2021-02-01

Voigtländer Perkeo 3x4


Langsam wird es wirklich eine richtige Sammlung in der Sammlung und ich habe tatsächlich für sie in der Vitrine umgebaut, weil einfach in der 3x4-Kamera-"Ecke" nicht mehr genug Platz war. Diese Kameras auf Basis des 127er Rollfilms (Vest Pocket Film) erlebten zum Anfang der 1930er Jahre insbesondere in Deutschland eine kurze Blüte und waren quasi die Vorboten ähnlicher Kleinbildkameras für den 135er Film. Fast jeder der damaligen Kamerahersteller hatte eine 3x4-Kamera im Programm, da durfte auch die älteste Fotofirma auf dem Markt: Voigtländer aus Braunschweig, nicht fehlen! 

Voigtländer hatte schon eine lange Erfahrung beim Bau von Faltbalgenkameras und entsprechender Mechanik. So ist es ihnen wohl nicht schwergefallen, auf diesen Kleinfilm-Hype (relativ spät erst) 1932 aufzuspringen. Tatsächlich verwendet der kleine Perkeo zum Teil dieselben Teile (z.B. die charakteristischen Drehknöpfe) und Mechanik wie seine größeren Schwestern Virtus (6x4.5 auf 120er Rollfilm) und Prominent (6x9). Perkeo nimmt übrigens Bezug auf den Pfälzer Hofzwerg und Hüter des Heidelberger Fasses, der mit seinem Spitznamen Pate für eine ganze Reihe technischer Artikel und auch anderer Kameras stand. Viel Ehrgeiz ins Design hat Voigtländer allerdings nicht gesteckt. Alle Bedienelemente sind irgendwie zweckmäßig um die Kamera herum verteilt und weder im horizontalen noch im vertikalen Modus gibt es eine ebene Fläche, auf der sie im geöffneten Zustand ordentlich stehen könnte. Ein ausklappbarer Standfuß oder ähnliches fehlt und ich musste die elektronische Retusche für mein Titelfoto oben bemühen.

Die Kamera gehörte zum guten Mittelfeld der 3x4-Kameraklasse und war z.B. bei Photo Porst in der gezeigten Ausführung für 80 RM erhältlich. Ungefähr genauso viel musste man für eine entsprechend ausgestattete Korelle 3x4 oder eine Nagel Vollenda 48 bezahlen. Im Gegensatz zu diesen Spreizenkameras hatte sie einen traditionellen Laufboden, eher ungewöhnlich in dieser "Zwergenklasse". Ein von Voigtländer entwickelter Mechanismus erlaubt das Fokussieren mittels Knopf am Gehäuse, und das sogar (schon) in geschlossenem Zustand. Ebenfalls ungewöhnlich ist das 55 mm Objektiv, etwas länger als die meist verwendeten 5 cm Optiken der Konkurrenz. Die üblichen Objektiv/Verschlussvarianten (siehe Tabelle unten)  existieren in (mindestens) zwei Gehäuseversionen der Kamera. Dies hier ist die frühe Variante mit einem klappbaren Rahmensucher. Die spätere Variante hatte einen rechteckigen, optischen Teleskopsucher, eingelassen in einem runden Buckel der Gehäuseoberseite. Daneben sind Kamera(s) mit einem rechteckigen, aufgeschraubten Teleskopsucher aufgetaucht. Hierbei handelt sich aber wohl um nachträgliche Umbauten der ersten Version. So wie auf der Zeichnung im Porst Katalog (siehe unten) hat der Sucher in Wirklichkeit aber nie ausgesehen! Die späte Version mit dem Teleskopsucher hatte übrigens auch die mir fehlende ausklappbare Kamerastütze.    

Mein Exemplar ist recht gut erhalten und voll funktionstüchtig. Ein paar Zeiss bumps und etwas Grünspan hier und da unterstreichen die angesetzte Patina der durchaus etwas benutzten Kamera. In Sammlerkreisen gehört sie heute eher in die teurere Kategorie, da sie tatsächlich recht selten ist. Auch wenn auf vielen Seiten als Baujahre 1931-1935 angegeben wird, war Voigtländer wohl eher spät (1932) auf dem Markt und auch recht bald wieder runter. Ich habe bei intensiver Recherche im Netz nur Kameras mit Objektiv-Seriennummern zwischen 798xxx und 818xxx gefunden. Die Compur Seriennummern waren alle zwischen 252xxxx und 255xxxx, was beides auf ein relativ enges Produktionsfenster hindeutet. Schätzungen belaufen sich auf ca. 10,000 Exemplare, aber vielleicht ist das schon hochgegriffen.

Datenblatt Kleinfilmkamera für 3x4 cm auf 127 Rollfilm
Objektiv Voigtländer Anastigmat "Skopar" 5.5 cm f/3.5 #8001009 (4 Linsen in 3 Gruppen). Auch erhältlich mit 3.5 Heliar (5 Linsen) oder 4.5 Skopar (3 Linsen).
Verschluss Compur Zentralverschluss, T-B-1-2-5-10-25-50-100-300 1/s. Auch erhältlich mit Embezet Verschluss (T-B-100-50-25, nur Skopar f/4.5)
Fokussierung mit Drehrad am Gehäuse, kürzeste Entfernung 0.9 m.
Sucher einfacher Aufklapp-Durchsichtsucher, späteres Modell mit optischem Teleskopsucher
Filmtransport mit Drehrad, doppeltes rotes Bildnummern-Fenster für Halbformat
sonst. Ausstattung Stativgewinde 3/8", Anschluss für Drahtauslöser, Tiefenschärfetabelle auf Frontklappe, Gehäuseöse für optinale lederne Handschlaufe,
Maße, Gewicht ca. 34 x 66 x 113 mm, 365 g
Baujahr(e) 1932-1933, diese vermutlich 1932, ca. 10,000 Exemplare (?)
Kaufpreis, Wert heute 80 RM (1932), ca. 200 - 300 € je nach Zustand
LinksCamera-wikicinci, IFMPagesperso-orange, Kulturbeutel, earlyphotography.co.uk


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