2014-10-31

Verschlusszeitentester Nr. 3 (iPhone 6)

Verschlussablauf der Nikon S, spaltenweise von links oben bis rechts unten.

Ich habe an dieser Stelle schon zwei verschiedene Verfahren zum Testen von Verschlusszeiten vorgestellt: 1) per Photodiode und Soundeingang am Computer, 2) per Grauabgleich mit einer Digitalkamera (und hier der Vergleich der beiden Methoden).
Hier nun Methode Nr. 3: Man nehme eine Videokamera, die fähig ist deutlich mehr als 30 Bilder pro Sekunde aufzunehmen, also Zeitlupen (Slow-Motion) produzieren kann und filme eine Zeitlupe vom Verschlussablauf. Ich habe selbst keine Ahnung welche verschiedenen Kameras das alles können, für mich ist nur wichtig dass ich seit kurzem selbst eine besitze: mein iPhone 6. Das kann 240 fps (frames per second), also alle 4.167 ms ein Bild. Und iOS 8 enthält auch iMovie, mit dem man den erzeugten Slo-mo-clip bearbeiten und analysieren kann. Bei meinen Versuchen, erwies es sich als wichtig, dass die Videos bei genügend Licht aufgenommen werden, da sonst die Einzelbilder arg "verwischen" und nicht mehr scharf ausgewertet werden können. 

 

Bei iMovie oder einem anderen Video-Editor (z.B. die Freeware VirtualDub) heißt es nun die Frames (Einzelbilder) zählen, bei denen der Verschluss offen ist. Im obigen Fall (Nikon S, siehe Bild ganz oben) brauchte der erste Verschlussvorhang 7 frames, d.h. 29 ms für die Strecke von 34 mm (sic!). Damit ergibt sich eine Verschlussgeschwindigkeit von ca. 1.17 m/s, nicht besonders schnell. Der zweite Vorhang startet aber schon bevor der erste sein Ziel erreicht hat. Den Abstand vom ersten Vorhang habe ich an einem der Frames zu 25 mm bestimmt, d.h. 73.5% (25/34) des Bildes waren zu jederzeit frei, oder anders ausgedrückt: die Belichtungszeit betrug 73.5% x 29 ms = 21.3 ms = 1/47 s. Eingestellt war 1/60 s, das ist eine leichte Überbelichtung um 27%.
So einfach die Methode auch scheint, ist sie doch mit einem recht ordentlichen Fehler behaftet, der einzig an der verfügbaren Framerate der Videokamera hängt. 240 fps sind schon ganz nett, aber der Vorhang der Nikon S hier braucht ca. 7 Frames, genau könnten es aber auch 6.5 oder 7.5 sein, so genau kann man nicht ablesen. Setzt man das in die obige Rechnung ein, erhält man eine Verschlusszeit von 1/50 bis 1/44 sec. Bei einem modernen, vertikalen Verschluss wird die Sache aber schlechter. Durch die kürzere Strecke und gleichzeitig schnelleren Vorhängen ergibt sich auch ein größerer relativer Fehler.


Um die Methode im Vergleich zu den beiden anderen zu testen habe ich meine Nikon F nochmal durchgemessen. Ich muss allerdings  zugeben, dass ich für die grüne Kurve oben jede Verschlusszeit jeweils nur einmal "gefilmt" habe. Daher fehlt den Daten die Statistik. Allerdings habe ich versucht, die jeweiligen Fehler abzuschätzen (siehe Fehlerbalken). Bei den langen Zeiten ist der Messfehler minimal, da man einfach nur die Frames zählen muss, bei denen der Verschluss komplett offen ist. Dazu kommen jeweils zur Hälfte die Zeit die der erste Vorhang braucht, um den Verschluss zu öffnen, bzw, der zweite Vorhang, um ihn wieder zu schließen. Bei der Nikon F läuft der Verschluss mit ca. 4 frames ab (bei 240 fps). Eine 1/4 s sollte also z.B. 60 Frames liefern, gemessen habe ich 63, also 5% Überbelichtung.

Die kurzen Zeiten ab 1/125 s müssen komplett anders ausgewertet werden. Hier habe ich die Methode im Vergleich zur Quick'n'Dirty Abschätzung oben nochmal verfeinert. Es kommt es darauf an, die Verschlussgeschwindigkeit möglichst genau zu bestimmen:  Anhand der Vorhangpositionen kann man die Verschlussgeschwindigkeit über die Differenz der Einzelbilder bestimmen (die Zeitdifferenz beträgt ja genau 1/240 s). Hier ist das Ergebnis für die Nikon F, die mittlere Vorhanggeschwindigkeit beträgt 2.32 m/s (entspr. 3.7 frames auf 36 mm):

Gleichzeitig erhält man an den entsprechenden Positionen auch die Schlitzweite aus den Bildern. Jetzt muss man nur Geschwindigkeit (in mm/s) durch Schlizbreite (in mm) teilen und erhält die Verschlusszeit (in 1/s). Es mach übrigens nichts, dass die Verschlussvorhänge wie man im Diagramm sieht während des Ablaufs noch beschleunigen. Da sie es beide gleich tun (hoffentlich!) kompensiert sich der Effekt mit der sich ebenfalls entsprechend vergrößernden Schlitzbreite. 
Die Ergebnisse im Vergleich können sich sehen lassen. Bei den langen Zeiten ist die Übereinstimmung mit der ebenfalls dort sehr genauen Oszilloskopmethode sehr gut, bei den kurzen Zeiten ist es bei der Videomethode viel einfacher, sichere Werte abzulesen. Nur die 1/1000 s macht mir noch Sorgen. Hier bräuchte man doch noch eine schnellere Kamera. Es gibt tatsächlich Consumer Digitalkameras, die 1000 fps liefern (z.B. die Exilim Serie von Casio). Das allerdings nur bei einer Bildauflösung von 224x64 Pixeln. In dem Sinne, ist schon erstaunlich, dass das iPhone 6 die 240 fps bei der vollen HD (1280x720) Auflösung schafft. Hut ab, Apple!

2014-10-28

Nikon S

Ein lang gehegter Traum ging gestern mit dem Kauf dieser Nikon S Messsucherkamera in Erfüllung. Schon als Student habe ich mir 1988 Peter Braczko's Nikon Buch schenken lassen und immer wieder darin fasziniert über Nikon's Anfänge im Kamerbau und die exzellenten Messsucherkamers gelesen. In Deutschland wurden diese nie offiziell verkauft (u.a. weil Zeiss Ikon gerichtlich gegen die Verwendung des Namens nIKON vorging). Deshalb sind sie auch sehr selten zu finden und man muss schon lange suchen und viel Glück haben, mal eine in die Hand zu bekommen. Ich erinnere mich noch an mein erstes Mal: Es war ca. 1990 in einem der Fotoläden in Bielefeld, die ich regelmäßig abgescannt habe. Es war (vermutlich) eine S2. Die Kamera war in einem eher schlechten Zustand, der Messsucher war verstellt und auch der Verschluss bedurfte der Überholung. Das Ganze für 600 DM (mein damaliges Monatseinkommen) plus die Reparaturkosten haben mich aber schnell ernüchtert davonziehen lassen. Danach habe ich in Deutschland nie wieder eine in die Hand bekommen.
Dazu musste ich 2007 nach Japan (auf Geschäftsreise) fahren. In Tokyo gibt es einige Gebrauchtkameraläden, die Nikon's Rangefinder führen. Sukiya Camera in Ginza hatte bestimmt 20 verschiedene Messsucherkamers im Fenster, und das Wichtigste vom Objektivprogramm im Angebot. Ich bin natürlich reingegangen, habe auch mal durch einen SP-Sucher geblickt, musste aber feststellen, dass trotz des großen Angebots das Preisniveau sehr hoch ist (für eine sehr gut erhaltene SP wurden umgerechnet ca. 2000 € verlangt).
Jetzt hier in den USA sieht die Sache schon freundlicher aus, denn vermutlich ist auch die Mehrheit aller 138,598 Nikon Rangefinder Cameras hier verkauft worden. Auf ebay.com kann man eigentlich immer welche finden und auch bei meinen Besuchen auf Kameraflohmärkten habe ich schon die eine oder andere in der Hand gehabt. Gestern habe ich dann zugeschlagen, der Preis war eher ein Schnäppchen, bedenkt man den exzellenten Zustand des guten Stücks. Der Verschluss arbeitet nach erstem Ermessen korrekt, der Messsucher ist hell und klar und zeigt wohl richtig an. Den äußeren Zustand geben die Fotos hoffentlich wieder und die Kamera kam mit der originalen Ledertasche und Anleitung.

Die "S" ist Nikon's erstes wirklich erfolgreiches Kameramodell, auch weil mit ihr der Export nach Übersee, zunächst natürlich den USA begann. Das tatsächlich erste Modell hieß Nikon I, wurde schnell technisch zur M und schließlich zur S weiterentwickelt. Alle 3 Modelle können äußerlich schnell verwechselt werden. Man läuft aber kaum Gefahr einer "I" über den Weg zu laufen, die ca. 700 Exemplare befinden sich fest in Sammlerhand. Das Exemplar mit der kleinsten bekannten Seriennummer wechselte 2011 für US$ 159,000 den Besitzer. Aber selbst die anderen Einser sind Sammlern im Schnitt $20,000 wert. Interessanterweise gibt es aber nur sehr wenige optische oder technische Unterschiede zu meiner Nikon S hier.

Nikon und die anderen japanischen Kamerahersteller haben alle als Nachahmer begonnen und vornehmlich deutsche Erfolgsmodelle kopiert. Gerade Nikon hat aber schnell gezeigt, wie man die besten deutschen Zutaten neu kombinieren, dann optimieren und schließlich die deutschen Wurzeln ganz hinter sich lassen kann. Die Nikon S sieht auf den ersten Blick wie ein Contax Klon aus (beonders wegen des Bajonetts), verwendet aber auch technische Elemente der Leica, z.B. den Tuchschlitzverschluss. Das Ganze gewürzt mit exzellenter Handarbeit schuf unverwüstliche und praxisgerechte Kameras, die schnell den Markt eroberten. Im Netz gibt es die ganze Geschichte zu lesen (siehe Links ganz unten). Ich jedenfalls erfreue mich eines neuen Top-Exponates meiner Sammlung und habe schon einen Film damit verschossen, hier sind ein paar Bilder davon.   

Datenblatt KB-Messsucherkamera für 24 x 34(!) mm
Objektiv Nikon S Bajonett für Wechselobjektive, Normalobjektiv Nikkor H.C 5cm f/2 (6 Linsen in 3 Gruppen), vergütet
Verschluss Horizontaler Tuchschlitzverschluss, 1-1/500 s, B und T. Alte Zeitenskala: 1,2,4,8,10,20 (extra Langzeitwerk); 30,40,60,100,200,500 (1/s)
Belichtungsmessung keine
Fokussierung Manuell am Objektiv und Feinfokussierung per Finger-Stellrad, heller Messsucher. Minimale Entfernung (Normalobjektiv) ca. 1 m (3 feet) 
Sucher Optischer Durchsichtsucher (Vergrößerung 0.6x) ohne Paralaxenkorrektur, eingespiegelter gekoppleter Entfernungsmesser.
Blitz Nichtgenormte und getrennte Synchronanschlüsse für schnell und langsam abbrennende Blitzlampen (X = Elektronenblitz wird nicht unterstützt).
Filmtransport Drehknopf gekoppelt mit Verschlussaufzug, Bildzählwerk (muss manuell zurückgesetzt werden), Rückspulknopf.
sonst. Ausstattung Leica-Glocke für Drahtauslöser, Unendlich-Sperre, Zuberhörschuh, Stativgewinde
Maße, Gewicht ca. 136x79x43(66) mm, 644g(850g) (mit Objektiv)
Batterie keine
Baujahr(e) 1951-1954 (36724 Stück), diese hier ca. Mai 1953
Kaufpreis, Wert heute US$295 (1951), heutiger Wert ca. US$800
Links Bedienungsanleitung, Manual (original with this camera), Chris Ozdoba's Nikon Seite, Taunusreiter, Camera-Wiki, Wikipedia (de, en), Peter Lausch, Nikon's eigene Website, Cameraquest 1, Cameraquest 2

2014-10-19

Agfa Silette SLE


Seit langer Zeit endlich mal wieder ein Post von mir und eine Kamera, die ich eigentlich gar nicht haben wollte. Sie kam zusammen mit der Kodak Werbelampe, quasi als kostenlose Beigabe. Ich habe natürlich gleich recherchiert und man findet recht viel über Agfa's Silette Serie (siehe Links ganz unten), aber zu dieser Kamera eigentlich nicht viel. Vermutlich weil sie nur im Jahr 1958 gebaut wurde und dann auch noch unter zwei verschiedenen Bezeichnungen (neben SLE wurde auch "Automatic" verwendet). Agfa brachte ab dem Jahr 1959 im Prinzip technisch ähnliche Kameras in neuem Design raus. Sie ist also recht selten und daher hat sie einen Platz in meiner Sammlung verdient.
Was Agfa im Jahr 1958 als Automatik beworben hat, wurde später als Nachführmessung bezeichnet und der Zeiger des Belichtungsmessers wurde hier immerhin im Sucher eingeblendet. Das war zu der Zeit keine Selbstverständlichkeit. Auch die Tatsache, dass Blende und Verschlusszeit mit dem Belichtungsmesser gekoppelt waren plazierte diese Kamera im Marktsegment des gehobenen Amateurs bzw. wohlhabenden Bürgers. 285 DM entsprechen nach heutigem Geld immerhin ca. €500. Noch bis in Ende der 1970er Jahre wurden Kameras ohne eingebauten oder mit ungekoppelten Belichtungsmesser verkauft, heute kaum noch vorstellbar.
Meine Kamera hier kam leicht defekt bei mir an, die Scheibe vor dem Selenbelichtungsmesser war gesprungen (ich habe sie mit Tesa geklebt) und der Verschluss war von altem Harz verklebt. Nach Ausbau des Frontlinsenelemts habe ich mit Waschbenzin diesen schnell wieder gängig gemacht:


Die Belichtungsmessernadel bewegt sich noch etwas, ich bezweifele aber, dass noch etwas vernünftiges angezeigt wird. Alles in Allem eine nette Bereicherung meiner Sammlung.


Datenblatt KB-Sucherkamera mit gekoppeltem Belichtungsmesser
Objektiv Agfa Color-Solinar 50 mm f/2.8, 3 Linsen (Triplet-Typ), vergütet
Verschluss Prontor SLK Zentralverschluss, 1-1/300 s, B
Belichtungsmessung gekoppelter, eingebauter Selen-Belichtungsmesser mit Nachführmessung, Blendenstufen 2.8-22
Fokussierung Manuell, ohne Fokussierhilfe. Minimale Entfernung 1 m (3.5 feet)
Sucher Heller optischer Durchsichtsucher mit Leuchtrahmen, automatische Paralaxenkorrektur, eingespiegelte Messnadel des Belichtungsmessers.
Blitz Synchronbuchse (M/X umschaltbar) bei allen Verscchlusszeiten.
Filmtransport Schnellspannhebel, Bildzählwerk, Rückspulkurbel.
sonst. Ausstattung ISO-Gewinde für Drahtauslöser, Selbstauslöser (10 s, Hebelstellung "V"), Filmmerkscheibe, Zuberhörschuh, Stativgewinde
Maße, Gewicht ca. 128/88/72 mm, 680g
Batterie keine
Baujahr(e) 1958
Kaufpreis, Wert heute 285 DM (1958), heutiger Wert ca. US$40
Links Emtus, Sammlung Kurt Tauber, Camera-Wiki, Wikipedia (Silette Serie allgemein)