2011-04-21

Hannibal Goodwin

Hannibal Goodwin war ein Geistlicher der episkopalen Kirche in New Jersey, der heute vor 189 Jahren (1822) in Tompkins County im Staat New York geboren wurde. Neben seiner Tätigkeit als Prediger tüftelte er an einigen Erfindungen und meldete er am 2. Mai 1887 das US-Patent Nr. 610861 an. Er hatte damit, später amtlich beglaubigt, den Rollfilm auf Zelluloidbasis erfunden. Fotografieren  hieß damals, schwere und zerbrechliche Glasplatten mit sich herumtragen. Daher experimentierte nicht nur Goodwin mit Zelluloid, dem ersten thermoplastischen Kunststoff, der von John Wesley Hyatt ca. 20 Jahre vorher erfunden wurde, sondern auch der Chemiker Henry M. Reichenbach, der für George Eastman und seine Kodak Kamera einen transparenten Film entwicklen sollte. George Eastman, den viele zu Unrecht für den Erfinder des fotografischen Films halten, hatte gerade erst begonnen, seine Vision umzusetzen, Kameras und Fotomaterial für Jedermann zu verkaufen. Da kam ihm ein alternder Prediger mit dieser wichtigen Erfindung in die Quere!
Goodwins Sprache war als Geistlicher sehr blumig und als technischer und auch rechtlicher Laie hatte seine langatmige Patentanmeldung nicht die Präzision, William Burke, den Patentbeamten schnell zu überzeugen, das Patent zu erteilen. Erst als dieser auch Reichenbachs Anmeldung am 9. April 1889  auf den Tisch bekam  und Kodak sogar mit Produktion und Verkauf der Filme begann, kam Bewegung in die Sache. Goodwin war inzwischen im Ruhestand, hatte rechtliche Berater und durfte immer wieder Erläuterungen und Ergänzungen seiner Anmeldung anfügen. Dennoch zog sich das Verfahren noch über Jahre hin. Erst am 13. September 1898, Goodwin war schon 76 Jahre alt, wurde sein Patent endgültig erteilt. 

Nach diesem Erfolg gründete Goodwin seine eigene Firma, um den Film tatsächlich auf den Markt zu bringen. Zu dieser Zeit hatte Eastman Kodak in Nordamerika einen Anteil von 80% am enorm wachsenden Foto- und Filmmarkt. Leider kann Goodwin die Früchte seiner neuen Firma nicht mehr ernten. Er stirbt am 31.12.1901 und seine Witwe verkauft die Firma und mit ihr die Rechte an dem Patent an E. & H. T. Anthony Company  sowie Adams and Scovill, die sich bald darauf zusammenschließen und später in Ansco umbenennen.  Der neue Eigentümer bietet Kodak die Rechte an dem Patent für eine Million Dollar an, Eastman lehnt aber ab. Daraufhin verklagt Ansco Kodak, ein Patentverletzungsverfahren, was sich wieder Jahre hinzieht. Erst 1914, also fast 25 Jahre nach dem Beginn des Streites wird endgültig entschieden:  Eastman Kodak muss 5 Millionen Dollar an Ansco zahlen, die mit dem Geld ihre Firma ordentlich erweitern können. Nur zum Vergleich: Kodak verkaufte damals einfache Boxkameras für 1$ inkl. Film!
Kann man nun Hannibal Goodwin wirlich als Vater des fotografischen Films ansehen? Seine ursprüngliche Methode wurde in der angemeldeten Form nie verwirklicht und man kann Reichenbach und Eastman auch nicht vorwerfen, von Goodwin abgeguckt zu haben. Goodwin war einfach nur etwas schneller und hatte am Ende Glück, dass sein Patent in dem langen Verfahren Bestand hatte. Für die Arbeiten, den Film zur Marktreife zu entwickeln, gebührt Eastman und seinen Mitarbeitern Respekt. Dass sie am Ende ihrem Konkurrenten soviel Geld zahlen mussten, ist Ironie der Geschichte, hat dem Fotomarkt aber sicher gutgetan, denn Konkurrenz belebt ja bekanntlich das Geschäft. Wer noch mehr Details zu dem Patentstreit nachlesen will kann das hier tun.
Zelluloid (Nitro-Zellulose) wird als Filmunterlage übrigends schon lange nicht mehr verwendet und wurde  schon vor fast 100 Jahren langsam durch Zellulose-Acetat (sog. Sicherheitsfilm) und später  auch Polyester ersetzt. Nitrozellulose ist nämlich höchst brennbar und unter bestimmten Bedingungen sogar explosiv. Viele Kinos sind abgebrannt, weil ein stehengebliebener Film sich an der heißen Projektionslampe entzündet hat. Zelluloid lässt sich nämlich von keinem Löschmittel mehr löschen, wie dieser Lehrfilm der freiwillen Feuerwehr in Laxenburg (Österreich) von 1965 eindrucksvoll zeigt:

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