2025-03-22

Zeiss Ikon Nettar IIC (517/2)

Ebenfalls in meinem Geschenkbeutel (Kamera #5) war diese Zeiss Ikon Nettar IIC, eine sehr solide aber dennoch einfache Faltbalgenkamera vom Anfang der 1950er Jahre. Sie gehört mit zu den letzten Vertretern ihrer Art. Ihr klassisches Bauprinzip geht zurück auf die ersten faltbaren Rollfilmkameras (ca. 1890), die sich den Laufboden wiederum von den Plattenkameras abgeschaut hatten. Als die Rollfilmkameras in den 1920er und 1930er Jahren die Marktführerschaft übernahmen, gab es von nahezu jedem Kamerahersteller eine oder mehrere Modelle in unterschiedlichen (Rollfilm-) Größen. Ab Mitte der 1930er setzte sich der Rollfilm 120 und 6x9 cm als Standard endgültig durch, zumindest im breiteren Massenmarkt, wo immer noch Kontaktkopien die Regel waren (siehe zum Beispiel meine Vollenda 620).    
In den 1930ern kamen bekanntermaßen auch die Kleinbildkameras auf, die dann endgültig die Marktführerschaft in den 1950ern übernehmen sollten. Nach der kriegsbedingten Pause fuhren die Kamerahersteller Ende der 1940er aber erstmal die Produktion der erfolgreichen Vorkriegsmodelle wieder hoch. Zeiss Ikon tat das auch für ihre bekannten Kameraserien Ikonta und Nettar, die schon immer im alten Contessa-Werk in Stuttgart produziert wurden. Die Nachkriegsvarianten bekamen ein wenig Facelift, indem der Aufklappsucher durch einen in der neuen Gehäusekappe integrierten optischen Fernrohrsucher ersetzt wurde. Im Falle der Nettar war die hier gezeigte geschwungene Gehäusekappe eine erste Version, spätere Kameras wie auch die Ikonta (532/2) hatten eine eckigere Form.
Durch Objektiv und Verschluss
unterschieden sich die Varianten

Ikonta und Nettar sind eigentlich nur Ausstattungsvarianten im selben Kameragehäuse, wobei die Nettar-Varianten die Billigversionen sind. Für die Nachkriegsvarianten von 1951 gab es folgende Auswahl (Preise aus Photo Porst-Katalog) : 

NETTAR...
Novar f/6.3 Vario 59,- DM
Novar f/4.5 Pronto 80,- DM
Novar f/4.5 Prontor-S 98,-DM
IKONTA...
Novar f/4.5 Prontor-SV 112,- DM
Novar f/3.5 Prontor-SV 150,- DM
Tessar f/3.5 Synchro-Compur 235,- DM

Die ursprünglichen Versionen in den 1930ern hatten sogar eine noch größere Differenzierung, siehe dieser Prospekt von 1938. Nicht unerwähnt werden sollte hier, dass es unter den Namen Nettar und Ikonta Kameras für verschiede Bildformate gab, die man durchaus als eigenständige Modelle sehen muss ( "A": 4.5x6, "B": 6x6 und "C": 6x9). Seltsam, aber so war das damals.... 

  
Nach dem 2. Weltkrieg lief die Produktion im Stuttgarter "Contessa-Werk" von Zeiss Ikon relativ zügig wieder an, weil es weder im Krieg zerstört noch von den Siegermächten (hier: die Amerikaner) demontiert wurde, im Gegensatz zu den Dresdener Betrieben, die unter beidem arg zu leiden hatten. 1948 fand dann die erste Hauptversammlung der neuen westdeutschen Aktiengesellschaft in Stuttgart statt. Zunächst wurden die Vorkriegsmodelle wieder aufgenommen, diese Version von 1951 ist das erste Nachkriegs-Update mit der zunächst geschwungenen Gehäusekappe. Weil man in Stuttgart Platz brauchte um auch höherwertige Kleinbildkameras wie die Contax IIa und die Contaflex fertigen zu können, zog man die Produktion von Nettar und Ikonta 1953 ins ehemalige Goerz-Werk nach Berlin-Friedenau um, wo bisher schon die Ikoflex und die Box Tengor gebaut wurden. 

Auf der anderen Seite des immer undurchlässiger werdenden eisernen Vorhangs, beim VEB Zeiss Ikon in Dresden, erkannte man schnell, dass es nach wie vor diese Nachfrage nach 6x9 Faltbalgenkameras gab, deren Produktionsstätten aber im Westen lagen. Daher wurde relativ schnell die zur Nettar/Ikonta fast baugleiche Ercona "entwickelt" und die Fertigung bei den ehemaligen Kamerawerkstätten ("KW") aufgenommen. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch noch ein anderer Ikonta/Nettar-Klon: Die Moskva, die angeblich (insgesamt für alle Varianten) fast eine halbe Million mal gebaut worden sein soll.

Die 6x9 Nettar (als Modell 518/2) wurde noch bis 1958 gebaut, spätestens dann war die Zeit dieser Kameras vorbei. Ihre 6x6 Schwestern hielten sich noch ein paar Jahre länger, dann übernahmen Kleinbildkameras die Rolle der Einsteigerkamera endgültig.  

Datenblatt Klassische Faltbalgenkamera für 6x9 cm auf Rollfilm 120
Objektiv Novar-Anasitigmat 105 mm f/4.5 (Triplet, vergütet). Eine billigere Version war auch erhältlich mit f/6.3 in Vario.
Verschluss Gauthier Pronto Zentralverschluss, B-25-50-100-200 1/s. Teurere Version auch erältlich mit Prontor SV (B-1-2-5-10-25-50-100-250), Gehäuseauslöser, Verschluss musste unabhängig vom Filmtransport gespannt werden. Keine Doppelbelichtungssperre.
Fokussierung Manuell per Fontlinsenverstellung, minimale Entfernung 1,50 m. Keine Scharfstellhilfe.
Sucher Einfacher, relativ kleiner optischer Durchsichtsucher.
Blitz Anschluss über PC-Buchse.
Filmtransport Mittels Drehrad, Kontrolle über rotem Fenster (verschließbar) und Rückseitenpapier. Keine Verriegelung gegen Leerbelichtungen.
sonst. Ausstattung Zubehörschuh, Trageschlaufe aus Leder, 2 x Stativgewinde 1/4'', ausklappbarer Standfuß, Drahtauslösergewinde
Maße, Gewicht ca. 165 x 100 x 45 mm (zusammengeklappt), 764 g
Baujahr(e) 1951-1953 in zwei Versionen, diese #T63281 von 1951
Kaufpreis, Wert heute 85 DM (1953 mit Vario), heute ca. 30 €
Links Camera-Wiki, Zeiss Ikon Prospekt (1953), Bruno Croci, Kurt Tauber



2025-03-09

Zeiss Ikon Colora F

Kamera Nr. 4 aus dem geschenkten Beutel voller einfacher Kameras ist diese Zeiss Ikon Colora F. Man würde sie auch ohne genauere Kenntnisse richtigerweise in die Mitte der 1960er Jahre verorten. Solche Kleinbild-Sucherkameras mit fest eingebautem Normalobjektiv und Zentralverschluss gab es damals von nahezu jedem Hersteller in verschiedenen Ausstattungsvarianten. Neben Kodak und Agfa hat sich insbesondere hier auch Zeiss Ikon hervorgetan, ein paar ihrer 1960er Kameras habe ich schon vorgestellt: Contessa, Cotessamat SE. Neben der Differenzierung mit hochwertigen Ausstattungsdetails wie Belichtungs- und/oder Entfernungsmessung, die die Kameras teurer machten, kamen damals immer billigere Modellreihen dazu. Bei Zeiss Ikon war das zunächst die Continette, dann die noch einfachere Colora. Man sparte am Objektiv (einfache Triplets mit Frontlinsenfokus) und am Verschluss (z.B. Prontor 125).   

Das Blitzgerät für AG-1 Blitzbirnen unter dem
hochgeklappten Zubehörschuh. Daneben auf der 
Rückspulkurbel der zughörige Blendenrechner.
Nachdem die Zeiss Stiftung im Jahr 1956 Zeiss Ikon's Konkurrenten Voigtländer von Schering übernommen hatte, und bevor man 1966 für beide Marken eine gemeinsame Vertriebsgesellschaft gründete, suchten die Verantwortlichen Anfang der 1960er Jahre nach Synergien. So teilte sich die zweite Generation der Colora ab 1963 das nun rundliche Gehäuse mit der Voigtländer Vitoret. Neben der Form ist der Voigtländer-typische Auslöseschieber auf der rechten Kameravorderseite charakteristisch für die neuen markenübergreifenden Kamerazwillinge. Die beiden Kameras sind zu 98% identisch und unterscheiden sich neben Beschriftung und wenigen ästhetischen Designelementen nur in einem kleinen technischen Detail (siehe unten). Ich gehe daher davon aus, dass auch die Colora mit den selben Maschinen wie die Vitoret vermutlich in Braunschweig gebaut wurde. Alles andere macht wirtschaftlich keinen Sinn.
 
Von beiden Modellen gibt es eine F (für "flash") Variante, die unter jeweils etwas höheren Gehäusekappen einen AG-1-Blitzbirnchenhalter und die entsprechende 15V-Batterie unterbrachte. Der Blitzreflektor klappte unter dem Zubehörschuh auf Knopfdruck elegant auf. Interessanterweise besitzen sowohl die Colora (ohne F) als auch die Vitoret eine PC-Buchse am Verschluss für den Anschluss von Blitzgeräten per Kabel, die Colora F (im Gegensatz zur Vitoret F !) diesen aber nicht mehr. Das heißt, man kann zwar ein externes Blitzgerät in den Zubehörschuh stecken, dies aber nirgends anschließen.

Vielleicht ist die fehlende Blitzbuchse für Zeiss Ikon auch das Argument, die Colora F mit 94 DM leicht unterhalb der 99 DM für die Voigtländer Vitoret F (Preisbindung!) zu positionieren. Von der Vitoret F wurden laut Claus Prochnow's Voigtländer Report 63500 Stück gebaut und verkauft, leider konnte ich zur Colora F keine Zahlen finden. Mich würde es allerdings nicht wundern, wenn die Zahl trotz des günstigeren Preises darunter liegen würde. 

Trotz des relativ günstigen Preises für diese Kameras war Blitzfotografie damit kein billiges Vergnügen. Ein Blitzbirnchen kostete ca. 40 bis 60 Pfennig, damit kostete ein Blitzfoto inklusive Film und Abzug mehr als doppelt so viel wie eines bei Tageslicht. Ich habe dazu leider nur Preislisten von 1956 und 1975 einsehen können, deren Preise allerdings ungefähr gleich auf lagen. Ich gehe mal davon aus, dass das auch für die 1960er Jahre galt. Kein Wunder, dass die am Ende der 1960er Jahre aufkommenden Elektronenblitze sich schnell durchsetzten, hier kostete ein Blitz außer den Anschaffungskosten fast nichts mehr. Eine mit der Vitoret/Colora F verwandte (Meilenstein-) Kamera zum Thema Elektronenblitz habe ich auch schon in meiner Sammlung...  


Datenblatt Kleinbild-Sucherkamera (24x36) mit eingebauten Blitzgerät für AG-1 Blitzbirnen
Objektiv Zeiss Ikon Novicar 50 mm f/2.8 (Triplet)
Verschluss Gauthier Prontor 125, B-30-60-125
Belichtungsmessung keine
Fokussierung manuell per Frontlinsenverstellung, keine Scharfstellhilfe
Sucher großer optischer Sucher mit Leuchtrahmen
Blitz eingebautes Blitzgerät für AG-1 Blitzbirnen, keine (!) alternative Anschlussmöglichkeit per Kabel.
Filmtransport mit Schnellschalthebel, Bildzählwerk (rückwärts)
sonst. Ausstattung Drahtauslösergewinde, Stativgewinde 1/4'', Zubehörschuh
Maße, Gewicht ca. 128 x 90 x 68 mm, 
Batterie 15 V Batterie für Blitzgerät, z.B. Daimon Nr. 324 oder Varta Pertrix Nr. 74
Baujahr(e) 1964-1965, Z.I.-Katalog-Nr. 10.0641. Vermutlich produziert auf der Vitoret-F Produktionslinie bei Voigtländer
Kaufpreis, Wert heute94 DM (1965), 5 €
Links Camera-WikiCamera manual (english), Photobutmore-Blitzseite, Vitoret F
Bei KniPPsen weiterlesen Vitrona, Die Geschichte des heißen Schuhs, Blitzbirnchen, Flash Bulbs

2025-03-01

Altissa Box

Dies ist nach der Baldessa 1 und der Agfamatic 300 Sensor Kamera Nummer 3 aus dem Einkaufsbeutel voller einfacher Kameras, den ich neulich geschenkt bekam. Es handelt sich um einen fast klassischen Vertreter einer Box-Kamera, einfachst konstruiert (billig zu bauen) und mit minimalen Einstell-Möglichkeiten für den Fotografen. Diese Altissa Box aus DDR-Produktion von 1954 bis ca. 1957 ist eine Neuauflage und Fortsetzung einer Vorkriegskonstruktion von 1937. 
Berthold Altmann hatte im Oktober 1934 die bis dahin von Emil Hofert geführte EHO-Kamerafabrik GmbH übernommen und ab ca. 1937 begonnen, seine Altissa-Boxen u.a. im kompakten 6x6-Format zu bauen, das durch die Rolleiflex populär wurde. Ab 1941 hieß die Firma schließlich Altissa-Camerawerk Berthold Altmann und begann nach der erzwungenen Kriegspause 1946 langsam wieder mit der Produktion der Vorkriegsmodelle. 1952 wurde Altmann enteignet und floh nach Westdeutschland. Das Altissa-Werk wurde als volkseigener Betrieb (VEB) weitergeführt, 1959 in die VEB Kamera und Kinowerke Dresden eingegliedert und die ehemaligen Produktionsräume 1961 aufgegeben. In diese Zeit fällt die Neuauflage der wohl anfangs recht erfolgreichen Altissa "Blechbüchse". Weitere Details kann man bei den unten aufgeführten Links finden.

Datenblatt Boxkamera aus Blech für 6x6-Aufnahmen auf Rollfilm 120
Objektiv Altissar Periskop f/8 (2 Linsen), Brennweite ca. 62 mm (selbst nachgemessen)
Verschluss Selbstspannender Einfachverschluss, B und 1/25s. Abblendbar durch Lochblende auf f/16
Fokussierung Fixfokus
Sucher großer optischer Fernrohrsucher
Blitz frühe Versionen der Kamera hatten eine PC-Buchse, dieses Modell vermutlich aus Kostengründen nicht mehr.
Filmtransport mittels Drehschraube an der rechten Kameraseite, rotes Rückseitenfenster, mit Schieber verschließbar.
sonst. Ausstattung Drahtauslösergewinde, Stativgewinde 3/8'', Ösen für Kameragurt.
Maße, Gewicht ca. 78 x 80 x 122 mm, 297 g (ohne Film, mit einer Spule)
Baujahr(e) 1954-1957, 
Kaufpreis, Wert heute 25.50 Mark (DDR, 1955), 5€
Links Camera-Wiki, VEBZeissIkon, Fotoapparate Meier, Lippisches Kameramuseum, Collection Appareils, Blende-Zeit-Forum