2024-01-28

Filmhersteller - Kurzportraits (Teil 2, Deutschlands kleinere )

Angebot an Schwarz-Weiß-Filmen bei Photo Porst 1956.


Neben den fünf Filmherstellern, die ich in Teil 1 meiner Serie schon vorgestellt habe, gab es in Deutschland noch ein paar kleinere Produzenten, die zeitweise sogar erfolgreich waren, ihre Stellung aber nicht langfristig behaupten konnten. Zu den folgenden acht habe ich noch ein paar Dinge zusammentragen können:

NPG - Mimosa

Die Neue Photographische Gesellschaft AG wurde 1894 von Arthur Schwarz in Berlin gegründet und war mit einem neuen Verfahren zur massenhaften Vervielfältigung von Fotografien extrem erfolgreich. Man expandierte auch ins Ausland und war nach eigenem Urteil im Jahr 1910 mit 1200 Angestellten das bedeutendste Fotounternehmen der Welt. Ab 1904 bis ca. 1912 wurde auch Film hergestellt ("Emera-Celluloid-Film"). In den Laboren der NPG entwickelte ihr Chemiker Rudolf Fischer 1911 die Grundlagen des modernen Mehrschichten Farbfilms, zu einem fertigen Produkt reicht es damals allerdings noch nicht.
Die NPG gerät nach dem 1. Weltkrieg in eine gehörige finanzielle Schieflage und rettet sich zunächst durch eine Beteiligung des Dresdener Fotopapierherstellers Mimosa. Doch schon 1922 werden die Berliner Betriebe geschlossen, die Fotoaktivitäten zur Mimosa nach Dresden verlegt und die anderen Maschinen und Betriebsmittel an andere Firmen verkauft. 
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Die Mimosa geht auf verschiedene Unternehmungen aus Köln und München zurück, die 1903 beschließen ihre Fotopapier-Produktion ins damalige Zentrum der Fotografie Dresden zu verlegen. Man wächst, wandelt die Rechtsform 1913 in eine AG um, beteiligt sich an verschiedenen anderen Unternehmen, unter anderem an der NPG, die man 1922 ganz schluckt. Mit der ICA AG, der späteren Keimzelle von Zeiss Ikon arbeitet man ab 1920 eng zusammen und eröffnet schließlich 1924 die Filmproduktion in Dresden. 1926 wird auch noch der Trockenplattenhersteller Unger&Hoffmann übernommen. Die Blüte der Mimosa-Filmproduktion liegt in den 1930er Jahren, man bleibt aber hauptsächlich Fotopapier-Hersteller. Trotz der bekannten großflächigen Zerstörung Dresdens im 2. Weltkrieg, bleiben die Mimosa Gebäude im Wesentlichen intakt, die Maschinen werden allerdings teilweise demontiert und entweder von der russischen Besatzungsmacht beschlagnahmt oder von ehemaligen Mitarbeitern in den Westen "verlagert". Die alte Seilschaft mit Zeiss Ikon führt dazu, dass in den Gebäuden ab 1947 eine Mimosa Kamera gebaut wird, die Geschichte habe ich ja schon erzählt. Die Produktion wird 1950 wieder als VEB Photopapierwerk Dresden aufgenommen, die Filmherstellung allerdings schon 1954 stillgelegt. Viele Mimosa-Leute, darunter auch das Management, fliehen in die Westzonen und es kommt 1950 zur Gründung einer Mimosa GmbH in Kiel, wo wieder Fotopapier aber kein Film produziert wird. 1960 kauft Bayer Leverkusen die Firma und bringt sie 1964 in die Fusion zu Agfa-Gevaert ein, der Name Mimosa verschwindet auch hier.

Schleussner - ADOX - DuPont

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Der Chemiker Carl Schleussner (1830-1899) übernimmt nach Promotion und Heirat die Siegellackfabrik seines Schwiegervaters im Frankfurter Bahnhofsviertel und etabliert dort ab 1860 die erste fotochemische Fabrik der Welt. Als eines der ersten Unternehmen wurden ab 1881 Trockenplatten angeboten. Ab 1892 übernahmen seine Söhne, insbesondere der ebenfalls zum Chemiker ausgebildete und promovierte Carl Moritz (1868-1943) kooperierte mit Wilhelm Röntgen und produzierte als einer der ersten ab 1896 Röntgenfilme. Die Firma expandierte und wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, von der die Kurzform und später die Marke ADOX (Aktiengesellschaft DOktor C. Schleussner) abgeleitet wurde, die allerdings erst ab 1951 zur Kennzeichnung von Produkten genutzt wurde. 
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Ab 1920 übernahm die dritte Generation und führt die Firma zu einer ersten Blüte. Schon ab 1924 schluckt man die Nobel-Film GmbH in Jülich, die wiederum ihren Toxo-Film von der Kino-Film GmbH in Düren übernommen haben, der dort schon seit 1915 mit Erfolg produziert wurde. Carl Adolf Schleussner (1895-1959) verlegte die Produktionsstätten 1927 aus Frankfurt ins neu errichtete große Werk in Neu-Isenburg und konsolidiert dort die gesamte Filmproduktion. Außerdem wird eine Celluloidfilm-Produktion in Wiesbaden-Biebrich eröffnet (Cella GmbH), ab 1928 übernimmt man eine Mehrheitsbeteiligung an Westendorp und Wehner (s. unten).
Ab 1938 übernimmt ADOX die Kameraproduktion von Wirgin in Wiesbaden, deren jüdische Eigentümer vor den Nazis nach USA fliehen mussten. Nach dem Krieg wird der Kauf rück-abgewickelt, ADOX verlegt die eigene Kameraproduktion ins Werk in Biebrich. Ansonsten erlebt die nun Adox Fotowerke Dr. C. Schleussner genannte Firma ab ca. 1950 eine zweite Blüte. Die Kameraproduktion wird ausgebaut und der 1950 erschienene Schwarz-Weißfilm Adox KB17 erlangt als erster Film auf einem sehr dünnen Schichtträger Weltruhm.
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ADOX ist dann 1956 der zweite deutsche Hersteller mit einem Farbfilm und wohl nach Agfa der zweitwichtigste Filmhersteller in Westdeutschland. Fast auf dem Höhepunkt des Erfolgs verstirbt 1959 Carl Adolf Schleussner an den Spätfolgen eines Unfalls, die Familie zieht sich aus dem Fotogeschäft zurück und verkauft 1962 das Werk in Neu-Isenburg und das daran hängende Geschäft an den Chemiegiganten DuPont. Der behält mittelfristig nur das Medizinproduktegeschäft und verkauft Röntgenfilme unter der Marke ADOX. Die normale Filmproduktion wird am 1. August 1964 eingestellt, die Kameraproduktion folgt 10 Monate später. Die Filmproduktions-Maschinen werden 1973 an Fotokemia im damaligen Jugoslawien verkauft, der die alten ADOX-Rezepturen als Efke-Film auf den Markt bringt und bis in die 1990er Jahre verkauft. Dupont veräußert sein Röntgengeschäft 1999 mit der Marke ADOX an seinen Konkurrenten Agfa-Gevaert in Belgien, der die Marke allerdings nicht weiterverwendet und 2003 fallen lässt (DuPont selbst verwendet die Marke immer noch für die Chemikalie Natriumchlorit). Das Berliner Analog-Foto-Start-up Fotoimpex sichert sich die Markenrechte für Fotoprodukte in 2003 und baut seitdem das Portfolio an ADOX Filmen und Fotochemikalien immer weiter aus. Basis sind alte Adox und Agfa Rezepturen.

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Westendorp & Wehner

Die Firma Westendorp & Wehner AG in Köln geht auf eine Trockenplattenfabrik zurück, die 1881 u.a. von dem Fotografen Carl Westendorp gegründet worden war und an der sich im Laufe der Jahre verschiedene private Teilhaber und andere Gesellschaften beteiligt hatten. 1903 werden größere Räumlichkeiten bezogen und die Filmfabrikation aufgenommen, außerdem beteiligt sich Schleussner aus Frankfurt erstmalig. 1918 wird dieser "Gewinnbeteiligungsvertrag neu geregelt", Schleussner Familienmitglieder gelangen in die Geschäftsleitung und 1928 übernimmt Schleussner schließlich die Aktienmehrheit. Inwieweit über die Jahre die Kölner Produktion von der Frankfurter unabhängig blieb oder ob sogar für einander produziert wurde habe ich leider nicht herausbekommen. Allerdings trat man am Markt durchaus unabhängig und mit ähnlichen Produkten auf. Die vom gleichen Grafiker (epstein) gestalteten Anzeigen von 1931 legen aber eine gewisse Kooperation zwischen Mutter- und Tochterfirma nahe. Über die Kriegs- und Nachkriegszeit bei "WW" ist mir nichts bekannt, allerdings wurden auf der photokina 1959 noch Filme mit dem kreisrunden WW-Logo vorgestellt.  

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Eisenberger

Eisenberger Trockenplattenfarbik Otto Kirschten AG, gegründet 1896. Filmfertigung vermutlich ab Ende der 1920er Jahre. Der Flavirid genannte Film hatte zunächst 18° Scheiner, ab 1933 26° Scheiner. 1936 kauft die Familie Kirschten alle anderen Aktien zurück und wird wieder Alleininhaber. Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Werk in Thüringen verstaatlicht und als VEB geführt. Man war erst 1950 wieder lieferfähig, stellte ab 1954 nur noch technische Fotopapiere her und wurde Anfang der 1960er Jahre aufgelöst.


Lignose
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Der Lignose-Konzern, hervorgegangen aus der Oberschlesischen Sprengstoff-AG, eigentlich ein Waffen- und Munitionshersteller, richtete nach Ende des Ersten Weltkriegs sein Geschäft verstärkt auf zivile Produkte aus. Schießbaumwolle bildet die Grundlage von Zelluloid, und Lignose gründete die Tochter Lignosefilm GmbH und investierte 1924 in eine Filmfabrik am Standort Nüssau bei Hamburg. Ab 1926 werden Roll- und Planfilme hergestellt und unter dem Markennamen Lignosefilm vertrieben. Schon Ende 1927 wird die Lignosefilm GmbH an die I.G.Farben (Agfa) verkauft, die den Konkurrenten stilllegt und die Gebäude verkauft.

Lomberg - Byk Guldenwerke

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Trockenplatten, 1923
Ernst Gottlieb Lomberg (* 1829 + 19.5.1898) ist eigentlich Konditor in Langenberg (Rheinland). Er erlernt er das Fotografieren, errichtet ein Atelier, gibt schließlich seine Konditorei auf und widmet sich nur noch der Herstellung von Lichtbildern. Aus der Not heraus fertigt er zunächst Fotoplatten für den Eigenbedarf und gründet 1882 schließlich in Langenberg seine eigene Trockenplattenfarbik. Nach seinem Tod 1898 übernehmen die Schwiegersöhne Moritz Morgenstern und Albert Pohlig die Leitung des Unternehmens und weiten die Produktion aus. 1930 Bau der Filmfabrik. Produkte: Filme für den Tiefdruck, Elochrom-Film für den Amateur. 1931 übernimmt der Konzern Byk-Gulden die Firma „Ernst Lomberg-Photochemische Produkte“ und nennt sich jetzt „Byk-Gulden-Lomberg“. Die chemischen Fabriken Heinrich Byk (Berlin, seit 1873) und Paul Gulden (Leipzig, 1896) hatten beide neben Pharmazie auch Fotochemie und -Papiere im Programm, fusionierten 1918 und legten ihre Betriebe schließlich 1924 in Oranienburg zusammen. Durch die Übernahme von Lomberg konnte der Kundschaft endlich auch Fotoplatten und -Filme angeboten werden. Allerdings war man mit der Entwicklung neuer Rollfilme nicht so erfolgreich wie erhofft (starke Konkurrenz...!) und schloss daher die Fotoabteilung 1937. Die Firma Byk existiert heute noch als 100%ige Altana Tochter und produziert Spezialchemie. 

Kranseder & Cie., München 

Gegründet ca. 1904 als Trockenplattenfabrik in München. Filmproduktion ab 1932 bis vermutlich 1956. Die Gesellschaft wird  1955 von den Erben verkauft, wer der neue Eigentümer war, konnte ich bisher nicht herausfinden. Danach wird Film von Adox und später auch ausländischen Filmherstellern konfektioniert und unter der Marke Kranz verkauft (auch Farbfilme unter  Kranz-Color bzw.  Kranz-Chrome).  Ab 1968 zieht die Firma schrittweise nach Mitterndorf in Niederbayern um und wird 1974 aufgegeben.

Bergmann - Turaphot

Tura 17, haltbar bis Juni 1968
Dr. Carl Bergmann gründet 1901 in Wernigerode/Harz die Fotopapierfabrik Bergmann & Co, die Produkte tragen die Bezeichnung Beco. Ab 1915 fertigt man für den Kriegsbedarf auch noch Trockenplatten. Ab 1921 wird mit der Filmherstellung begonnen, ab 1923 sogar auf eigenem Rohzelluloid. 1942 beschließen die Gesellschafter die Firma in Turaphot GmbH umzubenennen.  Nach dem 2. Weltkrieg und der deutschen Teilung kommt es auch hier zu zwei Nachfolgebetrieben. Das Werk in Wernigerode wird zunächst als VEB Turaphot, ab 1958 dann als VEB Photopapierwerk Wernigerode geführt und im Januar dann in den VEB Fotochemisches Kombinat Wolfen (ORWO) eingegliedert. Die Filme Turapan 17° und 20° werden nur kurze Zeit produziert (vermutlich in den 1950ern). Die ehemaligen Eigentümer und Mitarbeiter gründen die Turaphot GmbH 1948 in Düren am Niederrhein neu. In einer ehemaligen Papierfabrik wird wieder Fotopapier produziert, (Schwarz-Weiß-)Filme werden ab 1950 im Zweigbetrieb Kaltenberg/Eifel hergestellt. Wie lange konnte ich nicht herausfinden, vermutlich bis Anfang der 1970er. Danach wurde nur noch umkonfektioniert. Ab 1963 werden auch Turachrome und Turacolor Farbfilme angeboten (vermutlich Dynacolor, USA). Turaphot waren die ersten, die 1969 PE-beschichtetes Fotopapier auf den Markt brachten. 1995 meldet die Firma Konkurs an und wird danach wohl mit neuem Geschäftsmodell neu gegründet. Man konfektioniert zugekauften Film, Fotopapier und -Chemie und vertreibt es unter der eigenen Marke, Ende 2005 ist aber dann endgültig Schluss. Auch im ursprünglichen Werk im Harz werden ab der Wende noch eine Zeit lang Fotopaier und -Filme konfektioniert. Die Gebäude wurden 2011 abgerissen. 

Ob das jetzt alle deutschen Filmhersteller waren, kann ich nicht mit 100%iger Sicherheit sagen. Auf meiner Liste hatte ich noch Matter in Mannheim, Maro (Mayer & Rotzler) in Karlsruhe sowie Cawo in Schrobenhausen. Die beiden ersten sind Trockenplattenhersteller gewesen, denen Film angedichtet wurde. Ich konnte keine weiteren Belege für tatsächliche Filmproduktion finden. Cawo ist nach dem 2. Weltkrieg von ehemaligen Mimosa Managern mit dem Zweck gegründet worden, Filme und Fotopapier zu produzieren. Sie sind allerdings gescheitert und wurden 1953 schon von Perutz absorbiert.

Und dann gibt es natürlich noch ausländische Filme, die auf dem deutschen Markt auftauchten. Das wird irgendwann mal Teil 3 dieser Serie. Viele dieser Filme gelangen auch unter anderem Namen auf den Markt. Das sogenannte Hausmarkengeschäft hat insbesondere ab 1970 eine große Konjunktur und nicht immer ist in einer Schachtel mit einer deutschen Marke auch deutscher Film drin!

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