Das ist sie: die erste kommerziell erhältliche Spiegelreflex mit TTL-Messung (und das sogar mit Offenblende). Ich war schon länger hinter ihr her, hatte schon viel über sie gelesen, aber als ich dieses Exemplar für nur $80 erstehen konnte und sie endlich in den Händen hielt, war ich dennoch überrascht und fasziniert von dieser außergewöhnlichen Spiegelreflex. Eigentlich ist sie sehr gewöhnlich (rückblickend betrachtet), aber als sie Ende 1963 auf den Markt kam, kam sie der idealen Spiegelreflex wohl so nah wie kaum eine andere vor oder nach ihr. Es muss der Schock gewesen sein für die damaligen Marktführer Asahi Pentax (weil vor der Spotmatic) und Nikon (weil genauso robust etc. wie die F). Topcon Fans behaupten heute noch, dass sie eine der besten jemals gebauten Spiegelreflexkameras ist, und ich muss zugeben, da ist was dran. Mein Exemplar hat einige Macken (z.B. keinen Hauptschalter mehr, kleinere Dellen und Kratzer), liegt aber mit über 1 kg satt in der Hand. Verschluss und Filmtransport schnurren trotz fast 50 Jahren auf dem Buckel wie neu und selbst der Belichtungsmesser zeigt richtig an. Und falls es im Jahre 2063 noch kompatible Batterien geben sollte, sehe ich keinen Grund, warum sie auch an ihrem 100. Geburtstag nicht noch Fotos machen könnte - halt: Film gibt es dann höchstwahrscheinlich schon 30 Jahre nicht mehr...
Aber eine Frage bleibt natürlich: Warum war diese geniale Kombination aus Nikon F und Pentax Spotmatic nicht erfolgreicher? Und: Warum geht Tokyo Kogaku, in den 1930ern mit ähnlichen Bedingungen gestartet wie Nippon Kogaku (Nikon), Ende der '70er Jahre fast pleite, wo die anderen großen japanischen Hersteller von einem Produktionsrekord zum anderen eilten? Insbesondere nachdem man der Welt mit diesem Meisterstück bewiesen hat, was technische Innovation und konsequentes Industriedesign bedeuten. Aber das beste Produkt zu haben reicht nicht, man muss es auch gut vermarkten (sprich: gewinnbringend verkaufen) und da scheint es bei Topcon zu hapern. Preislich war die Kamera im Premiumsegment angeordnet, ungefähr auf Höhe der Nikon F hatte aber für Profis nicht ganz so viel Systemzubehör und Objektive zu bieten. Die Pentax Spotmatic kam zwar erst später auf den Markt, war aber schon lange angekündigt und war um ca. ein Drittel billiger zu haben (und hatte ebenfalls ein großes Objektivangebot!). Man kann vermuten, dass TTL-Messung eher den betuchten Amateur (Kamera-Nerd) angesprochen hat, der wiederum nicht unbedingt einen Wechselsucher braucht. Also: Profis wählen eher die Nikon, Amateure eher die Pentax (ab 1965 auch die Nikkormat FT), wer geht leer aus: Topcon. Lediglich ca. 80.000 Exemplare werden von der RE Super und dem entsprechenden Exportmodell Super D gebaut, und das in 8 Jahren. Im selben Zeitraum verkaufen Fotohändler die 10-fache Menge Nikon F und fast 2.5 Millionen Spotmatics.
Topcon versucht es in der Folgezeit noch mit weiteren RE Kameras, die meisten schließlich ohne Wechselsucher und kompakter. Gleichzeitig bot man noch eine andere (günstigere) SLR-Serie mit total anderem Bajonett an. Die Topcon Uni war eine der ersten Kameras mit (TTL)-Blendenautomatik und hatte erstaunlicherweise einen Zentralverschluss. Bei insgesamt relativ geringen Produktionszahlen zog man sich konsequenterweise 1981 vom Kamerabau zurück, man hatte einfach nicht die finanzielle Kraft die nötigen Investitionen in die moderne Kameraelektronik zu stemmen. Topcon gibt es allerdings heute noch. Man produziert optische Industriegüter.
Auch wenn Topcon und das zukunftweisende Design der RE Super von 1963 den meisten Fotografen heute nicht mehr geläufig ist, gibt es immer noch eine Schar von Fans. Einer von ihnen muss Hirofumi Kobayashi sein, der heutige Chef von Cosina, der 2003 eine kleine Serie SLR (auf Basis der Cosina CT-1) nach ihr gestaltete und sogar das legendäre Topcor 58 f/1.4 nachbaute. Leider war 2007 auch für sie Schluss (wie fast alle anderen Film SLR's) und man kann sie heute gebraucht für ca. $400 erstehen. Da nehm ich doch lieber das Original aus den '60ern...
Datenblatt | Erste kommerziell erhältliche KB-SLR mit TTL-Messung |
Objektiv | modifiziertes Exakta Bajonett mit zusätzlichen Übertragungselementen, hier mit RE Auto Topcor 3.5cm f/2.8 (7 Linsen, vergütet) |
Verschluss | Horizontaler Tuchschlitzverschluss, 1s - 1/1000 s und B. Blitzsynchronisation 1/60s. |
Belichtungsmessung | CdS-Zelle auf der Rückseite des Spiegels, erhält 7% des Lichtes durch 50µm breite Ritzen. TTL Offenblendmessung mit RE Auto-Topcor Objektiven. Nachführmessung mit Nadelanzeige, wird im Sucher eingespiegelt. Empfindlichkeitseinstellung 25-1600 ASA. |
Fokussierung | SLR, Mattscheibe mit Mikroprismenzentrum und Schnittbildindikator, auswechselbar. Pentaprisma austauschbar gegen andere Systemsucher, Augenkorrekturlinsen als Zuberhör erhältlich. |
Sucher | Spiegelreflex mit Rückschwingspiegel, 97% des aktuellen Bildes, ca. 1.0x Vergrößerung bei 50 mm Brennweite |
Blitz | Synchronbuchse (X), 1/60s Synchronzeit. Zubehörschuh mit Mittenkontakt als Zubehör zum Aufstecken auf die Rückspulkurbel. |
Filmtransport | Schnellspannhebel (180°), Bildzählwerk, Rückspulkurbel, Anschlussmöglichkeit für elektrischen Motor (Zubehör). |
sonst. Ausstattung | ISO-Gewinde für Drahtauslöser, mechanischer Selbstauslöser (5-10 s), Abblendtaste, Hauptschalter, Stativgewinde |
Maße, Gewicht | ca. 144/100/50 mm, 821g (1070g m. Objektiv) |
Batterie | 1.35V PX625 (oder 1.35 V Alternative) |
Baujahr(e) | 1963-1971 (diese ca. 1966), ca. 80.000 Exemplare |
Kaufpreis, Wert heute | US$ 369 (1963), heutiger Wert ca. US$250 |
Links | The casual collector, Wikipedia, Manual (english), Camera-Wiki , Classic Cameras (Fotos und Zeitschriften), Photo.net, Shutterbug, Topcon Club (Japanisch) |