2021-02-21

Korelle K


Mein neuestes Schmuckstück für die Vitrine heißt Korelle K und ist eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte kleine Kamera. Die Firma Kochmann aus Dresden brachte sie wohl um Ende 1932/Anfang 1933 als Ersatz ihrer Korelle 3x4 auf den Markt, denn dort tummelten sich schon etliche andere 3x4-Kameras mit fast identischen Spezifikationen und man wollte (und konnte) sich hiermit vom Mainstream abheben. Das "K" steht meines Erachtens für Kino-Film (andere behaupten Kleinbild, Kunststoff könnte auch passen), was das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zu den damals "Kleinfilm" genannten 3x4-Kameras für den 127er Rollfilm war. 
Die Korelle K ist eine der ersten Halbformatkameras (18x24 mm auf perforiertem 35mm Kinofilm), die wie eine "normale" Kamera daherkam und einigermaßen kompakt war. Es gab schon in den 1920ern einige Kameras für dieses beim bewegten 35 mm Film übliche Negativformat. Diese sahen allerdings auch aus wie Filmkameras und waren recht groß und umständlich in der Bedienung (z.B. Roth's Minnigraph oder die Ellison Kamra). Lediglich die sehr seltene französische „Les Cent Vues“ (Mollier, ca. 1925)  kann als Vorbild für die Korelle K gelten. Interessanterweise fand das Konzept erst einmal keine weiteren  Nachahmer. Halbformatkameras wurden erst ab Ende der 1950er in Japan wieder populär, z.B. mit so großartigen Kameras wie der Olympus PEN Serie.

Die Korelle K war aber auch in technischer Hinsicht bemerkenswert. Sie war in keinem der folgenden Punkte wirklich die erste Kamera, gehörte aber jeweils zu den Pionieren und zeigte schon 1932, was erst Jahre später technischer Standard werden sollte. 
  • Da ist das Gehäuse aus Bakelit, dem ersten synthetischen Kunststoff mit Relevanz. Obwohl schon 1907 erfunden dauerte es wegen Weltkrieg und anderen Gründen ca. 20 Jahre bis die ersten Alltagsgegenstände daraus verfügbar waren. Als erste Bakelit-Kamera gilt die QRS-Kamra von 1928, ein seltener Ellison Abkömmling. Die erste in größeren Stückzahlen produzierte Kamera aus diesem Kunststoff war 1930 die Kodak No. 2 Hawkette. Meiner Recherche nach war die Korelle K die erste Bakelit-Kamera aus deutscher bzw. europäischer Produktion. Äußerlich geprägt wie feines Leder fasst sich die Korelle auch heute noch sehr gut an. Abnutzung ist an meinem Exemplar nur an den Metallteilen zu erkennen, das Plastik ist erstaunlich arm an Kratzern und hervorragend erhalten. Meine ist schwarz, es gab sie aber auch in braun bzw. rot-braun

  • Man sieht es der Kamera nicht direkt an, aber es gab Wechselobjektive mit 5, 7.5 und 10 cm Brennweite. Die Kamera hatte Zeit-typisch einen Compur Zentralverschluss, der aus diesem Grund zusammen mit der Blende hinter dem und nicht im Zentrum des Objektivs zu finden ist. Das übliche 3.5 cm Standard-Objektiv sitzt in einem 22mm Gewinde im Verschluss und kann durch einige Umdrehungen einfach abgeschraubt werden. Objektive wurden von Meyer, Schneider, Zeiss und später auch Leitz angeboten. Vermutlich hat die Kundschaft davon keinen großen Gebrauch gemacht: Kameras mit diesen Teleobjektiven sind heute extrem rar und teuer. 

  • Im Gegensatz zu fast allen anderen Zentralverschluss-Kameras am Markt, hatte die Korelle K als eine der ersten von ihnen einen Gehäuseauslöser.  Gekoppelt mit dem Filmtransport konnte so eine Doppelbelichtungssperre realisiert werden. Dabei entsperrt der Filmtransport den Auslöser nur, spannt aber leider nicht gleichzeitig den Verschluss. Vergisst man dies und drückt dann den Auslöser, erzeugt man leider ein leeres Negativ, weil der Auslöser wieder gesperrt wird und man den Film (ohne Aufnahme) transportieren muss, um ihn wieder zu entsperren. Trotzdem ein Fortschritt, der sich in den 1930er Jahren und dann besonders in den 50ern als Standard durchsetzt.

  • Und dann war da natürlich der Kino-Film, der zusammen mit dem kleinen Negativformat die für diese kompakte Kamera unglaubliche Anzahl von bis zu 100 Aufnahmen pro Filmladung ermöglichte. Es wurden spezielle Patronen mitgeliefert, die vom Fotohändler oder dem Fotografen selbst mit loser 35mm Kinofilm Meterware befüllt wurden. Das war damals auch bei der Leica und der im gleichen Jahr wie der Korelle erschienenen Contax I üblich. Jeder Hersteller hatte eine eigene spezielle Kassette. Erst 1934 erschien mit der Retina Kodak's 135er Kassette. Diese wurde zur Norm, weil sie vor-konfektioniert verkauft wurde und in alle Kameras passte. Zum Glück auch in die Korelle K!
Auf mein eigenes Exemplar habe ich lange gewartet. Die Kamera ist relativ selten, ich vermute nur wenige Tausend Stück, die von Ende 1932 bis ca. 1935 produziert und verkauft wurden. Daher und auch wegen ihrer interessanten Features erzielt sie ordentliche Sammlerpreise. Ich habe also viele der relativ seltenen e-bay Auktionen ziehen lassen müssen und nun recht günstig zuschlagen können. Meine Kamera ist, wie man an den Bildern sieht, super erhalten und funktioniert auch zu 100%. Lediglich der Fokus-Schneckengang ist recht schwergängig und die Filmkassette bzw. Aufwickelspule fehlen. Allerdings passt ja die 135er Patrone und ich habe mir schon eine Aufwickelpatrone gebastelt, sodass ich demnächst mal einen Film riskieren werde. 
Nur die Sache mit dem Filmtransportknopf hat mich zunächst verwirrt: Auf allen offiziellen Darstellungen (Katalogseiten, s.u.) ziert die Kamera ein flacher Knopf, während fast alle Fotos von Kameras den breiten Knopf wie meine zeigen. Die Lösung ist vermutlich simpel: Schraubt man mit den beiden Schräubchen den breiten Knopf ab, kommt darunter der flache zum Vorschein. Ich glaube, dass der breite Knopf wie auch die metallene Kappe auf dem Bildzählwerk es erst im letzten Moment in die Serienproduktion der Kamera geschafft haben. Daher haben sie alle Serienkameras, die Katalogdarstellungen wurden aber von einem Prototypen genommen.   

Datenblatt Frühe Halbformatkamera 18x24 für 35mm-Film in modernem Design. Erste Bakelit-Kamera aus Europa.
Objektiv Carl Zeiss Tessar 3.5 cm f/2.8 (#1415228), auswechselbar über Gewinde. Weitere Objektive erhältlich: Meyer Trioplan 2.8/3.5, 2.8/5 und 2.8/7.5 cm; Tessar 3.5/3.5, 3.5/7 cm; Schneider Xenar 2.9/3.5, 3.5/3.5, 3.5/5, 3.8/7.5, 3.8/10 cm; Leitz Elmar 3.5/3.5, 3.5/5, 4.5/7.5 cm.  
Verschluss Compur T-B-1-2-5-10-25-50-100-300, später auch mit Compur Rapid (1/500 s), Verschluss und Blende hinter dem Objektiv. Compur #2487320
Fokussierung Schneckengang, Verschieben des ganzen Objektivs. Naheinstellgrenze 0.5 m
Sucher optischer Newton-Sucher
Filmtransport Drehrad, Transport entsperrt Gehäuseauslöser, Filmvorschub in aufnehmende Filmpatrone, keine Rückspulung! Filmzählwerk, automatisch vorwärts zählend bis 100, manuelle Rückstellung
sonst. Ausstattung Stativgewinde 3/8'', Drahtauslöseranschluss, Tiefenschärfetabelle aus Metall. Als Zubehör gab es spezielle Filmkassetten und Aufwickelspulen, sowie einen Objektivdeckel aus Bakelit.
Maße, Gewicht Bakelit-Gehäuse: 90x32x56 mm, Kamera gesamt: 90x54x65, 338 g (mit Film)
Baujahr(e) 1932-1935, diese hier laut Objektivseriennummer von 1932
Kaufpreis, Wert heute 130 RM (mit Tessar f/2.8), ca. 300 €, rote erzielen höhere Preise. Solche mit den Teleobjektiven sind sehr wertvoll.
Links Pacific Rim Camera, Camera-Wiki, EarlyPhotography, Half-frame cameras
Korelle K im Photo Porst Katalog, 13. Auflage 1935


1 Kommentar:

  1. Danke für den informativen, schönen Artikel!
    Ein kleiner Hinweis: Die erste Bakelit-Kamera aus deutscher (europäischer) Produktion ist (meiner Meinung nach) wahrscheinlich die "Phönix" von Ferdinand Merkel aus Tharandt - eine Plattenkamera mit Bakelit-Gehäuse aus dem Jahr 1930.

    Beste Grüße!
    Axel

    AntwortenLöschen