2024-04-04

Korelle 4.5x6


Eine etwas ramponierte und nicht mehr voll funktionstüchtige Korelle kreuzte neulich meinen Weg. Grund genug, sie hier kurz zu dokumentieren. Das Dresdener Kamerawerk Franz Kochmann produzierte in den 1930er Jahren eine ganze Reihe praktischer und auch erfolgreicher Kameras, die alle Korelle hießen. Die berühmteste und erfolgreichste von ihnen war die Reflex-Korelle (ab 1935). Begonnen wurde die Serie 1931 mit der kleinen Korelle 3x4, die von der Korelle K abgelöst wurde. 
Slow-Motion vom Ausfahren der federgespannten
Spreizenkonstruktion und des Balgens. 
Dann gab es ab ca. 1932 insgesamt 3 verschiedene Rollfilmkameras und eine kleine Plattenkamera mit diesem Namen, die sich alle den charakteristischen federgespannten Spreizenmechanismus und auch andere gemeinsame Details (wie zum Beispiel das 75 mm Objektiv) teilten:

* Die seltenste (und heute wertvollste) ist die Plattenkamera Korelle P für die kleinen 4.5x6 cm Glasplatten oder Planfilme. Gut zu erkennen an ihrer eckigen Erscheinung.
* Die wohl häufigste ist die Korelle 4x6.5 für 8 querformatige Aufnahmen auf A8 (127er) Film. Auf der Rückseite gibt es genau ein rotes Filmzähl-Fensterchen. Wie bei der Korelle P klappen die Spreizen parallel zur Kameraoberseite (horizontal) ein.
* Aber Achtung: Letztere bitte nicht verwechseln mit der Korelle 4.5x6 für 16 hochformatige Aufnahmen auf 120er Rollfilm. Das ist diese Kamera hier, vermutlich die zweit-häufigste Variante. Da es sich quasi um eine Halbformatkamera für den eigentlich für 6x9 konfektionierten Film handelt gibt es auf der Rückseite entsprechend ZWEI rote Filmzähl-Fensterchen.
* Von dieser gibt es eine von Vorne äußerlich kaum zu unterscheidende Schwester Korelle 6x6. Deren Rückseite ziert ein spezielles Filmzählwerk (12 Aufnahmen 6x6 cm), da damals der 120er Film (noch) nicht für 6x6 konfektioniert war. Bei beiden 120er Kameras klappen die Spreizen senkrecht zur Kameraoberseite (vertikal). 

Kochmann Anzeige von 1934.

Die beiden 120er Kameras kamen angeblich 1933 auf den Markt und wurden wohl bis Kriegsausbruch 1939 produziert. Meine Kamera hat ein Schneider Xenar 7.5 cm f/2.8 mit der (rückseitigen) Seriennummer #1676660, die recht genau 1939 zugeordnet werden kann. Für den Compur Rapid #5459540 spuckt mein Tool 1937 aus. Die Kameras selbst haben leider keine eigene Gehäusenummer, so dass ein Schätzen der Produktionszahl sehr schwierig ist. Basierend auf heutigen Sammlerpreisen und anderen Vergleichen würde ich mal von einer mittleren 5-stelligen Zahl ausgehen (für alle Varianten zusammen). 
Während der 1930er, speziell ab 1933 als es wirtschaftlich nach der Krise wieder aufwärts ging war die Vielfalt an Kameratypen besonders groß und es wurde viel Neues ausprobiert. Die alten Plattenkameras wollte niemand mehr, Rollfilm oder gar Kleinbild waren angesagt. Das Rollfilmformat, was sich am meisten durchsetzte, war 6x9 cm auf 120er oder 620er Film. Diese Negative konnten einfach per Kontaktkopie abgezogen werden. Aber auch  4.5x6 (120er) oder 4x6.5 (127er) erschienen als gerade noch akzeptable Kleinbildalternative. So entstand ein Markt für diese Kameras, die nicht so teuer wie echte Kleinbildkameras und nicht so klobig wie die 6x9 Kameras waren. Die direkten Korelle Konkurrentinnen hießen Voigtländer Virtus, Welta Perle, Certo Dolly, Beier Precisa oder ZI Nettar und ein paar andere. Zum Ende des Jahrzehnts verlor der 127er Film immer mehr an Bedeutung, dafür wurde 6x6 populärer, was auch der Grund für die verschiedenen Korelle Varianten gewesen sein wird.

Meine Kamera wurde definitiv intensiv benutzt, zu sehen am Lack und Leder, beides schon sehr strapaziert. Außerdem fehlen ein paar Schräubchen etc. und der Verschluss hängt halb offen, vermutlich ein gescheiterter Reparaturversuch eines Vorbesitzers. Ich hatte kurz überlegt, ob sich eine Reparatur lohnt, mich dann aber dagegen entschieden. Sie passt aber auch so schön in meine Sammlung und mal sehen, ob sich noch weitere Kochmann Kameras dazugesellen…

Datenblatt Rollfilm-Spreizenkamera für 4,5x6 cm Negative auf 120er Rollfilm
Objektiv Schneider Xenar 7,5 cm f/2.8 (4 Linsen, 3 Gruppen), Kamera auch erhältlich mit anderen 75mm Objektiven, siehe Anzeige unten.
Verschluss Compur Rapid, T-B-1-2-5-10-25-50-100-200-400 1/s. Einfachere Objektivvarianten auch mit Pronto-S oder Vario Verschluss.
Fokussierung Am Objektiv, per Frontlinsenverstellung, kleinste Entfernung: 90 cm.
Sucher Optischer Fernrohrsucher, aufklappbar.
Filmtransport Mittels Drehrad, zwei rote Fenster für Rückseitenpapier-Nummern
sonst. Ausstattung Zubehörschuh (für Entfernungsmesser), Stativgewinde 3/8‘‘, Tiefenschärfetabelle, eingebaute Objektivschutzkappe/Sonnenblende
Maße, Gewicht 122x77x34 mm, 556 g
Baujahr(e) 1933-1939, diese hier ca. 1939. 
Kaufpreis, Wert heute 95 RM, je nach Zustand 30-100 €.
Links Camera-wiki, Mike Eckman (Korelle 6x6), fotohistoricum.dk, Franz Kochmann
Bei KniPPsen weiterlesen Korelle 3x4, Korelle K Certo Dolly VPReflex-Korelle, Beier Precisa


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