2018-12-30

Carena SX-300 (Seagull DF-300)


Ein Weihnachtsgeschenk für mich, allerdings bin ich vorher gefragt worden, ob ich diese nicht mehr funktionierende und schon beim Kauf eher sehr preiswerte Spiegelreflex wirklich haben will. Ich wollte natürlich, weil ich mich schon länger für chinesische Kameranachbauten interessiere (siehe Pearl River S-201 oder auch hier). Zum anderen sind nicht funktionierende Kameras wegen einer möglichen Reparatur immer eine Herausforderung...

Die hier als Carena SX-300 bezeichnete Kamera ist für das geübte Auge schnell anhand des charakteristischen und einzigartigen Ensembles von Schnellschalthebel, Auslöser und verstecktem Zeitenrad als Minolta X-300 Nachbau zu identifizieren.  Minolta hat Ende der 1980er Jahre die Produktion der X-300 an die Shanghai General Camera Factory ("Seagull") verlagert, vermutlich um Platz für die Produktion der neuen AF-Generation in Japan zu bekommen. Minolta hatte schon länger mit den Chinesen kooperiert und das Minolta Bajonett war auch an vielen Seagull und anderen chinesischen SLRs zu finden und entsprechende Objektive in China recht verbreitet. Wie genau dieser Lizenzdeal aussah konnte ich nicht wirklich rausbekommen. Aber vermutlich hat Minolta von Anfang an erlaubt oder auch achselzuckend hingenommen, dass die Chinesen die Kamera als Seagull DF-300 auf dem heimischen Markt selbst verkauften. Spätestens mit Einstellung der Minolta X-300 Vermarktung um 1990 haben die Chinesen die Kamera auch für viele westliche Handelsmarken unter deren Namen produziert. Eine Liste der Namen habe ich unten in die Tabelle eingefügt.   

Das Namensschild am Pentaprisma wird dazu praktischerweise von zwei Kreuzschlitz-schrauben gehalten und ist sehr einfach gegen andere Markennamen austauschbar. Das gilt übrigens schon für die Minolta! Auch sonst sind die Nachbauten mehr oder weniger 100% am Original. Das sieht man gut an einer technischen Schwäche, den die Minolta all ihren Klonen vererbt hat. Ein kleiner Elektrolyt-Kondensator in der Verzögerungsschaltung des elektonischen Verschlusses läuft mit den Jahren gerne aus. Dies führt dazu, dass der Belichtungsmesser im Sucher nach Einschalten der Kamera und leichtem Druck auf den Auslöser noch funktioniert. Drückt man den Auslöser dann für eine Aufnahme durch, passiert gar nichts mehr und die LED's im Sucher werden dunkel. Spannen geht natürlich auch nicht und damit ist die Kamera unbrauchbar. Glücklicherweise kann man einen solchen Kondensator für 25 Cent kaufen. Also habe ich meinen Lötkolben zur Hand genommen und mittels Transplantation die Kamera wieder zum Leben erweckt. 

Mein Exemplar hier ist ganz schön "abgemackelt", an einigen Ecken scheint sowas wie Metall durch die schwarze Lackierung. Die gesamte Deckkappe ist allerdings aus Kunststoff, wie es sich seit der Canon AE-1 durchgesetzt hat. Dem mitgelieferten Standard-Zoomobjektiv fehlt die Gummierung des Fokusrings, ansonsten ist es aber optisch wie mechanisch OK, trotz mehr oder weniger vollständiger Konstruktion aus Plastik. Auch dieses trägt wie die Kamera den Namen einer Handelsmarke. Exakta war damals als Marke im Besitz einer Nürnberger Vertiebsgesellschaft und hatte nichts mehr mit den Herstellern der ersten SLR für den Kleinbildfilm zu tun! Carena, ebenfalls Name eines untergegangenen Kameraherstellers aus Lichtenstein, wurde dann Handelsmarke der Schweizer Interdiscount AG und schließlich auch von Photo Porst für Spiegelreflexkameras und Zubehör benutzt. Meine Kamera wurde ca. 1995 bei Photo Porst zusammen mit dem Objektiv und einem Carena TZ250 Blitzgerät im Set gekauft.


Datenblatt KB-Spiegelreflexkamera, China Nachbau der Minolta X-300
Objektiv Wechselobjektive mit Minolta MC oder MD-Bajonett. Hier mitgeliefertes Standardzoom Exakta 35-70 mm f/3.5-4.8 ( 
Verschluss Elektronisch gesteuerter, horizontaler Tuchschlitzverschluss. 4s - 1/1000 s und B. Blitzsynchronisation bei 1/60s. Stufenlos bei Zeitautomatik.
Belichtungsmessung TTL, mittenbetont integral, Si-Photodiode. 12-3200 ASA. 
Fokussierung Manuell am Objektiv, Einstellscheibe mit mit Schnittbildindikator und Mikroprismenring.
Sucher Fest eingebauter Pentaprismensucher mit LED-Anzeige für Belichtungsmessung und Verschlußzeit.
Blitz Zubehörschuh mit Mittenkontakt und Extrafunktionen bei Minolta-Blitzen
Filmtransport Schnellschalthelbel, Rückspulknopf, Bildzählwerk (vorwärts zählend)
sonst. Ausstattung elektonischer Selbstauslöser (10s), Messwertspeichertaste, ISO-Gewinde für Drahtauslöser, Filmlaschenhalter, Stativgewinde, Anschluss für Motorantrieb
Maße, Gewicht ca. 137/90/52 mm, 475g (ohne Objektiv)
Batterie3V, entweder 2x LR44 (Alkali), 2x SR44 (Silberoxid) oder 1x CR-1 (Lithium)
Baujahr(e) 1991-1999 (?), dieses #9565002 von 1995 (?)
baugleiche Handelsmarken Vivitar V50, Centon DF-300, Soligor SR-300 MD, Kalimar KX-5000, Safari DF-300, Texer EX-3, Zenit DF-300, Revue DF-300, Exakta HS50
Kaufpreis, Wert heute 349 DM (199x, Porst Katalog),  ca. 10€
Links Manual (Seagull DF-300, english)Manual (Minolta X-300, english)Camera-Wiki, Kamera-Geschichte.de

2018-12-01

Voigtländer Zoomar 36-82 mm f/2.8


Ein echter Meilenstein der Fotogeschichte: Das erste Zoomobjektiv für eine Kleinbildkamera hieß Voigtländer Zoomar und hat der ganzen Gattung auch noch seinen Namen verpasst. Davor hießen diese Konstruktionen Variofokus-Objektive oder im allgemeinen Sprachgebrauch auch Gummilinsen. Zunächst wurden sie ab den 30er und 40er Jahren für Film- und Fernsehproduktionen verwendet, hier waren die Abbildungsleistungen im Vergleich nicht ganz so sichtbar und wichtig wie beim Einzelbild.

Die Firma Voigtländer kann sich unbestritten mit diesem technischen Meilenstein schmücken. Allerdings ist nicht ganz klar, wie sie an das Schätzchen gekommen sind. Aus eigener Entwicklungsabteilung oder gar Initiative stammt es jedenfalls nicht. Vater dieses Objektives war ein ursprünglich österreichischer Ingenieur namens Frank Gerhard Back, der 1938 vor Nazis floh und in den USA eine neue Bleibe fand. Dort gründete er schließlich die Firma Zoomar Inc., entwickelte ein optisch kompensiertes Variobjektiv für Fernsehkameras und erhielt dafür am 23.11.1948, also genau vor 70 Jahren, ein Patent (siehe Patentliste unten in der Tabelle). Vario-Objektive für Film- und später Fernsehkameras gab es da schon seit einiger Zeit, allerdings genügten diese keinesfalls den hohen optischen Ansprüchen des "unbewegten Bildes", sprich der klassischen Fotografie.
A true milestone in the history of photography: The first zoom lens for a 35 mm camera was called Voigtländer Zoomar and actually made the term zoom popular. Previously, these designs were called variofocals or, in common parlance, rubber lenses. First examples appeared in the 30s and 40s and were used for film and later television productions. For those purposes imaging performance is not as quite visible and important as for the still image.

The company Voigtländer can indisputably adorn itself with this technical milestone. However, it is not clear how they came to the baby. In any case, it wasn't their own development department or even initiative. The father of this lens was an originally Austrian engineer named Frank Gerhard Back, who fled from Nazis in 1938 and found a new home in the USA. There he finally founded the company Zoomar Inc., developed a visually compensated zoom lens for television cameras and received on November 23, 1948, more or less exactly 70 years ago, a patent (see patent list below in the table). Variofocal lenses for film and later television cameras have been around for some time, but these were by no means sufficient for the high optical demands of the "still image", that is, the classic photography.

Optisches Design aus US-Patent 2,913,957. Auf den Markt
kam eine leicht verbesserte Version. 
  Optical design from patent US 2,913,957. An improved
version was launched on the market later. 
 

Hier hat Frank Back unbestritten Pionierarbeit geleistet, in dem er während der nächsten ca. 10 Jahre sein Konzept zu dem hier beschriebenen Objektiv weiterentwickelt und natürlich wieder patentiert hat. In der Tat hat er nicht nur die optischen Anforderungen für das anspruchsvolle Kleinbildformat nahezu getroffen, sondern das Objektiv hatte damals schon die heute noch bemerkenswerte Öffnung von f/2.8 und das über den gesamten Brennweitenbereich. Dieser erstreckte sich auch noch vom Weitwinkel bis in den leichten Telebereich, bisherige Fernseh- oder Film-Varios waren nur Telezooms. Mit den 62° Bildwinkel war es das "weitwinkeligste" Variofokusobbjektive, das bis dahin gebaut wurde. Um diese optische Herausforderung zu meistern ist ihm sicherlich auch entgegengekommen, dass die Vergütungstechnik für optische Linsen zu dieser Zeit Einzug in die Herstellung fand. Ohne diese Antireflexbeschichtung wäre ein solches Objektiv mit so vielen Elementen schlicht unmöglich gewesen.
Frank Back undoubtedly was a pioneer: during the next about 10 years he further developed and improved his concept to eventually yield this lens described here. Of course he filed for patents again. In fact, he does not almost met the optical requirements for the demanding still picture (35 mm film), the lens already had the quite remarkable open aperture of f/2.8 and this even over the entire focal length range. This also reached from wide angle to the light telephoto, previous TV or movie variofocals were just tele-zooms. 62 degrees angle of view at this time was the "widest angle" zoom built until then for any format. In order to master this optical challenge, it certainly came to the fore that lens anti-reflex coating found its way into production at that time. Without this anti-reflective coating such a lens with so many elements would simply have been impossible.

Frank Back mit Albert Einstein  Albert Einstein and Frank Back 
Das Jahr 1958 muss für Frank Back sehr arbeitsreich gewesen sein. Am 27. Juni reichte er zeitgleich zwei Patente für das Objektiv ein, eines über die mechanische Konstruktion, das andere über Details des optischen Aufbaus. Gleichzeitig müssen schon die Vorbereitungen für die Serienfertigung gelaufen sein, die ab 1959 bei der Firma Kilfitt in München stattfand. Diese produzierte wiederum im Lohnauftrag für Voigtländer in Braunschweig. Leider ist nichts über die Umstände bekannt, wie und warum diese Kooperation zustande kam oder wer wieviel daran verdient hat. Am Ende jedenfalls hat Heinz Kilfitt seine Firma dann 1968 an Frank Back verkauft. Das Voigtländer Zoomar wurde jedenfalls am 10. Februar 1959 der erstaunten Öffentlichkeit auf der internationalen Camera show in Philadelphia vorgestellt. Hier gab es auch erstmals die Nikon F und andere SLR aus Japan zu sehen. Am 19.2.1959 reichte Frank Back beim Patentamt noch das verbesserte optische Design ein, das dann auch in Produktion ging. Hier kamen spezielle hochbrechende optische Gläser zum Einsatz.
The year 1958 must have been very busy for Frank Back. On June 27, he simultaneously filed two patents for the lens, one about the mechanical construction, the other about details of the optical design. At the same time, the preparations for serial production must have been going on. Assembling started in 1959 at the company Kilfitt in Munich. They in turn toll produced it under a contract for Voigtländer in Braunschweig, Germany. Unfortunately, nothing is known about the circumstances, how and why this three-way cooperation came about or how the profits were shared. Eventually, Heinz Kilfitt sold his company to Frank Back in 1968. The Voigtländer Zoomar was presented to the public on February 10, 1959 at the International Camera Show in Philadelphia. This show also featured the Nikon F and other SLRs from Japan. On February 19, 1959, Frank Back filed another patent about the improved optical Design, which then went into production. This was utilizing special highly refractive optical glasses.

Das Zoomar im Vergleich zu seinen Voigtländer Alternativen, um diesen Brennweitenbereich abzudecken.  The Zoomar in comparison to its prime lens alternatives from Voigtländer, to cover this focal length range. 
Das Objektiv selbst ist ein ganz schöner Klotz, zumindest verglichen mit zeitgenössischen Objektiven. Auch preislich war es Anfang der 60er nur etwas für wohlhabende Fotoamateure oder eben Profis. Nimmt man allerdings die drei Objektive, die es ersetzen kann, zusammen, relativieren sich Preis und Gewicht wieder etwas. Wegen des hohen Preises wurden nur ca. 15000 Exemplare produziert, die meisten wohl mit dem DKL-Bajonett in der Voigtländer-Version. Allerdings gab es von Anfang an auch eine Version für die Exakta, später kam noch M42 hinzu. Heute ist es ein gefragtes Sammlerstück, man findet aber regelmäßig Angebote auf e-bay. Ich habe über die letzten Jahre immer mal wieder mitgeboten, allerdings mit recht knappem Budget. Nun endlich hatte ich Glück, eines günstig zu ergattern. Natürlich brauchte ich auch noch die entsprechende Kamera dazu, wie ich schon berichtet habe.
The Lens itself is a pretty heavy block, at least compared with contemporary lenses. Also, only wealthy photo amateurs or professionals were able to afford its price. But if you take the three Lenses that it can replace together, price and weight can be put into perspective again. Because of the high price, only about 15,000 copies were produced, most of them with the DKL mount in the Voigtländer version. However, from the beginning there was also a version for the Exakta mount, later M42 was added. Today it is a highly searched after collector's item, but you will regularly find offers on e-bay. Over the last few years, I have offered again and again, but with a tight budget. Finally, I was lucky enough to get a cheap one. Of course, I also needed the corresponding camera , as I've already reported.


Datenblatt Erstes Zoomobjektiv für 35mm Spiegelreflexkameras
optische Daten 36-82 mm Brennweite, kontinuierlich verstellbar. Bildwinkel: 62° - 30°. Konstante Öffnung f/2.8 über gesamten Brennweitenbereich. Kürzeste Entfernung 1,30 m.
optische Konstruktion 14 Linsen in 11 Gruppen, Fokussierung durch Frontlinse, Gruppen 2, 3 und 6 gemeinsam verschiebbar zur Brennweiteneinstellung. Alle Linsen einfach vergütet.
Kamera-Anschluss DKL-Bajonett in Voigtländer Bessamatic Version. Auch erhältlich mit Exakta Bajonett oder M42-Schraubanschluss.
sonst. Ausstattung Mitgeliefertes Zubehör: 2 Nahlinsen (Focar A+B), UV-Filter, Gelbfilter, Gegenlichtblende inkl. Klemmring, Drehscheibe zur Berechnung der Tiefenschärfe. 
Maße, Gewicht Ø 86 mm x 123 mm, 837g (DKL Voigtländer)
Baujahr(e) 1959-1968 (ca. 15.000 Exemplare), dieses #6690569 von 1965
Kaufpreis, Wert heute 795 DM (1959, DKL), 845 DM (andere Anschlüsse). US$ 250 (USA), ca. 200€ (D)
Patente Alle vom Erfinder Frank G. Back (Anmeldedatum, Patenterteilung):
US2,454,686 (30.7.1946, 23.11.1948, Grundprinzip); US2,913,957 (27.6.1958, 24.11.1958, optisches Design); US2,902,901 (27.6.1958, 8.9.1959, mechanisches Design); US3,014,406 (19.2.1959, 26.12.1961, verbessertes optisches Design).
Links Manual (english), Wikipedia, Camera-WikiRick Oleson DKL-Bajonett, Kilfitt.org, Klinterklater, Ernst Giger, UKCamera, Popular Science Jan 1964, Test in ePhotozine, Frank Back in Wikipedia, Zoom Lens History
Bei KniPPsen weiterlesen Bessamatic Deluxe, Zoomar, DKL Kameras und Objektive, Kodak Retina Reflex S, Zentralverschluss SLR, Friedrich Voigtländer.
Data Sheet First zoom lens for still cameras (35 mm SLR)
optical data 36-82 mm focal length, continuously switchable. Angle of view: 62° - 30°. Constant full aperture f/2.8 for entire focal length range. shortest distance 4.3 ft (1.30 m).
optical construction 14 elements in 11 groups, focussing with front element. Groups 2, 3 and 6 move lineary together for focal length change. All elements have a simple anti-reflex coating.
camera mount DKL-mount, Voigtländer Bessamatic type. Available also with Exakta mount or M42-screw mount.
misc. features Supplied accessories: 2 close-up lenses (Focar A + B), UV filter, yellow filter, lens hood incl. Clamping ring, turntable for calculating depth of field.
size, weight Ø 86 mm x 123 mm, 837g (DKL Voigtländer)
Year(s) of Production 1959-1968 (ca. 15,000 copies), this unit #6690569 from 1965
Original Price, Today's Value 795 DM (1959, DKL), 845 DM (other mounts). US$ 250 (US), about 200€ (Germany)
patents All filed by Inventor Frank G. Back (filing date, patent granted on):
US2,454,686 (7/30/1946, 11/23/1948, basic princple); US2,913,957 (6/27/1958, 11/24/1958, optical design); US2,902,901 (6/27/1958, 9/8/1959, mechanical design); US3,014,406 (2/19/1959, 12/26/1961, improved optical design).
links Manual (english), Wikipedia, Camera-WikiRick Oleson DKL-Bajonett, Kilfitt.org, Klinterklater, Ernst Giger, UKCamera, Popular Science Jan 1964, Test in ePhotozine, Frank Back in Wikipedia, Zoom Lens History