2019-10-18

Von Kine Exakta bis Praktica BX20S - 65 Jahre deutsche Spiegelreflex

Die erste und die letzte SLR aus deutscher Produktion. Zwischen den beiden liegen sechs wechselvolle Jahrzehnte und ungefähr 12 Millionen Spiegelreflex-Kameras aus West- und hauptsächlich Ost-Deutschland,
zwischen den beiden Produktionsstätten in Dresden aber nur ca. 2 km.
Die letzte 35mm Spiegelreflexkamera, die in Deutschland gebaut wurde und die sogar stolz das Label "Made in Germany" tragen durfte heißt Praktica BX20S und seit dieser Woche nenne ich eine davon mein Eigen. Die Kine-Exakta war sechs Jahrzehnte vorher die erste Spiegelreflex für den 35 mm Film, ich habe ein Exemplar davon schon länger in meiner Sammlung. Die Statistik der 12.3 Millionen deutschen SLR habe ich ebenfalls hier ausgerollt. Hier nun in aller Kürze die Geschichte dazwischen. Über die "neue" Kamera berichte ich in einem Extra Beitrag

Die Geschichte der deutschen Spiegelreflex ist so interessant wie traurig, und wurde entscheidend geprägt durch die deutsche Teilung. Rückblickend kann man von einem Glücksfall sprechen, dass das technologische Zentrum der deutschen Kameraindustrie in und um Dresden lag, und damit die Kameraproduktion sich im Schutze der sozialistischen Planwirtschaft noch ein paar Jahrzehnte halten und sogar zumindest in der ersten Zeit nach dem Krieg sehr wacker schlagen konnte. Wäre es in Westdeutschland gewesen, dann wage ich hier mal die Behauptung, dass auch für Ihaage, Praktica und Co. das Aus Anfang der 1970er gekommen wäre.

Die letzte ihrer Art- SLR made in Germany
In Dresden und Umgebung jedenfalls konsolidierte sich die Kameraindustrie nach dem Krieg und man konnte gemeinsam unter dem Kombinatsdach des VEB Pentacon die Kräfte bündeln. In den 50er Jahren knüpfte man an alte Tugenden und auch Designs wieder an. Die ganze Geschichte und ihre Details kann man an vielen Stellen nachlesen (siehe auch die Links unten). In den späten 1960er Jahren probierte man sich sogar weltweit auf Augenhöhe an Elektronik, wie der erste elektronisch gesteuerte Schlitzverschluss beweist und brachte mit der Praktica L die erfolgreichste deutsche SLR-Serie auf den Markt. 

Ostdeutscher Verkaufsschlager der 70er :
Praktica L Serie mit M42
Während am Anfang der 1970er die westdeutschen Produzenten (bis auf Leitz) einer nach dem anderen die Segel strichen und der inzwischen technologisch als auch preislich davonziehenden japanischen Konkurrenz das Feld überließen, konnte der VEB Pentacon wegen des geschützten Wirtschaftsraums zumindest preislich noch etwas mithalten. Technisch ging auch den Dresdnern langsam der Atem aus und man hinkte den Japanern schließlich um Jahre hinterher. Als man (endlich) 1979 die moderne B-Serie mit einem Bajonett brachte, konnte die Kamera ungefähr das, was die führenden Japaner ca. 5 Jahre zuvor am Markt eingeführt hatten. Aber immerhin, man muss bedenken, dass die Pentacon Ingenieure wg. der wirtschaftlichen Isolation, alles alleine (nochmal) entwickeln mussten. Man konnte bzw. durfte nicht auf Komponenten von Zulieferern zurückgreifen. Die B-Serie wurde im Laufe der 1980er weiter gepflegt, als letzte Innovation kam mit der BX20 im Jahr 1987 TTL-Blitzautomatik und ein moderneres Kunststoff-Gehäuse.


Titel der Bedienungsanleitung mit großer
"Schneider Dresden Schleife"
Und dann kam 1989 die Wende und nichts war mehr wie vorher. Der VEB Pentacon hatte zu dem Zeitpunkt ca. 5000 Mitarbeiter, davon ca. 250 in Forschung und Produktentwicklung. Man hatte hochfliegende Pläne für eine BY-Serie mit Programmautomatik und sogar Autofokus und 37 Prototypen der BX20S in der Schublade.
Aber, es kam wie es kommen musste: man war nicht konkurrenzfähig im Kapitalismus. Die Treuhand wickelte ab, Teile des Kombinats wurden an frühere Eigentümer zurückgegeben, so z.B. die Kamerawerkstätten "KW" Niedersedlitz (Wiege der Praktica) an die Familie Noble, sowie die Görlitzer Meyer-Optik. Den Kern der aktuellen Kameraproduktion in Dresden erwarb der Fotounternehmer Heinrich Mandermann, der seit 1969 mit seiner Beroflex Vertriebsgesellschaft die Pentacon- und Orwo-Produkte im "Westen" erfolgreich vermarktete. Mandermann hatte zuvor schon den Objektivhersteller Schneider in Kreuznach (Westdeutschland!) aus der Insolvenz erlöst und gliederte nun den Dresdener Betrieb unter dem Namen "Jos. Schneider Feinwerktechnik GmbH & Co. KG" in seine Unternehmensgruppe ein. Die Produktion der BX20 geht mit deutlich reduzierter Belegschaft weiter, ab 1991 bis 1999 werden dann noch über 33.000 Exemplare der BX20S gebaut. Ab 1998 firmiert die Dresdener Tochter dann wieder unter Pentacon GmbH und 2001 wird nochmal eine letzte Serie von 100 Kameras aufgelegt. Das wars! Mehr Details über die Kamera selbst hier...

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