Zwei Dinge haben mich auf diese Kamera aufmerksam werden lassen. Zum einen natürlich mein Zufallsfang Ising Puck, die eigentümlicher Weise nicht aus den 30ern, sondern aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg stammt. Zum anderen ein (weiterer) Photo Porst "Photohelfer", diesmal aus dem Jahr 1932, den ich vor ein paar Wochen auf einem lokalen Flohmarkt entdeckt (und erworben) habe. Darin gibt es ein ganzes Kapitel über Kleinbild-Kameras. Damit waren Anfang der 1930er keineswegs nur Leica, Contax und Co. gemeint, die ihre 24x36 mm großen Aufnahmen auf dem perforierten 35 mm Kinofilm machten, sondern auch alle anderen mehr oder weniger kompakten Kameras für Negativformate kleiner als 6x6 cm. Eben solche, wo man nicht mehr mit Kontaktabzügen auskam, sondern Vergrößerungen im Labor machte oder machen ließ. 1932 gab es viel mehr Kameras für das 127er (V.P., Vest Pocket) Halbformat 3x4 cm als für 24x36 mm! Im Photohelfer von 1932 steht es 8 zu 3. Das ändert sich relativ rasch bis 1937. In meinen 37er Photohelfer werden 17 "Kleinkameras" für den perforierten Kinofilm angeboten und keine einzige mehr für 3x4.
Die interessanteste der frühen 3x4 Kameras ist sicherlich die Derby, die in Berlin von C.F. Foth & Co. hergestellt wurde. Die Firma selbst ist wegen ihrer nur ca. 15-jährigen Existenz heute relativ unbekannt, war mit ihren Produkten, Kameras, Ferngläser und optisches Zubehör aber "weltweit" am Markt aktiv und auch in den 1930er Jahren recht erfolgreich. Im Gegensatz zu den meisten anderen Herstellern, die Objektiv und (Zentral-)Verschluss von wenigen namenhaften Spezialisten zukauften (und sogar den Kunden die verschiedenen Optionen boten), machte man bei Foth alles selbst. Als Objektiv gab es entweder 3- oder 4-linsige Anastigmaten, also sehr ordentlich korrigierte Optiken in Triplet oder Tessar-Bauweise. Und, einzigartig bei den 3x4-Kameras: Es gab einen Tuchschlitzverschluss bis 1/500 s. Damit stand man der Leica in nicht viel nach, war aber mit nur 65 RM viel billiger als die 240 RM, die für die Leica aufgerufen wurde. OK, die Leica hatte einen Entfernungsmesser und Wechselobjektive, dafür war die Derby etwas kompakter und auch leichter und belichtete bei gleicher Brennweite ca. 39% mehr Negativfläche.
Interessanterweise, hatte das allererste Derby Modell aus dem Jahr 1930 auch 24x36 mm Bildfläche, etwas, was schnell geändert wurde. Die Kamera ist auch heute noch relativ häufig auf den gängigen Auktionsportalen zu finden. Exemplare mit starken Gebrauchspuren, so wie meines hier, sind relativ günstig zu bekommen. Hier gibt es keine "Mondpreise" wie bei den gern gesammelten Leicas. Auf Camera-Wiki.org gibt es einen recht umfassenden Artikel über alle Varianten. Mein Exemplar gehört zum Typ 2a, hat also schon einen Selbstauslöser und den quadratischen Fernrohrsucher, aber keine Seriennummer am Objektiv und auch keine Prägung "Germany". Allerdings hat es geprägtes Leder auf der Frontplatte. Ewtas, was eigentlich erst den späteren Modellen vorbehalten war...? Wie auch immer, ich bin froh über diese neue Erwerbung für meine Sammlung. Ich werde am Thema 30er-Jahre Kleinbildkameras weiter dranbleiben...
Datenblatt | frühe Halbformat (3x4) Kamera für den 127er Rollfilm |
Objektiv | Foth Anastigmat 50 mm f/3.5 (Triplet). Alternativ auch mit Foth Anastigmat 50 mm f/2.5 (4-Linser, Tessar Typ). Objektiv per Balgen versenkbar. |
Verschluss | Tuchschlitzverschluss für 3x4 cm Bildfeld, B-25-50-75-100-200-500. Verschluss wird unabhängig vom Filmaufzug gespannt. Keine Doppelbelichtungssperre. |
Belichtungsmessung | keine |
Fokussierung | Manuell am Objektiv (ab ca. 80 cm) durch Verschieben des gesamten Objektivs. |
Sucher | einfacher, sehr kleiner, quadratischer Fernrohrsucher zum hochklappen. |
Blitz | Kein Anschluss vorgesehen. |
Filmtransport | Mit Drehknopf, doppeltes rotes Bildnummern-Fenster für Halbformat. |
sonst. Ausstattung | Selbstauslöser, Stativgewinde 1/4", Anschluss für Drahtauslöser, Bereitschaftstasche als Zubehör. |
Maße, Gewicht | ca. 120 x 71 x 37/63 mm (geschlossen, offen), 444 g |
Batterie | keine |
Baujahr(e) | 1931-1935 (Typ 2), diese hier ca. 1932. Andere Modelle insgesamt von 1930 bis ca. 1940. Insgesamt wohl mehr als 80,000 Exemplare. |
Kaufpreis, Wert heute | 65 RM (1932), heute ca. 50 €. |
externe Quellen und Links | Mike Eckman, Wikipedia, Camera-Wiki, Classic Camera Collection, US Brochure, Manual, 127er Rollfilm, Collectiblend |
bei KniPPsen weiterlesen | Ferrania Tanit, Gevaert 127er Film, Rollfilm 127, Ising Puck, |
Seite 179 aus dem Photo Porst Phtohelfer von 1932 |