2022-01-22

Zenith 80 (САЛЮТ, Salyut, Kiev 80)


Mit meinem Sammelanspruch nach bedeutenden Kameras, die die Entwicklung der Industrie über die Zeit geprägt haben, gehört eigentlich eine Hasselblad in meine Vitrine und auf diesen Blog. Hier natürlich entweder Victor Hasselblads erstes Modell 1600 F von 1948 oder eine 500 C/M (die vermutlich bedeutendste professionelle 6x6-Systemkamera). Aber die Dinger waren (und sind) als professionelle Arbeitsgeräte sehr teuer und auch heute in Sammlerkreisen sehr beliebt. Die aufgerufenen Preise (> 1000€) stoßen sich mit meinem anderen Anspruch möglichst preiswert bei meinen Sammelobjekten zu bleiben.
Daher wurde es statt dessen eine "Hasselbladski", so der Spitzname für die sowjetische САЛЮТ (Salyut), die ein sehr naher Hasselblad 1000 F Nachbau ist und sich zu einer eigenen Kameralinie weiterentwickelt hat, wobei die äußere Anmutung sehr nah am Original blieb. Während bei der Hasselblad immer wieder innovative neue Modelle eingeführt wurden, ist die Geschichte der Salyut/Kiev-Reihe relativ schnell erzählt: Die erste Version  der Salyut (1957-1959) hatte noch einen Selbstauslöser und eine schnellste Verschlusszeit von 1/1500 s. Beides wurde schrittweise aufgegeben, der sogenannte Typ 3 (1965-1974) hatte die hier gezeigten Features und wurde als Exportmodell (manchmal als Typ 4 bezeichnet) unter den Namen Zenith-80 und Revue 6x6 im westlichen Ausland verkauft. 
Systemkamera für den professionellen Einsatz. Vieles ist sogar mit dem originalen Hasselblad-Zubehör kompatibel. 

Ab 1972 gab es dann die Salyut-C mit modifiziertem Objektivanschluss (automatische Springblende). Diese wurde als Kiev-80 in den Westen exportiert. Ab ca. 1984 hießen alle Kameras dann Kiev-88 und hatten einen (heißen) Blitzschuh. Später (in den 1990ern ?) gab es die Kiev-88 CM mit Pentacon/Praktisix-Bajonett. Die eigentliche Produktion der Kamera endete wohl ca. 2004. Allerdings gibt es immer noch soviele Restbestände bzw. Ersatzteile, dass die Firma Arax in Kiev, die einige ehemalige Arsenal Mitarbeiter übernommen hat, manuell instandgesetzte und getestete Kameras heute immer noch verkauft. 
Im Netz liest man viel über die zum Teil schlechte Verarbeitung und fehlerhafte Verschlüsse und vieles mehr. Es wird immer wieder die Warnung ausgesprochen, bloß nicht die Verschlusszeit zu verstellen, wenn die Kamera nicht gespannt ist, das würde die Mechanik ruinieren. Man liest allerdings auch, dass die frühen Exemplare noch aus solidem Stahl gefertigt wurden, das ab den 80ern zum Teil durch weicheres Messing ersetzt wurde. Dadurch sind wohl die späteren Exemplare anfälliger für Fehler. Ich jedenfalls war sehr gespannt, bis ich mein Exemplar endlich bekommen habe.

Und, ich muss sagen, ich war sehr angetan. Der erste Eindruck war ein "Wow!", was ein Klotz. Sie liegt mit ihren ca. 1,5 kg schwer in der Hand und ist tatsächlich größer als sie auf Fotos wirkt. Der Druck auf den Auslöser lässt satt den Spiegel hochklappen und den Verschluss ablaufen und beim Dreh am großen Aufzugsdrehrad wackelt nichts. Meine Kamera hatte zwei kleine Dellen auf dem Lichtschachtdeckel, ansonsten ist sie fast tadellos in Schuss. Alle Chromleisten glänzen, keinerlei Kratzer oder abgeschubbelte Ecken, das Leder überall bis in alle Ecken solide verklebt. Trotzdem wirkt sie durchaus benutzt und ich habe auch keine Angst dies zu tun. Der Verschluss scheint bei allen Zeiten richtig abzulaufen und ich werde noch auf besseres Wetter und Lichtverhältnisse warten und dann mal den einen oder anderen Rollfilm riskieren, den ich noch besitze...

Datenblatt Mittelformat-SLR (6x6, 120er Film) mit Wechselmagazin (Hasselblad Nachbau)
Objektiv Industar-29 80 mm f/2.8 (vergütet, Tessar Typ), auswechselbar über Salyut-B (Hasselblad 1600f/1000f) Bajonett. Halbautomatische Springblende.
Verschluss horizontaler Metallfolien-Schlitzverschluss, B-2-4-8-15-30-60-125-250-500-1000 1/s
Belichtungsmessung keine, mittels TTL-Prismensucher nachrüstbar
Fokussierung manuell am Objektiv, Naheinstellgrenze 90 cm, Fresnel-Mattscheibe.
Sucher Lichtschachtsucher, austauschbar gegen Prismensucher oder Lupensucher
Blitz Anschluss über PC-Buchse, umschaltbar M und X. Synchronzeit 1/30s
Filmtransport Mittels Drehrad an der rechten Kameraseite, ganze Umdrehung notwendig, dies spannt gleichzeitig den Verschluss. Mechanisches Bildzählwerk am Magazin, durch ein verschließbares zentrales Loch im Magazin kann auch auf die Nummer des Rückzeitenpapiers geschaut werden.
sonst. Ausstattung auswechselbares Filmmagazin für 120er Rollfilm (6x6), optional sind auch Magazine für 6x4.5 und Polaroid ansetzbar. Auslösesperre bei eingesetztem Magazinschieber, Drahtauslösergewinde, 2 x 3/8'' Stativgewinde, Gurtösen, Merkscheibe für Filmempfindlichkeit.
Maße, Gewicht ca. 170x100x100 mm, Objektiv 307g, Gehäuse 631g, Lichtschacht 71g, Magazin 456g, Gesamt: 1465g 
Baujahr(e) 1957-1973 (74?), 3 Versionen, diese letzte Version von ca. 1968-1973 auch unter den Export-Varianten Zenith-80 (UK) und Revue-6x6 (Foto Quelle, BRD), insgesamt ca. 50,000 Exemplare, diese #7104380 von 1971.
Kaufpreis, Wert heute UdSSR: 400 Rubel (6 durchschn. Monatsgehälter), heute je nach Zustand 100-300 €.
Links User-ManualCamera-WikiRepair Manual, Steve Ash, Commiecameras, Film einlegen, Fotoua.com, Kievaholic Club, Matt's Classic CamerasSovietcams.comWolfram Klein