2023-02-23

Rollfilm 129

Der Rollfilm 129 (Kodak Bezeichnung) wurde 1912 für die britische Ensignette No.2 eingeführt und ist der einzige Rollfilm für den Kodak selbst keine Kamera gebaut hat. Es ist ein Zwischenformat zwischen den beiden einzigen heute noch existierenden Rollfilmformaten 120 und 127 (auch wenn letzterer arg vom Aussterben bedroht ist…). Auch wenn seine Wurzeln in England liegen hatte er gerade unter deutschen Kameraherstellern in den 1920er und frühen 1930er Jahren seine beste Zeit, stand aber auch damals im Schatten der beiden anderen Rollfilmformate. Die erste (1923) und wohl erfolgreichste deutsche Kamera war die Krauss Rollette

Die Spule war wie die seines kleinen Bruders 127 ganz aus Metall. Der Kern ragte auf beiden Seiten etwas über den Kragen hinaus, war aber im Gegensatz zum 127 nur auf einer Seite eingekerbt, damit dort der Transportschlüssel der Kamera greifen konnte. Den 129er gab es nur in einer Länge mit lediglich 6 Aufnahmen pro Film, was sicherlich ein Grund für das kurze Leben auf dem Fotomarkt war. Hier mal meine Rollfilmspulensammlung im Vergleich mit ein paar technischen Daten in der Tabelle inklusive Links zu wichtigen Rollfilmkameras.
Rollfilm... 116 117 120 620 129 127
Bildformat (Anzahl Bilder) 6.5x11 (8) 6x6 (6) 6x9 (8)
6x6 (12)
6x4.5 (16)
6x9 (8)
6x6 (12)
6x4.5 (16)
5x8 (6)3x4 (16)
4x4 (12)
4x6.5 (8)
Filmbreite 70 mm61 mm61 mm61 mm52 mm46 mm
nutzbare Bildbreite 64 mm56 mm56 mm56 mm48 mm41 mm
Kernlänge 73 mm65 mm65 mm64 mm57.5 mm54.5 mm
Kerndurchmesser 12 mm11.9 mm11.9 mm7.1 mm6.2 mm4.6 mm
Kragendurchmesser 32 mm22.2 mm25.2 mm23 mm19.5 mm18.8 mm
Agfa Bezeichnung D-6B1B2-8PB20N-6A-8
auf dem Markt (von-bis) 1899-19841900-195?1901-…1932-19951912-19511912-…

Ich bin stolzer Besitzer von Photo-Porst Katalogen aus den Jahren 1932, 1935 und 1938. Was dort über die verfügbaren Rollfilme und ihre Preise steht, ist sehr interessant, siehe die drei Scans unten. Es scheint Hersteller übergreifende Einheitspreise gegeben zu haben, wobei der 129er Rollfilm (5x8) ca. 15-20% teurer war, als die jeweils nächst kleinere (127) oder größere Variante (120). Auch war ab 1935 die Auswahl für den 129er sehr beschränkt. Natürlich ist das nur das Angebot des größten Fotoversandhändlers, und es kann durchaus sein, dass es bei anderen Händlern etwas anders aussah.
   
1932 1935 1938

2023-02-14

G.A. Krauss Rollette (2)

Mein letzter Artikel über die Rollette ist schon sehr umfangreich, hier kommt aber noch mehr. Während meiner online-Recherchen zur Kamera habe ich einige ebay Auktionen als Quelle verwendet. Wie es so kommt, konnte ich bei einem Angebot nicht widerstehen und habe es gekauft. Grund war natürlich, dass es diese (von mir) Typ 5 genannte Variante ist, die sich in allen wesentlichen Details von Typ 2 der anderen Kamera unterscheidet. Außerdem war eine originale Gebrauchsanweisung dabei, die ich hier gerne teile. Auf der Titelseite unten links steht ein "D.VI.28", was ich mal als von 1928 interpretiere. Auch der Aufkleber auf der Titelseite weist wie das metallene Schildchen auf der Rückseite der Kamera auf das Fotogeschäft "Chr.Fr. Winter Sohn" in Leipzig hin. Auch das deute ich in dem Sinne, dass diese Anleitung tatsächlich zu meiner Kamera hier (Seriennummer 25366) gehört und zusammen mit ihr erworben wurde. 
Typ 2 (ca. 1925) und Typ 5 (1928) im Vergleich. Man erkennt fast alle Unterschiede: Ständer, Laufbodenstreben, Krauss-Symbol, Krauss Prägung, Gehäuseriegel, Feinfokussierung. Nicht zu sehen sind das zusätzliche Stativgewinde (Typ 5) bzw. die Rollette-Prägung (Typ 2) auf der Rückseite des Laufbodens.
Die Unterschiede dieser beiden Rollette Haupttypen 2 und 5 zeigt das Bild oben, alles andere kann man auf den restlichen Bildern dieser Seite betrachten. Ich hatte noch vermutet, dass mit den geänderten Streben auch ein federgespanntes Öffnen des Laufbodens verbunden war, dem ist leider nicht so. Der Fotograf muss selbst Hand anlegen und den Laufboden herunterklappen, einrasten lassen und dann mit Zeigefinger und Daumen der rechten Hand Objektiv mit Balgen herausziehen. Noch detaillierter als hier wird das in der Gebrauchsanleitung beschrieben. Dort steht auch auf Seite 9 unten, dass es parallel zum Typ 5 eine einfache Version gegeben hat. Mein Typ 4 hieß also offiziell "Rollette Nr. 216".

Inzwischen habe ich auch noch weiter zur Konkurrenz der Rollette recherchiert, die tatsächlich die erste 5x8 Rollfilm-Laufbodenkamera war und diese 129er Film-Kameraklasse begründet und wohl auch verkaufszahlenmäßig dominiert hat. Folgende Kameras habe ich bisher ausgegraben: 1) Contessa Nettel Cocarette Mod. 207 (ab 1926), später als Zeiss Ikon Cocarette 519/14 weitergeführt. 2) Voigtländer "Rollfilm 5x8" (1927-1931). 3) Emil Busch Klappkamera 5x8 (?). 4) Nagel Vollenda 60 (1930-1931). 5) Zeiss Ikon Ikonta 520/14 (1930-1931). 6) Orionwerk Rio 82B (1927 ?). 7) Welta Perle (ab 1930, ein etwas moderneres Design als alle vorherigen). 8) Bing FITA (1931). 9) Kern Simplo (nach den Bildern auf ebay baugleich mit der Rollette und vermutlich auch von Krauss für Kern gebaut). Der Rollette nachgebaut ist die japanische Nifcarette (ab 1929), diese allerdings für 127er Rollfilm.

Mit dem "Zwischenformat" 5x8 ging es im Krisenjahr 1932 spätestens zu Ende, danach gab es keine neuen Kameras mehr für den 129er Film (Agfa N6, etc.). Es war sowieso die Zeit der großen Umbrüche in der Fotolandschaft. Die Plattenkameras wurden zu Ladenhütern, alle Welt kaufte stattdessen Kleinbildkameras und die Branche selbst sortierte sich neu. Der 129er Film selbst hatte es vermutlich auch nicht leicht. Mit nur 6 Bildern pro Film war er gegenüber dem 127er oder dem 120er (jeweils 8, bzw. 12 bei 4x4 und 6x6 oder gar 16 bei 3x4 und 4.5x6) eher unattraktiv und als Nischenprodukt wohl auch nicht überall zu bekommen. 

2023-02-06

G.A. Krauss Rollette

Kompakte Rollfilmkameras aus den 1920ern, gerne auch als Westentaschenkameras bezeichnet, werden langsam zu einem neuen Sammelschwerpunkt von mir (hier ihre Übersicht). Diese Rollette ist aus heutiger Sicht besonders, verwendete sie doch als erste deutsche Kamera den Rollfilm (Kodak) 129 (Agfa N6). Dieser ist eine Zwischengröße zwischen dem 120er und dem 127er und die Rollette ist tatsächlich fast genauso groß wie die Vest Pocket Kodak, bietet aber 40% mehr Bildfläche. Der Filmstreifen ist 52 mm breit, das Bildformat ist 5x7.5 cm (2''x3'') und wird gerne auch mal auf 5x8 aufgerundet. Das exakte Bildmaß bei der Rollette ist 48x74 mm. Die Bilddiagonale und damit die Brennweite für ein Normalobjektiv ergibt sich somit zu 9 cm.

Viele Rollfilmkameras ihrer Zeit wurden für unterschiedliche Rollfilme (127, 129, 120, 116) und damit in unterschiedlichen Größen angeboten, zum Beispiel die ebenfalls in Stuttgart gebauten Nagel Vollendas. Für die Rollette trifft das allerdings nicht zu, sie gab es in nur einer Gehäusegröße für den Rollfilm 129 und das Format 5x7.5. Im Netz und auch sogar bei Camera-Wiki wird behauptet, es hätte sie auch für den Rollfilm 127 (4x6.5) gegeben. Das ist irreführend, aber nicht komplett falsch. Ich habe mir große Mühe gemacht, ein Bild oder Prospekt einer solchen entsprechend kleineren 127er Variante im Netz aufzuspüren: Fehlanzeige! Allerdings habe ich zwei Kameras aufgestöbert, die den 127 Film in der 129er Kamera nutzten. Dazu unten mehr.

Bei meiner Recherche bin ich allerdings verschiedenen Varianten bzw. Bauformen über den Weg gelaufen, die ich im Folgenden kurz dokumentieren möchte. Ich meine damit nicht verschiedenen Objektive oder Verschlüsse, die gab es auch (siehe z.B.  Rollette Prospekt). Nein, ich meine, die folgenden Veränderungen der Bauform erfolgten nacheinander im Laufe der Zeit:
    Typ 3 (1927)
Typ 1: Rollette mit Spreizenmechanismus, den sie wohl mit der Krauss Plattenkamera Knirps/Nanos gemeinsam hatte. Die verlinkte Kamera hat als Seriennummer die 2342 und keine Belederung. Es ist die einzige dieser Art, die ich finden konnte und vermutlich nicht oft gebaut worden.

Typ 2: Rollette mit Laufboden, so wie meine hier dokumentierte Kamera. Charakteristisch ist der rechteckige Aufklappständer und die einteiligen Streben, die den Laufboden stabilisieren und beim Einklappen in Richtung Kamerarand einschwenken. Die zugeklappte Kamera ziert der gezeigte "Rollette" Schriftzug, entweder in Leder geprägt oder (bei frühen unbelederten Kameras) weiß graviert im schwarzen Hammerschlaglack. Der geöffnete Laufboden zeigt das kreisrunde "GKAS"-Symbol (für G.A. Krauss, Stuttgart). Meine Kamera hat die Seriennummer 5141, eine andere unbelederte habe ich mit 4302 gefunden. Ich ordne den Typ 2 mal den Baujahren 1924-1926 zu.

Typ 3: Rollette mit Laufboden, wie im Prospekt von 1927 gbgebildet. Die Streben sind nun zweigeteilt mit Scharnier und schwenken beim Einklappen Richtung Kameramitte. Ob mit dieser Änderung auch ein federgespanntes Selbst-Aufrichten des Laufbodens auf Knopfdruck einherging, konnte ich in Ermangelung eines solchen Exemplars nicht ergründen, scheint aber sinnvoll. Dieser Typ und alle vorherigen haben ein ca. 10-cent-Stück großes Drehrad mit den Buchstaben Z und A als Verriegelung der Gehäusehülle. Dieser Typ ist relativ selten zu finden, weil wohl nur im Jahr 1927 produziert. Ich habe ein Exemplar mit der Seriennummer 17489 gesehen.

Typ 5, von einer Gebrauchs-
Anweisung von 1928
Typ 4: Ab Variante 4 gibt es einen "Elefantenfuß"-Ständer mit eingraviertem Rollette Schriftzug darauf und ein in Leder geprägtes "Krauss" oberhalb des Objektivs. Die Verriegelung ist nun mit einem kleineren Schieber realisiert. Das runde GKAS-Symbol wurde durch einen einfachen "Krauss - Stuttgart" Schriftzug ersetzt. Alle Kameras mit RIM-Compur gehören zu dieser oder (meist) zur nächsten Variante. Dieser kam ja erst 1928 auf den Markt, was als Anhaltspunkt für die zeitliche Einordnung dienen kann. Variante 4 gab es wohl einige Zeit parallel zu 5 als einfache Version: Pronto Verschluss, einfaches f/6.3 Rollar, kein Rahmensucher. Seriennummern dazu, z. B. 30962, 38792.

Typ 5: Wie Variante 4 und parallel zu dieser, aber mit zusätzlicher Feinfokussierung per extra Hebelchen auf der rechten Seite. Bei früheren Versionen rastete der Laufboden in Unendlich Stellung ein und musste zum Fokussieren per Finger entriegelt und das ganze Objektiv auf dem Laufboden händisch verschoben werden. Dafür gab es auf der linken Seite eine kleine Skala (siehe Foto unten). Mit der Feinfokussierung gab es auch noch ein zweites Stativgewinde im Laufboden selbst. Diese Variante ist heute auf dem Sammlermarkt am häufigsten zu finden, Seriennummern reichen von ca. 20000 (z.B. eine Luxus mit einem Tessar von 1928: 22381) bis rauf zur 44448 und können den Jahren 1928-1931 zugeordnet werden.
Typ 6

Typen 3-5 Luxus: Von den Bauvarianten 3-5 und wohl am häufigsten von der Variante 5 gab es sogenannte Luxus-Versionen mit gelbem oder hellbraunem Leder und glänzend polierten Kanten. Solche Kameras wurden häufig dann auch mit Carl Zeiss Tessar 9cm/4.9, 8cm/4.5 oder gar 7.5cm/4.5 gekauft. 

Typ 6: Neben Typ 1 existiert wohl noch eine exotische, diesmal späte Variante, die ich auf Grund des verwendeten RIM-Compur und der Tessar Seriennummer in das Jahr 1931 stecke. Mir ist sie nur einmal untergekommen. Sie hat einen komplexen Spreizenmechanismus (siehe Bild), der eine Fokussierung per Drehknopf am Gehäuse realisiert. Außerdem wurde der bisherige Rahmensucher durch einen Aufklapp-Durchsichtsucher ersetzt. Ich schätze, es hat nicht viele davon gegeben und G.A. Krauss hat sich ab 1932 dann auf die Peggy konzentriert.  

Varianten für den 127er Film: Bleibt die Frage nach der Verwendung von 127er Film. Hier habe ich zwei Varianten entdeckt, beide vom Typ 5, und ich weiß nicht, ob die Firma Krauss selbst daran beteiligt war. Für mich ist jedenfalls klar, dass es keine prinzipiell kleinere Rollette-Variante für den 127er Film gegeben hat.
129er Rollette mit 127er-Adapter Modifizierte Rollette für 127er Film
mit 6.5x4 cm Maske
Ansonsten ist die Firma G. A. Krauss in Stuttgart ein interessanter Kamerahersteller. Einfach aus dem Grund, dass sie zwischen 1920 und 1936 lediglich vier Kamerakonstruktionen (in mehreren Varianten) gebaut haben, die letzte davon war die Peggy, eine der wenigen Leica Konkurrentinnen der frühen Kleinbild-Ära. Laut Hartmut Thiele's "Wer war Wer - Die Deutsche Photoindustrie" wurde das Fotohandelsgeschäft 1895 von Gustav Adolf Krauss in Stuttgart gegründet und erst 1920 durch eine eigene Kameraproduktion erweitert. Das erste Produkt war die Stereoplast, gefolgt von der kompakten Spreizenkamera Nanos/Knirps für 4,5x6 cm Platten. Im Netz gibt es widersprüchliche Angaben, welcher der beiden Namen für diese Kamera zuerst verwendet wurde. Wie dem auch sei, angeblich wurde die Rollette 1923 vorgestellt und bis zum Start der Peggy 1931/1932 gebaut, siehe oben. Die Kameraproduktion wurde 1936 verkauft (an wen?). Das Fotogeschäft in Stuttgart gab es noch bis 1991 bis es an Photo Porst verkauft wurde.

 
Ich denke, die Rollette war Krauss' erfolgreichste Kamera, ansonsten hätte es nicht so viele Verbesserungen über die Jahre gegeben. Mit weniger als 50-Tausend Kameras in 12 Jahren, davon die Hälfte in den letzten ca. 3 Jahren 1928-1930, gehörte Krauss am Ende nicht zu den großen Kameraherstellern, aber Mitte der 1920er sicherlich zu den Pionieren der Rollfilm-Ära. Als am Ende des Jahrzehnts sich Zeiss Ikon formierte, Agfa mit dem Kamerawerk in München durchstartete, Voigtländer den Rollfilm für sich entdeckte und August Nagel das spätere Kodak-Nagelwerk etablierte, da konnte Krauss nicht mehr mithalten und fokussierte sich ein paar Jahre lang noch auf den neuen Kleinbildfilm. Aber auch das blieb eine Episode. 

Datenblatt Kompakte Laufboden-Rollfilmkamera, 5x8 auf Rollfilm 129
Objektiv Rollar-Anastigmat 9cm f/6.3 (Triplet), andere Lichtstärken bis f/4.5 sowie Zeiss Tessar f/6.3, f/4.9 oder f/4.5 optional erhältlich.
Verschluss Compur Zentralverschluss, B-1-2-5-10-25-50-100-300, oder Pronto B-25-50-100 1/s. Ab 1928 auch mit RIM-Compur.
Fokussierung durch verschieben des Objektivs auf dem Laufboden, Einrasten bei Unendlich, kleine Skala. Typ 5 ab 1928 mit Feinfokussierungshebel. Keine Scharstellhilfe.
Sucher drehbarer Brilliant- und aufklappbarer Draht-Rahmensucher.
Filmtransport Drehrad, rotes Fenster für Rückseitenpapierkontrolle.
sonst. Ausstattung Stativgewinde 3/8‘‘, Drahtauslösergewinde, ausklappbarer Standfuß.
Maße, Gewicht ca. 128x65x25 mm, 290 g
Baujahr(e) 1923/24 bis 1931, ca. 40000 Exemplare, dieses #5141 ca.1926.
Kaufpreis, Wert heute 117 sFr (diese Ausführung, 1927), ca. 40 €
Links Rollette Prospekt, Engel-ArtCamera-Wiki, Earlyphotography, BlendeundZeit, Collection Appareils, List of photgraphic films
Bei KniPPsen weiterlesen Rollette Fortsetzung (Vergleich Typ 2 und Typ 5), Peggy (Typ Norm)