord Version, die Kurbel blieb aber bis zum Schluss alleine der Rolleiflex vorbehalten.


Rolleicords wurden von 1933 bis 1977 gebaut. Sammler unterscheiden heute insgesamt 19 Modelle. Diese Version V (1954-1957) war tatsächlich Variante Nummer 14 und hatte als bestes Erkennungsmerkmal den großen Scharfstellknopf auf der rechten Kameraseite, frühere Versionen hatten einen kleineren Knopf, spätere den großen auf der linken Kameraseite. Ansonsten war sie sehr gut ausgestattet (siehe Tabelle unten) und alle nachfolgenden Modelle brachten nur noch kosmetische Änderungen oder Erleichterungen bei der Bedienung.

Mein Exemplar hatte nach Jahrzehnten der Nichtbenutzung leider durch (zu viel) verharztes Öl verklebte Verschlusslamellen. Der Verschluss ließ sich zwar spannen und auslösen. Die Lamellen zuckten dabei kurz, öffneten aber nicht mehr. Ich habe mich also kurzerhand daran gemacht, das wieder zu beheben. Dazu habe ich die Kamera soweit wie auf dem Bild links zu sehen zerlegt und mit ein paar Tröpfchen Waschbenzin, die man gleich danach wieder wegtupft, das überschüssige Fett entfernt. Dabei immer wieder bei allen möglichen Zeiten auslösen und die Prozedur wiederholen bis alles wieder wie gewünscht läuft. Neues Öl sollte man sich lieber sparen. Wer das nachmachen möchte: eine Anleitung gibt es hier

 Insgesamt wurden im Laufe der 44 Produktionsjahre mehr als 450,000 Rolleicord produziert. Natürlich ist sie auch millionenfach kopiert worden. Die erfolgreichste Kopie ist vermutlich die Seagul 4B-1, sie war 1987 meine erste Mittelformatkamera. 
Im Gegensatz zur Rolleiflex, die noch bis in die 2010er Jahre gebaut wird (immer noch??) und bei Profis und Sammlern Käufer findet, wird die Produktion der Rolleicord 1977 eingestellt. Ihre Zielgruppe, der Fotoamateur, hatte sich endgültig der Kleinbildkamera zugewandt.

Datenblatt TLR, zweiäugige Spiegelreflexkamera (6x6 cm auf Rollfilm 120)
Objektiv Schneider  Xenar 75 mm f/3.5 (Tessar-Typ 4 Linsen in 3 Gruppen, #4040280) , Sucherobjektiv Heidosmat 75 mm f/3.2 (#40014).
Verschluss Synchro-Compur MXV, B-1-2-4-8-15-30-60-125-250-500 (1/s), Verschluss muss separat vom Filmtransport gespannt werden. Es gibt eine Doppelbelichtungssperre, die per Hebel aufgehoben werden kann. (interne Seriennummer 1320328).
Belichtungsmessung keine, EVS-System, damit einfache Übertragung von einem Handbelichtungsmesser.
Fokussierung mit großem Stellrad auf der rechten Kameraseite, kürzeste Entfernung 90 cm
Sucher Spiegelreflex-Lichtschachtsucher mit Mattscheibe (aufrechtes, aber seitenverkehrtes Bild), ausklappbare Sucherlupe. Optional zum Durchsicht-Sportsucher umzubauen.
Blitz Anschluss über PC-Buchse, umschaltbar M und X.
Filmtransport Mit Drehrad auf der rechten Kameraseite, Transport arretiert nach einem Bildvorschub, Bildzählwerk.
sonst. Ausstattung Bajonette an beiden Objektiven für die Aufnahme von Filtern oder Sonnenblenden, Drahtauslöseranschluss, Stativgewinde 3/8‘‘, auswechselbarer Rückwand, Belichtungstabelle, Filmtyp Merkscheibe.
Maße, Gewicht 97x99x142 mm, 830 g
Baujahr(e) 1954-1957, circa 84.000 Exemplare. Seriennummernbereich 1500000-1583xxx.  Diese #1514235 (1954).
Kaufpreis, Wert heute ca. 350 DM (1954), 100-200€ je nach Zustand.
Links User manual, Rolleiclub, Camera-Wiki, Antiquecameras.net, Collectiblend, Reparaturanleitung