2022-07-17

Nagel Vollenda 48 (Version 1 vs. Version 2)

Mein heutiger Post ist die Fortsetzung meines Beitrags vom 14. März 2021. Diesmal geht es um die Unterschiede der beiden Versionen, die es von der Kamera gab und ein paar weitere Kleinigkeiten. 

Anlass war (wie sollte es auch anders sein...) der Fund der Kamera links auf einer bekannten online-Auktionsplattform. Irgendwas stimmte bei diesem Angebot nicht und nach kurzem Überlegen kam ich drauf: Das Objektiv (ein Ysar 5 cm f/3.5, Rodenstock's Tessar Variante) passt nicht zur Kamera. Zunächst glaubte ich an eine seltene und dementsprechend wertvolle Variante, aber kurzes Recherchieren machte diesen Traum schnell wieder zunichte. 

Das Ysar mit 5 cm Brennweite gab es in den späten 1940er Jahren z.B. an der Kodak Retina I (Modell 010) und die Seriennummer des Objektivs (2024049) zeigt klar auf 1945. Auch auf dem Bild sieht man es deutlich: das hell strahlend leuchtende Aluminium der Objektivfassung beißt sich fast mit dem gediegenen Glanz des Vorkriegs-Nickels der restlichen Kamera. Jemand hatte also später das Objektiv getauscht, was ich zum Zweck der besseren Authentizität für die folgenden Aufnahmen wieder rückgängig gemacht habe. Meine Retina I (118, von 1935) hat ihrer Tante Vollenda dafür das Schneider Xenar 5 cm f/3.5 geliehen:
Frühe Version (links) in Einfachausstattung vs. spätere Version (rechts)
mit gehobener Ausstattung und extra Zubehör.

Ich bin besonders froh, dass ich nun mit den beiden Vollendas nicht nur die konstruktiven Änderungen zwischen Version 1 (bis ca. Seriennummer 126xxx) und Version 2 zeigen kann, sondern auch fast das gesamte Ausstattungsspektrum abdecke. Am einfachsten lässt sich die frühe Version am zylindrischen Drehknopf für den Filmtransport (mit der Beschriftung "Dr. August Nagel, Stuttgart") erkennen. Die spätere Version hat an der Stelle einen Drehschlüssel, der mit "Made in Germany" beschriftet ist. Daneben änderte sich noch der Rückwandverschluss, der in der zweiten Variante nun über die gesamte Kamerahöhe geht. Nur im direkten Vergleich nebeneinander erkennt man den breiteren Balgen der späten Version und die Änderung der Form der Metallplatte auf der Verschluss und Objektiv montiert sind. 
Auf diesem Bild sind fast alle Unterschiede und Ausstattungsvarianten gut sichtbar, siehe Text. 
Natürlich fallen die gehobenen Auststattungsmerkmale der späteren Version auf, diese gab es aber z.T. schon an frühen Kameras: 1) Der Compur-Verschluss und einen extra Schneckengang (2) zum Scharfstellen, der das komplette Objektiv samt Verschluss bewegt. (3) Ein optischer Sucher und (4) ein sog. "mechanischer Tiefenschärfer" (rechts obern auf der Kamera).  
 
Meine Kamera trägt die Seriennummer 150638 und läßt sich damit ins Jahr 1932 einsortieren, was auch durch die Seriennummer 2583829 des Compur-Verschlusses bestätigt wird. Sie ist nicht ganz so gut erhalten wie meine ältere Version 1, aber voll funktionstüchtig. Ich hoffe nur, dass das nachträglich eingebaute Ysar auch ordentlich justiert ist, mit Film ausprobiert habe ich es (bisher) nicht. 

Datenblatt Faltbalgenkamera für 3x4 cm Negative auf Rollfilm 127.
Zweite Version der Vollenda 48.
Objektiv Kamera war erhältlich mit Schneider Radionar 5 cm f/4.5 oder Radionar f/3.5, beide mit Frontlinsenfokussierung. Gehobene Ausstattung mit Schneckengang: Schneider Xenar f/3.5, oder f/2.9, Leitz Elmar f/3.5 oder Carl Zeiss Tessar f/3.5 oder f/2.8. (Das oben abgebildete Rodenstock Ysar ist von 1945 und wurde nachträglich ausgetauscht).
Verschluss Compur Zentralverschluss, T-B-1-2-5-10-25-50-100-300 (gehobene Ausstattung, einfache Version mit Pronto-S oder Nagel-Verschluss). Späte Kameras auch mit dem Compur-Rapid.
Fokussierung Mittels Schneckengang und Verschieben des gesamten Objektivs.
Sucher Optischer Aufklappsucher. Einfache Versionen haben einen  Aufklappsucher ohne optische Elemente.
Filmtransport Mittels Drehknopf (früher Version) oder Drehschlüssel (ab ca. Ende 1931), doppeltes rotes Bildnummern-Fenster für Halbformat
sonst. Ausstattung Stativgewinde 3/8'', Anschlussgewinde für Drahtauslöser
Maße, Gewicht ca. 33x76x110 mm (zusammengeklappt),  350 g
Baujahr(e) 1931-1933 und 1936,  ab Ende 1932 als Kodak Vollenda 48. Insgesamt ca. 43,000 Exemplare, davon ca. 30,000 im Jahr 1931.
Kaufpreis, Wert heute in dieser Version (Xenar) 88 RM, mit Tessar f/2.8 bis zu 129 RM. Wert heute je nach Zustand und Ausstattung 50-150 €
Links Camera-WikiUKCamera (Archiv), Living Image, Blende und Zeit Forum 
Bei KniPPsen weiterlesen Version 1August Nagel, Nagel/Kodak Vorkriegsproduktion in ZahlenKodak Vollenda 620, 3x4-Kameras von 1931, Nagel Pupille, Compur Seriennummern, 127 Film

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