Neulich wollte ich mal wieder die Verschlusszeiten einer meiner Kameras testen (
Petri Automate, ich hatte den Verschluss gereinigt und überhaupt erst wieder gangbar gemacht), da versagte mein
Verschlusszeitentester, eine Lötstelle war gebrochen. Natürlich hätte ich den Lötkolben rausholen können, aber ich hatte in dem Moment keine Lust dazu. Ich hatte nämlich eine Idee! Warum nicht meine Digitalkamera als Referenz verwenden, eigentlich sollten deren Verschlusszeiten 100%ig genau sein (bewiesen habe ich das bisher nicht). Ich habe also erste vielversprechende Tests gemacht und dann
per googlen festgestellt,
dass auch andere diese Methode schon angewendet haben. Dennoch hier nochmal kurz meine Methode in zwei verschieden komplizierten Ausprägungen.
Aufbau und Technik
Man benötigt eine Digitalkamera, bei der man die Verschlusszeiten manuell einstellen kann, außerdem ist für Methode 1) die Anzeige des Histogramm auf dem Kameradisplay Voraussetzung. Ein Objektiv braucht die digitale nicht, es geht sogar besser ohne. Ich habe aus einem Zwischenring, einem UV-Filter, etwas Pappe und schwarzem Isolierband einen Adapter gebastelt, der es erlaubt die Kamera ohne Gefahr für den Sensor an die Stelle des Films der Testkamera zu halten, und das fast lichtdicht. Die Fotos links von Adapter und Kameranordnung sollten genügen, so etwas entsprechend nachzubauen.
Kalibrieren
Bevor man Verschlusszeiten messen (eigentlich: vergleichen) kann heißt es eine Kalibrierreihe aufnehmen. Dazu bringt man die Kameras in Messanordnung und stellt den Verschluss der Testkamera auf "B". Dann nimmt man eine Reihe von (möglichst unscharfen) Fotos einer gleichmäßig ausgeleuchteten Fläche auf. Dazu wählt man die Sensorempfindlichkeit, Ausleuchtung und Blende der analogen Testkamera so, dass bei einer mittleren Verschlusszeit an der Digitalkamera (z.B. 1/60 Sekunde) die Belichtung stimmt. Das ergibt als Bild eine mittelgraue Fläche mit einem Helligkeitswert von ca. 127 (0 ist Schwarz und 255 Weiß, zu ermitteln mit Bildbearbeitungsprogrammen wie Photoshop oder
Gimp und vielen anderen). Wenn man jetzt eine Verschlusszeiten-Reihe aufnimmt, erhält man eine Kurve wie meine ganz oben. Wie man sieht ist die Kurve im mittleren Bereich über ca. 3 Blendenstufen linear, was man wunderbar für meine Methode zur Bestimmung der wirklichen Verschlusszeit ausnützen kann.
Messen
Die eigentliche Messaufnahme geht dan andersherum: Man schließt zunächst den Verschluss der Testkamera, stellt die Digitalkamera auf 1 oder 2 Sekunden. Dann löst man erst diese aus und kurz darauf die Testkamera mit der zu testenden Verschlusszeit. Den Grauwert des resultierenden Fotos vergleicht man dann mit den Grauwerten der Kalibrierreihe und ermittelt so die tatsächliche Verschlusszeit (nicht absolut, sondern im Vergleich zur Digitalkamera). Hierzu gibt es wie gesagt (mindestens) zwei Methoden:
Auswerten (1), die Quick'n'Dirty Methode
Man klebe eine transparente Folie (z.B. Displayschutzfolie) auf das Kameradisplay und anhand der angezeigten Histogramme der Testfotos kann man mit einem Folienstift darauf markieren, was jeweils Unter- oder Überbelichtung ausmachen. Bei mir sah das so wie auf den Fotos aus. Dann sucht man sich eine Basis-Verschlusszeit aus und stellt Blende und/oder Empfindlichkeit so ein, dass ein mittlerer Grauwert resultiert, sprich das Histogramm zeigt Null. Jetzt werden wie oben beschrieben die Messaufnahmen gemacht, man kann wegen der Linearität 3 Verschlusszeiten zu einer Basis testen (z.B. Basis: 1/60, Test: 1/30, 1/60, 1/125). Man liest nun den jeweiligen Blendenwert für die Messaufnahmen aus dem Histogramm ab und erhält durch Vergleich mit der Basis-Verschlusszeit die tatsächlichen Verschlusszeiten der Messaufnahmen. Den ersten Teil der Formel unten kann man dazu verwenden. Beispiel: Tb= 1/30 s, Sollzeit: 1/25s (z.B an meiner Petri). Messaufnahme zeigt 2/3 Blendenstufen Überbelichtung, ergibt (1/30)*2^(2/3)= 1/19 s.
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Formel (1): Verschlusszeit Tx in Abhängigkeit von Basis-Verschlusszeit
und Belichtungsdifferenz B in Blendenstufen. H sind die jeweiligen
Helligkeitswerte im Histogramm und k die Steigung der Kalibriergerade. |
Auswerten (2), die Bildanalyse-Methode
Das Ganze kann man natürlich auch etwas genauer und ohne Folienstift haben. Per linearer Regression bestimmt man die Steigung k der Geraden, die den Zusammenhang zwischen Belichtungsdifferenz und Helligkeitswert im mittleren Bereich der obigen Kurve beschreibt (Kalibrierung mit den bekannten Verschlusszeiten der Digitalkamera). Formel (1) gibt dann die Verschlusszeit der Testkamera Tx beim entsprechenden Helligkeitswert des Testbildes Hx. Mit Excel kann man das wunderbar automatisieren.
Eine kleine Fehler-Betrachtung
Die ganze Methode funktioniert natürlich nur,
wenn die Digitalkamera tatsächlich exakte Verschlusszeiten liefert. Ich sehe
allerdings keinen Grund daran zu zweifeln. Ich habe meine mit einem Handbelichtungsmesser verglichen und bei LW12 sagen beide das selbe. Wenn man darauf achtet, dass das
Referenzbild tatsächlich ein mittleres Grau (H=127) hat und die eigentlichen
Messungen Grauwerte zwischen ca. 64 und 200 aufweisen (linearer Bereich), dann
halten sich die Fehler in recht engen Grenzen. Die größte Ungenauigkeit kommt
wohl von ungleichmäßiger Ausleuchtung des Bildes, bzw. Vignettierung zu den
Rändern hin. Dies führt zu einer mehr oder weniger breiten
Helligkeitsverteilung im Histogramm und nicht zu einem einzelnen Wert. Man kann
aber in Methode (1) die Spitze des Histogramms verwenden und in Methode (2) einen
Helligkeitswert aus dem Bildzentrum verwenden. Für die Quick’n’Dirty Methode
würde ich mal aus der Hüfte eine Genauigkeit von etwa einer 1/3 Blendenstufe
abschätzen, für die Bildanalysemethode je nach Aufwand bis zu 1/20 Blendenstufe
(5%). Interessanterweise ist das unabhängig von der eigentlichen Verschlusszeit
und damit komplimentär
zur absoluten Methode mit Diode und Oszilloskop/Soundkarte.
Diese ist sehr genau bei langen Verschlusszeiten, weil der absolute Fehler
abhängig ist von der Auflösung des Oszilloskops. Relativ gesehen wird dieser
Fehler bei kürzer werdenden Verschlusszeiten immer größer. Bei der hier
beschriebenen Methode ist der relative Fehler immer gleich und damit ist sie
für die kurzen Zeiten besser geeignet als die andere und für die langen Zeiten
immer noch gut genug.
Messergebnisse Petri
Automate
Wie man sieht, ist das alte Schätzchen nur bei den langen Zeiten akurat, schon ab der 1/10 sec wird regelmäßig überbelichtet. Aber wenn man bedenkt, dass sie noch vor kurzem gar nicht auslösen wollte, doch recht gut.